37 // zur primetime im pay-tv

Knapp drei Wochen später waren Shalik und Dion zum zweiten Mal bei Mr. Miyagi. Dieses Mal fiel die Verabredung auf einen Samstag und die beiden haben ein Kilo Heroin für angeblich 40.000 Euro für ihn besorgt. Bei dieser Runde hat jeder von ihnen schon ganze 5.000 Euro pro Nase rausgeschlagen.

Als Shalik nachmittags nachhause kommt putze ich gerade das Bad. Ich entdecke im Spiegelschrank, wie er hinter mir im Türrahmen auftaucht und mit einem breiten Grinsen im Gesicht mit lilanen Geldscheinen wedelt.

"Ich kann mich da leider nicht drüber freuen", antworte ich trocken und widme mich weiter den Kalkablagerungen am Waschbeckenrand, die ich mit einem Schwamm aggressiv rubbelnd zu entfernen versuche.

"Baby", raunt Shalik und tritt von hinten an mich. "Sei doch nicht immer so spießig."

"Bekommst du langsam wieder Oberwasser?", frage ich bissig und schiebe ihn entschieden von mir weg. "Feier dich doch noch dafür, dass deine kriminelle Scheiße klappt."

Genervt schnaubt Shalik. "Willst du jetzt wieder streiten? Wir haben mittlerweile schon tausendfach darüber geredet, ich kenne deine Sicht auf die Sache und du kennst meine. Sollen wir das jetzt alles nochmal durchkauen? Natürlich freue ich mich über das Geld, sonst würde ich das ja nicht machen."

Seine direkte Konfrontation nimmt mir den Wind aus den Segeln. Ich habe schlechte Laune und die habe ich gerade ganz klar an ihm ausgelassen. Ich weiß nicht mal genau was mit mir los ist, ich bin heute Morgen schon mit dem falschen Fuß aufgestanden.

"Sorry, ist einfach nicht mein Tag", gebe ich zu und schmeiße den Putzlappen aus blauer Microfaser frustriert auf den Wannenrand. Ich lasse mich von meinem Freund in eine verständnisvolle Umarmung ziehen und lege meinen Kopf gegen seine durchtrainierte Brust, die heute in einen flauschigen, dunkelroten Hoodie verpackt ist.

"Ich weiß, wie wir das ändern können", raunt Shalik mir ins Ohr und schiebt mir eine meiner nougatbraunen Haarsträhnen aus dem Gesicht.

"Ich habe keine Lust zu vögeln", schmettere ich ab und weiche ein Stück zurück.

"Das meine ich nicht", stellt Shalik klar, doch sein freches Schmunzeln verrät mir, dass er diesem Vorschlag auch nicht abgeneigt wäre. "Ich will heute Abend mit den Jungs weggehen, mit Ziyad, Dion und Munir. Willst du mitkommen?"

"Wie sollte das bitte meine schlechte Laune verbessern?", frage ich verständnislos.

"Du kannst deinen Kopf frei kriegen, wir können was trinken und den ganzen Scheiß mal für ein paar Stunden vergessen", erklärt er seine Idee und legt seinen Kopf schief. Mit seinem Daumen und seinem Zeigefinger drückt er meine Wangen zusammen, sodass ich einen Fischmund ziehe.

Ich verdrehe die Augen, was ihn zum Schmunzeln bringt. "Ach Baby", stöhnt er. "Du bist viel schöner, wenn du lachst. Komm schon." Ich setze ein halbherziges Fake-Lächeln auf. "Besser?", frage ich und mache mich sanft von ihm los.

"Nein", gibt er entschieden zurück. "Also, willst du mit mitkommen heute Abend oder nicht?"

"Nein lass mal, ich habe total Kopfschmerzen. Ich gehe gleich baden, gönne mir ein bisschen Entspannung und dann gehe ich pennen." Demonstrativ stelle ich eine Flasche mit Schaumbad aus dem Badezimmerschrank neben die Wanne.

"Wie du meinst", antwortet er und zuckt enttäuscht mit den Schultern.

Während Shalik seine Haare frisiert und sich umzieht, lasse ich schon heißes Wasser in die Wanne laufen. Ich kippe eine große Menge von der orangen Flüssigkeit mit Zitrusduft dazu, binde meine Haare zu einem Dutt zusammen und trage eine Gesichtsmaske auf.

