Und ein doppelt gebrochenes Herz

Samu sah ihr direkt in die Augen.

„Ich habe derzeit keine Freundin“, sagte er.

Lucy wusste nicht, was sie von dieser Aussage halten sollte. Es stimmte, aber trotzdem fühlte sie sich  betrogen.

„Samu, eine weitere Frage“, rief eine der Journalistinnen.

Lucy starrte immer noch den blonden Mann hinter dem Mikrofon an. Sie konnte ihren Blick nicht abwenden. Genauso wenig wie er.

„Lucy“, zischte jemand. Jessi hatte sie angesprochen und deutete nun mit dem Kopf in Richtung der sich meldenden Reporterin.

Ertappt zuckte sie zusammen und beeilte sich der Journalistin das Mirkofon zu reichen. Die Frau entriss es ihr mit herablassendem Blick.

„Samu Haber, wer war dann die Frau mit der sie vorgestern Abend gesehen wurden?“, fragte sie mit schneidender Stimme.

Lucy fing an zu schwitzen. Ihre Hände fühlten sich eiskalt an.

Sie traute sich nicht den Sänger anzusehen, als er anfing zu sprechen.

„Das war Niemand... Niemand wichtiges“

Die Journalistin vor ihr setzte sich in ihren Stuhl auf.

„Laut Insiderinfos haben Sie den gesamten Abend mit dieser Frau verbracht. Warum sollten Sie das tun, wenn Sie Ihnen nicht wichtig wäre?“, bohrte sie weiter nach.

„Das frage ich mich inzwischen auch“

Druck bildete sich auf Lucys Brust und sie hatte das Bedürfnis aus dem Raum zu rennen. Sie spürte, dass der Bandfrontman sie anschaute.

„Herr Haber, was soll das bedeuten?“, fragte nun einer der Reporter hinter Lucy.

„Das bedeutet, dass es keine weiteren Treffen mit dieser Frau geben wird“

Lucy sah ihn nicht an. Auch wenn ihr Herz gerade zerschmetterte. Das wars dann wohl mit Sams Idee.

Weitere Fragen wurden gestellt, aber der Leadsänger schwieg.

„Falls Sie keine weiteren Fragen zur Tour oder zum neuen Album haben, dann erklären wir die Pressekonferenz hiermit als beendet“, sagte der Bandmanager.

Lucy dankte ihm innerlich auf Knien. Wie in Trance beobachtete sie, wie Kameras eingepackt und Aufnahmegeräte verstaut wurden.

Der Raum leerte sich zunehmend und sie hatte sich immer noch nicht von der Stelle bewegt, an der die bissige Journalistin gesessen hatte.

Ein Tippen auf ihrer Schulter holte sie zurück in die Realität.
Jessi stand hinter ihr.

„Hey meine Liebe, ist alles in Ordnung? Du wirktest ziemlich abwesend während der Konferenz“

Lucy winkte nur ab und machte sich ans aufräumen. Die Band hatte den Raum längst verlassen. Lucy hatte sie keines Blickes gewürdigt.

Der Rest ihres Tages zog nur so an ihr vorbei. Sie machte Botengänge für Jessi, brachte den Meet&Greet Raum auf Vordermann und kümmerte sich ums Catering. Und während all dieser Tätigkeiten versuchte sie verzweifelt nicht an den Moment zu denken, als Samu Haber gesagt hatte, dass er sich nicht mehr mit ihr treffen würde.

Das Übelkeitsgefühl in ihrer Magengegend nahm nicht ab und sorgte dafür, dass sie sich noch unwohler fühlte.

Kurz nach 20 Uhr Abends, nachdem sie gerade mit dem Sortieren der Merchandiseprodukte im Lager fertig war, lehnte sie sich an die Wand vor Jessis Büro.

Eigentlich hatte sie überhaupt keine Lust auf das Date mit Brian, aber sie redete sich ein, dass er sie von ihren Gedanken, an einen gewissen blonden Mann, ablenken könnte.

