Doppeltes Spiel
Tuas Sicht^^ Ich hoffe, ich konnte besonders dir eine Freude mit diesem und dem letzten Kapitel machen, vierzwanzig ♡
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Wir sind auf einen dieser Plätze umgezogen, die sonst immer besetzt sind. Auf einem Plateau gegossen aus Beton stehen Love-Seats. Gemütliche Zweisitzer, von denen aus man auf die Berge schauen kann. Noch leuchtet es nur golden und künstlich von unten, aber bald schon wird die Sonne aufgehen.
Jenn ist seit einer Weile in zufriedener Stille versunken. Ich hab ihr den Joint gerade nochmal angeboten, aber sie hat ihn abgelehnt. Also rauche ich alleine auf. THC flutet meine Blutbahnen. Früher hat Gras meine Empfindungen gedämpft. Heute scheint es sie zu verstärken. Ich hab nicht mehr gekifft, seit Iara mir um die Ohren gehauen hat, dass es das ist, was ich immer tue, wenn ich mich meinen Problemen ergebe. Gedankenverloren drehe ich die Tüte in meiner Hand. Gerade ist es irgendwie okay. Ich tu's ja nicht, weil es mir schlecht geht. Aber als ich noch mit ihr zusammen war, da war es so sinnlos. Sie war das Gegengift, hat mich immer runtergebracht ... Der Griff zu den Drogen war nur Gewohnheit; war bloß meine Vergangenheit, die ihr so Angst gemacht hat. Meine beschissene Vergangenheit, die ich kontrollieren wollte, ohne zu verstehen, dass sie mich kontrolliert.
Doppeltes Spiel. So ist das immer mit mir und meinem Schatten.
In diesem Moment passiert es. Die Sonne streckt und räkelt sich hinter den Bergen, zieht sich daran empor und ich starre und erstarre in Ehrfurcht. Der Himmel färbt sich in einem sanften Orange und die Luft riecht nicht mehr nur nach Cannabis. Der Duft von Morgentau und Rittersporn scheint den Qualm zu durchdringen, mit ihm zu ringen - ihn zu übertrumpfen. Ich sinke tiefer in die Polster und schließe die Augen.
Nur für einen kurzen Augenblick ...
Iaras Stimme singt mir einen Choral in meinem Kopf. Leid, Wehklage, aber dann geht es in der Zeit immer weiter zurück und letztlich klingt sie, wie damals, als wir uns kennengelernt haben. Ihre Stimme so stark wie ihre Ausstrahlung.
Ich blinzle ins Licht, dass blassgelb - fast weiß - die Bergspitzen erhellt. So habe ich sie immer gewollt: Glänzend, strahlend schön, ein Lachen wie das Glitzern der Sterne ... Jedes Mal, wenn sie nicht in mein Idealbild von ihr reingepasst hat, hat es mich verletzt. Die Nervosität, die Angst - all das, was ich viel zu gut von mir selbst kenne. Ich hab es in ihr nicht ertragen. Davon ist schon zu viel in mir, hab ich gedacht. Aber wieso ertrage ich meine eigene Feigheit überhaupt? Das ist doch lächerlich. Wenn ich mutig bin, kann ich da sein und ihr beistehen. Wie sie es sich immer gewünscht hat. Dann muss ich mich nicht länger schämen. Für gar nichts. Auch nicht für meine Vergangenheit.
Ein Stechen durchfährt meinen Körper und ich presse die Kiefer aufeinander. Ich vermisse sie so. Sie sehnt sich in erster Linie nach sich selbst, das hab ich behauptet. Nun sitz ich hier, Wochen später, und frage mich: Hätte ich das wirklich zu ihr sagen sollen? Oder besser zu mir?
Jenn gähnt und versteift sich kurz neben mir. Ihr Grinsen erstirbt sofort, als sie mir ins Gesicht sieht.
"Hey, was ist mit dir?", fragt sie mich.
"Bin ich beziehungsunfähig?", platzt es aus mir raus.
