Iari

Erleichterung macht sich sofort in mir breit als Pari und ich nach unserem spontanen Treffen im Atopia heimkommen und Mika nicht da ist. Auch meine Hände schwitzen vor Nervosität, aber ich ignoriere das.

"Scheint, als wäre Mika-Pika noch bei Kitty", sage ich und meine Stimme klingt ein wenig rau.

Pari schmunzelt und zieht ihre hochhackigen Stiefel aus.
"Sie haben sich bestimmt vertragen."

"Ja, bestimmt", murmle ich und löse die Schleifen, mit denen ich meine Sneakers vorhin zugebunden habe. "Ich muss dir noch etwas erzählen. Etwas Wichtiges."

"Oh", macht Pari und sofort legt sich Sorge in ihren Blick. "Ist es vielleicht ein Thema, für das wir Tee und Cookies brauchen?"

"Ja", krächze ich, denn meine Stimme belegt sich immer mehr. Aber ich habe wirklich keine Wahl.

Pari scheint das mitzukriegen.
"Okay, weißt du was? Du setzt dich draußen auf die Hollywoodschaukel mit einer Decke und ich komme gleich nach mit einer Thermoskanne Tee, Tassen und den Keksen."

Ich ringe mir ein dankbares Lächeln ab. Meine beste Freundin legt mir ermutigend die Hand auf den Arm und drückt sanft darauf. Es ist eine Geste, mit der sie mir sagen will: Egal, was es ist, jetzt bin ich da für dich und ich werde es immer sein.

"Wie früher", wispere ich und realisiere erst, dass ich den Gedanken laut ausgesprochen habe, als Paris Stirn sich vor Verwirrung kräuselt. "Egal", beschwichtige ich sie und gehe einen Schritt in Richtung meiner Zimmertür. Von dort aus kommt man am einfachsten auf den Balkon. Nur für den Fall, dass ich meine Ruhe will, haben wir in der Küche so einen Tritt aus Holz, den Mika uns in der Tischlerei zusammengebastelt hat, und durch den man auch ganz einfach durchs Küchenfenster klettern kann. "Ich hole die Decke", erkläre ich und lasse meine Freundin im Flur stehen, die mir wohl kurz nachsieht, bevor ich sie dann endlich in der Küche hantieren hören.

Ich bin jetzt so nah dran, die Karten auf den Tisch zu legen. Dieses Mal werde ich nicht kneifen und es beruhigt mich irgendwie, dass das Geständnis so unausweichlich geworden ist. Auch deshalb, weil ich in den letzten Stunden im Café seit Monaten zum ersten Mal wieder das Gefühl hatte, meiner besten Freundin gegenüber zu sitzen, und Pari sich nicht wie ein Schatten ihrer selbst aufgeführt hat. Wahrscheinlich musste es so sein. Wir mussten uns vertragen und sie musste wieder ein stückweit zu sich zurückfinden, damit ich mich ihr öffnen kann.

Draußen breite ich die Decke über meinem Körper aus und atme ein paar Mal tief ein und aus, leere dabei meinen Kopf. Ich muss mich nur auf eine einzige Sache konzentrieren: wie ich ausspreche, dass Tua und ich uns getrennt haben.

Pari reicht mir zwei Tassen durch das Küchenfenster und die Keksdose. Sie muss neugierig sein, normalerweise richtet sie sie immer in einer hübschen Präsentation auf einem Teller für uns an. Sich mit der Dose zu begnügen ist mehr so Mikas und mein Ding. Ich kann ihr die Eile nicht verübeln. Sie wird gemerkt haben, dass sie viel verpasst hat. Und ich glaube, es war auch nicht schwer erkennbar für sie rückblickend, dass ich neben mir stand, als es in der WG so eskaliert ist. Zwar bin ich als melodramatische Person bekannt, und das nicht grundlos, aber Pari konnte schon immer die Wurzel meiner Schmerzen unter dem hausgemachten Mist erkennen, den ich in solchen Situationen oft noch obendrauf schaufle.

