Kapitel 40

"From the moment I saw her, I knew this one was worth a broken heart."
-Atticus
••


Shawn

Der Club war viel zu voll. Schon klar, Menschen beschrieben Szenen des Nachtlebens immer mit diesen fünf Worten. Es war viel zu voll. Aber mir wäre selbst nüchtern – und gerade fragte ich mich ob ich das jemals wieder sein würde – kein anderer Ausdruck eingefallen. Das Gute am Alkohol war: Einem wurde heiß. Das Schlechte am Alkohol war: Einem wurde heiß.

Viel zu schnell viel zu heiß.

Ich fühlte mich während ein paar meiner Artgenossen davon sangen, Frauen flachzulegen, als würde ich bei lebendigem Leibe angezündet werden und war nicht zum ersten Mal dafür dankbar, dass ich in meiner Heimatstadt verhältnismäßig selten angesprochen wurde. Jeder Fan, der mir jemals dafür gedankt hatte, ein gutes Vorbild zu sein, hätte seine Worte ohne nachzudenken zurückgenommen, sobald das schockierende Licht der Wahrheit die Nacht durchleuchtete.

Auch Shawn Mendes konnte sich besaufen.

Ein unwillkürliches Lachen entwich mir und mit einem Mal fand sich eine Hand auf meiner Schulter. Ich spürte mehr Erleichterung, als ich hätte fühlen dürfen, als ich meinem Manager in die Augen blickte. In einfacher Version.

„Wie nüchtern bist du?"

Welch eine empathische Art sich nach dem Ausmaß der Zerstörung zu erkunden.

„Wie nett, dass du so fragst, ob ich noch gerade stehen kann."

Er zuckte die Schultern und auch der Ansatz eines Schmunzelns in seinem Gesicht entwich mir nicht.

„Ich sehe eben, dass du es nicht kannst."

Er reichte mir ein Glas Wasser und ich nickte, im Versuch es ohne größere Zwischenfälle zum Mund zu führen. Er verstand meine stumme Botschaft.

Du hast mir gerade das Leben gerettet.

Er erwiderte mein Nicken.

Gern geschehen.

Er drückte noch einmal meine Schulter und ließ den Blick zwischen mir und meinem Getränk hin- und herwandern, was in Andrew Gertlers Welt wohl so viel bedeutete wie: „Bau niemals mehr Scheiße als die Menge an Scheiße, aus der ich dich auch wieder rausholen kann." und verschwand.

Die Menge um mich herum begann schneller zu tanzen, als ich es verarbeiten konnte und ein Klumpen der Übelkeit wuchs stetig in meinem Magen heran. Ich lehnte mich an den Tresen der Bar und leerte das Glas Wasser schneller, als dass es noch nicht verzweifelt wirkte und massierte meine Schläfen. Ich atmete flach und bemerkte aus dem Augenwinkel, dass mich jemand ansah, der meiner Freundin viel zu ähnlich war. Phoebes Augen fragten, ob alles in Ordnung war und ich antwortete schief grinsend mit einer Mischung aus Wahrheit und Lüge. Meine Vermutung über das telepathische Verständnis meiner großen Liebe und ihrer besten Freundin wurde befeuert, als ich neben mir ein „Ist alles okay?" vernahm und endlich kam es von der Person, die dafür sorgte, dass ich schlagartig nüchtern wurde, obwohl ich es nicht war und verstand, dass kein Alkohol mir denselben Rausch schenken konnte, wie ihre Augen. Ich war Camila dafür dankbar, dass sie zuerst ihre Arme um meinen Nacken schlang und mich davor bewahrte, auf die Schnauze zu fliegen. Falls sie Alkohol im Blut hatte, sah man ihr keinen Tropfen an. Sie lächelte und meine Seele brannte auf die schönste Weise.

„Alles in Ordnung?", fragte sie erneut und beinahe schämte ich mich für heute Abend. Sie legte ihre Stirn an meine und hielt mich. Sie hielt mich immer dann, wenn ich es selbst nicht mehr konnte.

„Ich war schon mal nüchterner", gab ich zu und beobachtete, wie sie beinahe erfolglos versuchte, nicht loszulachen.

„Ach wirklich?"

Ich schluckte schwer. „Du bist wunderschön", raunte ich, bevor unsere Lippen sich fanden.

„Und es sprechen nicht die Shots aus mir."