Jenns Mund klappt auf, dann wieder zu und sie richtet sich ein Stück auf.
"Ich glaub ja", sagt sie irgendwann. Ich werfe den Stummel vom Joint in den Aschenbecher und stehe auf, laufe auf und ab auf der Terrasse. Jenn folgt mir. Erst nur mit Blicken, dann aber erhebt auch sie sich von der Außencouch und stoppt mich, indem sie mir beide Hände auf die Schultern legt. "Großer, ich hab dich lieb und ich wollte dich damit nicht verunsichern. Ich wollte nur ehrlich sein. Bitte lass es mich erklären."
Ich antworte ihr nicht, konzentriere mich nur auf ihre grünen Augen und runzle die Stirn, als ich wieder an Iara denken muss. Jenn nimmt keine Notiz davon.
"Eure Beziehung ist nicht nur deswegen kaputt, aber das ist dein Anteil. Ich hab's dir schon mal gesagt, als wir im Viktoriapark waren: Menschen sind mehr. Iara hat dir gut getan, eine zeitlang. Sie hat an dich geglaubt, das hat dich inspiriert, und du hast dich an ihrer Seite verändert. Dann hat es aber angefangen, dass sie dich ihrem Pantheon hinzugefügt hat als wärst du Zeus persönlich. Und wir wissen beide, wie das mit der bedingungslosen Liebe zu Gott ist. Die sät auch immer Zweifel, ist nur natürlich."
"Zu viele Zweifel, willst du sagen."
Jenn verdreht die Augen.
"Nein", widerspricht sie mir scharf. "Du bist nicht Gott, das will ich sagen. Wenn du dir weiter vorlügen willst, du wärst es, dann bitteschön." Sie hebt die Schultern in einer ratlosen Mir-egal-Geste. "Aber genau das ist es, was dich beziehungsunfähig macht, das muss dir klar sein."
"Ich hab mich in sie verliebt, als sie mich noch als Menschen gesehen hat", sage ich leise.
Meine beste Freundin nickt gewichtig.
"Und als ihr offiziell zusammengekommen seid, warst du auch völlig normal beziehungsfähig. Ihr habt euch nur verändert."
"Und jetzt müssen wir wieder bei null starten", fasse ich zusammen. Sie klopft mir auf die Schulter.
"Du bist ein kluges Köpfchen. Es macht Spaß, mit dir diese Art von Gesprächen zu führen."
Das Kompliment entlockt mir ein leichtes Schmunzeln. Zufällig streife ich mit meinem Blick den Glasquader, in dem die Bar untergebracht ist. Hinter den Scheiben bewegt sich was. Jemand.
"Wir müssen abhauen", sage ich zu Jenn.
Sie greift nach meiner Hand und zieht mich so schnell mit sich, dass mir schwindelig wird. Das Gras ist bestimmt nicht unschuldig daran. Sekunden später stolpere ich hinter ihr die Feuertreppe runter. Wir schaffen ein paar Stockwerke, ehe Jenn abbremst und sich außer Atem auf eine der Stufen plumpsen lässt. Ich falle neben sie und die Treppe schwankt.
"Ho-ho, Mike Tyson", triezt mich Jenn. "Bisschen vorsichtiger, ja? Hab mir meinen Tod anders vorgestellt."
"Schon gut, will deine Pläne fürs gediegene Abtreten auf keinen Fall durchkreuzen", erwidere ich. Die Morgensonne scheint mir in den Nacken. "Wie lange sitzen wir jetzt hier?", frage ich sie.
"Solange bis genug Leute auf der Terrasse sitzen, die frühstücken wollen, und wir uns unauffällig dazugesellen können."
"Also ein paar Stunden", seufze ich.
"Hast du nicht die Rentner-Reisegruppe gesehen, die gestern mit dem Bus kam?" Sie zwinkert mir zu. "Übrigens will ich nach Bankya und in diesem Badehaus schwimmen, bevor wir heute Abend wieder heimfahren. Gib mal den Schlüssel für den Leihwagen."
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