Mika und ich singen aus voller Kehle einen SDP-Song, als Pari in die WG zurückkehrt. Ihr sorgenverhangenes Gesicht erhellt sich ein wenig, als sie uns in so ausgelassener Stimmung in der Küche vorfindet, zwischen einem Backblech und dem Cookie-Teig, den wir angerührt haben.

"Ich lüg dich doch nicht an, das ist die Wahrheit in schön", trällern Vincent aus der Bluetoothbox und ich gleichzeitig. Irgendwie ironisch.

"Ihr backt?", fragt Pari amüsiert und hängt ihren Trenchcoat an der Garderobe auf.

"Wir backen für dich", erklärt Mika mit ein bisschen Stolz in der Stimme. Wahrscheinlich rührt das daher, weil er sich am Ende doch aufgerafft hat. Ich musste ihn eine Weile bearbeiten, denn Kitty meldet sich jetzt schon seit ein paar Tagen nicht mehr bei ihm, sie ist untergetaucht im Prüfungstress. Mir ist mulmig dabei zumute, immerhin hat er mir erst vor kurzem gesteckt, dass ihm etwas zusetzt. Was das ist, wollte er mir nicht sagen, und er hat es mir immer noch nicht verraten. Ich hatte gehofft, dass seine Freundin sich seiner bald annehmen würde. Wie es scheint, ist die nun allerdings auch anderweitig ausgelastet.

Leichte Falten zeichnen sich auf Paris Stirn ab. Ihr leises "Wieso?" holt mich zurück in die Gegenwart.

"Einfach so, Süße", antworte ich. "Du befüllst immer unsere Keksdose, da haben Mika-Pika und ich beschlossen, dass wir das auch mal machen wollen."

"Aha." Sie schmunzelt und umarmt mich. "Es hätte aber auch nettere Wege gegeben, mir zu sagen, dass euch meine Plätzchen nicht schmecken." Als sie sich von mir gelöst hat, herzt sie Mika.

"Deine Kekse sind fantastisch", beteuert er. "Aber du bist jetzt so oft bei Dag, dass du kaum noch dazu kommst, zu backen. Ich fall vom Fleisch."

"Sag nicht sowas, sonst backe ich dir so viele Kekse, dass du in dem riesigen Berg ersticken könntest", droht sie ihm und nimmt den Eislöffel aus der Schublade mit Kellen, Pfannenwendern, großen Messern und Co. Ihre Augen observieren kritisch den Teig in der Schüssel. "Wenn ihr das so lasst, dann werden daraus riesige Softcookies", warnt sie uns. "Tellergroß und nicht am Stück genießbar. Sie werden bloß in ihre Einzelteile zerfallen." Mika, der sich schräg hinter sie gestellt hat, besieht sich den Teig ebenso nochmal.

"Woran erkennst du das?", will er wissen. Während meine Freunde fachsimpeln, beobachte ich sie, ohne dem Gespräch zuzuhören.

Ich hätte es Pari nun schon lange sagen sollen und habe doch immer wieder den richtigen Zeitpunkt verpasst. Mika hat mir von ihrer Panikattacke erzählt und ich weiß gar nicht, wo ich überhaupt mal bei ihr ansetzen könnte. Sie und ich haben darüber gesprochen, dass sie die Zeit mit Dag genießt und ich habe mich auch mit ihm selbst darüber unterhalten. Ihm ist anzumerken, dass es ihm nicht leicht fällt, keinen Druck auf sie auszuüben. Er wünscht sich unverkennbar eine Beziehung, ist aber bereit, vorerst zurückzustecken. So und nicht anders kenne ich Dag. Ich weiß aber auch, dass es ihm auf Dauer nicht guttut, sich ausschließlich nach ihr und ihren komischen Regeln zu richten.

Müde blinzle ich und ziehe mein Handy aus meiner Hosentasche, um mich in den Chat mit Tua zu klicken.

Iara: Weißt du noch, wie du diese Veggie-Burger from scratch gemacht hast? Kannst du mir das Rezept schicken.

Er kommt sofort online und seine Antwort lässt nicht lange auf sich warten. Sie aus einem Link zu einer Reddit-Page. Warum bin ich traurig darüber? Mehr als das hab ich nicht verlangt.

Ich stecke mein Telefon wieder ein und versuche, mich nicht in wilden Interpretationen zu verlieren.

"Hey", wende ich mich an meine Freunde. "Wenn ihr morgen noch nichts vorhabt, könnten wir ja Veggie-Burger machen."

Pari nickt eifrig. Mika scheint nicht abgeneigt. Er zuckt zwar nur mit den Schultern, sagt aber, dass seine Pläne fürs Wochenende sich ohnehin heute kurzfristig zerschlagen hätten. Und so ist es beschlossene Sache.

Ich gebe ihnen ein Zeichen und lasse meine Mitbewohner allein, weil mein Handy klingelt, und weil es nicht irgendwer ist, der anruft, sondern Dag. Da möchte ich lieber nicht direkt neben Pari stehen.

"Hey", begrüße ich ihn.

"Hi, hast du kurz Zeit?"

"Hab soeben meine Zimmertür hinter mir zugemacht, sprich also ganz freimütig mit mir. Pari und Mika kümmern sich weiter um unsere Cookies. Was gibt's?"

"Es geht um Pari."

"Hab ich's mir doch gedacht. Erzähl."

"Sie wirkt oft ziemlich angespannt und erschöpft und ich ... wollte nur wissen ... ob das was mit mir zu tun hat."

Oh mein Gott, da geht einem ja das Herz auf. "Ich kann dich beruhigen", sage ich. "Also, es hat nicht so richtig was mit dir zu tun. Das Ungeklärte zwischen euch stresst sie, glaube ich, aber sie hat mit mir jetzt seit 'ner Weile nicht mehr drüber geredet. Ich shippe euch auf jeden Fall und hab auch nie was anderes vor ihr behauptet."

"Lieb von dir, dass du dich für mich einsetzt, aber, na ja, wichtig ist, wie sie die Sache sieht."

"Und du? Wie siehst du sie?", kontere ich.

"Ich will sie zu nichts drängen, aber ich ... Ich kann nicht wirklich sagen, dass ich mich verliebe, aber ... Ich laufe Gefahr, mich in sie zu verlieben?"

"Das hört sich schrecklich an, Dag", spotte ich.

"Ja, stimmt", grummelt er. "Bloß, anders kann ich es nicht ausdrücken. Sie hat mir immer wieder gezeigt, dass sie nicht bereit für was Festes ist. Nur ... In manchen Momenten vergisst sie ihre dummen Regeln ... und dann ist es ... unfassbar schön mit ihr zusammen zu sein."

Ja, wenn die Wolkendecke in ihrem Kopf aufreißt und man einen Blick auf die Sonne dahinter erhaschen kann, ist es wirklich toll, mit Pari zusammen zu sein. Mein schlechtes Gewissen packt mit eiskalten Fingern zu und erwürgt mich beinah. Auf keinen Fall darf es so weitergehen. Ich will mich so nicht mehr fühlen in ihrer Nähe. Deshalb werde ich ihr alles über die Trennung erzählen. Morgen tu ich es endlich.

"Ja", stimme ich Dag zu. "Ich kann versuchen, aus ihr rauszukitzeln, was sie tatsächlich aufhält, sich auf voll auf das zwischen euch einzulassen, aber versprechen kann ich dir nichts. Ich bin jedenfalls Team Dag. Mika auch. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie nachzieht."