Gespräche
Ich starrte aufs Meer hinaus undseufzte. So wie ich die letzte Stunde dort gestanden und geseufzthatte. Dabei wusste ich gar nicht, ob ich missmutig sein sollte odereben nicht. Dass dieses ganze Saufgelage eine blöde Idee gewesenwar, war mir von Anfang an klar gewesen. Allerdings hatte ich nichtmit meiner eigenen Doofheit gerechnet.
Ich hatte mehr oder weniger meine Seeleverkauft. Ein sarkastisches Grinsen breitete sich auf meinem Gesichtaus. Typisch. Immer wieder brachte ich mich selbst in dieunmöglichsten Situationen. Warum nicht auch hier auf den Schiff?
Doch irgendwie war es schon ...seltsam. Ich brach von meiner Heimatinsel auf, um eben ungebunden dieWelt erkunden zu können. Jetzt hatte ich mich selbst an einePiratencrew gebunden. Die wiederum die Welt umsegelte. Es passte undirgendwie auch nicht.
„Darüber Trübsal blasen bringt dirauch nicht viel." Linux klopfte mir auf die Schultern und lehntesich neben mich an die Reling. „Ich blase kein Trübsal...",murmelte ich als Antwort, bevor ich mich gerade hinstellte und mirfest auf die Wangen klatschte. Der Arzt grinste breit, so kannte ermeine Ticks, mich selbst zu motivieren.
Mit rot glühenden Wangen aufgrundmeiner Schläge drehte ich mich zu meinem besten Freund um. „Gibtes schon Arbeit für mich?" Er schüttelte den Kopf. Doch dannstutze er. „Die Meisten suchen immer noch verzweifelt nach densimpelsten Sachen. Schilder wären echt nicht schlecht für denAnfang."
Ich schob meine Augenbrauen zusammen.„Schilder...?", überlegte ich, bis mir ein Licht aufging.„Achso! Du meinst Richtungsschilder. Beschriftete Holzbretter! Dasist eine gute Idee!" Mit dieser gefundenen Aufgabe schob ich meinProblem mit dem Wetteinsatz auf die Seite und stieß mich von derReling ab. „Sollte mich jemand suchen, ich bin in der Werkstatt."
Breit grinsend lief ich schon unterDeck, während mir Linux hinter her starrte. „Werkstatt?! Du hastdir eine verdammte Werkstatt eingerichtet?!" „Dem zukünftigenSchiffszimmermann!", erwiderte ich lachend und schloss die Türhinter mir.
Dann ging es erst einmal ansTreppensteigen. Abwärts. Immerhin befand sich die Werkstatt imtiefen Bauch des Schiffes. Ich hatte extra einen größeren Raumvollausgestattet mit den meist benötigsten Dingen, die einSchiffszimmermann eben brauchte. Immerhin hatte von den Piraten kaumeiner die Grundkenntnisse gehabt und Shanks war damit einverstandengewesen, gleich das Werkzeug mit einzurichten.
Jetzt war ich froh drum.
Als ich die Tür öffnete und das Lichtanschaltete, wusste ich sofort, wo ich hingreifen musste. Ich hatteimmer das selbe System und hatte diese Werkstatt danach eingerichtet.
Rechts neben der Tür tummelten sichSchränke über Schränke mit allen Werkzeugen, die es so gab. Linksin der hintersten Ecke befand sich ein Schmiedeofen, dessen Abzug auseinem Fenster ragte. In der Mitte stand ein Tisch, rechts gegenübervom Ofen an der Wand weitere wichtige Geräte.
Eine Tür gegenüber von derEingangstür führte zum Lager.
Nachdem ich Säge, Hammer, Nägel undFarbe herausgeholt hatte, begab ich mich dorthin. Das Lager warebenso bis an den Rand gefüllt. Schnell hatte ich genügend Bretterzusammen, lief wieder in die Werkstatt und begann mit meiner Arbeit.
Zuerst musste ich die Schilder in dierichtige Größe bringen. Alleine das brauchte schon eine gewisseZeit. Danach lackierte ich jedes einzelne davon. Die Farbe sollteimmerhin gut darauf haften.
Ich war so in meinem Tun vertieft, dassich die Zeit aus den Augen verlor. Irgendwann – als ich geradesägte – klopfte es. Ich hatte die Schritte schon von weitemgehört, stoppe jedoch nicht in meiner Arbeit. Ein „Herein"genügte. Ich sah nicht auf, als mir ein Teller auf den Tischgestellt wurde. „Du warst nicht beim Abendessen und Linux meinte,du wärst hier." Die tiefe Stimme gehörte nur einem.
Ben.
