Kapitel 8
"Your eyes.
Your eyes hold everything, my soul thirsts for."
-perry poetry
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Camila
Seiner besten Freundin etwas zu verschweigen, war scheiße. Aber Phoebe Torres' beste Freundin zu sein und ihr etwas nicht zu sagen, war gleichbedeutend mit einem Todesurteil. Deshalb machte ich mich auf buchstäblich alles gefasst, als ich nach meiner Schicht und 4 Stunden, bevor Shawns zweites Konzert in unserer Heimatstadt beginnen sollte, an ihrer Tür klingelte. Keine Sekunde später wurde sie aufgerissen und meine beste Freundin begrüßte mich mit ihrer typischen Tornado-Umarmung, bei der mir ihre Locken, die nur geringfügig etwas weniger wild waren, als meine, nahezu schmerzhaft ins Gesicht flogen. Noch dazu hatte sie... Schokolade im Gesicht? Es war ein ziemlich unmöglich herauszufinden, was sie gerade getrieben hatte, wenn man sie nicht so gut kannte, wie ich. Ich hatte ihre Wohnung nicht einmal betreten und wusste, dass sie himmlisch nach Muffins duftete.
Ach ja, Muffins... Ich hätte mir Gedanken darüber machen sollen, warum mir jetzt plötzlich wieder Phoebes unzählige emotionale Ausbrüche darüber in den Sinn kamen, während denen sie mir mit leuchtenden Augen davon erzählt hatte, die gleiche Leidenschaft dafür zu teilen, wie Shawn. Aber das tat ich nicht. Stattdessen schwieg ich sie 15 Sekunden lang an – nicht, dass ich mitgezählt hatte – und drückte mir die Tickets so vor die Brust, dass sie für Phoebe sichtbar waren. Fragend legte sie ihren Kopf zur Seite und zog die Augenbrauen zusammen. Ihr Stirnrunzeln rückte durch ihre Augen, die so groß wurden, wie Tennisbälle, in den Hintergrund.
„Also nicht, dass ich nicht überglücklich bin, dich zu sehen, aber was ma-... WAS IST DAS?"
Ein Atemzug nach dem anderen.
Ich räusperte mich. „Phoebs... Ich glaube, ich muss dir was sagen."
Dreizehn Minuten. So lange dauerte es, meine Freundin im Schnelldurchlauf darüber aufzuklären, was in den letzten Stunden vorgefallen war. Nicht einmal ein ganzer Tag. War das verrückt? Auf jeden Fall nicht so verrückt, wie ich in Phoebes Augen zu sein schien. Ich machte mich dazu bereit, ihre Pupillen mit meinen Händen aufzufangen, denn die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihr gleich aus ihrem quirligen Kopf fielen, wurde immer größer.
„Du hast mir das gerade nicht ernsthaft und damit meine ich erst jetzt erzählt!" Phoebe schüttelte mich an den Schultern und ich sah ihr an, wie sehr sie sich beherrschen musste, wütend zu bleiben, auch wenn ihre Tränen – Freude? Fassungslosigkeit? – schwer zu verstecken waren.
Ich befreite mich sanft aus ihrem Griff und seufzte. „Weil ich wusste, dass du ausrasten würdest. Es war keine große Sache, Phoebs. Ehrlich nicht."
Du lügst.
„ICH RASTE ÜBERHAUPT NICHT AUS!!!"
Nicht wissend, wie ich reagieren sollte, hob ich eine Schulter und versuchte, mein Gelächter zu unterdrücken. „Siehst du, genau davon rede ich. Dass du fast heulst, erzählt mir nämlich andere Geschichten als du."
Phoebe verdrehte die Augen. „Du kannst mich mal."
„Ich liebe dich, aber... Nein", gab ich zurück, um gleich noch eines draufzusetzen. Was zur Hölle war bloß in mich gefahren?
„Aber Shawn würde das bestimmt gerne machen. Frag ihn doch backstage."
Sie starrte mich einfach nur an. Fünf Sekunden. Zehn. Zwölf. Fünfzehn. Dann prustete sie los und schlug mir mit der flachen Hand gegen die Schulter.
„Ich hasse dich. Vor allem, weil du nicht zugeben willst, dass..." Sie verstummte und hauchte mir an meinem Gesicht entgegen „...er dich scharf macht."
„Phoebe..."
„Sag es."
„Halt einfach den Rand, ja?"
„Erst, wenn du es gesagt hast."
