n i n e

[aura - kool savas]

R a v e n

Mein Dad war nicht zuhause.
Ich denke er ist in einem der naheliegenden Pubs und besäuft sich, aber das soll mir nur Recht sein. Je länger er weg blieb, desto besser ist es für mich.

Ich hatte es geschafft in Rekordzeit das kleine Wohnzimmer mit angrenzender Küche wieder sauber zu bekommen und von rumliegenden Bierflaschen und Pizza Kartons zu befreien.

Wer eine Putzfrau sucht soll anrufen lol

Mein Dad ist über die Nacht nicht nach Hause gekommen. Ich sitze nun in der kleinen Küche und schlürfe meinen Kaffee.
Es ist nicht so als wäre das schon öfter passiert, aber ich mache mir trotzdem etwas sorgen. Ich mein, es kann ja sonst was passiert sein.

Ich atme einmal tief durch.
Ich hatte in der Nacht nicht viel Schlaf abbekommen, was man mir auch leider ansah. Meine eisblauen Augen hatten zwar schon lange ihren Glanz verloren, doch wirkten sie ohne Schlaf nur noch leerer und kalt. Meine Wangen waren gerötet und doch hatte ich fast schon Wandfarben weiße Haut.

Schneewittchen? Bist du's ?

Ich erhob mich schließlich und verließ pünktlich die Wohnung. Wobei die alte Holztür mal wieder ihre lauten Töne von sich gab. Ich zog die Kapuze meines schwarzen Hoodies tiefer ins Gesicht und steckte mir meine, nun auch auseinander geknoteten, Kopfhörer ins Ohr. In der Hoffnung keinen von ihnen anzutreffen, mache ich mich auf den Weg zur Schule.

Meine erste Schulstunde ist Musik, die ich Badboy und Zickenfrei erleben durfte, da ich diesen Kurs ohne sie Belege. Das sind dann so Stunden die ich wirklich genieße und hoffe das der Zeiger der Uhr,über der Tafel sich immer langsamer bewegt und am besten einfach stehen bleibt. Trotzdem hab ich nicht wirklich Freunde in diesem Kurs, wie auch generell in der Schule. Die Leute hier halten lieber Abstand von Menschen wie mir. Ja nicht in den falschen Blickwinkel der Jungs kommen oder gar Rosa. Und wer sich nun mal in meiner Nähe befindet, kann sich gleich von dem Weltfrieden verabschieden.

"Raven? Es hat bereits zur Pause geklingelt." die Stimme meiner Musiklehrerin riss mich unerwartet aus meinem Tagtraum. Unbeholfen stand ich ruckartig auf und probierte meine Mappe und Federmäppchen hastig in meinem Rucksack zu verstauen.
"Oh ja natürlich. Tut mir leid." beschämt senke ich meinen Kopf und husche schnell aus dem leeren Klassenzimmer.

Ich las gern die Sprüche an den Wänden der Toiletten Kabinen. Sie waren teils witzig, teils ziemlich versaut. In einer Kabine prangte in großen Lettern :
LENA WILINKS IST LESBISCH
Ich kannte Lena nicht, fragte mich aber, ob sie zum pinkeln in eine andere Kabine ging, nur um der Erniedrigung zu entkommen oder ob es ihr egal war.

Ich war während einer mündlichen Abfrage in Geschichte zum Klo gegangen und hoffte, genug Zeit bis zum Ende der Stunde rausschinden zu können. Ich hatte schon beim letzten Mal eine schlechte Note kassiert, zweimal hintereinander wäre nicht toll.

Ich hörte wie die Toilettentür aufging, Geräusche vom Flur hereinhallten und dann Schritte. Ich bückte mich und lugte unter der Kabinenwand hindurch. Zwei paar rosa Nike.
„Ich schwitze so sehr bei dieser Hitze." sagte eine Stimme.
Die zweite Schülerin lachte. „Warum ist es den auch so warm ? Es ist nichtmal April."
Ich hörte wie ein Wasserhahn aufgedreht wurde, dann das Geräusch spritzenden Wassers.
„He, ich bin klitschnass!"
„Ahhh, so ist viel besser", sagte die erste Stimme. „Wenigstens schwitz ich jetzt nicht mehr. Hey guck mal meine Haare. Ich seh aus wie Berta."
„Wie wer?"
„In welcher Welt lebst du? Das Mädchen das die Woche über jeden Tag fettige Haare hat."
„Neee, du siehst aus wie ein Fisch mit deinen nassen Haaren.Föhn sie lieber schnell mit dem Handtrockner."
„Hast recht..." wieder Gelächter. „Ich seh voll aus wie Raven."

