Kapitel 41
"The hardest thing I have ever done is walk away
still madly in love with you."
-Unknown
•••
Shawn
Ich hasste die Kälte und verstand nicht, wie ich sie jemals hatte lieben können. Toronto war mit einem Mal viel zu fremd, um als meine Heimatstadt durchzugehen. Ein Wimpernschlag verlief anders als der nächste und ich hatte keine Ahnung wie viel Zeit zwischen den Herzschlägen verstrichen war, die nicht nur dazu dienten, mich am Leben zu halten. Es gehörte mir nicht länger und jeder Atemzug erschien mir überflüssig. Meine Dämonen hatten wohl ihr unwillkürliches Stichwort vernommen und die Tatsache, dass es nahezu niemanden gab, der deswegen zur Rechenschaft zu ziehen war, machte mich zum Verlierer.
Es ist nicht meine Schuld.
So sehr hatte ich mir gewünscht, diesem Satz Glauben zu schenken, doch je öfter ich ihn in seine Einzelteile zerlegte, desto absurder erschien er mir. Auch wenn ich wusste, dass das Desaster – niemals würde ich es als Kuss einordnen – von Phoebe ausgegangen war, war ich allem Anschein nach der Einzige, der blutete. Von innen. Und die Tatsache, dass kein Druckverband helfen würde und Zeitmaschinen noch nicht existent waren, half kein bisschen. Andere Welten. Die brauchte ich. Welten, in denen Liebe nicht zerbrach und Verrat unbekannt war. Doch ich war hier und bekam nicht einmal etwas davon mit.
Ich zog den Reißverschluss meines Pullovers nach oben und trank den letzten Schluck Tee mit einem Schuss Whiskey. Vielleicht war es auch Whiskey mit einem Schuss Tee, aber wen interessierte das schon? Als mich die Wärme meines Wohnzimmers umschloss, gelang es mir, eine Sekunde lang so zu tun, als wäre mein Dasein keine Katastrophe. Das Gefühl der falschen Zufriedenheit verschwand, als ich in die Augen meiner Schwester sah. Ihr Blick trug etwas Ernstes und war doch so sanftmütig, dass meine Beine drohten, nachzugeben. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, doch ich konnte mir nie wieder sicher sein, dass mich jemand auffangen würde. Schneller als ich denken konnte, saß ich auf meiner Couch in meiner viel zu stillen Wohnung und spürte Aaliyahs Arme an meinen Schultern.
„Ich sollte dir vermutlich eine knallen."
Teilnahmslos zuckte ich mit den Schultern.
Ich weiß.
„Aber ich denke, manche Tage sind beschissener als andere, nicht wahr?"
Sollte ich sie dafür verfluchen, dass sie meine große Liebe zitierte, oder dankbar sein?
Wie auch immer.
„Vermutlich."
„Willst du mir erzählen, was wirklich passiert ist?"
Ja. Nein. Keine Ahnung.
„Sie ist weg." Nicht einmal annähernd der Satz, den ich hatte sagen wollen, aber der Einzige von dem ich wusste, dass er Beständigkeit behalten würde. Der Einzige, der mir verriet, dass ich mich noch nicht verloren hatte, weil er mich in jedem Augenblick aufs Neue tötete.
Meine Schwester zog ihre Augenbrauen zusammen und wirkte so viel älter als ich. Beinahe hätte ich gegrinst und es wäre sogar zur Hälfte echt gewesen.
„Warum, Shawn?"
Ich mied ihren Blick, bevor ich mich dazu durchdrang von der Nacht zu erzählen, die mich verfolgte, wenn ich schlief. Wenn ich wach war. Und dazwischen. Letztendlich blieb mir nur eine einzige Wahrheit und es war die, die niemand hören wollte.
„Ich habe nicht die beste Freundin meiner Ex-Freundin geküsst. Die beste Freundin meiner Ex-Freundin hat mich geküsst."
Verbittert lachte ich auf und vergrub für die Tränen, von denen ich wusste, dass sie folgen würden die Hände vor meinem Gesicht. Aaliyahs Augen strahlten Perplexität und Verwirrung aus, genauso wie ein anderes Paar Augen es vor viel zu kurzer und viel zu langer Zeit getan hatte. Und es tat weh. Jeder Atemzug schmerzte so maßlos, dass es kaum auszuhalten war.