"Was musst du mir sagen?", fragt sie mich leise und so direkt, wie ich es kaum mehr von ihr gewohnt bin. Es erinnert mich an früher. Da hat sie auch oft schonungslos Offenheit von mir verlangt, einfach, weil das in ihren Augen dem Beste-Freundinnen-Status gerecht wurde und weil sie es nicht ausgehalten hat, wenn ich mich geziert habe. Es hat sie dann auch nie gestört, wenn alles in einem Schwall aus mir herausgebrochen ist, weil ich sowas wie Schmerz in kleinen Portionen nicht kenne und vielleicht höchstens als Kind kannte. Bevor mein Vater uns verlassen hat.

"Vorhin im Gespräch habe ich gesagt, dass du vergisst, dass Dag nicht dein Freund ist, Tua aber meiner wäre."

Pari stockt kurz der Atem.
"Wäre?", hakt sie nach und ich würde gern bejahen, aber ich schaffe es nicht und eine Pause entsteht. "Ihr habt euch getrennt? Oh mein Gott, Iara." Sie zieht mich zu sich ran und schlingt ihre Arme um mich. In meinen Augen sammelt sich schon wieder jede Menge Wasser und läuft über, als sie fragt: "Wie lange schon?"

"Seit Ende Februar."

"Das sind vier Monate", rechnet sie nach. "Du warst doch bei ihm heute Vormittag."

"Ich war die ganze Woche bei ihm, aber er war nicht da. Er hat mir die Wohnung überlassen und bei einem Freund gepennt. Nur heute Vormittag haben wir Mittag zusammen gekocht und gemeinsam gegessen, bevor du und ich uns im Atopia getroffen haben."

"Und was war an seinem Geburtstag? Da warst du auch tagelang weg."

"Ich war bei Stean."

Pari kauft fassungslos auf ihrer Unterlippe herum.
"Warum hast du uns nichts gesagt?"

"Mika wusste es. Auch nicht von Anfang an, aber ich habe ihn irgendwann im April eingeweiht."

Sie ist verletzt, ich kann es daran sehen, wie sie ihren Blick abwendet und sich eine Tasse Tee einschenkt.
"Warum hast du es mir verschwiegen?"

"Weil ich nicht will, dass das beeinflusst, wie du Dag siehst und die Möglichkeit einer Beziehung mit ihm", erwidere ich.

Pari schnaubt.
"Süße, ich hab dich wirklich lieb, aber an meinem Entschluss, keine Beziehung aus dem zu machen, was Dag und ich haben, gibt es nichts zu rütteln. Ich bin nicht bereit dafür, und damit basta. Und ohne dich damit vor den Kopf stoßen zu wollen, aber Tua und du, ihr wart jetzt auch nie ein Beziehungsvorbild für mich." Ich schlucke. Pari streichelt mein Haar mit einer Hand und trinkt einen Schluck Tee. "Ihr habt einander so oft so wehgetan, und auch wenn ich es bemerkenswert finde, wie sehr ihr einander liebt und aneinander glaubt: Es ist vielleicht wirklich gut, dass das erstmal vorbei ist. Dich hat das fertig gemacht, vor allem, bevor er sich dazu hat breitschlagen lassen, die Therapie zu machen. Manche Dinge verliert man besser, um sie ganz woanders wiederzufinden." Sie drückt mit ihrem Zeigefinger seitlich auf mein Kinn, sodass ich sie anschauen muss. "Du hättest mich nicht so angehen dürfen für etwas, dass du selber tust. Das mit Mika und mir hätte ich dir sagen sollen. Aber du hättest mir auch sagen sollen, dass ich diesen verfluchten Napoleon-Kuchen gar nicht mehr zu machen brauche."

Ihre Worte bringen mich unwillkürlich zum Lachen und ich schniefe.

"Ich hab mich noch nicht dran gewöhnt, dass ich jetzt Single sein soll. Es fühlt sich gar nicht so an."

"Du liebst ihn noch", stellt sie fest.

"Ja, und ich kann mir im Moment noch nicht mal vorstellen, wie ich je wieder damit aufhören soll."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top