Als mein Namen ertönte, fing mein Herz an zu schlagen. Aber ich öffnete die Kabinentür und trat hinaus.
Vor der Reihe mit Waschbecken stand ein Mädchen, das ich vom sehen her kannte, neben ihr Rosa. Ihr Haar war triefend nass, und mehrere Strähnen standen ihr am Hinterkopf ab, so wie manchmal bei mir, wenn das Duschen morgens schnell gehen musste.

Rosa warf mir einen vernichtenden Blick zu „verschwinde Opfer!" befahl sie, und ich rannte hinaus auf den Flur und fragte mich, ob es überhaupt möglich war zu verschwinden, wenn man sein ganzes Leben nie richtig da gewesen war.

Die Cafeteria war voll als es das Erste mal passierte.
Es war bereits mein dritter Schultag an der Highschool und ich hatte schnell gemerkt das es nicht so lief wie in meinem derzeitigen Lieblingsfilm Highschool Musical. Es wurde unterschieden zwischen Reich und Arm, Schön und Hässlich, Talentiert oder Untalentiert. So fielen bei den ersten Unterhaltungen am ersten Schultag Dinge wie, das Einkommen der Eltern oder wie viele Häuser oder Autos man besaß. Für jemanden wie mich nicht gerade von Vorteil. So hielt ich mich von Gesprächen eher fern.
Von was sollte ich den auch erzählen. Eine gescheiterte Familie, eine mickerige Wohnung,die man nur zweimal angucken musste und sie fiel an jeder Ecke auseinander oder von einem Vater, der von einem Einkommen schon lange nichts mehr weiß.
Dies verfiel mir jetzt zum Verhängnis. Ich umklammerte mein Tablett hilflos und ratlos huschte mein Blick von einer Tischgruppe zur anderen.In jedem guten Film käme jetzt jemand auf mich zu, würde sich freundlich vorstellen und fragen ob wir uns zusammen an einen Tisch setzten wollen. Doch ich war nun mal in keinem Film.
So wurde ich plötzlich, wegen dem Gedränge, von hinten angerempelt und ließ vor Schreck mein Tablett vor den nächst besten fallen. Nicht das ich um das Essen trauerte, der Kartoffelbrei mit Spinat sah ohnehin nicht so appetitlich aus, aber es landete direkt vor bzw. auf Rosas Füßen. Der Kartoffelbrei Spritze nur so vom Aufprall und zog nun langsam seine Bahnen auf Rosas knall pinken Strumpfhose.
„Duuu!" wütend starrte sie mich nun an und ließ von ihrem kleinen Aufschrei die ganze Cafeteria still stehen. Blicke zogen sich auf uns und Gekicher und Getuschel war zu erhören.
Sowas wollte ich vermeiden. Aufmerksamkeit hasste ich und ich fing an vergeblich den Boden anzustarren, in der Hoffnung es würde sich ein Loch auftun.
„Ich... es tut mir leid. Das wollte ich nicht." stotterte ich.
„Toll, das macht meine Strumpfhose auch nicht sauber. Dabei wollte ich heute auf eine Modenschau mit meiner Mum. Du hast alles versaut!" Tränen stiegen ihr in die Augen und ich fragte mich ob sie später mal Schauspielerin werden will oder wirklich um ihre dumme Strumpfhose heulte.
„Ich wollte das wirklich nicht. Ich wurde geschubst und dann..." verzweifelt versuchte ich ihr zu erklären das es nun wirklich nicht meine Absicht war, nur von Verständnis hatte sie anscheinend keine Ahnung.
„Blablabla... das interessiert mich nicht du dummes Kind." hochnäsig verschränkte sie nun ihre Arme vor der Brust.
„Ich kauf dir auch eine neue wenn du möchtest."
„Du willst mir eine neue kaufen?! Ha ich dachte du tust nur so blöd aber anscheinend bist du es ja wirklich. Das ist eine limitierte Seiden Strumpfhose von Gucci und warscheinlich mehr Wert als dein ganzes Leben."
Auch wenn sie die Worte nur so gesagt hatte, hatte sie grundsätzlich Recht. Mein Leben war nichts wert.
„Oh" flüsterte ich, weil ich nicht wusste was ich erwidern sollte.
„Ja oh. Glaub mir, du denkst du bist was besseres was ? An meinem großen Tag der Modenschau so was abzuziehen. Haa! Nicht mit mir. Ich werd Dir dein Leben zu Hölle machen, du kleines Nichtsnutz." damit drehte sie sich um, verließ die Cafeteria und ließ mich in mitten ihrer allein zurück.

Und ich fragte mich, wie jemanden das Leben zur Hölle machen, der bereits in der grausamsten Hölle schmort.
Wie jemanden runterziehen, der längst ganz unten angekommen ist.

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