Kapitel 18

"An alchemist of hearts;
she turned my soul to gold."
-Atticus

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Shawn

Mein gesamtes Leben lang hatte mich eine Frage beschäftigt. Sollte ich das Glück suchen, oder zulassen, dass es mich fand? Man konnte in diesem Fall niemals die richtige Entscheidung treffen. Man musste das Universum, das Schicksal oder was auch immer uns zu dem führte, das uns zeigte, wie das Leben funktionierte, seinen Job machen lassen. Und gestern Abend hatte es einen hervorragenden geleistet. Das hatte es eigentlich jede Nacht auch wenn schwarze, wilde Locken, glänzende Augen und ein berauschendes Lachen selten bedeuteten, dass es einfach werden würde. Aber wisst ihr was?

Es war völlig egal. Denn Camila war die schönste Gefahr, der ich mich jemals ausgesetzt hatte. Nichtsdestotrotz trank ich, das erste Mal, seit ich das „Rosario" vor einem Zeitraum entdeckt hatte, der mir vorkam, wie ein gesamtes Leben, meinen Matcha Latte alleine, denn sie war nicht hier. Nicht an diesem Morgen. Und auf einmal wusste ich, warum mir dieses eine Zitat den ganzen Tag im Kopf schwirrte. Die Welt drehte sich nicht mehr, wenn ihr Herz nicht dort schlug, wo ich war. Ich war zu feige, es zu kapieren, wo es die Sterne doch schon geschrieben hatten, bevor wir uns auch nur ein einziges Mal begegnet waren.

Maktub und solcher Kram.

Juan glaubte vermutlich, etwas gegen meine Begossener-Pudel-Stimmung tun zu müssen und lächelte mir in fünf Minuten drei Mal zu. Ich konnte es nur schwach erwidern. Auch wenn ich ganz genau wusste, dass Camilas Boss mir die Eier abreißen würde, wenn ich einen Fehler machte, war mir, als würde er es auf seine eigene Art und Weise auch gut mit mir – mit uns – meinen. Der Mann war viel zu aufmerksam. Oder er hatte ein goldenes Händchen für unangenehme Themen. Alles eine Frage der Perspektive.

„Ich wollte mich schon länger bei dir bedanken", fing er an.

Okay, das... hatte ich nicht erwartet.

„Wofür?", fragte ich und richtete mich auf, als hätte ich eine Prüfung zu bestehen. Plötzlich interessierte mich brennend, was er mir zu sagen hatte.

Juan räusperte sich. Er wählte seine Worte bewusst.

„Mir fallen an Menschen immer Dinge auf, die man eigentlich nicht sofort bemerkt. Ob ihre Augen stärker oder schwächer leuchten, welche Form ihr Lachen hat. Ich kenne Camila sehr lange und habe sie seit langer Zeit nicht mehr so erlebt. Ja, schon klar, sie tanzt nicht mit ihrem Körper, bloß mit Herz und Seele, seit sie laufen kann. Und ich bin sehr glücklich über die Tatsache, dass sie ihren Job hier im Laden liebt."

Juan lächelte selig und ich konnte schwören, dass ich beobachtete, wie seine Augen zu glänzen begannen. Es war klar, dass Camila für ihn so viel mehr war, als seine Angestellte. Aus irgendeinem bescheuerten Grund stimmte mich das ungeheuer ruhig.

Ihr wird nichts passieren.

„Aber..." Juan begann wieder zu sprechen und schluckte ein paar Mal, um nicht sofort etwas sagen zu müssen, „wie du sie sein lässt, mein Junge. Das ist wirklich sehr schön zu sehen."

Er nickte, als wollte er das nicht nur mir, sondern auch sich selbst bestätigen.

„Wie lasse ich sie denn sein?", fragte ich und plötzlich kam mir das Cafe viel zu klein vor. Mein Matcha Latte war nicht mehr lauwarm, doch es gab nichts, was mich hätte kälter lassen können.

Sagen Sie es. Bitte sagen Sie es, Juan Martínez.

„Sie ist ziemlich glücklich, seit sie dich kennengelernt hat."

Mein gesamter Körper war ein einziger Klumpen aus Feuer, Gänsehaut und blauen Schmetterlingen mit schwarzen Punkten.

Verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt.

„Es ist auch nicht besonders schwer, glücklich zu sein, wenn man in ihrer Nähe ist", gab ich zu und wusste, dass ich niemals etwas ehrlicheres von mir geben würde.

„Shawn, darf ich dich etwas fragen?"

Der Knoten in meinem Magen wuchs stetig und es war plötzlich wie von Zauberhand kein einziger Krümel Luft in Coconut Grove zu finden. Vielleicht sogar in ganz Florida.

„Natürlich", gab ich zurück, obwohl ich rot und schwarz gleichzeitig sah und glaubte, jeden Moment zu kollabieren.

Atme. Hier darf jetzt nichts passieren.

„Was empfindest du für Camila?"

Auf einen festen Schlag war ich hellwach und nüchtern, obwohl ich keinen Alkohol getrunken hatte.

„Ich...."

Jeder weitere Teil eines vollständigen Satzes blieb mir im Hals stecken, weil ich endlich wusste – nein, ich hatte es schon immer gewusst und nie wahrhaben wollen – wieso ein Herzschlag sich so gut anfühlen konnte, warum Schmerzen manchmal schön waren und wieso ich tausende und abertausende Lieder über einziges Gefühl geschrieben hatte.

Ich liebe sie. Grundgütiger, ich liebe sie.

Welcher Impuls wäre auf diese Erkenntnis der richtige gewesen? Mir war, als wollte ich aufspringen und Juan mit dem Rest der Welt um den Hals fallen, oder aber aufstehen und weglaufen. Ich wusste, dass Letzteres der größte Fehler in der Geschichte der Menschheit wäre, genauso wie ich wusste, dass ich es nie wieder tun wollte: Flüchten. Aber dass ich all das wusste, hieß nicht auch, dass ich stark genug war, die richtigen Dinge zu tun. Eines dieser Dinge bestand darin, Juan die Antwort zu geben, auf die er wartete. Aber sie kam nicht zum Vorschein. Ich wusste, dass meine Gefühle real werden würden, sobald ich sie aussprach, und was soll ich sagen.... Davor hatte ich unbeschreibliche Angst, denn: Konnte es wirklich sein, dass mir so etwas widerfuhr? Konnte es sich so gut anfühlen, zu verstehen, zu welch einem Menschen Camila mich gemacht hatte?

„Ich..."

Wieder verließ nichts als dieses eine Wort meine Lippen und ich rechnete schon mit lebenslangem Hausverbot in Juans Laden, als er mein Gesicht genauer inspizierte, als jemals zuvor an diesem Morgen und während in seinen Augen ein merkwürdig friedvoller Ausdruck aufblitzte, sagte:

„Ich weiß, hombre. Ich weiß."

In der Stimme des Mannes, der sich in so kurzer Zeit zu einem Vorbild für mich entwickelt hatte, schwang so viel Ruhe mit, dass ich auf der Stelle in Tränen hätte ausbrechen können.

Oh mein Gott.

„Versprichst du mir nur eine Sache?", fragte er. Ich nickte und klammerte mich an den Strohhalm, den mir Juans Worte boten, wie ein Ertrinkender.

„Springe über deinen Schatten. Wenn du jetzt nicht mutig bist, wirst du das schönste Geschenk im Leben versäumen. Das kann dir zwar diese andere Person bescheren, aber nur wenn du es zulässt. Also, tut mir einen Gefallen und bekommt... was auch immer das werden soll, geregelt, bevor es zu spät ist. Ach und nur damit du es nicht vergisst – Ich stehe auf keine halben Sachen."

Trotz der Verrücktheit dieser Situation – die Liebe war verrückt – konnte ich mein Lachen nicht zurückhalten.

„Ich habe es immer Hinterkopf", versicherte ich und traute mich, ihn zum ersten Mal, seit er mir begegnet war, bei seinem Vornamen zu nennen.

„Danke, Juan."

Er winkte ab und hielt mich noch einmal zurück, bevor ich das Rosario verließ.

„Shawn?"

Mit rasendem Herzen auf dem Sprung drehte ich mich um. „Ja?"

„Sie ist übrigens verrückt nach dir."