Sie lachte leise und ich genoss das Feuer der Gänsehaut auf und in mir.

„Ich sollte es dir vermutlich sagen, sobald der Rausch vorbei ist, aber... Ich bin verdammt stolz auf dich."

Ich kam, ebenso wenig wie sie, daran vorbei zu grinsen und unsere Nasen einander berühren zu lassen. Und dann wurde ich meiner Rolle als Betrunkener gerecht und sagte... nichts als die Wahrheit.

„Ohne dich hätte ich es niemals geschafft, vor 53.000 Menschen aufzutreten." Sie schüttelte den Kopf.

„Du bist derjenige, der diese Welt mit seiner Stimme und seiner Leidenschaft zu einem besseren Ort macht. Mein Job ist es bloß, dich zu bewundern – und all meinen Schwestern" – sie zog das Wort demonstrativ in die Länge – „klarzumachen, dass du mir gehörst."

Kopfschüttelnd grinste ich und genoss das Gefühl ihre Haut an meinen Daumen zu spüren.

„Ich habe dir schon gehört, bevor du mich angesehen hast. Du hältst mich zusammen, wenn es sonst niemand mehr tut und ich weiß, dass ich heute kein Stadionkonzert gegeben hätte, wenn du es nicht wieder getan hättest."

Oh nein...

Ich spürte, dass Tränen sich aus meinen Augen befreiten, bevor sie meine Wangenknochen befeuchteten. Benahm ich mich vor meiner Freundin immer so jämmerlich?

Sie fing mich wieder auf. Küsste meine Tränen weg teilte meinen Herzschlag. Heilte meine Seele. Und legte ihre kleinen Hände an meine Wangen.

„Allein du entscheidest, deinen Dämonen die Stirn zu bieten. Ich glaube, du wirst niemals wissen, wie viele Herzen du zusammengesetzt hast, indem du gezeigt hast, dass auch deines manchmal bricht. Du bist der stärkste Mensch, dem ich jemals begegnen durfte. Und kein Ton den du jemals gesungen hast, macht dich dazu. Du bist Shawn und deine Seele lebt zuerst einmal für jeden anderen, bevor sie es für dich tut. Ich liebe dein Lachen. Ich liebe es, dass du vertraust und andere dazu ermutigst, dasselbe zu tun, mit dem Risiko, dass es schlecht laufen könnte. Ich liebe deinen Mut und deinen Willen, vor dem Urteil zu verstehen.

Ich liebe dich mit allem, was du bist und mit allem, was du jemals sein wirst. Ich liebe dich mit allem, was ich bin und mit allem, was ich jemals sein werde."

Ich antwortete mit einem Kuss. Einer von unzähligen und es durfte niemals der letzte sein. Wir durften niemals aufhören, wir zu sein. Wir waren wir und wurden zu einem, was auch immer geschah. Wir waren unter uns, wenn es die ganze Welt sah. Wir waren unvollkommene Perfektion und ich wollte einhundert Mal sterben, wenn es bedeutete, eine Sekunde länger das Leben in meinen Armen zu spüren. Wenn es bedeutete, sie zu spüren.

„Spring, Babe", flüsterte ich in einer winzigen Sekunde, die die Sprache unserer Lippen nicht für sich beansprucht hatte und im Nu hatte mein Mädchen ihre Beine um meine Hüften geschlungen. Ich biss fordernd in ihre Unterlippe und liebte das genussvolle Seufzen, das ihr entwich. Unsere Zungen kämpften, doch ihre überließ mir den Sieg ohne Umschweife und mein Herz verlor den Verstand. Wenn es denn jemals auch nur einen Funken davon besessen hatte, war er fort. Ich konnte das Pochen und das Lechzen nach Erlösung meiner Mitte nicht länger ignorieren und nahm meine gesamte Willenskraft zusammen, um meinen Kuss zu unterbrechen. Wir atmeten schwer bis überhaupt nicht und ich erstickte jeden Zweifel, der auf dem Weg in ihre Seele war, mit drei simplen Worten.

„Ich will dich."

Sie schluckte schwer und biss sich in die Unterlippe. Großer Gott im Himmel.

„Ich würde lügen, würde ich sagen, dass ich nicht auch dich wollen würde, aber ich denke, wir sollten den Alkohol verschwinden lassen."

Ich schmunzelte. „Und was schlägst du vor?"