„Ich weiß du Idiot", murmelte Aalyiah und säße sie nicht direkt neben mir hätte ich vermutlich gedacht, mir ihre Worte nur eingebildet zu haben. Ich schämte mich nur ein wenig und zerbrach nur noch ein wenig mehr, als ich aufblickte und meine kleine Schwester meine Tränen wegwischte. Ihre warmen Finger waren gegen meine brennenden Augen eine Wohltat.
„Was hast du gesagt?"
„Ich weiß", wiederholte sie. „Es war nicht deine Schuld, Shawn."
Es ist nicht meine Schuld.
Wie lange würde es wohl noch dauern, bis das der Wahrheit entsprach?
„Camila hat mir mal gesagt, dass die beste Rache ist, glücklicher als jemals zuvor zu werden.", Aaliyah hatte ihre Stimme gehoben und mein Herz sank. Noch weiter, immer weiter.
„Das würde ich dir ja auch raten, aber ich weiß, dass du ohne sie nicht glücklich werden würdest. Und das will ich auch gar nicht." Liyah zwinkerte und aus einem Grund, den wir niemals kennen würden, fühlte ich mich besser.
„Ich weiß nicht, ob alles wieder gut werden wird", sagte sie diplomatisch und legte wieder einen Arm um meine Schulter.
„Aber du musst kämpfen, Bruderherz. Kämpfe für die Frau, die dir gezeigt hat, was Liebe bedeutet. Versprichst du mir das?"
Ich nickte, obwohl ich von der Bereitschaft für einen Kampf kaum weiter weg hätte sein können. Dann schüttelte ich den Kopf.
„Wie soll ich das anstellen?"
„Vertraue auf das, von dem du weißt, dass es dich glücklich macht und nehme in Kauf, dass es noch ein paar Mal bricht."
Aaliyahs Fingerspitzen lagen auf meiner Brust.
„Mein Herz."
„Dein Herz."
„Und bis du nicht mehr wie ein Zombie aussiehst... " Meine Schwester schlug ein Bein über das andere. „konzentrieren wir uns auf Harry Potter – und Popcorn."
Ich lachte und erschrak beinahe darüber, dass ich es noch konnte.
„Ich hab dich lieb, Schwesterherz."
Sie rollte mit den Augen, doch ließ ihren Grinser zu langsam verschwinden.
„Ja. Wie auch immer."
„Es würde vermutlich bessere Zeitpunkte geben, um diese Frage zu stellen, aber irgendwann muss ich es tun." Andrew rückte eine Woche später seine Brille auf seiner Nase zurecht und ich seufzte schwer.
„Schieß los."
„Wirst du wieder auftreten?"
Ich sah in an, als hätte er chinesisch gesprochen.
„Du weißt schon...", erklärte mein Manager langsam und stirnrunzelnd. „Du bist der erfolgreichste Künstler der Welt und deine Tour läuft noch, also..."
„Ja", sagte ich, ohne ihn seinen Satz beenden zu lassen. „Ja, ich trete wieder auf."
Andrew musterte mich kritisch. „Bist du dir sicher?"
Ich nickte, obwohl ich mir alles andere als sicher war. Und dann sagte ich das armseligste, das jemals den Weg aus meiner Seele hätten finden können.
„Ich habe schon eine Hälfte meines Herzens verloren, Andrew. Ich kann es mir nicht leisten, zu riskieren, dass mit der anderen dasselbe passiert."
Mein Manager sagte nichts, doch ich sah die Sorge in seinem Blick. Er erwiderte mein Nicken und legte die Hand auf meine Schulter. Wie oft hatte ich in letzter Zeit eine Hand auf meiner Schulter gefunden, wie oft hatte man versucht, mich zusammenzusetzen. Wie oft ging ich trotzdem kaputt. Ein ums andere Mal.
„Shawn, Kumpel... Pass auf dich auf, ja?"
Ich zuckte die Achseln und kämpfte gegen den Drang an, Andrew vor den Kopf zu stoßen, indem ich die Augen verdrehte.