„Na schön", fauchte ich und drehte mich ihr wieder zu, während ich nach der Türklinke griff. Wir waren viel zu spät dran.
„Er sieht gut aus, er singt toll und er ist ein netter Typ. Zufrieden?"
„Oh Karla." Sie meinen Geburtsnamen benutzen zu hören, reizte meine Würgereflexe und brachte ihr einen „Nenn-mich-noch-einmal-so-und-ich-bring-dich-um – Blick" ein, der sie leider inzwischen kalt ließ.
„Du musst noch viel lernen. Und jetzt beeil dich."
Ich musste mich beeilen?
Die American-Airlines-Arena erschien mir fast noch voller und beengender als am Abend zuvor und ich hätte schwören können, wieder dieselben Mädchen in der Menge zu sehen, die bei meinem „ersten Mal" unmittelbar neben mir gestanden und definitiv mehr als einen Nervenzusammenbruch erlitten hatten. Meine beste Freundin trank ihren zweiten Becher Limonade und zappelte so sehr auf der Stelle, dass ich mir mit einem Mal wünschte, ich hätte die Sanitäter am Eingang gebeten, sich immer in unserer Nähe aufzuhalten. Nur für alle Fälle.
Ich berührte Phoebe sanft an der Schulter und stieß ein Ächzen aus. „Phoebs... Du musst atmen. Das Konzert hat doch noch nicht einmal angefangen. Spar dir deine Reserven für später auf, okay?" Sie schnaubte.
„Cami, ich denke, du hast keinen Schimmer, wie sich so etwas anfühlt."
Ich glaube schon.
Die Lichter dimmten sich und mich überkam eine vertraute Wärme, die ich mit aller Kraft zu ignorieren versuchte, während ich hoffte, dass meine beste Freundin den besten Abend ihrer gezählten Tage überlebte.
Ich konnte nicht definieren, was es war, aber etwas hatte sich im Vergleich zum Vorabend verändert. Shawns Stimme wirkte belegt und seine Seele etwas schwermütiger. Er gab alles, er liebte bis zur letzten Reserve und doch entging mir nicht, wie verloren seine Augen manchmal durch die Menge glitten. Als würde er etwas suchen. Oder jemanden.
Ohne wirklich zu wissen, was ich tat, krallte ich meine Finger in Phoebes Hand, bis sie vermutlich Schmerzen spürte und wünschte mir sehnlichst, Shawn würde meine stummen Worte hören, wie wenig Sinn sie auch ergaben.
Du schaffst das. Du schaffst das. Du schaffst das.
Als der letzte Ton Shawns Herz so verließ, wie er die Bühne, überkam mich eine eigenartige Woge der Erleichterung. Ich hoffte inständig, er würde sich heute Nacht nicht mehr verstecken und sich selbst treu bleiben. Schwäche zulassen, weil sie der lebendigste Beweis für seine Stärke war.
Deshalb lieben sie dich doch, oder?
Die Masse flog nur so an mir vorbei. Viel schneller, als mir lieb war, waren wir in der Nähe seiner Garderobe angekommen und ich unterdrückte den Impuls, den Kopf zu schütteln. Wenn ich jemals sicher gewesen war, dass es eine Person auf der Welt gab, der es nicht passieren würde, per WhatsApp den Standort der Garderobe eines Weltstars zu bekommen, dann war ich es wohl. Es war mehr als verrückt, was hier gerade vor sich ging.
Ich sah Phoebe an und ihr Augenrollen bestätigte, dass sie meine Aussage verstanden hatte, obwohl ich kein Wort von mir gab.
Halte den Ball flach.
Ich ließ meinen Blick nach links schweifen und erkannte im selben Atemzug das Schild mit der Aufschrift SHAWN MENDES neben der Tür – und das jemand davor stand. Mit seinen sicherlich glatten 1,90 Metern, dem kahlen Kopf und dem Ansatz eines Drei-Tage-Bartes im Gesicht, vermittelte der Mann nur eine einzige Botschaft: Leg dich nicht mit mir an.
Und es gab keinen stillen Rat, den ich jemals vorhatte, ernster zu nehmen, als diesen.
Der Mann grinste und augenblicklich schämte ich mich für mein Urteil. Er strahlte Sympathie aus und ich wusste sofort, dass er seinen Job gut und gerne machte. Er stieß sich von der Tür ab und kam mit lässigen Schritten auf uns zu.