Der Blick vom Balkon meiner Mietwohnung in Miami war traumhaft. Man schmeckte fast, dass man das Meer vor sich hatte und jedes Mal, wenn ich mich vor den Proben für die nächste Show, nach den Proben für die nächste Show und eigentlich auch dazwischen von der Aussicht beruhigen ließ, wanderten meine Gedanken zu Camila. Jetzt war keine Ausnahme. Jake stand neben mir und hatte sich auf das Geländer gelehnt. Seine Augen wanderten zwischen mir und der Sonne hinterher und es schien, als würde er nach den richtigen Worten suchen, bevor er mich ins kalte Wasser warf.

„Sie ist es, oder?"

Ich hätte fragen können, was er meinte, aber da es nur eine sie gab, die über meine Gedanken und über mein verdammtes Herz herrschte, dachte ich gar nicht daran.

„Jake, ich...sie..." Ich riss mich am Riemen und schluckte.

„Sie macht mich einfach völlig wahnsinnig. Scheiße, mit Camila ist alles so einfach. Ich muss kein Wort sagen und sie hört trotzdem, was sie hören muss, um mich aufzufangen. Sie ist schlau, sie ist witzig, sie ist mutig, sie ist so ehrlich, dass es fast anstrengend wird, sie ist wunderschön..."

Ein ungläubiges Lachen verirrte sich aus meiner Kehle nach draußen, als könnte ich selbst kaum glauben, was gerade passierte.

„Du liebst sie oder?"

Verdammt, ja, das tust du.

Ich zuckte die Achseln und kapierte, warum Menschen ihrem Herzen hilflos ausgeliefert waren, seit ihnen klar war, dass sie fühlen konnten.

„Ziemlich heftig sogar." Meine Stimme war leiser geworden und ich fixierte die Palme, auf die ich direkte Aussicht hatte, um meinem Bodyguard nicht in die Augen blicken zu müssen. Doch diese Rechnung hatte ich ohne ihn gemacht.

So wie jede andere zuvor auch.

„Was mache ich jetzt?", fragte ich und fühlte mich schlagartig, als wäre ich vierzehn und hätte mir meinen ersten Schwarm eingestanden.

Jake räusperte sich und holte tief Luft. „Die Chancen, dass ich es dir sage, verdoppeln sich, wenn du mich ansiehst."

Widerstrebend kam ich seiner Aufforderung nach und hob meinen Kopf.

„Eigentlich gibt es nur eines, das man tun sollte, sobald man es kapiert hat: Damit herausrücken. Und..." Ein vielsagender Blick traf mich und für Jakes angedeutetes Grinsen hätte ich ihm am liebsten eine verpasst.

„Nicht um den heißen Brei herumreden."

Ich stöhnte auf, als litte ich unter Qualen. Das stimmte gewissermaßen ja auch.

„Hab's verstanden."

Jake öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, als die Klingel ertönte.

„Wie gut, dass du dich mit der Lösung dieses Problems nicht länger alleine herumschlagen musst."

„Mann, lass einfach gut sein, in Ordnung?"

In einer Millisekunde hatte er sich auf dem Weg zu Tür noch einmal zu mir umgedreht und genauso schnell lag seine Hand auf meiner Schulter.

„Und das Allerwichtigste, Kleiner... Nicht davonlaufen. Hast du mich verstanden?"

Ich bekam keine Gelegenheit zu fragen, wovon er sprach, weil Jake mit einem Mal die Tür aufgerissen hatte. Ein Windhauch des Ankommens erfüllte mein Apartment, als ich in die Gesichter der Menschen sah, die mir das Leben beigebracht hatten.

„Mum, Dad, was... Was macht ihr hier?"

Sie schwiegen beide, kamen auf mich zu und schlangen vorbehaltlos ihre Arme um meinen Körper.

Zumindest in diesem einen Augenblick hatte das mich das Glück gefunden.

-

Hallöchen, ihr Lieben!

Bei mir im Zimmer läuft gerade Mercy von Shawn und ich habe beschlossen auch gnädig mit euch zu sein und euch nicht ganze 24 Stunden auf das nächste Kapitel warten zu lassen :D

Nicht ganz so lang, aber ich hoffe trotzdem, dass es euch gefällt! <3

Maggie <3

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