Kapitel 16

"I am scared as hell to want you.
But here I am – wanting you anyway."
-Unknown
••

Camila


Niemals hätte ich gedacht, dass ich mich jemals so fühlen würde. Aber jetzt wusste ich, dass es möglich war. Dass Vollkommenheit sein konnte. Ich dachte nicht, aber wenn ich es täte... Was würde ich denken?

Perfekt.

Das hier war völlig perfekt. Shawn. Ich. Wir. Seine Lippen bildeten das einzig akzeptable Gegenstück zu meinen. Er küsste mich langsam und vorsichtig, als wäre er nicht sicher, was geschah. Was er haben konnte.

Nimm alles, denn du bist der Einzige, dem ich es jemals geben würde.

Unsere Münder bewegten sich weich miteinander, in einem Rhythmus, den nur wir finden konnten. Er war zärtlich und sanft, und trotzdem handelte er mit solch einer Leidenschaft, als hätte er, seit wir uns begegnet waren, nichts anderes tun wollen. Genauso wie ich. Keine Ahnung, wann ich meine Lippen ein Stück weiter öffnete, um seiner sehnsuchtsvollen Zunge, die im gleichen Atemzug auf meine traf, Einlass zu gewähren. Wir kämpften nicht. Es war von keiner Bedeutung, wer glaubte, das Kommando übernehmen zu können. Weil es ganz simpel nicht existierte. Das schönste Jetzt meines Lebens erfuhr ich mit seinem Feuer in meinem und als ein eindrucksvolles Ziehen sich von meiner pochenden Brust bis hin zu meinem Bauch zu erstrecken begann, schlug in mir eine einzige Erkenntnis. Ein Gefühl, welches so klar und selbstverständlich war, so offensichtlich, dass es mir entgegen aller Regeln, aller Normalitäten – zum Teufel mit ihnen – nicht auch nur ansatzweise peinlich gewesen wäre, an Ort und Stelle in Tränen auszubrechen. Vielleicht tat ich es auch. Wer wusste das schon? Nur die Sterne, das hatte ich inzwischen kapiert. Aber ich beneidete sie gerade keineswegs um ihre Strahlkraft oder ihren Glanz. Denn egal wie mächtig sie waren – sie würden niemals zu fühlen bekommen, was ich gerade fühlte.

Das. Das und nichts sonst ist es.

Bedächtig entfernte Shawn seine Lippen von meinen, ohne mich auch nur eine Sekunde lang anzusehen. Aber um ehrlich mit uns zu sein, musste er das auch nicht. Er hatte meine Seele vor mir selbst erkannt.

Vom ersten Herzschlag an...

Sein entschlossener Mund widmete sich meinem Hals. An meiner empfindlichsten, schüchternsten Stelle – der Stelle an der nur er meinen Puls spürte – setzte er sich fest und saugte. Nur eine klitzekleine Sekunde lang, aber ich war, bei Gott dem Himmel nahe.

Das Zittern meines Brustkorbes ebbte ab und nahm dafür sukzessive meine Beine in Beschlag. Ich spürte jeden einzelnen Tropfen durch meine Mitte fliegen. Das Blut meines Körpers, gepaart mit Verlangen. Eine explosive Mischung, die mich früher oder später – wahrscheinlich eher früher – um mich selbst bringen würde. Dagegen hatte ich nichts einzuwenden und hoffte, dass meine kurz gehauchten Atemzüge und das Wimmern, das von meinen Lippen drang, preisgaben, wie sehr ich danach lechzte, erlöst zu werden. Shawns Lippen verharrten immer noch auf meinem Hals und als mir klar wurde, dass er gerade eine zauberhafte Spur auf mir hinterlassen hatte, sprintete neue Elektrizität durch mich, und mit jedem ihrer Stöße, fiel es mir schwerer, mich darauf zu besinnen, nicht laut aufzuschreien.

Shawns Küsse bahnten sich über meine linke Wange ihren Weg zurück zu meinen Lippen und machten an meiner Nasenspitze halt. Sein heißer Atem setzte sich darauf zur Ruhe, während er mit einer Hand sein Bestes gab, meine dünne Jacke zu öffnen. Quälend langsam gab der Reißverschluss nach, als Shawn seine Engelslippen noch einmal zügig nach unten gleiten ließ, um sie mit meinen zu vereinen.

