Kapitel 44
"I will never apologize for this heart that breaks so easily,
but loves so hardly."
-JH Hard
•••
Camila
„Also ehrlich gesagt, Camilita, ich hätte dich klüger eingeschätzt."
Ich wusste – hörte – dass Juan mich mit hochgezogenen Augenbrauen musterte, obwohl ich ihn keines Blickes würdigte. Meine Augen waren auf das Display meines Handys geheftet und die Worte, die sich über einem Bild meines Ex-Freundes, der darauf eine Villa verließ, befanden, tanzten ohne jeden Zusammenhang vor meinen Augen. Ein Name stach trotz allem deutlich hervor und schien mir allen Halt zu entreißen, der mir blieb. Und wenn ich ihn bis jetzt schon kaum fand, war er gerade offiziell von der Bildfläche verschwunden.
Julia Michaels.
Schon klar, sie hatten vor einiger Zeit zusammen gesungen und waren Freunde. Auch wenn sie es vermutlich nicht länger waren. Und es mich auch rein gar nichts anzugehen hatte.
Wieso fühlte es dann so an, als würde mein Herz immer und immer wieder durch den Fleischwolf gedreht werden? Wieso verließ er mich in jedem Herzschlag aufs Neue, obwohl ich längst nicht mehr die Seine war?
Ich ignorierte mein Herz, das mir alle Antworten entgegenbrüllte und fixierte tatsächlich meinen Boss. Seine Augen weiteten sich ein Stück, als hätte er niemals damit gerechnet.
„Tut mir leid, dich zu enttäuschen", brachte ich gepresst hervor, „aber ich bin nun mal ein dummes Mädchen."
Und obwohl ich wusste, dass ich dadurch nichts als Ärger bekommen würde, wendete ich meinen Blick ab und tippte zwei simple Worte.
Ich: Spaß gehabt?
Zehn. Zwanzig. Fünfundzwanzig...
Shawn: Wenn du mir sagen würdest, wobei, dann könnte ich mit Nein antworten.
Doch er war im Gegensatz zu mir ein kluger Junge und tippte weiter.
Shawn: Julia und ich sind nur Freunde, Camila. Und das weißt du auch.
Ich: Tue ich das?
Shawn: Tust du das?
Ich: Du kannst mich mal, Shawn.
Shawn: Ich liebe dich auch. Noch immer, falls es dir nicht aufgefallen sein sollte.
Tust du das?
Shawn: Camila?
Meine Seele brannte ihr millionstes Feuer, als ich las, dass er nichts als meinen Namen geschrieben hatte und mich fragte, wie er ihn wohl in dieser Sekunde ausgesprochen hätte.
Hör auf. Hör einfach damit auf.
Ich: Was?
Shawn: Die Welt dreht sich, weil dein Herz schlägt.
Bevor ich verstand, was geschah, bahnte sich eine Träne, von der ich nicht einmal geahnt hatte, dass sie hinter meinen Augen brennen würde, den Weg über meine Wange. Worte aus meinem liebsten Roman überschlugen sich in mir.
Heute ging die Welt unter, weil mein Herz schlug.
Wie aus dem Nichts spürte ich Juans Hand an meiner Schulter, doch versuchte nicht einmal zusammenzuzucken.
„Ich muss hier raus", krächzte ich, eine Millisekunde, bevor ein Schluchzen dafür sorgte, dass sich jedes Haar an meinem Körper elektrisch auflud.
Mein Chef nickte.
„Okay."
Rein gar nichts war okay. Und trotzdem tat ich, als würde ich seinem Wörtchen Glauben schenken und verließ einen der Orte, die noch so etwas wie Heimat darstellten. Ich lief aus dem „Rosario", das nächste Zuhause im Visier.
Das „Lead & Follow" war mucksmäuschenstill und während das in jedem anderen Fall ein riesiger Segen war, hätte ich an diesem Tag alles für ein Geräusch gegeben, das mein Inneres übertönte. Und wenn es nur mein Weinen war.