Irgendwie hatte sie bei Brian kein gutes Gefühl, sie wusste auch nicht warum, aber etwas an ihm störte sie. Sie schüttelte gedankenverloren den Kopf. Sie sollte sich zusammenreißen. Wie Sam sagte, konnte sie sich nicht ewig vor Männern und Dates verstecken, nur weil ein Einziger sie schlecht behandelt hatte.

„Hey“, begrüßte sie jemand. Lucy sah nach links und bemerkte Brian neben sich stehen. Sie hatte ihn gar nicht kommen hören.

„Bereit für unser Date?“, fragte er nun.

Eigentlich nicht, dachte Lucy.

„Verrätst du mir jetzt, was wir vorhaben?“, wollte sie wissen.

Er schüttelte nur den Kopf.

„Das bleibt eine Überraschung. Komm mit“

Lucy biss sich auf die Lippe. Sie mochte solche Andeutungen nicht. Genauso wenig wie Überraschungen.

Trotzdem lächelte sie ihre Zweifel fort und folgte ihm. Zu ihrer Verwunderung führte er sie nicht aus der Arena heraus, sondern tiefer in den Backstagebereich hinein.

Je näher sie dem Bühnenbereich kamen, desto mehr hoffte Lucy, dass sich ihre nun aufkommende Vermutung nicht bewahrheiten würde.

Leider tat sie es doch.

Brian grinste sie glücklich an, bevor er die Tür zur Arenamitte aufstieß.
Lucy dagegen bekam leichte Bauchschmerzen.

Ein Schwall aus Musik und kreischenden Fans ließ ihre Trommelfelle vibrieren.

Sie zögerte einen Moment an der geöffneten Tür. Brian nahm ihr die Entscheidung ab, indem er ihre Hand griff und sie zu sich zog.

Sie wollte protestieren, war aber von der schieren Masse an Eindrücken zu überwältigt, um etwas gegen ihn zu sagen. Er brachte sie in den Bereich direkt vor der Bühne und hielt ihre Hand dabei fest.

Eigentlich wollte sie die Bühne und den Mann ganz vorn nicht ansehen, aber sie kam nicht drumherum, starrte die Band und ihren Frontman einfach nur an.

Keine drei Meter trennten Lucy von der großen Bühnenfläche. Sie warf einen Blick über die Schulter und sah eine Masse von jubelnden, kreischenden und weinenden Mädchen vor sich.

Ach du Heilige.

Schnell blickte sie wieder nach vorn.
Die Band spielte gerade ein neues Lied an.

„Soll ich uns was zu trinken holen?“, sagte Brian nah an ihrem Ohr.

Lucy drehte ihren Kopf so schnell in seine Richtung, dass ihr Nacken wehtat. Sie hatte seine Anwesenheit schon fast vergessen vor lauter Überforderung.

This is the end, you know
Lady, the plans we had went all wrong
We ain't nothing but fight and shout and tears

Gern“, sagte Lucy und hoffte einfach nur, dass er verschwand, damit sie sich in Ruhe sammeln konnte.

Brian lächelte sie an und ließ ihre Hand los, bevor er sich auf den Weg zu einem der Getränkestände machte.

Nun stand sie also allein da.

Ihre Hände schwitzten und ihr Herz schlug um einiges schneller, als es sollte.

Out of my head, out of my bed
Out of the dreams we had, they're bad

Seine Stimme bohrte sich in ihren Kopf. Sie versuchte zu verdrängen, wie wundervoll sie seine Stimmfarbe fand.

Ganz langsam drehte sie den Kopf und sah den Sänger direkt an. Das Konzert lief schon eine Weile. Er schwitzte, strahlte aber gleichzeitig mit einem unwerfenden Lächeln in die Menge.

Er hob die Arme und animierte das Publikum zum mitmachen. Lauter Jubel ertönte hinter Lucy.