„Hi, ich bin Jake. Shawns Bodyguard." Der Leibwächter streckte mir seine riesige Hand entgegen und ich zögerte kurz, bevor ich sie ergriff. Ich wollte gar nicht wissen, wie lange Phoebe neben mir schon die Luft anhielt.
„Ihr seid die Mädels von denen er erzählt hat, richtig?", fragte Jake.
„Stimmt", gab ich viel sicherer zurück, als ich mich tatsächlich fühlte und schluckte schwer. „Ich bin Camila und das", flüchtig deutete ich neben mich, „ist meine beste Freundin Phoebe."
Jake nickte und schüttelte auch Phoebes Hand. Diese schien wie ausgewechselt. Verschwunden war ihr sorgloses, selbstbewusstes Auftreten. Stattdessen war Phoebe in den letzten Minuten ungewöhnlich still geworden und brachte mit Mühe ein krächzendes „Hey" heraus. Jake schien sich ehrlich dafür zu interessieren, wer vor ihm stand. Das erleichterte die Situation, ebenso, wie sie sie auflockerte.
„Also..." begann ich und räusperte mich. „Shawn hat gesagt, wir könnten ihn nach der Show hier treffen..."
„Ich weiß", sagte Jake. „Und ich würde euch auch gerne zu ihm lassen, aber er hat sich wohl eingeschlossen und kommt seit zehn Minuten nicht mehr raus. Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, was los ist."
Das ungute Gefühl in meiner Magengrube überkam mich mit solch einer Wucht, dass sich die Welt um mich herum für den Bruchteil einer Sekunde drehte, obwohl sie stillstand.
Was ist passiert, Shawn?
Jake sah mich an und schien meine stumme Frage zu hören, denn er trat zur Seite. „Versuch du es mal. Vielleicht hat er vergessen, dass ihr hier seid." Dankbar lächelte ich den Bodyguard an, der in den letzten Minuten so etwas wie mein Verbündeter geworden war, bevor ich meinen Blick zu meiner besten Freundin wandern ließ, die immer noch hinter mir stand und jetzt kurz meine Hand drückte. Jake, Phoebe und ich hatten eine Sache gemeinsam: Wir alle spürten Sorge um einen Menschen, die wir stumm miteinander teilten. In einer Welt in der fast jedes Gefühl Schwäche zu bedeuten schien, waren wir für eine Sekunde stark geworden. Und ich wollte, dass wir nicht aufhörten, es zu sein.
Was ich tun musste, lag auf der Hand und vielleicht war es das Adrenalin, das Shawn in den letzten zweieinhalb Stunden auf mich übertragen hatte, oder die Wahrheit in seinen Augen, die Stimme seiner Seele, die mich mutiger werden ließ, als ich jemals geglaubt hatte sein zu können... Ich streckte meine Hand aus und klopfte an der Tür seiner Garderobe. Nichts.
„Shawn?" Meine Stimme klang, als gehörte sie nicht zu mir.
„Shawn, ich... wir sind's. Camila und Phoebe. Jake hat gesagt, du hast dich hier eingeschlossen. Und um ehrlich zu sein, machen wir uns alle ein bisschen Sorgen. Wenn du willst, dass wir wieder gehen, ist das völlig okay, wir würden einfach nur gerne sicher sein, dass es dir gut geht."
Ein Klicken ertönte. Er hatte die Tür aufgeschlossen und mein Herz setzte aus. Ich sah zu Jake und Phoebe und schluckte schwer. Was würde mein nächster Schritt werden?
Meine beste Freundin nickte. „Ich bleibe hier", flüsterte sie. Auch Jake segnete mein Vorhaben ab.
„Mach schon. Ich komme sofort, falls etwas ist."
Ich dachte an meine Lieblingsautorin und grinste. Fast.
Maktub.
Dann drückte ich die Klinke der Tür hinunter. Der Raum war riesig, doch bevor ich mich überhaupt umsehen konnte, um zu verstehen, wo ich gelandet war, drängte sich schob sich der Beweis dafür, dass man sich auch als Großer unendlich klein fühlen konnte, in mein Blickfeld. Und er erschütterte mein Herz.
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Hallöchen... ich hab da was für euch... Das nächste Kapitel :D Ich hoffe sehr, dass es euch gefällt und möchte das heutige Update besonders @tapsilicious widmen... Ich hab dich so lieb! <3
Natürlich auch noch ein Haufen Liebe an den Rest von euch! <3
Maggs :P <3
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