f ü n f
Sein Griff hatte sich entspannt, doch unsere Hände lagen noch immer ineinander. Ich hatte mich neben ihn gelegt, sodass wir beide nun denselben schwarzen Punkt in der Schwärze anstarrten.
"Darf ich dich was fragen?", kratzte seine Stimme zu mir hinüber. Seine Stimmbänder schienen mittlerweile genug zu haben.
"Haben wir bisher bei irgendetwas um Erlaubnis gefragt?"
Er lachte leise. Er lachte tatsächlich.
"Okay. Du sagtest, du kämst aus dem Norden. Trotzdem steckst du im tiefsten Bunker, den der Norden zu bieten hat - dabei müssten das hier doch eigentlich deine Kameraden sein." Seine Stimme kippte, er versuchte irgendetwas zwischen Husten und Räuspern. "Also, was hast du angestellt?"
Diesmal traute ich mir ein trostloses Lächeln zu, während sich ein Schatten über meine Gedanken legte. Soweit hier unten in vollkommener Düsternis das Konzept von Licht und Schatten überhaupt funktionieren konnte.
"Du willst die Geschichte einer kleinen Streberin hören? Nun gut, die kannst du haben." Ich holte so tief Luft, bis sich der Staub in meiner Lunge niederließ. "Ich hab die Schule mit Bestnote abgeschlossen. Ich hatte meinen Platz an der Uni im Grunde schon, bevor ich die Endprüfungen geschrieben habe. Ich studierte Technik und Wissenschaft im ersten Semester, als die ersten Angriffe geflogen wurden und sich alle Seiten den Krieg erklärten." Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus. "Ich belegte einen Kurs, in dem es speziell um innovative Entwicklungen ging und den sie im Grunde nur für die kleinen Streber unter uns ins Leben gerufen hatten. Jetzt, im Nachhinein... ich glaube, sie hatten den ganzen Aufwand nur aus einem Grund betrieben."
"Sie mussten das alles von Anfang an so geplant haben. Wir saßen in der vierten Vorlesung zu dem Thema - parallel bombardierten sie da schon die grenznahen Landstriche - als bewaffnete Soldaten den Hörsaal betraten. Sie wollten, dass wir in den Militärdienst treten, um an neuen, effektiveren Waffentechniken zu arbeiten. Sie wollten, dass wir helfen, Menschenleben zu vernichten. Sie legten es dar, als breiteten sie die einmalige Chance unseres Lebens vor uns aus. Sie erwarteten, dass wir begeistert zustimmen würden - was die meisten auch getan haben."
Er unterbrach mich nicht, sondern hörte stumm zu, wie die Wut von meiner Stimme Besitz ergriff. Als ich stoppte, wartete er.
Dann erzählte er meine Geschichte weiter. "Du warst nicht sonderlich begeistert. Du sagtest, sie könnten ihre Vernichtungspläne ohne dich schmieden. Davon - war dein Militär wiederum nicht sonderlich begeistert, richtig?"
Zaghaft nickte ich im Dunkeln. "Erst versuchten sie, mich zu überreden. Sie dachten, ich wolle mehr Geld raushandeln und boten mir mehr. Als sie merkten, dass ich auch nicht für ein Generalsgehalt für sie arbeiten würde, begannen sie, mir zu drohen."
"Vielleicht hätten sie meine Weigerung akzeptiert, wenn ich vor ihnen nicht ausgesprochen hätte, dass ich keine der Kriegsparteien unterstützte. Sie hörten, was sie meinten zu hören; sie bekamen Angst, dass ich zur 'feindlichen Seite' wechsele. Ab dem Punkt wurde ich behandelt wie eine Staatsfeindin."
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top