Sie selbst rührte sich nicht von der Stelle. Und scheinbar bemerkte man auch von der Bühne aus, dass eine Person im Publikum keine Bewegung zeigte, denn in dem Moment, als er Luft holte, um zu einer neuen Liedzeile anzusetzen, blickte er sie an.

Und stockte für einen Moment.

Es war nicht lange, aber doch so, dass Lucy die kleine Verzögerung zwischen seiner Stimme und der Musik bemerkte.

Er schob die Brauen zusammen, als wäre er verwundert, dass sie hier im Publikum stand. Seine Stimme hatte nicht mehr dieselbe Euphorie wie zuvor.

Er sah sie an während er sang und Lucy hatte das Gefühl, dass seine Worte ihr galten.

Find a new one to fool
Leave and don't look back, I won't follow
We have nothing left, it's the end of our time

Er sang weiter und weiter und blickte ihr dabei unverwandt in die Augen. Die Art, wie sich sein Blick mit ihrem verhakte, löste etwas in Lucy aus, was sie nicht beschreiben konnte.

Sie fühlte sich schwerelos, leicht und frei. Und sie konnte nicht verhindern, dass sich ihre Mundwinkel ganz leicht nach oben bogen.

We need to swallow all our pride
And leave this mess behind

Während er diese Zeilen sang schenkte auch er ihr ein Lächeln, dass so sanft war, dass niemand anderes es bemerken konnte. Lucys Herz klopfte schneller bei diesem Anblick.

„Hier deine Cola“

Lucy sprang vor Schreck in die Höhe und schlug Brian dabei beinahe das Glas aus der Hand. Im letzten Moment zog er seine Hand zurück und rettete somit das Getränk.

„Wow, entschuldige“, sagte er lachend.

Seine Worte wurden von der lauten Musik fast verschluckt.
Ein neuer Song setzte ein, den Lucy nicht kannte.

Sie zwang sich zu einem freundlichen Lächeln und nahm ihm die Cola ab.
„Nicht schlimm“

Er stellte sich mit Blick auf die Bühne so dicht neben Lucy, dass sie seine Körperwärme von oben bis unten spüren konnte. Instinktiv rückte sie unauffällig ein paar Zentimeter weiter ab.

Er beugte sich zu ihr herunter.
„Und? Gefällt dir das Konzert?“, fragte er nun.

Das Lächeln auf ihrem Gesicht war so falsch, dass sie sich fragte, wie er ihr diesen Gesichtsausdruck abnehmen konnte.

„Ja, sehr. Es ist toll“

Keine Lüge, aber auch nicht wirklich die Wahrheit.

Lucy sah wieder zur Bühne. Für einen Wimpernschlag trafen sich die Blicke von ihr und dem Sänger. Sie sah, wie er Brian neben ihr musterte.

Sein Mund verzog sich leicht verächtlich, bevor er die Augen abwandte und Lucy keines Blickes mehr würdigte. Ihr rutschte das Herz in die Hose.

Sie musste mit ihm reden. Ganz egal, was er heute auf der Pressekonferenz gesagt hatte und ganz egal, wie er sie angesehen hatte bei seinen Worten.
Sie musste einfach mit ihm sprechen.
Koste es, was es wolle.

Der Rest des Konzertes verschwamm vor Lucys innerem Auge. Sie fixierte sich nur auf das Ende und dass es schnell vorbeigehen sollte. Nervös knetete sie ihre Finger, als die zweite Zugabe gespielt wurde.

Dann verabschiedete sich die Band und machte sich auf den Weg in den Backstagebereich.

Lucy erklärte Brian, dass sie sich um das Meet&Greet kümmern müsse und verschwand so schnell wie möglich von ihrem Date. Sie wusste, dass es unfair ihm gegenüber war, aber sie konnte gerade nicht anders.

Schnell atmend kam sie vor der Garderobe von Samu Haber zum Stehen. Sie war den ganz Weg hierher gejoggt.

