Phönix aus der Asche
Mein Lachen lockt Mika raus auf den Balkon, der sich auf die Hollywoodschaukel setzt. Ein Joint klemmt in seinem Mundwinkel und dennoch schafft er es, mich charmant anzugrinsen. Sein Lächeln steckt mich an.
Ich telefoniere mit Maurice, gehe dabei auf und ab auf unserem Balkon. Und lachen muss ich so viel, weil er gerade eine astreine Imitation von Tina hinlegt. Meine ehemalige Ausbilderin bei Universal scheucht noch immer alle, die ihr der Hierarchie nach untergeordnet sind, auf Arbeit durch die Gegend. In harschem Tonfall. Ihr gefundenes Fressen ist der neue Auszubildende bei Universal, der quasi meinen Platz eingenommen hat. An dem soll ein waschechter Bühnensatiriker verlorengegangen sein. Es sei ein wahrer Glücksfall, dass ich von Kenny abgelöst wurde, sagt Maurice. Angeblich soll er genauso cool sein wie ich.
"Zur nächsten Bunker-Party hab ich ihn eingeladen. Da könntest du ihn kennenlernen", schlägt Maurice vor. Was wie eine beiläufige Bemerkung wirkt, ist eine wohlmeinende Manipulation.
Ich bleibe stehen, betrachte den weiten Horizont, nehme im Augenwinkel wahr, wie Mika den Joint entzündet und mir einen neugierigen Blick zuwirft. Maurice am andern Ende der Leitung ist die entstandene Pause natürlich auch nicht entgangen.
"Iara, komm schon. Willst du Tua jetzt für immer aus dem Weg gehen? Oder zeigst du ihm langsam, was er verpasst? Du bist doch inzwischen fast wieder die Alte."
Das will ich nicht hoffen.
Es ist schon richtig, dass ich seit Juni Fortschritte gemacht habe. Nachdem ich mich wirklich in diese drei Selbsthilfebücher versenkt habe, sehe ich wieder klarer. Einige Autoren waren berühmte Psychoanalytiker mit philosophischem Einschlag. Und trotzdem wirbelt der Gedanke daran, Tua eventuell auf einer Bunkerparty wiederzubegegnen, jede Menge Gefühle in mir auf. Gefühle, die mich verletzlich machen. Aber vielleicht ist das die Konfrontation, die ich so dringend brauche und zu der auch Mika mir geraten hat. Vielleicht ist es an der Zeit, das Pflaster abzureißen und die Wunde an der Luft endlich Schorf bilden zu lassen.
Mein Mitbewohner schaukelt kaum einen Meter entfernt sanft; lässt die Beine und die Seele baumeln, während er weißen Rauch in die Luft pustet. Ich rieche das Gras und vermisse denselben Geruch an mir.
Letzte Woche war ich mit Pari in der Mall of Berlin und habe mir ein neues Parfüm gekauft, dass in seinen Kopf-, Herz- und Basisnoten kein Stück mehr an Cannabis erinnert. Nicht mal im Entferntesten.
Das wollte ich unbedingt. Weil ich keine Droge mehr sein will, für niemanden. Mir ist das so schlagartig bewusst geworden. Diesen neuen Duft seitdem Tag für Tag aufzusprühen, war so, als würde ich eine Korrektur an meinem Selbstbild vornehmen.
Aber mein altes Ich ist noch lange nicht passé, das muss ich mir eingestehen. Einerseits will ich diese Version meiner selbst dringend loswerden. Die blinde Bereitschaft zur totalen Aufopferung. Auf der andern Seite fehlt mir die alte Iara irgendwie. Nicht alles an mir war schlecht.
Aber gut angefühlt hat es sich nicht, ich zu sein. Eher, als wäre ich eine Schlange, die sich häuten müsste, es aber nicht tut. Mein altes Ich hat seine schuppigen Reste auf mir hinterlassen. Um mich daran zu erinnern, was ich verloren habe, und wohin ich nie mehr zurückkehren kann. Wie ein Mahnmal.
"Vielleicht taucht er auch gar nicht auf", versucht Maurice mir die Party weiter schmackhaft zu reden. Ich atme durch, wende mein Gesicht gen Augustsonne, die hoch am Himmel steht.
"Na gut", willige ich ein.
"Echt? Okay, also hör zu: Nutz die Gelegenheit und zieh was Heißes an, wenn du Tua fertigmachen willst. Lea macht das dauernd. Sag ihr aber nicht, dass das funktioniert, verdammt gut sogar. Das bleibt unter uns."
Lachend fasse ich mir an die Schläfe und blinzle. Ein paar Tauben flattern an den Schornsteinen der gegenüberliegenden Häuser vorbei.
"Du bist ein Schafskopf gewesen, dass du sie hast ziehen lassen. Allein das tut dir weh. Ihre Outfits waren immer schon so nice, Lea hat einfach Style. Sie macht das nicht für dich", foppe ich ihn.
"Autsch", klagt er mit gespielter Entrüstung in der Stimme.
"Sorry to break it to you", säusle ich.
Er lacht, bevor er anbringt: "Du machst mich stolz damit, dass du ja gesagt hast."
"Dir kann man einfach keine Bitte abschlagen", sage ich und ein Schmunzeln breitet sich auf meinem Gesicht aus.
"Der Lieferdienst hat eben bei mir geklingelt. Wir sehen uns Samstag auf der Party. Ich nehm dich beim Wort."
"Bis dahin", erwidere ich und lege auf. Mit einem deutlich besseren Gefühl im Bauch als erwartet.
"Wer war dran?", fragt Mika mich und ich lasse mich neben ihn auf die Schaukel fallen.
"Maurice. Er hat mich für Samstag in den Bunker eingeladen."
Mika grinst.
"Ich dachte, im Bunker läuft das wie im Puff. Wusste nicht, dass man da seit Neusten 'ne Einladung braucht."
"Hach, Mika-Pika", seufze ich und kraule sein Haar, dass ihm inzwischen fast bis zu den Schultern reicht. "Andere Frage: Glaubst du, Pari ist bis zum Abendessen wieder da?"
Er lacht auf und schüttelt den Kopf.
"Nee. Sie hat mir vorgestern geschrieben, dass sie bei Dag übernachtet. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann vögeln sie noch heute."
Ich muss lächeln über seinen blöden Witz, gleichzeitig mache ich mir schon wieder ernstlich Sorgen um meine beste Freundin. Noch immer haben sie und Dag nicht definiert, was das zwischen ihnen eigentlich sein soll. Hinzu kommt, dass auch er mich inzwischen nicht mehr fragt, was in ihr vorgeht. Bis Juli war ich wenigstens noch ab und an das Sprachrohr zwischen ihnen. Offenbar kennen sie einander aber mittlerweile so gut, dass ich als Vermittlerin überflüssig geworden bin. Oder - was ich eher vermute - beide haben zu große Angst davor, über Umwege in Erfahrung zu bringen, was der jeweils andere über ihre Situationship im Moment denkt. Und darüber, wie es für sie weitergehen soll.
"Hand aufs Herz, Mika", sage ich und kehre so in die Gegenwart zurück. "Glaubst du, da ist Liebe im Spiel?"
"Bei Dag und Pari?", hakt er nach und runzelt die Stirn. Nachdenklich zieht er an seinem Joint. "Ich will mir darüber keine Meinung bilden", beschließt er irgendwann.
"Wieso nicht?"
"Weil's mich nix angeht. Und dich auch nich'."
"Ich will nicht, dass sie daran zerbricht", murmle ich.
Mika zuckt die Schultern.
"Vielleicht muss sie das."
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