Ein diabolisches Grinsen umspielte ihre perfekt vollen Lippen und ihre nächsten Worte an meinem Ohr kosteten mich beinahe mein letztes bisschen Selbstbeherrschung.

„Sehen wir uns in zwanzig Minuten auf der Toilette wieder?"

Das war's dann.

Ich war verloren. Hart wie ein Felsen und verloren.

Ich schluckte und wunderte mich beinahe darüber, dass ich meine Stimme wieder fand.

„Oh, du willst also unartig werden?"

Sie ließ ihre Zunge an meiner Ohrmuschel spielen und mich erschaudern.

„Du nicht?"

„Fuck", stieß ich hervor. „Süße, du machst es mir verdammt schwer, dich nicht hier und jetzt zu nehmen." Wieder zog sie ihre Unterlippe durch ihre Zähne.

Herr da oben, vergib mir...

„Zwanzig Minuten", bettelte ich.

Im Ernst, ich bettelte.

Sie nickte, grinste und war verschwunden.

Camila Cabello wird mein Ende sein.

Nicht mehr dazu in der Lage, Raum und Zeit zu unterscheiden, bestellte ich mir einen weiteren Shot und ein Glas Wasser und trank beides in einer Geschwindigkeit, die mit dem Oxymoron, das sie darstellte, eigentlich in die Geschichtsbücher hätte eingehen sollen.

Niemand hatte jemals so schnell versucht, sich zu betrinken und nüchtern zu werden.

Ich brauche sie. Ich brauche sie jetzt sofort. Ich brauche sie.

Die Minuten verstrichen viel zu langsam. Und dann war es nur ein Sturm an braunen Haaren, den ich ausmachte. Fast... Fast verspürte ich Erleichterung, weil zwanzig Minuten endlich ihr Ende gefunden hatten.

Ich will sie. Ich brauche sie. Ich will sie. Ich will sie. Ich brauche sie.

Doch dann hatten ihre falschen Lippen den Weg auf meine gefunden. Es war nicht die einzige Frau, die ich jemals lieben würde.

Es war jemand, der ihr viel zu ähnlich sah.

Meine Synapsen hatten kaum Zeit gefunden, zu begreifen, was geschah, doch erledigten meine Hände den letzten richtigen Job. Ich schob das Mädchen, das ich niemals hatte spüren wollen fast aggressiv von mir weg – und ich fühlte kein bisschen Reue. Wut und Fassungslosigkeit waren in mir an die Macht gekommen. Viel zu langsam und viel zu schnell begriff ich, dass ich endgültig verloren hatte. Und dann strafte ich mich mein Augenwinkel ein letztes Mal mit der Frau, die ich liebte – und mein lebendiges Paradies brannte wie die Hölle auf Erden.

Camila

Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als mich betrunken zu haben. Denn dann hätte ich jedes mikroskopische Detail in meinen Augen auf die Halluzinationen, an denen der Alkohol Schuld trug, schieben können. Der Haken: Ich war stocknüchtern. Und die Welt hörte nur auf sich zu drehen, um in sich zusammenzufallen. Ich hatte öfter als mir lieb war gespürt, dass ich ein Stück meiner Seele verlor.

Die erste Fahne, die mein Erzeuger mit in das Zuhause nahm, dem er mich beraubt hatte. Der erste Schlag, den er meiner Mutter verpasst hatte. Der Augenblick in dem Shawn vor meinen Augen zusammengebrochen war, lange nachdem ich begriffen hatte, dass ich die Seine war.

Shawn, der meine beste Freundin küsste und zuließ, dass ich dachte, ich wüsste, wie es sich anfühlte zu sterben. Denn genau das tat ich gerade, richtig? Ich starb. Mit jeder Sekunde mehr und meine Kehle verbot mir, zu schreien, obwohl es das Einzige war, das ich jemals wieder würde tun können, ohne auch nur einen einzigen Fehler zu machen. Ich wollte schreien, bis es aufhörte. Schreien, bis ich nicht mehr war.

Doch ich tat das genaue Gegenteil. Ich ging. Meine Beine trugen mich, ohne, dass mein zerstörter Verstand ihnen letzteres hätte befehlen können. Ich ging, bis die Hitze zur Kälte wurde.

Shawn und Phoebe.
Phoebe und Shawn.
Shawn und... Nein.

„Camila."

Er rief meinen Namen und ich blutete nur ein klein wenig von innen.