Ihr Hand zitterte als sie anklopfte.

Nach einem Moment der Stille, in dem Lucy ihre verschwitzten Hände an ihrer Hose abwischte, erklang ein „Ja“.

Sie holte tief Luft unf drückte die Klinke hinunter.

Er lehnte mit verschränkten Armen an einem Tisch. Er wirkte, als hätte er sie bereits erwartet.

„Hi“, sagte sie, einfach weil sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte.
„Schönes Konzert“

Er hob eine Augenbraue an.
„Bist du nur da, um mir zu sagen, dass dir das Konzert gefallen hat?“

Sie ging ein Stückchen weiter in den Raum, wahrte aber eine gewisse Distanz zu ihm. Ihre Finger krallten sich ineinander.

„Ich wollte nochmal mit dir reden“, meinte sie.

Er stieß sich von dem Tisch ab und wandte sich Papieren zu, die hinter ihm lagen.

„Worüber?“
Seine Stimme klang hart. Lucy schluckte.

„Über uns. Und über das, was zwischen uns passiert ist“

Er schwieg für einen Moment und beschäftigte sich auffallend genau mit den Blättern vor ihm.

„Was war das vorhin zwischen dir und Brian?“, wollte er wissen.

Sie zögerte, unsicher, was sie ihm sagen sollte, entschied sich dann aber doch für die Wahrheit.

„... ein Date“

„Ein...“ Er stockte und drehte sich wieder zu ihr um.
„Und dann kommst du zu mir, um mit mir zu reden? Nachdem du ein Date mit einem anderen Mann hattest?“

Lucy ging einen weiteren Schritt auf ihn zu. Der Vorwurf in seiner Stimme war unüberhörbar.
„So war das nicht“

„Ach ja? Wie war es dann?“ Sein Ton war schneidend.

„Es war kein richtiges Date“ Ihr Stimme zitterte leicht.

„Das sieht Brian aber sicherlich anders oder? Soll ich ihn fragen?“

Er machte Anstalten den Raum zu verlassen.

„Nein! Nein, warte, bitte“

Sie hielt ihn an der Tür auf, versperrte ihm den Weg.

„Es war schon ein Date“, gab sie mit gesenktem Kopf zu. Er machte Anstalten sich an ihr vorbeizudrängen, aber sie blieb stur.

„Aber es war nur aus Höflichkeit. Ich wollte ihm nur einen Gefallen tun und nett sein. Es hat mir nichts bedeutet. Bitte. Bitte, gib mir eine Chance dich wirklich kennenzulernen“

Sie sah in seinen Augen, wie er mit sich rang.

„Nein“, sagte er schließlich.
„Auf so etwas lasse ich mich nicht ein. Vergiss es“




Hallo ihr Lieben,
ich weiß, ich habe mein Versprechen mit den 3-4 Tagen gebrochen, deswegen ist das heutige Kapitel auch länger als die vorherigen. Leider bin ich mit dem Kapitel komplett unzufrieden, ich hoffe euch gefällt es trotzdem mehr oder weniger.
Der Grund warum ich jetzt einige Tage kein Kapitel hochgeladen habe, ist tatsächlich, dass ich an einem Schreibwettbewerb teilgenommen habe. Der Wettbewerb heißt „Zeilengrün“ und wird vom Umweltbundesamt gefördert. Es handelt sich dabei um einen Kurzgeschichtenwettbewerb. Wenn ihr meinen Wettbewerbsbeitrag lesen wollt (was mich sehr freuen würde), klickt einfach bei der Ausschreibung auf „Einsendungen“. Meine Geschichte heißt Erinnerung.
Mal sehen, ob ich etwas gewinne, ich bin auf jeden Fall sehr gespannt.
Ich freue mich auf eure Votes und Kommentare und wünsche euch viel Spaß weiterhin.
Liebe Grüße
Luisa

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