„Ja. Wie auch immer"
Auf dem Absatz drehte er sich um.
„Tust du mir einen Gefallen?"
Als ich nichts sagte, fuhr er fort.
„Sei offen."
„Offen wofür?"
Ich war müde und Schlaf würde nicht helfen.
„Für das, was als nächstes kommt."
Was zum Teufel kommt als nächstes, Andrew?
Als hätte er meine Gedanken gelesen, sagte er:
„Ich weiß nicht, was das sein wird. Ich wünschte, ich könnte es dir sagen. Höre einfach auf dein Herz, in Ordnung?"
Ich nickte und war so lange alleine, bis an meiner Tür ein Klingeln ertönte. Ganz kurz erwog ich, einfach nicht zu öffnen, doch die dumme Hoffnung, dass es irgendwann die einzige Person sein könnte, die ich sehen wollte und brauchte, brachte mich dazu, es doch zu tun.
Und sie wurde jäh zerstört, als ich nicht Camila vor der Tür stehen sah, sondern jemanden, der ihr viel zu ähnlich sah. Mir wurde schlecht, doch ich schlug die Tür nicht zu. Wegzulaufen wäre einfach gewesen, doch ich musste lernen, die Steine auf meinem Weg zu akzeptieren. Jetzt mehr als je zuvor.
„Was zur Hölle willst du hier, Phoebe?"
Sie sah schuldbewusst zu Boden und ich biss die Zähne zusammen, um nicht zu brüllen.
„Darf ich reinkommen?"
Nein.
„Ich wollte mit dir reden", sagte sie.
„Bist du scharf auf 'ne Wiederholung?", fragte ich spöttisch. „Nein, warte. So kann man es gar nicht nennen, weil du mich geküsst und dafür gesorgt hast, dass mein Leben den Bach runtergeht. Wieso bist du also hier?"
Phoebe schluckte und in ihren Augen bildeten sich Tränen. Mein Mitgefühl hielt sich in Grenzen.
„Ich wollte doch nur wissen, was wir... Also wie das mit uns..." Sie stockte und ich fiel offiziell vom Glauben ab.
„Uns? Hörst du dir eigentlich zu? Es gibt kein uns und es wird auch nie eines geben. Nicht einmal annähernd. Ich liebe... Ich liebe deine beste Freundin mehr als alles andere auf der Welt und ich..."
„Denkst du, für mich ist das einfach?", rief sie. Ihre Tränen liefen und stoppten erst knapp unter ihrem Kinn.
„Ich muss Camila jeden Tag sehen und mich daran erinnern, dass ich sie kaputt gemacht habe. Euch." Sie wollte sprechen, doch jedes Wort ging in einem Schluchzer unter.
Ich lachte ungläubig. „Wow. Was erwartest du von mir? Mitleid? Dass ich auch nur ein Wort glaube, das aus deinem Mund kommt? Tja, das kannst du vergessen. Beantworte mir bloß eine einzige Frage. Oder... Nein, beantworte sie nicht mir. Flieg zurück nach Miami und sag es Camila. Sag es der Person ins Gesicht, die du genauso verloren hast, wie ich. Und ich will dich nie... nie wieder sehen. Verschwinde."
Phoebe schwieg und ich zählte. Zehn Sekunden. Weiter, bis es fünfzehn waren. Zwanzig.
Nach fünfundzwanzig Sekunden verschwand Phoebe Torres aus meinem Blickfeld. Ich sank an der Tür meiner Wohnung zu Boden und dachte an die Worte meines Managers.
Du bist der erfolgreichste Künstler der Welt...
Vielleicht war ich das manchmal. Doch jetzt war ich nur ein Junge, dessen Herz zerbrach und der darum betete, wieder von seinem Mädchen geliebt zu werden.
-
Hi ihr Lieben!
Zu später Stunde gibt es noch ein Kapitel. Ich hoffe, ihr freut euch und, dass es euch gefällt. <3
Habt ihr meinen kleinen Plot Twist schon verarbeitet? :D
Was denkt ihr, wie es weitergeht?
Alles Liebe,
Maggie <3
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top