Shalik verschwindet und zieht sich eine Zeit lang im Schlafzimmer für den bevorstehenden Party-Abend um, und als er dann wieder ins Badezimmer kommt, um sich von mir zu verabschieden, fällt mir auf, dass er eigentlich viel zu gut aussieht, um ohne mich auszugehen. Er trägt ein schwarzes Hemd, dessen Ärmel er bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt hat und eine dunkle Jeans. Seine kurzen Haare hat er ordentlich zur Seite gegelt und er duftet intensiv nach seinem schweren Versace-Parfum.

"Mach keinen Unsinn", ermahne ich ihn und sehe ihm dabei tief in die Augen. Shalik tut das wie immer mit einem Lachen ab. Wenn ich solche Dinge sage, nimmt er das nicht ernst. Er ist ziemlich selbstbewusst und kann sich daher nicht vorstellen, wieso das bei mir anders sein sollte. "Ich habe doch dich, was soll ich mit anderen Frauen", pflegt er oft zu sagen und so viel Zeit, wie wir miteinander verbringen und so eng wie wir sind, glaube ich ihm das eigentlich auch.

Eigentlich.

Ich bin immer sehr selbstbewusst gewesen, nicht zuletzt, weil ich ziemlich genau weiß, wie gut ich bei Männern ankomme, doch Shalik, der mir so viel bedeutet wie nie jemand zuvor, weckt dann doch manchmal Verlust- oder Versagensängste in mir.

"Komm nicht so spät nachhause", gebe ich ihm noch mit auf den Weg, nachdem er mir mit spitzen Lippen einen Abschiedskuss gegeben hat, um sich nicht mit meiner hellgrünen Feuchtigkeitsmaske einzusauen.

"Ne, mache ich nicht", antwortet er lapidar, kurz bevor die Tür hinter ihm ins Schloss fällt.

Ich genieße mein Schaumbad, lasse eine Haarkur einwirken und rasiere mir die Beine. Ich versuche sogar, mir mit einer gepflegten Runde Selbstbefriedigung im warmen Wasser bessere Laune zu verschaffen, doch heute bringt das alles nichts.

Rani kommt spontan für eine Stunde vorbei, macht sich aber auch schnell wieder auf den Weg nachhause, als sie merkt, dass mit mir heute wirklich nichts anzufangen ist.

"Chico", rufe ich Shaliks kleinen Staffordshire Terrier, der ebenso wenig ambitioniert angetrottet kommt. "Komm, wir gehen nochmal Pipi machen und dann kuscheln wir uns ins Bett, alles andere bringt heute nichts mehr", entscheide ich, bereit dazu, mich selbst zu bemitleiden und mich heute der trüben Stimmung vollends hinzugeben.

Mittlerweile macht es mir nichts mehr aus, wenn Shalik abends oder nachts alleine unterwegs ist. Ich komme auch damit klar, wenn er sich nicht besonders viel meldet oder mal nicht erreichbar ist. Ich habe mich damit abgefunden, es raubt mir keine Nerven mehr.

Doch als ich am nächsten Morgen um 9 Uhr in einem leeren Bett aufwache, in dem nur Chico in das dunkelgraue Spannbettlaken schnarcht, bin ich sofort in Alarmbereitschaft.

Noch im Halbschlaf greife ich nach meinem Handy, doch Shalik hat mir nicht geschrieben. Ich rufe ihn an, doch mir antwortet nur die Mailbox.

Ich presse einen leisen Frustschrei heraus. Mein Herz klopft schnell und mir ist direkt wieder kotzübel.

Was, wenn Shalik sein toller Plan mit Dion das Genick gebrochen hat? Wenn Mr. Miyagi den Braten gerochen und die beiden Kleinkaliber-Gangster bei der Polizei angeschissen hat? Ob sie Shalik und Dion dann direkt hopsnehmen würden? Was könnten Sie wohl gegen die beiden in der Hand haben?

Ich zerbreche mir den Kopf und beängstigende Gedanken fluten wie eine dunkelgraue, übermächtige Tsunamiwelle meinen Kopf.