Wie von mir selbst verlassen, schaltete ich die Stereoanlage an und tanzte. Ich tanzte, bis Ariana Grande nicht mehr sang. Ich tanzte, um zu vergessen, dass ich schon längst hätte stolpern sollen.
Der Schluck Wasser, der sich auf dem Weg durch meinen Körper befand, ließ mich an ein frühzeitiges Ende glauben, als ich aus unbestimmter Richtung ein leises und doch kraftvolles Klatschen hörte. Ich tat drei Schritte nach vorne – und fand mich damit ab, augenblicklich ohnmächtig zu werden. Vor mir stand Rachel Winston, eine der erfolgreichsten Choreografinnen und sich bereits im Ruhestand befindlichen Profitänzerinnen aller Zeiten. Sie hatte jede Mannschaft, die sie trainierte, in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Jahren zu internationalen Titeln geführt und vermutlich mehr Awards gewonnen, als jeder Hollywood-Schauspieler. Die Frage, die sich am Ende des Tages stellte, war also vermutlich: Was zur Hölle sucht sie hier?
„Entschuldige, ich wollte dich nicht abschrecken und mich auch nicht anschleichen. Ich war nur ziemlich gefesselt von deiner Choreografie. Sie hat... Nun ja, sie hat mich sehr berührt."
„Vielen Dank", stammelte ich. Die Stimme, die unaufhörlich fragte, wann dieser Scherz sein Ende finden sollte, schien meine Schädeldecke entzwei brechen zu wollen. Ich schluckte und räusperte mich, verbot mir zu zittern und zittrig zu klingen.
„Ich will nicht unhöflich sein, aber was... Was tun Sie hier?"
Rachel lachte. „Erstens: Nenn mich Rachel. Zweitens: Du tanzt zwar ausgezeichnet, aber deine Bestimmung liegt ziemlich offensichtlich darin, Teams zu unterrichten, oder? Corazón war bei den letzten Championships ziemlich weit oben."
Hätte ich gedacht, dass mein gebrochenes Herz nicht schneller schlagen konnte, als es das ohnehin tat, wurde ich spätestens jetzt eines Besseren belehrt. Der Boden schien mir unter den Füßen zu entweichen, mein Hals war zu trocken, um jemals wieder schlucken zu können. Ich atmete ein und klang wie durch ein Wunder beinahe normal.
„Ja, das stimmt. Ich liebe es, Tanzlehrerin zu sein."
Rachel musterte mich prüfend aus blauen Augen und sah, während sie ihre langen, schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammenband, so ästhetisch aus, dass ich mir mit einem Mal klein vorkam. Klein, dick und verschwitzt.
„Ich verstehe." Nach kurzer Pause sprach sie weiter. „Könntest du dir auch vorstellen, Tanzlehrerin in Tokio zu sein?"
Ich hörte jedes einzelne ihrer Worte und verstand doch kaum, was sie von sich gab.
„Wie bitte?"
Meine Stimme war längst nicht mehr meine Stimme.
Rachels Blick strahlte Wärme und Verständnis aus. „Es mag vielleicht überraschend kommen, aber ich habe dich schon seit einer Weile im Auge und denke, dass du hervorragend in unser Team passen würdest."
Immer noch nicht zu einer sozial angemessenen Reaktion fähig, suchten meine Augen starr ihre.
„Ich weiß nicht so recht", brachte ich irgendwann atemlos hervor. Es war keine Lüge, denn im Moment schien ich gar nichts mehr zu wissen, nicht einmal meinen Namen.
„Das ist schon in Ordnung." Rachel nickte knapp. „Denke einfach in Ruhe darüber nach und melde dich, sobald du dir im Klaren darüber bist, welchen Weg du gehen möchtest. Okay?" Sie drückte mir ihre Visitenkarte in die Hand, bevor ich ihr Nicken erwiderte
„Okay", murmelte ich. Rachel Winston verschwand so schnell, dass ich einen Augenblick lang glaubte, mir ihr Auftauchen nur eingebildet zu haben. Ich betrachtete das Kärtchen zwischen meinen Fingern so lange, bis die schwarzen Buchstaben darauf verschwammen und setzte langsam einen Fuß vor den anderen.
