4.
Louis
Der Kuss dauert gefühlte Stunden. Oh mein Gott, ich liebe sie so. Ich will für immer bei ihr sein. Für immer und ewig, bis in die Unendlichkeit.
"Habt ihr's dann?", sagt Harry genervt. "Wir wollen weiter."
Schnell gebe ich meiner Freundin noch einen Kuss auf die Stirn.
Wir packen nun alles ein, was wir besitzen und machen uns auf den Weg. Der Wald lebt. Die ganzen Tiere sind schon wach und gehen ihren alltäglichen Beschäftigungen nach, Fressen suchen, Unterschlupf beziehungsweise ein Nest bauen und die Kleinen versorgen. Ich mag die Natur sehr und ich weiß, dass die Menschen vor dem Unglück mit viel Technik die Natur fast ganz zerstörten.
Harry pfeift mal wieder mit den Vögeln. Er weiß die Natur genauso zu schätzen. Harry ist ein sehr kluger Junge, er ist sehr wissbegierig und künstlerisch begabt. Aber er kann auch echt stur sein. Dafür ist er wiederum liebevoll und tierlieb. Man kann sehr gut mit ihm ein Gespräch führen, er findet immer die passenden Worte, im Gegensatz zu mir.
Hand in Hand laufen Jenny und ich weiter. Immer weiter, ziellos, kann man schon sagen.
Wir folgen ihrem Vater, der wahrscheinlich einen guten Weg gefunden hat.
Es ist bitterkalt und es fängt ganz plötzlich an, zu schneien. "Schnee! Es schneit!", ruft Theo. Auch die alle anderen sehen nun nach oben. "Der erste Schnee seit dem Erdbeben!", sagt auch Jennys Vater. Wir drehen uns alle im Kreis und lassen den Schnee auf uns fallen. Harry und Noah machen den Mund auf und fangen die Schneekristalle auf.
Die Flocken kitzeln auf der Haut. Sie sind kühl und schmelzen auf meiner warmen Haut.
"Kommt, wir müssen weiterziehen!", ruft Jennys Vater.
Und schon laufen wir. Während der Schnee auf uns fällt, fängt Jenny plötzlich an zu singen.
Let it go
Let it go
Can't hold it back anymore!
Let it go
Let it go
Turn my back and slam the door!
And here I stand
And here I'll stay!
Let it go
Let it go
The cold never bothered me anyway.
Das Lied ist schon ziemlich alt, meine Mutter sang es immer. Sie lernte das schon als kleines Kind. Das Lied ist aber auch ziemlich berühmt. 'Let it go' heißt es und so eine Sängerin, ich glaube Demi Lovato sang es. Diese ist aber auch schon ziemlich alt mittlerweile.
Wir laufen Stunden lang in der Kälte und singen, damit uns wenigstens der Mund nicht noch einfriert.
Wir tragen keine Wintersachen. Nur die übliche und einzige Kleidung, die wir besitzen. Ich zum Beispiel habe einen abgetragen Wollpulli an. Dieser ist schon uralt und mir auch ein bisschen zu weit.
Ich muss sagen, ich bin sehr dünn, da es wenig Nahrung gibt. Aber ich falle nicht wirklich auf. Jeder, wirklich jeder, bekommt das nötigste an Essen, sodass zwar keiner verhungert, aber man eben so breit ist wie eine Stangenbohne.
Ich weiß, das ist ein blöder Vergleich, aber das Weisenhaus besaß einen Garten und dort wuchsen eben diese Stangenbohnen. Diese waren zubereitet übrigens sehr lecker, im Gegensatz zu dem bisschen Getreidebrei, der nun auf unseren Tellern, wenn man das noch so bezeichnen kann, landet.
"Ach Herrgott! So hilf mir doch! Oder willst du das ich in dieser Kälte erfriere?", höre ich eine unbekannte Stimme sagen.
"Jenny..." Ich bedeute ihr, kurz ruhig zu sein. Nun hört auch sie ein Jammern.
"Schütze wenigstens meinen Enkel. Dieser ist mir wichtiger, als mein Leben."
Alle haben das gerade gehört. Eine Frauenstimme. So gebrochen, wie bei einer älteren Frau.
Marc läuft zu einem dicken Baum hin, ich meine, diese Stimme aus dieser Richtung gehört zu haben.
"Hallo, junge Frau.", spricht Marc sie an.
Eine alte Frau, wie bei meiner Vermutung, dreht sich zu uns um. Sie sitzt am Boden, hält ein kleines Kind im Arm und lehnt gegen den Baumstamm. Ihr Haar ist vom Schnee fast vollständig bedeckt.
Mit ihrer rauen Stimme antwortet sie: "Hallo, junger Mann. Wohin des Weges bei diesem Schneesturm?"
"Meine Familie und ich ziehen weiter. Wir suchen ein neues und geschütztes Heim."
"Achso."
"Das ist meine Familie.", sagt mein Schwiegervater und zeigt zu uns.
Ein Lächeln umspielt die runzeligen Lippen der Alten. Plötzlich schaut sie wieder Ernst und erneut an mit ihrem undeutlichem Gerede zu Gott.
"Mögest du uns schützen und auch den neuen Freunden Glück schenken."
Ich schaue verwirrt zu Jenny. Diese sieht mir auch ängstlich in die Augen.
Ich weiß zwar nicht, was sie gerade denkt, doch ganz geheuer ist ihr das alles nicht.
"Das ist meine kleine Caroline. Sie ist das einzige was ich noch habe. Ihre Eltern starben vor einigen Jahren."
Ein etwa 8 - jähriges Mädchen sieht mich an. Sie ist, genauso wie ihre Großmutter eingeschneit. Sie hat ein zartes Gesicht und blaue Augen. Caroline sitzt auf den Beinen der Alten, eine dünne dreckige Decke hält die beiden wenigstens noch ein klein wenig warm.
Die zwei tun mir leid, sie sind, genauso wie wir, der Kälte schutzlos ausgesetzt.
Plötzlich fragt die alte Frau: "Ich bin zu alt und gebrechlich, um weiterzuziehen. Könnt ihr wenigstens Caroline mitnehmen und retten?"
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