Kapitel 11


"And I can't hide,
'cause growing pains are keeping me up at night."
-Alessia Cara
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Camila

Drei Tage konnten unterschiedlich schnell vergehen. Es kam nur darauf an, was man zuließ. Würden es drei Wimpernschläge werden? Drei Herzschläge und der vierte war noch gar nicht bereit? Oder wurde es ein Leben, das drei Tage dauerte und uns das Gefühl gab, etwas verpasst zu haben, obwohl wir alles taten, um es zu leben? Jede Nacht schlief ich unter Sternen ein und fragte mich, wie meine nächsten drei Tage wohl aussehen würden. Würde nur mein Herz schlagen oder würde ich leben?

Im „Lead & Follow" hatte ich keine Fragen. Nie. Und wenn sie einmal doch aufkamen, wusste ich, dass die Musik sie beantworten würde. In nur 10 Tagen stand unser nächster Wettbewerb an, was bedeutete, dass wir gegen die besten Vereine der Vereinigten Staaten antreten würden. Noch dazu war es erst unser zweiter Wettkampf, der außerhalb von Miami oder Florida stattfinden würde. Stattdessen würden wir nach Detroit fliegen.

Javi Álvarez, der Vorstandsvorsitzende des Vereins, hätte bei der Menge an Venen, die an seinem Hals schon explodiert waren, längst verbluten müssen. Besonders, weil sich von 15 Gruppen, die bei „Lead & Follow" trainierten, nur meine Schüler – jene von „Corazón" – für die United States Dance Competition qualifiziert hatten. Unsere Chancen, bei dem Wettkampf zumindest ein paar Runden zu überstehen, sanken jedes Mal, wenn man sich durch den Kopf gehen ließ, gegen welche Teams wir antraten. Dass wir nicht nur daran teilnahmen, um dem Unternehmen Geld zu bringen, sondern um neue Erfahrungen zu sammeln und dazuzulernen, spielte hierbei keine Rolle. Für nur sieben Schüler eines Tanzstudios solch eine Reise zu finanzieren, war riskant, besonders, wenn wir nicht zu den Favoriten gehörten. Aus Geldnot wäre es ein leichtes, mir Stunden zu streichen, oder mich gar ganz zu entlassen.

Bei dem Gedanken daran, den Job, den ich so sehr liebte, aufgeben zu müssen, wurde mir übel. Meine Truppe war zu meiner zweiten Familie geworden... Hatte mich aufgefangen, nachdem mir meine erste genommen worden war und die zerbrochenen Teile meines Herzens zusammengefügt, als ich gedacht hatte, es würde nicht länger weitergehen. Ich würde Levis jugendhafte Versuche, mit mir zu flirten, vermissen, Caitlyns und Camerons Streitereien voller Liebe, Rachels Energie, Marías Leidenschaft...

„Camila, bist du okay?"

Dass Tränen meine Wangen hinunterliefen, merkte ich erst, als Javi mir ein Taschentuch reichte. Er hatte mich gerade über den aktuellen Zustand von „Lead & Follow" informiert und sah selbst kaum glücklicher aus als ich. Auch wenn mit ihm, viel zu oft der knallharte Geschäftsmann durchging, liebte er das hier mindestens genauso wie ich. Das Studio war sein Lebenswerk und es war nicht zu übersehen, wie sehr die Gesamtsituation an unseren Nerven zerrte. Wie konnte etwas in einem Moment noch lichterloh leuchten und im nächsten drohen, zu Asche zu zerfallen? Die Zahlen waren dunkelrot und ich wusste, was das bedeutete: Mindestens die zweite Runde oder das war's.

Ich nickte immer wieder stoisch und wollte gar nicht wissen, wie verzweifelt und verzogen mein Grinsen gerade aussah. Ein Grinsen, das nicht wie eines aussah, sondern lediglich versuchte, meine Hoffnung aufrechtzuerhalten.

„Ja, ich bin okay." Ich log und Javi wusste es. „Ich meine, ich bin überhaupt nicht okay, aber... Ich bin okay."

Javi kam um den Empfangstresen herum, an dessen Computer er eben noch die aktuellsten Daten gecheckt hatte, zu mir und legte beide Hände auf meine Schultern, bevor er zuließ, dass ich in seinen Armen endlich ehrlich wurde.

„Lo siento, chiquita. Es tut mir so leid", flüsterte er, und versprach ein ums andere Mal, dass wir es überstehen würden. Ich hätte alles gegeben, um seinen Worten Glauben schenken zu können.

Wir schaffen das.

Meine Schüler wussten nur bedingt darüber Bescheid, wie es gerade um „Lead & Follow" stand, was so kurz vor der US Competition nur gut sein konnte. Trotz allem war nicht zu leugnen, dass trauriger Druck unsere Luft erfüllte und keiner mutig genug war, die Sorgen, die ihn quälten, laut werden zu lassen.

Meine Schicht im „Rosario" verging langsamer und freudloser als sonst. Weder meiner beste Freundin noch Juan gelang es, aus mir herauszubekommen, was los war, aber meine verquollenen Augen und meine wortkargen Auskünfte hätten mehr Bücher füllen können, als jedes Wort, das mir entgleiten konnte.

Zehn Minuten, bevor meine Mittagspause anbrach, nahm ich unsere Getränkelieferung an und ging einen Schritt zu weit nach hinten. Meine kleine Gestalt knallte gegen einen starken Körper und ich stellte mich mental auf Juans Moralpredigt des Jahrtausends ein, als unbekannte Hände die schwerste Kiste, die ich jemals hatte zu fassen bekommen, mühelos abfingen und vor dem Ruin bewahrten.

Alle gemurmelten und zurechtgelegten, abwesenden Entschuldigungen blieben mir im Hals – oder war es meine Lunge? Mein Herz? – stecken, als ich die kleine tätowierte Schwalbe an der rechten entdeckte. Diese Hände waren nicht länger unbekannt.

Was tust du hier, Shawn Mendes?

Erst als ich ihm in die Augen sehen konnte – die Getränke waren verschwunden und ich hatte keine Ahnung wohin – schien ich aufzuwachen. Ich wusste, dass ich etwas sagen musste. Irgendetwas.

Stalkst du mich? Soll ich dir einen Matcha Latte machen? Bist du manchmal von Menschen umgeben und fühlst dich alleine?

Aber meine Seele blieb stumm. Sie gab keinen Laut von sich, selbst als mein Mund entschied zu sprechen, ohne, dass ich etwas dagegen hätte tun können.

„Es tut mir leid."

Ich hoffte inständig, dass meine Stimme nicht so klang, wie ich mich fühlte, auch wenn ich wusste, dass sie das tat. Shawn fragte nicht, wofür ich mich entschuldigte. Er schlang seine kraftvollen Arme um mich und hielt mich fest, während ich die Wahrheit weinte.

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Hallo, meine Lieben. Ein kurzes Kapitel zum Samstag. Ich werde ganz ehrlich sein und euch sagen, dass ich nicht weiß, wie viel in nächster Zeit online kommen wird. Ich stecke ganz (und  zwar ganz ganz :D) am Anfang von Kapitel 13 und mir fehlen buchstäblich die Worte. Das ist eine der Phasen, die ich beim Schreiben verabscheue, aber ich hoffe sehr, dass sie bald überwunden sein wird. Mindestens genau so sehr, wie ich hoffe, dass euch dieses Kapitel hier gefällt.

LIEBT! <3

eure Maggie <3

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