Kapitel 12
„Are you fine?
Yes, hmmm... No, wait. How do you define, what's fine? I laugh, I smile,
I talk, I go out. But then I also feel, there is something eating up my soul from inside.
I feel lost, I feel scared, I panic, I go into sadness and I suffer in silence.
I am all this.
So now you tell me – Am I fine?"
-Rahul Kaushik
•••
Camila
„Was ist dein Lieblingsort?"
Ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, ob ich währenddessen, außer in die Brust eines bekannten Unbekannten zu schluchzen, etwas anderes auf die Reihe bekommen hatte – aber diese Frage hatte ich trotz meines jämmerlichen Moment-Aufnahmen-Zustandes mit Sicherheit nicht erwartet. Als mein Herz zu schwer wurde, um es zu tragen, löste ich mich aus Shawns fester Umarmung und schloss die Augen, als ich direkt vor ihm stand. Ich hätte ihm eine Antwort geben sollen, von der versteckten kleinen Bucht erzählen, die ich vor so langer Zeit mit meiner kleinen Schwester entdeckt hatte.
Sofia...
Obwohl mein Körper durch all das Salzwasser, das mir unkontrolliert entwichen war, einer leeren und doch kaum stemmbaren Hülle glich, spürte ich einen neuen Kloß im Hals. Noch immer sah ich schwarz und wagte es nicht, meinem Gegenüber in die Augen zu blicken. Dass dieses Gegenüber ein Mensch war, der so viel Licht in sich trug – genug und noch mehr um eine gesamte Arena damit zu wärmen – und trotzdem die größte und aufregendste Überraschung darstellte, die ich jemals zu lösen versucht hatte, war in diesem Fall nicht unbedingt eine große Hilfe. Ich war eine Versagerin. Und die Angst, Schritt für Schritt zu vergehen, brannte in meiner Brust. Kein wärmendes schönes Feuer unter strahlenden Sternen, sondern ein aggressives, loderndes Flammenmeer, das jeden verbrühte, der ihm zu nahe kam.
Ich trat noch einen Schritt nach hinten, als würde ich Shawn so vor der Zerstörung bewahren können und schluckte. So schwer, wie sich der Himmel über uns anfühlte. Aber Shawn rührte sich nicht vom Fleck und durchbohrte mit geduldigem Blick meine schmerzende Brust, um das Feuer zu löschen. Das Stechen, das meinen Körper einnahm, als er mich anschwieg und nur seine Augen Bände sprachen, war angenehm.
Du bist viel kaputter als du aussiehst.
Aus irgendeinem surrealen Grund war ich froh, dass gerade Shawn derjenige war, der diese offensichtliche Tatsache begriff, obwohl mein Leben daraus bestand, sie zu verstecken. Ich hätte hinterfragen sollen, woran es lag. Aber das tat ich nicht. Wir waren ähnlich still, beinahe gleich und die Wahrheit leuchtete in Augenblicken am stärksten, in denen wir davon überzeugt waren, dass es eine Schande wäre, sie sich einzugestehen.
Verrückt. So verrückt und so normal.
Ich kicherte schwach. Dass ich es hinauszögerte, zu sprechen und mein zersplittertes Ich zu zeigen, war so klar, wie das Tageslicht, dass ich hätte weiterheulen können. Irgendwann, nachdem in mir ein ganzes Leben verflogen war – ein Leben, das hinter Fassaden ablief und seine wahren Farben niemals trug – hob ich meine Stimme. Das erste Mal nach meiner Entschuldigung sagte ich etwas, nur um mich zu wiederholen.
„Es tut mir leid."
„Was tut dir leid?", fragte er und seine Mundwinkel zuckten trotz unserer wunderbar verkorksten Situation. Es fiel mir schwer, meine Gesichtszüge bei mir zu behalten. Ich räusperte mich, damit eine weitere Sekunde tot war, bevor ich weiter um den heißen Brei herumredete.
„Dass ich ein jämmerliches Wrack bin."
Er hob eine Schulter und ließ meine Wangen brennen. Der Klumpen in meinem Magen wurde größer und Hoffnung kehrte zurück. In uns beiden.
„Jemand hat mir mal gesagt, dass manche Tage beschissener sind als andere."
Ein Lachen drang aus meiner Kehle und ich stellte fast mit Entsetzen fest, dass es sich um eine Nuance weniger verzweifelt anhörte, als es sollte.
„Wer auch immer das vom Stapel gelassen hat, könnte schon Recht haben und hält aber spätestens dann die Klappe, wenn er sein eigenes Leben nicht mehr auf die Reihe bekommt."
Er kam einen winzigen Schritt näher und mein Herz tanzte aus der Reihe, als wüsste es, dass der Rest meines Körpers, wenn es schlecht lief, bald nicht mehr allzu viel tanzen würde.
„Willst du es mir denn sagen?"
„Ich glaube nicht.", hauchte ich und fixierte den Boden.
Sieh ihn an. Er weiß es doch sowieso.
„Gut", gab er zurück und verpasste mir einen leichten Schlag an der Schulter. Kumpelhaft. Locker.