Wäre das mein letzter Moment, ich würde ihn behalten. Hätte ich noch ein letztes Wort zu sagen, würde ich stumm bleiben und mich von diesem Mann leiten lassen.

Meine Jacke war inzwischen von meinen Schultern gerutscht und hing nur noch lose an mir herab, bis... bis sie es eben nicht mehr tat und mir das Rascheln am Boden unter uns – welch ein Wunder, dass der noch bestehen war – verriet, dass sie uns kein Hindernis mehr sein würde. Shawns Zunge strich noch einmal über meine, ein letztes Mal fühlte ich seinen zärtlich leidenschaftlichen Biss an meiner Unterlippe, bevor er von mir abließ und unsere Stirnen gegeneinander prallen ließ – ebenso sanft wie all das, was er gerade getan hatte. Ebenso vorsichtig, wie die wundervolle Art und Weise, auf die er mir zeigte, dass ich die funkelnden Sterne, nach denen ich mein ganzes Leben lang suchte, am schönsten in seinen Augen, den Fenstern zu seiner unerklärlichen Seele finden konnte.

Mein Atem wechselte von nicht-existent zu kaum-kontrollierbar, als ich Shawns Hauch und seinen Duft einsog, während seine Lungen genauso hart um ihr Überleben kämpften, wie die meinen. Zum wiederholten Male krochen seine Finger über mein entblößtes Schlüsselbein, meine schaudernde Kieferpartie, um zu guter Letzt wieder meine Lippen zu finden. Shawn strich sanft darüber, als würde er sich nochmals von dem Feuerwerk überzeugen wollen, dass er in mir entzündet hatte, und ließ mich währenddessen keine Millisekunde aus den Augen. Sein Adamsapfel vollführte ein Kunststück, bevor er begann, nach Worten zu suchen.

„Du bist unbeschreiblich", keuchte er. Seine Stimme klang schwer, als sehnte er sich nach Erholung. Während wir mit bebenden Fingern unsere Wangen liebkosten, schluckte er noch einmal.

„Was... Was ist es, das du mit mir machst, Camila?"

Drei Herzschläge Schweigen.

Ich weiß es nicht, Shawn. Ich weiß nicht, was wir hier tun.

Genau das hätte ich sagen sollen. Genau das war mein erster und einziger rationaler Gedanke, nachdem mir klar geworden war, wieso ich es so sehr liebte, nur fühlen zu dürfen.

Aber ich konnte und wollte mein Eis nicht brechen. Das einzige, was ich wollte, war der Mann, der mich immer noch hielt, als würde ich nicht schwerer als eine Feder sein. Ich wollte ihn, mehr als es für uns beide gut war. Ich wollte ihn mehr, als jeden meiner Träume. So sehr wie nichts zuvor. Und obwohl ich meinem Herzen in den letzten kleinen Leben, die im „Lead & Follow" an uns vorbeigerast waren, einiges hatte durchgehen lassen, bereute ich, meine nächsten zitternden Geständnisse. Oder mehr, das, was ich davon hören ließ.

„Shawn...", ächzte ich. Mein Brustkorb war wieder enger geworden und die neue Flamme darin, brachte mich dem Verbrennen gefährlich nahe.

„Shawn, ich..." Großer Gott, seit wann wog meine Zunge eine Tonne? Und wie kam es, dass ich solch eine aufgeregte Angst spürte?

„Ich will d..."

„Shhh, Honey." Shawns liebevolle Ruhe trieb mir Tränen in die Augen. Ich heulte offiziell und es konnte mir nicht gleichgültiger sein. Er lächelte leicht.

„Was willst du? Sag mir, was du dir wünschst."

Dich. Vom ersten verdammten Augenblick an.

„Ich will..." Doch ich war gezwungen, jedes Wort zu verschlucken, als ich plötzlich Schritte vernahm. Reflexartig glitt ich aus Shawns Armen an der Wand nach unten. Mein Herz hüpfte traurig, als ich wieder den Boden des Studios unter meinen Füßen spürte.

Mach's gut, liebes Paradies. Es war schön, dich erlebt zu haben.

