32 // geschwiegen und gesoffen

Ich schleppe mich auf wackeligen Beinen die Treppe hoch zu unserer Wohnung und bekomme erst beim dritten Versuche die Wohnungstür aufgeschlossen. Sofort tappst mir Chico verschlafen, aber erfreut entgegen. Er kriegt die Augen kaum auf, doch seine kurze Rute wedelt hektisch von links nach rechts.

Im Wohnzimmer flackert Licht, dass ich dem breiten Flachbildschirm im Center der Wohnwand zuschreibe. "Babe?", rufe ich leise in die Wohnung. Keine Reaktion, es bleibt still. Ob er noch sauer auf mich ist und mir deshalb nicht antwortet? Oder ist er wieder mal mit dem Controller in der Hand auf der Couch eingeschlafen?

Gähnend streife ich die Highheels von meinen Füßen und laufe barfuß über das dunkle Laminat. Meine Beine tun weh und mein Magen dreht sich. Zu viel fettiges Essen, zu viel verschiedener Alkohol durcheinander. Ich spähe ins Wohnzimmer, doch die Couch ist leer, Shalik ist nirgends zu sehen, nur der Fernseher plärrt leise vor sich hin.

Ich laufe zurück in den Flur und luge ins Schlafzimmer, doch auch hier gibt es keine Spur von Shalik.

Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und versuche ihn zu erreichen. Es tutet kein einziges Mal, die Mailbox geht direkt ran. Hat er mich ernsthaft blockiert? Ich versuche es nochmal, diesmal mit unterdrückter Rufnummer, doch wieder antwortet nur die Mailbox.

Sein Handy ist aus.

Mein Herz schlägt schneller.

"Komm, wir gehen nochmal Pipi machen", fordere ich Chico auf und nehme geistesgegenwärtig seine schwere Lederleine vom Garderobenhaken. Wer weiß, wie lange er schon alleine ist.

Ich schlüpfe in ein Paar Sneakers, die im Flur stehen und laufe mit Chico die Treppen nach unten. Ich lasse ihn in dem kleinen Park gegenüber unseres Wohnhauses kurz sein Geschäft erledigen und gehe dann mit ihm zurück in die leere Wohnung.

Ich nehme wieder mein Handy in die Hand und schreibe meinem Freund bei WhatsApp. "Wo bist du?" Es erscheint nur ein Haken. Keine Ahnung, was ich erwartet habe - sein Handy ist ja offensichtlich aus. Ich versuche mich selbst zu beruhigen und mir einzureden, dass er ja auch ganz simpel keinen Empfang haben könnte, glaube mir aber selbst nicht.

Wieso zur Hölle hat er sein Handy ausgeschaltet?

Das ist in unserer ganzen Beziehung noch nie vorgekommen. Shalik hat mir mal erzählt, dass er bei seinen damaligen Raubzügen sein Handy ausgeschaltet oder gleich zuhause gelassen hat, um nicht durch eine Funkzellenauswertung verraten werden zu können. Ist das der Grund? Baut er gerade irgendeine Scheiße?

Suchend gehen meine blauen Augen durch den Raum und scannen sämtliche Möbelstücke auf Shaliks iPhone ab, ohne Erfolg.

Der nächste Gedanke schießt mir mit 100 Millionen Volt wie ein Blitz durch den Kopf. Hat Shalik sich abgeschossen und ist mit irgendeiner anderen Frau im Bett gelandet?

Eine Welle schwerer Übelkeit überrollt über mich. Ich denke kurz, dass ich mich gleich übergeben muss und ich kann nicht sagen ob es an den drei Cocktails oder an meinen belastenden Gedanken liegt.

Ich gehe ins Bad, schminke mich ab und ziehe mir einen kurzen Pyjama an. Danach lege ich mich ins Bett, komme aber nicht zur Ruhe. Alle fünf Minuten greife ich zu meinem Handy, kontrolliere ob Shalik mich zurückgerufen hat oder meine WhatsApp Nachrichten mittlerweile zugestellt wurden. Ich checke seine Instagram-Stories und die von Ziyad und Dion, finde aber keinen Hinweis darauf, wo Shalik sich aufhalten könnte oder mit wem.

Mit jeder Minute, in der ich nichts von meinem Freund höre, werde ich nervöser. Chico scheint zu merken, dass irgendwas nicht stimmt und kuschelt sich dicht an mich, als wolle er mir Trost spenden.

Ich vergrabe mein Gesicht in seinem kurzen Fell und lasse meinen Tränen freien Lauf. Habe ich Shalik mit meinen Zickereien vertrieben? War es das jetzt mit uns? Ist das das Ende unserer Geschichte? Mein Herz schmerzt und ich fühle mich furchtbar.

