Nur ein Traum?
Er rennt. Hinter ihm dicht auf den Fersen das braunhaarige Mädchen. In ihrer Hand reflektiert die Klinge das helle Sonnenlicht. Blut tropft von dem Schwert und zeugt von ihrem ersten Mord. Jetzt hat sie ihn im Blick. Er soll ihr nächstes Opfer sein.
Vor ihm ragt der Turm hoch in die Lüfte. Schnell erklimmt er die steilen Stufen. Mit dem Bogen und zwei Messern in den Händen geht das nicht so einfach und das Mädchen erreicht nur ein paar Sekunden nach ihm das Ende der Leiter.
Zeit zum Ausruhen gibt es nicht. Fast sofort greift die Brünette ihn an. Der Bogen ist vergessen. Jetzt benötigt er ihn nicht. Jetzt geht es um Leben und Tod.
Mit den Messern wehrt er verzweifelt die Angriffe des Mädchens ab. Beide sind schwer verletzt. Dennoch kämpfen sie verbittert weiter. Es kann nur einen Überlebenden geben. Und jeder will derjenige sein.
Er trifft sie an ihrer Schwerthand und vor Schmerz lässt sie es los. Klirrend fällt die Klinge zu Boden und verschwindet im hohen Getreide. Doch auch ohne Schwert ist sie eine gute Kämpferin.
Wenig später liegt auch das erste Messer neben dem Schwert auf dem Boden. Sie weicht seiner Waffe aus und schlägt ihm ins Gesicht. Ein Knacken ist zu hören und Blut spritzt aus seiner Nase. Er schreit auf. Vor Schmerz und Wut. Dann reißt er seinen Arm herum und verpasst dem Mädchen eine lange Schnittwunde quer über die Stirn.
Sie kämpfen weiter. Schließlich kann sie ihm auch das zweite Messer aus der Hand schlagen. Der Bogen wird heruntergetreten, verfängt sich aber zwischen den Stufen der Leiter. Auch der Köcher bleibt dort hängen.
Beide fangen an, sich auf der kleinen Plattform zu schubsen. Schließlich kann er sie zu Boden rangeln und schlägt ihr mehrfach ins Gesicht. Erst als auch ihre Nase gebrochen ist, hört er damit auf.
Dann wandern seine Hände zu ihrem Hals. Er will es zu Ende bringen und drückt zu. Panisch versucht sie ihn wegzudrücken. Aber dazu ist er zu stark. Endlich bekommt sie seine Finger zwischen die Zähne und beißt zu.
Das Knacken zeigt, dass seine Finger gebrochen sind. Er schreit auf. Blut läuft ihm über die Hand. Auch aus ihrem Mund tropft es. Sie lässt los und spuckt es aus. Danach rappelt sie sich auf. Als auch er aufstehen will, erbebt der Turm.
Der Boden unter ihren Füßen beginnt zu wackeln. Nur mit Mühe können sie sich auf den Beinen halten. Panisch sehen sie sich in die Augen. Doch sie sind immernoch Gegner. Während sich das Dach des Turms unter ihnen entzwei teilt, gehen sie wieder aufeinander los.
Wütend schreit sie auf. Er hat sie erneut getroffen. Mit seinem Knie rammt er ihr ins Gesicht. Blut spritzt. Die Haut über ihrem linken Auge reißt. Er holt zu einem weiteren Schlag aus. Sein Schuh verhängt sich in dem Riss, der sich unter ihnen aufgetan hat. Er fällt.
Mit Müh und Not kann er sich noch an dem nun langsam kleiner werdenden Loch festhalten. Dann tritt sie ihm mit voller Wucht auf die Finger. Reflexartig lässt er los. Qualvolle Schreie schallen zu ihr hinauf. Dann schnappt der Riss mit einem Mal zu. Und sie bereut nicht.
Es kann nur einen Sieger geben.
Auf dem Feld erkennt sie einige dunkle Gestalten, die auf den Turm zurennen. Sie schnappt sich Pfeil und Bogen, zielt und schießt. Der erste fällt regungslos ins Getreide. Doch viel Zeit bleibt nicht. Im nächsten Moment hat sie den zweiten Pfeil an der Sehne.
Nacheinander schießt sie ihre Gegner nieder. Nacheinander fallen sie tot um und verschwinden zwischen den hohen Getreidehalmen. Erst als auch der letzte Gegner mit einem Pfeil niedergestreckt ist, legt sie den Bogen weg. Viele Pfeile sind sowieso nicht übrig.
Erleichtert wartet sie auf das Ende. Wartet darauf, dass sie sie entlassen. Aber nichts dergleichen passiert.
Angespannt hängt sie sich Bogen und Köcher wieder um und klettert gen Boden. Was ist jetzt? Alle ihre Gegner sind doch tot, oder? Verwirrt sieht sie sich um. Da hört sie ein seltsames Schnappen hinter sich. Sie drehte sich zum Turm.
Eine Klappe, nicht größer als ein Fenster, öffnet sich knapp über dem Boden. Ein undurchdringlicher Rauch strömt aus dem Turm. Sie erkennt ihn sofort wieder. Er ist hochentzündlich.
Dann dringt ein anderes Geräusch an ihre Ohren. Etwas großes bewegt sich schlurfend aus dem Turm in Richtung Ausgang. Die Augen vor Schreck geweitet weicht sie ein paar Schritte zurück, den Bogen fest in der Hand haltend.
Etwas quickt auf. Eine große, mutierte Ratte rennt kreischend aus dem Turm, dicht gefolgt von einer halb zerfressenen Hand. Sie kann sich nicht bewegen. Kann nur mit zusehen, wie sich auch eine zweite, nicht minder zerstörte Hand aus der Öffnung schiebt.
Die Hände krallen sich im Boden fest und ein Körper kommt zum Vorschein. Blut verdeckt den Großteil seines Gesichts. Dennoch kann sie ihm erkennen. Er ist es, den sie gerade in diesen Turm gestoßen hat.
Hautfetzen hängen von seinen Wangen, an denen das Blut heruntertropft und den Boden rot einfärbt. Auch der Rest seines Körpers sieht nicht besser aus, als er zum Vorschein kommt. Doch seine Beine folgen nicht.
Ab seinem Bauch gibt es nur noch ein paar blutige Hautfäden, die er hinter sich her zieht. Sein Gesicht ist schmerzverzerrt. Die Hand hat er in ihre Richtung ausgestreckt. Er öffnet den Mund, um etwas zu sagen. Aber sie will es nicht hören.
Panisch und voller Angst zieht sie den Pfeil. Ohne weiter darüber nachzudenken entzündet sie ihn. Noch bevor er den Turm erreicht, merkt sie, dass es ein Fehler ist. Den Mund zu einem Schrei geöffnet weicht sie zurück. Doch es ist zu spät.
Das Feuer erreicht das Gas. Es bereitet sich aus. Der ganze Turm explodiert. Ein längliches Stück Metall fliegt auf sie zu. Sie kann nicht mehr ausweichen. Es ist das letzte, was sie je sehen wird. Ihr wird schwarz vor Augen. Dann durchbohrt die Stange ihr Auge und nagelt sie an den nächststehenden Baum. Boom!
Mit einem Ruck wacht sie schweißgebadet auf. Ihr Herz hämmert panisch in ihrer Brust. ,,Es ist alles nur ein Traum! Es ist alles nur ein Traum!", versucht sie sich einzureden. Doch als sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnen, läuft es ihr kalt den Rücken runter. Sie sitzt genau an der Stelle, an der der vermeintliche Traum angefangen hat. Direkt unter dem großen, grünen Baum in der Nähe des Turms.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top