Lächelnd musterte ich den Tellerbestückt mit diversen Sandwichs. Ein großer Krug Wasser standdaneben. „Oh, ich hab ganz vergessen, was zu trinken." Mit einemBlick auf Ben widmete ich mich weiter dem Brett um es fertig zubekommen, während er mich kritisch ansah. „Du stellst so etwasfest und arbeitest einfach weiter?" Ich zuckte nur mit den Achselnund unterbrach meine Arbeit nicht. Ben schüttelte nur den Kopf. Ichhörte, wie er sich entfernte und doch verließ er die Werkstattnicht. Stattdessen öffnete sich ein Fenster und ich hörte einFeuerzeug. Versetzt roch ich ein klein wenig Rauch.
Erst als das Brett durch war, stellteich mich gerade hin, nahm den Krug und setzte an. Bei der Hälfestoppte ich und stellte ihn wieder auf den Tisch. „Ahh, das tatgut. Danke." Ich nickte dem rauchenden Ben dankend zu, dann setzteich mich knallhart auf den Tisch, verhakte meine Beine miteinanderund griff zum Teller.
Nachdem ich ein Sandwich verdrückthatte, schloss Ben das Fenster und setzte sich zu mir. Nur hatte erso viele Manieren und benutzte dafür den vorgesehenen Stuhl. „Manmerkt deutlich, dass du vom Handwerk stammst.", gab er trocken vonsich. Kichernd stopfte ich mir das letzte Sandwich in den Mund undantwortete mit vollem Mund. „So schlipmf?"
Der Vize legte seinen Kopf in denNacken und lachte herzhaft. Wenn ich ihn so dabei beobachtete...hatte ich Ben überhaupt schon lachen gesehen? Unbewusst lehnte ichmich etwas vor. Nein hatte ich nicht. Aber er war -
„Du sitzt auf einem Tisch undsprichst mit vollem Mund. Wohlerzogene junge Frauen würden wohl inOhnmacht fallen." Er unterbrach meine Gedanken und verpasste mirein perfektes Kopfkino. Jetzt war ich an der Reihe zu lachen. „Alsob ich jemals in so ein Bild passen würde! Selbst auf meinerHeimatinsel würdest du niemals so jemanden finden." Ich wischtemir die Lachtränen weg und seufzte zufrieden. „Mal davonabgesehen, dass bis auf drei Männer auf diesem Schiff nicht malwissen, dass ich eine Frau bin."
Ben nickte. „Shanks hat es niemandengesagt. Er meinte, er fände es witzig zu beobachten, wann und wiedie Crew es herausfindet. Mal davon abgesehen, dass du auch nichts andeinen Klamotten oder deinem Verhalten geändert hast." „Warumsollte ich? Es ist um weiten besser so. Mit einer Frau hätten dieMänner gestern nicht so gefeiert. Ich habe mir mein Geschlecht nieausgesucht." Jetzt lehnte ich mich zurück, sützte mich mit meinenHänden dabei ab, um nicht nach hinten zu kippen.
„Bist du in deiner Heimat oftdeshalb diskriminiert worden? Eine Frau zu sein?", fragte derSchwarzhaarige. Ich schüttelte den Kopf. „Nein... dort wird jedergleich behandelt. Erst als ich aufs Meer bin und die Welt kennengelernt hatte.... dann habe ich mich als Kerl verkleidet. Es hat mireiniges erleichtert. Ich weiß nicht, warum die Menschen da so einenUnterschied machen." Ich konnte ein Glucksen von ihm hören, alsich das Wort „Mensch" benutzte.
Schief lächelnd sah ich zu ihm. „Wasdagegen?" Ben schüttelte amüsiert den Kopf. „Du bist keinMensch, das weiß ich. Aber wie du das aussprichst, amüsiert mich."„Das sehe ich.", gab ich feixend zurück. Ich musterte ihn nochkurz, dann sprang ich wieder auf. „Warum bist du hier? Außer mirmein Essen zu bringen. Danke im übrigen dafür." „Du hast dichschon dafür bedankt.", erinnerte er mich und stand ebenso auf. Erüberbrückte den Abstand und nahm die teilweise fertigen Schilder inAugenschein.
„Ich wollte sehen, was unser neustesCrewmitglied so treibt. Das ist immerhin meine Aufgabe als Vize.",erklärte er nebenbei. „Achso. Du musst Babysittern spielen? Dastut mir Leid.", gab ich trocken zurück, „Um dir deinen Job zuerleichtern: Ich springe nicht von Board oder sprenge mein Schiff indie Luft. Dafür ist es viel zu perfekt geworden."
Das brachte den Vizen erneut zumLachen. „Du lobst dich gerne selbst, was?" Ben klopfte mir aufdie Schultern, dann verabschiedete er sich. „Aber so weiß ichwenigstens, wo du steckst und was du nicht machen würdest. Ach ja.Mach keine Nachtschichten an deinem ersten Tag..." Er grinstebreit, als er ging.
Ich derweil schüttelte lächelnd denKopf, bis mir etwas auffiel. Blinzelnd hielt ich inne und runzeltedie Stirn.
Volles Crewmitglied.
Beides Worte, die nicht ganz zu mirpassten, fand ich. Denn ich hatte mich noch nicht daran gewohnt, derGedanke kam noch nicht ganz zu mir durch.
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