„Camila, warte. Bitte. Bitte, warte."

„Mila..."

Ich rastete völlig aus. Und bevor der letzte Rest an Rationalität in mir zum Einsatz kommen konnte, drehte ich mich um und starrte in die geweiteten Augen des Mannes, den ich so sehr liebte.

„Wage es nicht", zischte – oder schrie? – ich. Egal. Spielte nicht länger eine Rolle. Was war überhaupt noch von Bedeutung?

„Wage es nicht, mich auch nur noch ein einziges Mal so zu nennen. Was... Was..."

Vollkommen hilflos brach ich ab und ließ zu, was vermutlich kein Mensch mit auch nur einem Fünkchen Stolz und Selbstachtung jemals zugelassen hätte. Ich brach in Tränen aus.

Bitte nicht.

„Camila, ich schwöre dir bei Gott... Es ist nicht..."

„Wenn du jetzt sagst, es ist nicht das, wonach es aussieht, Shawn Mendes, dann sorge ich augenblicklich dafür, dass du nie wieder Nachkommen zeugen kannst."

Er sagte nichts. Und doch sagte er alles.

Wie hatte ich jemals so naiv werden können, dass mich der Wunsch überkam, vor mir selbst zu flüchten? Ich hatte ihm vor gefühlten zehn Minuten meine Seele ausgeschüttet, alles was ich heute Nacht hatte finden können. Wieso, wieso zum verfluchten Teufel, standen wir jetzt hier?

„Ich habe sie nicht geküsst...", begann er zögerlich. Ich lachte. Ich lachte hysterisch und irre.

„Nein? Hast du nicht? Lass mich raten: Sie hat dich geküsst? Phoebe hat dich geküsst?"

Ich hätte lernen sollen, leiser zu zerbrechen. Doch ich konnte nicht. Ich hatte es niemals gekonnt.

„Bitte hör mir zu." Shawn flehte und ich starb weiter.

„War das der Plan? Wolltest du sie und nicht mich? Wie lange? Wie lange willst du meine beste Freundin, Shawn?"

Er öffnete seinen Mund und schloss ihn wieder. Trat näher.

Pause.

„Unsere gesamte Beziehung war eine einzige Lüge!"

„Camila...", presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich will niemanden... niemanden außer dir. Das habe ich keine Sekunde und das werde ich niemals. Können wir nicht einfach darüber sprechen..."

„Sprechen?", fuhr ich dazwischen und beinahe hätte ich wieder gelacht.

„Nein. Nein, Shawn. Du und ich haben uns nichts mehr zu sagen. Du hast genug gesprochen und ich... Ich auch."

Ich schloss die Augen. Erlaubte mir keinen Blick mehr in seine Richtung. Dann schluckte ich und tat, was er heute Nacht als Erster getan hatte. Von dem ich niemals gedacht hatte, dass ich jemals auch nur ansatzweise dazu fähig sein würde.

Ich ging.

Miami war mitten in der Nacht still, aber nicht still genug. Alles hätte ich gegeben, um die Geräusche der Stadt zu hören, um nicht meine Tränen wegwischen zu müssen.

Das Rosario war von innen beleuchtet obwohl sich die Sonne erst in etwa zwei Stunden blicken lassen würde. Die Sonne des Montags in Florida, den ich einst so sehr geliebt hatte und der mir jetzt wie nichts als eine riesige Illusion erschien.

Der Blick meines Boss war zuerst prüfend, fiel jedoch als er mich genauer inspizierte. Juan seufzte.

„Ich sagte doch, ich will nicht, dass eine von euch schwanger... Was zur Hölle hat er getan?"

Ich schwieg. Und es reichte für die Wahrheit.

Der einzige Mann, der jemals ein Vater für mich würde sein können, hielt mich während die Nacht zum Tag wurde und ich alles gegeben hätte, um tausend Lügen aufrecht zu erhalten.

-

DA IST ES!!! Das Kapitel aus beiden Sichtweisen... Wie geht es euch dabei? Habt ihr damit gerechnet? Seid ihr überrascht? Geschockt? Wütend? Traurig?

Ich will gar nicht viel sagen, außer dass es mich sehr aufgewühlt hat, dieses Kapitel zu schreiben... Ich bin jedenfalls unglaublich gespannt, auf eure Kommentare!

Alles Liebe,

Maggie <3

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