Wir hatten ein Problem. Das wurde mir, noch bevor meine Mutter den Mund öffnete, bewusst. Wieder randalierte mein Herz, als ich in die verlorenen Fenster ihrer Seele blickte und ihren Körper in Augenschein nahm, der sonst so stolz und stark lebte, doch jetzt größte Mühe hatte, an sich zu halten.
„¿Que pasó, mamá? Was ist passiert?"
„Es könnte sein, dass wir... Sofi und ich... dass wir wieder von hier verschwinden müssen."
Ich wusste, dass ich vermutlich aussah, als hätte ich einen Geist gesehen.
„Warum?" Meine Stimme war so verloren, wie ich mich fühlte, obwohl ich die Antwort bereits kannte. Sie war immer da gewesen und vermutlich würde sie es auch immer sein.
Mum seufzte bebend, bevor sie zu sprechen anfing. „Dein Vater... Ich meine, dein Erzeuger... Er weiß, dass wir hier sind. Ich habe keine Ahnung, wie er es herausgefunden hat, aber er... Er will Geld. Fünftausend Dollar bis morgen Nacht, sonst könnte er es so aussehen lassen, als wären wir diejenigen, die kriminelle Geschäfte betreiben. Das behauptet er zumindest und ich..."
„War er hier?", fiel ich ihr ins Wort. Bunte Punkte hüpften vor meinen Augen auf und ab und ich schluckte mit aller Macht aufkeimende Tränen hinunter.
Was zur Hölle ist nur mit uns passiert?
„War er hier, Mum?", wiederholte ich etwas lauter.
„Ja, er war hier. Aber es ist nichts passiert. Alles ist in Ordnung, mi amor."
Verfluchte Scheiße, gar nichts ist in Ordnung.
„Wir bekommen das hin", hörte ich mich selbst sagen, bevor ich mechanisch meine Arme um die stärkste Frau der Welt schlang. Jetzt war es wohl an mir, ihre Rolle zu übernehmen.
„Wir schaffen das schon, Mum", versprach ich öfter als einmal und betete inständig, nicht zu lügen.
Shawn
Seoul war... riesig. Wahrhaft riesig, doch ich bekam kaum etwas von Südkorea mit. Mein Herz wurde schwerer, als ich die Bühne verließ und mich backstage im Spiegel betrachtete. Das Atmen war eine Qual.
Ich vermisse dich.
Ich brauche dich.
Ich liebe dich.
Kaum hatte ich Andrew hinter mir registriert, begriff ich, dass etwas nicht stimmte. Seine Augen waren vor Furcht geweitet. Es konnten wohl auch Superhelden Angst verspüren.
„Was ist los, Andrew?", fragte ich und ignorierte meine rasende Seele.
Er räusperte sich. „Shawn, Camilas Schwester hat mich gerade angerufen."
Mein Herz setzte einen Schlag aus und Übelkeit stieg in mir auf.
„Was ist passiert?"
Noch bevor mein Manager zu einer Antwort ansetzen konnte, klingelte mein Handy. Sofias Name erleuchtete das Display. Wie von selbst nahm ich ab.
„Sofi?"
„Shawn..."
Die kleine Schwester meiner großen Liebe unterdrückte mit aller Kraft ein Schluchzen. Ein Rauschen erfüllte meine Ohren.
„Shawn... Shawn, bitte... Hol' uns hier raus."
-
Hier bin ich wieder! Und ich kann euch sagen... Im nächsten Kapitel wird es spannend ;)
Ich hoffe, dieses hier gefällt euch. <3
Hab euch lieb,
eure Maggie <3
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