Dass ich kurzzeitig das Gefühl in meinen Beinen verlor und mich fragte, wie es sich wohl anfühlte, den Sternen ein ganzes Stück näher zu kommen, war nicht locker. Und schon gar nicht kumpelhaft.
Was passiert hier?
Eine Frage, die ich mir seit ich Shawn begegnet war, viel zu oft gestellt hatte. Es kam mir beinahe so vor, als wäre ich in nicht einmal zwei Wochen ein anderer Mensch geworden. Meine Welt drehte sich weiter und war dennoch zu einem seltsamen Stillstand gekommen. Sie wusste etwas, das ich nicht wusste und je länger ich Shawn ansah und in seinen Augen Ruhe und den guten Schlag meines Herzens entdeckte, umso mehr sehnte ich mich danach zu erfahren, was das war.
„Eine Antwort schuldest du mir trotzdem noch", raunte er und die Schmetterlinge in meinem Bauch – oder war es doch ein ganzer Zoo, der ausbrach? – waren so lebendig, dass ich ihm alles gesagt hätte. Egal, ob ich wusste, was er meinte oder nicht.
„Eine Antwort worauf?" Meine Stimme war so heiser, dass ich sie selbst kaum verstand und wie aus dem Nichts stand Shawn plötzlich so dicht vor mir, dass ich meine Hand kaum einen Zentimeter hätte ausstrecken müssen, um ihn zu berühren. Mir drehte sich der Magen um, als mir bewusst wurde, wie sehr ich genau das wollte: Ihm nahe sein, mich vergewissern, dass unsere Seelen immer noch gleich tickten. Und natürlich war mein kleiner Traum der, der mir nie erfüllt werden würde.
„Wo bist du am liebsten?", fragte er, bestimmt nicht lauter als im vergangenen Atemzug. Trotzdem klang seine Stimme in unserer kleinen Erdkugel, auf die ich verschwunden war, als ich mich dazu entschlossen hatte, ehrliche Tränen zu weinen, so laut wie ein Pistolenschuss. Auf den fragenden Blick, den er mir zuwarf, während ich zusammenzuckte, ging ich nicht ein und bemühte mich stattdessen wieder, angemessenen Blickkontakt zu ihm herzustellen.
„Die Bucht", sagte ich endlich und klopfte mir innerlich auf die Schulter, weil meine Stimme stabiler war, als der Mensch, der sie besaß.
„Vor ein paar Jahren – ich glaube, ich war gerade achtzehn – habe ich sie mit meiner kleinen Schwester entdeckt. Wir sind am Meer aufgewachsen und kannten eigentlich jeden Winkel, aber diesen nicht. Nachdem uns klar wurde, dass es ein guter Unterschlupf ist, sind wir jeden Tag dorthin zurück. Und jetzt...."
... ist sie weit weg. So weit weg.
„Und jetzt?" Shawn flüsterte direkt an meinem Ohr. Seine Anspannung erfüllte nicht nur ihn, sondern auch mich. Nicht nur sein Herz, auch meines.
„Und jetzt hält sie viele Erinnerungen wach", antwortete ich und würgte damit jeden Gedanken an Schmerz ab. Ich hatte keine Zeit für ihn. Nicht mehr. Nicht nachdem ich seinetwegen so viele Sterne aufgegeben und verschwendet hatte. Doch das kümmerte das Monster, das in mir ruhte, nicht. Es wartete auf sein Stichwort, die ultimative erste und letzte Erlaubnis, mich bei lebendigem Leibe zu zerreißen. Aber tat es das nicht schon jeden Morgen, wenn es noch dämmerte und bevor ich es wagte, mich über die Sonne zu freuen? Wenn ich die Augen meiner kleinen Schwester, meiner besten Freundin, meines Glücksbringers vor mir sah. So groß, hell und hoffnungsvoll. Dann ein wenig dunkler und verzweifelter. Sie war so stark. Stark, obwohl vermutlich auch sie ihr inneres Monster zu zähmen hatte. Aber sie war entschlossen, stark zu sein, wenn ich schwach war. Was sie wohl in diesem Augenblick gesagt hätte? Ich hatte keine Ahnung. Noch bevor ich lachen und dabei meinen seltsamen Tränen freien Lauf lassen konnte, sah ich wieder die kleine schwarze Schwalbe vor mir und dachte, sie wurde ein kurzes Leben lang lebendig, um mir den Weg zu weisen. Ich lag nicht falsch. Irgendwie. Ein kleines bisschen. Denn Shawn räusperte sich und sagte, seine Hand immer noch mir entgegengestreckt:
„Na los, die Bucht findet sich genauso wenig von alleine, wie die Abenteuer darin."
Als ich aufblickte, teilte sich die Hoffnung. Sie war nicht nur in meine Seele zurückgekehrt. Ich erhaschte durch die großen, glänzenden Fenster auch einen Funken davon in seiner.
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Hier bin ich wieder! Ich hoffe, ihr freut euch und, dass euch das Kapitel gefällt. Ich bin gespannt auf euer Feedback. <3
LOVE,
Maggie <3
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