Je mehr Zeit vergeht und je mehr ich mich da rein steigere, desto unruhiger werde ich. Ich versuche mich abzulenken, gehe Duschen, schmeiße mich in ein schickes Home-Outfit und gehe mit Chico Gassi.

Es ist schon fast 12 Uhr am Vormittag, als Shalik tiefenentspannt und stockbesoffen in die Wohnung spaziert. Sein Schlüsselbund, der mehrmals erfolglos am Schloss kratzt, kündigt ihn bereits an, sodass ich bereits mit verschränkten Armen im Flur auf ihn warte, als er hereinstolpert.

"Hey Baby", lallt er und grinst mich selig an. Ich beiße mir auf die Zunge und zwinge mich dazu, erstmal tief durchzuatmen, um nicht direkt zu explodieren. "Hey Baby?", wiederhole ich ungläubig, mit geweiteten Augen.

"Hast du immer noch schlechte Laune?", fragt er mich und kuschelt sich an mich. Er stinkt wie eine Kneipe und tut wirklich so, als wäre nichts gewesen.

"Wo warst du, Shalik?", frage ich schneidend und schiebe ihn bestimmt von mir, um ihm wütend funkelnd in die Augen sehen zu können.

"Weißt du doch. Ich war feiern, mit den Jungs."

"Bis 12 Uhr?", frage ich und merke selbst, dass meine Stimme immer lauter und ich immer wütender werde.

"Ja und? Bist du meine Mutter oder was?"

Shaliks freche Antwort ist der kleine Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Ich reagiere über, hole aus und schlage ihm mit der flachen Hand ins Gesicht.

Mit großen Augen starrt Shalik mich an und fasst sich instinktiv an die Wange. "Willst du mich verarschen, Tiara? Übertreibe es nicht!", knurrt er bedrohlich und kommt einen Schritt auf mich zu.

"Ich soll es nicht übertreiben? Der Einzige, der es übertreibt, bist du!", spucke ich ihm verächtlich entgegen. "Hast du eigentlich eine Ahnung, dass ich tausend Tode sterbe, wenn du unterwegs bist und dich die ganze Zeit nicht meldest, ja gar nicht zu erreichen bist? Hast du eigentlich eine Ahnung wie weh das tut und wie sehr ich leide? Hast du eine Ahnung, was du mir damit antust? Ich dachte dir ist sonst was passiert, dass du verhaftet oder verletzt wurdest, dabei bist du einfach nur sturzbesoffen am Party machen und kannst mir noch nicht mal eine verfickte Nachricht schicken? Bei allem was da gerade im Hintergrund läuft.. Du weißt doch genau, was für Paranoia ich habe! Was soll ich denn machen, wenn dir was passiert? Ich würde sterben, wenn du verunglückst oder in den Knast musst", schreie ich ihn an. Mein Monolog ist so durcheinander wie mein Inneres. Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen geschweige denn diese in eine sinnvolle Reihenfolge bringen.

"Was ist denn mit dir los? So habe ich dich gar nicht kennengelernt?", antwortet Shalik erschrocken.

"Natürlich nicht, so war ich auch nicht, bis du in mein Leben gekommen und alles durcheinander gebracht hast", fahre ich ihn an und raufe mir wütend durch die Haare. "Ich hatte mit Drogen oder sonstigen Verbrechen nichts am Hut. Ich dachte bis letztes Jahr noch, sowas passiert nur in Filmen, die zur Primetime im Pay-TV laufen."

"Du bist echt nicht normal", schnaubt Shalik.

"Ich?", keife ich fassungslos. "Ich bin nicht normal? Ich bin sehr wohl normal, Shalik. Du bist nicht normal. Du, niemand sonst."

"Was machst du dann hier, wenn ich so unnormal bin?", fragt er und sieht mir eiskalt in die Augen. Der schöne Glanz aus seinen Augen ist gänzlich verschwunden und er mustert mich unterkühlt.

"Weißt du was? Das frage ich mich langsam auch", erwidere ich resigniert lachend. In einer fließenden Bewegung schlüpfe ich in meine erstbesten Turnschuhe, schnappe mir meinen Schlüsselbund und schmeiße die Wohnungstür hinter mir laut krachend ins Schloss.

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Meine Lieben,

Was sagt ihr zu Tiaras Ausraster?

War es das jetzt mit den beiden?

A.

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