Die Schritte, die uns aus unserem nicht geträumten Traum gerissen hatten, wurden lauter und bevor meine Seele beim Anblick von Shawns verwundbaren Gesichtsausdruck noch mehr schmerzen konnte, ging die Tür auf.

Hast du es auch gespürt?

Mein Kollege Matteo konnte sein Unbehagen kaum verbergen, als er den Raum betrat. Ich konnte es ihm nicht verübeln.

„Sorry... Störe ich?", murmelte er.

Alles in mir schrie danach, diese Frage zu bejahen, doch Shawn war schneller.

„Kein großes Ding, ich wollte sowieso gerade gehen."

Sein einer Fuß war schon für den Schritt bereit, doch mein Blick und die Bitten meines Herzens ließen ihn innehalten.

Bleib.

Matteo räusperte sich. „Ach Quatsch, ich wollte nur fragen, ob ich mir morgen vielleicht euren Raum ausleihen könnte?" Er sprach mit mir, vermied aber tunlichst jede Form von Blickkontakt.

„Für die neue Choreo ist unserer zu klein."

Mechanisch ließ ich meinen Kopf eine Nickbewegung ausführen.

Klar, Matty, kein Problem. Aber mach' dich jetzt einfach aus dem Staub.

Matteo schien trotz meines Schweigens zu kapieren und nickte ebenfalls. „Super, danke. Sorry, Leute. Ich war nie hier."

Ein letzter Windstoß erinnerte an seine kurze Anwesenheit in dem Augenblick, der mir und Shawn gehört hatte. Und dann war er verschwunden.

Ich hörte unser beider Schlucken in dem Studio nachhallen und wusste, welche Frage die wichtigste war, auch wenn Fragen in Shawns Nähe plötzlich anfingen, kleinere Rollen einzunehmen.

Was ist hier gerade passiert?

Ich hatte nicht realisiert, dass mein Kopf die ganze Zeit gesenkt gewesen war, denn als ich aufblickte, sah ich in die schönste aller Seelen. Shawns Augen... Seine Augen....

Ich verliebe mich in dich...

„Und was machen wir jetzt?" Er klang immer noch rau und wahnsinnig anmutig.

Ich hob eine Schulter und versuchte gar nicht erst zu lächeln.

„Gar nichts?"

Ein halber Herzschlag.

Shawn nickte. „'Gar nichts' hört sich super an."

Die Bucht in der ich Shawn anvertraut hatte, wer ich war und wer ich glaubte, sein zu müssen, war vierzig Minuten später stiller als gewöhnlich. Sie fühlte in Einklang mit dem graublauen Ozean, die gleiche Veränderung, wie Shawn und ich, und ihr leises Flüstern bestätigte die wichtigste Erkenntnis meines Lebens.

„Was ist los?", raunte Shawn. Er war mir wieder nahe gekommen und doch sehnte ich mich augenblicklich nach mehr. In den vergangenen Wimpernschlägen hatte ich ihn viel zu intensiv gemustert, doch es war kein Fehler. Heute nicht. Ich schluckte. Ein ganzer Herzschlag verstrich, bevor ich meine Stimme wieder fand.

„Ich glaube, ich bin noch nie zuvor geküsst worden."

-

Oh mein Gott, Leute... Ich hatte und habe immer noch leichte, bis mittelschwere Angst vor diesem Kapitel. Denn ich werde ganz ehrlich mit euch sein, auch wenn es vermutlich keiner wissen will - Ich bin noch nie geküsst worden :P Das meine ich - anders als Camila hier - ganz wörtlich und "andere Dinge" sind mir erst recht nie passiert. Deswegen war ich mehr als nur unsicher ob ich - als die jungfräulichste Jungfrau, die es gibt, was ihr vielleicht auch noch im weiteren Verlauf der Geschichte merken werdet - Szenen dieser Art schreiben kann. Und ich habe auch nicht den Hauch einer Ahnung, ob das was da steht Sinn ergibt, aber vielleicht ist es manchmal gar nicht so übel, ins kalte Wasser zu springen :D

Ich hoffe euch gefällt das Kapitel (irgendwie;) und hab euch lieb. <3

Maggie <3

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