"Es tut mir doch leid", schluchze ich leise vor mich hin. Salzige Tränen tropfen von meinen Wangen, Chicos Köpfchen ist schon ganz nass.

Irgendwann gegen 4.30 Uhr morgens kommt mir die ganze Situation dann plötzlich Spanisch vor und ich frage mich, ob Shalik vielleicht was passiert ist. Hat er Scheiße gebaut oder sich volltrunken geprügelt und sitzt irgendwo im Polizeigewahrsam? Oder liegt er schlimmstenfalls irgendwo schwer verletzt oder gar tot im Straßengraben? Mir würde niemand Bescheid geben, schließlich sind wir nicht verheiratet; ich habe mich bisher auch noch nicht umgemeldet.

Ich schluchze laut auf und sehe Shalik vor meinem inneren Auge blutüberströmt, mit Dreck im Gesicht auf dem Boden liegen. Ich bin ein sehr kreativer Mensch, was Fluch und Segen zugleich ist. Ich kann mir im Bruchteil von Sekunden die schlimmsten Dinge in bunten Farben ausmalen, so täuschend echt, dass ich sie mir manchmal selbst glaube.

Ich verliere mich in furchtbaren Fantasien bis ich es nicht mehr aushalte und wieder nach meinem Handy greife. Ein vierter Versuch Shalik anzurufen bleibt - wie zu erwarten - erfolglos.

"Unfall Essen", tippen meine Finger in die Suchmaschine meines Handys und lande mit wenigen Klicks beim Presseportal der Polizei Essen.

Essen: 35-Jähriger wird nach Nötigung im Straßenverkehr von Unbekannten attackiert - Zeugen gesucht

E.-Altenessen: Zu lauter Einbrecher macht Passanten auf sich aufmerksam

Schwerer Verkehrsunfall mit Fahrerflucht in Rüttenscheid- Zwei Passanten schwer verletzt - Zeugen gesucht

Mit laut klopfendem Herzen und schwitzigen Fingern tippe ich mich durch alle Artikel, die irgendwie auf Shalik passen können. Die meisten der Pressemitteilungen kommen allein zeitlich nicht in Frage, führen mir aber vor Augen, was noch alles passiert sein könnte.

Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen und ich habe das Gefühl, als stünde ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Gerade als ich mit dem Gedanken spiele, die örtlichen Krankenhäuser abzutelefonieren, um mich zu erkundigen, ob in den letzten Stunden ein junger, tätowierter Mann schwer verletzt eingeliefert wurde, höre ich einen Schlüssel im Schloss.

Chico hebt nur müde den Kopf, während ich hektisch aus dem Bett springe. Die Wohnungstür geht auf und Shaliks Schatten fällt zuerst in die Wohnung, bevor er mit langsamen Schritten den Flur betritt.

Ihn begleitet eine Wolke seines schweren Parfums sowie der Geruch nach hochprozentigem Alkohol und Suff.

"Wo zur Hölle warst du und wieso ist dein beschissenes Handy aus?", fahre ich ihn wütend an, stürze ihm aber gleichzeitig erleichtert in die Arme. Ich bin so froh, dass er endlich wieder bei mir ist und auf den ersten Blick auch relativ unversehrt wirkt, bis auf die Alkoholfahne und die tiefen Augenringe in seinem Gesicht.

"Ich war mit Dion und zwei anderen Kollegen in Düsseldorf in der Altstadt", antwortet er lapidar, erwidert meine Umarmung aber nicht. Er steht regungslos da und mustert mich unentschlossen.

Ich löse mich von ihm und funkele ihn aus meinen blauen Augen an. "Weißt du eigentlich, was ich in den letzten Stunden deinetwegen durchgemacht habe? Ich bin tausend Tode gestorben, Shalik. Ich liege seit Stunden wach, drehe mich von links nach rechts und heule in die Kissen, weil ich keine Ahnung hatte, wo du warst. Ich habe mir die schlimmsten Szenen ausgemalt, von einer Festnahme über einen schweren Autounfall bis hin dazu, dass dich irgendjemand abgestochen hat und du tot in der Gosse liegst. Ich habe das Internet durchforstet nach Unfallmeldungen oder Öffentlichkeitsfahndungen und-"

Shalik unterbricht mich, indem er meine Lippen mit einem Kuss versiegelt und mich so zum Schweigen bringt. Mein Puls rast noch immer und Tränen der Verzweiflung mischen sich mit Tränen der Erleichterung. "Es tut mir leid, okay?", flüstert Shalik an meine Wange.

"Ich war sauer auf dich, weil du einfach gegangen bist. Ich habe es hier zuhause nicht ausgehalten, es war so leer ohne dich, deshalb bin ich mit Dion rausgegangen und habe mich volllaufen lassen. Ich wollte mich irgendwann sogar melden, aber dann war mein Akku leer."

Sanft schiebt Shalik mich ins Wohnzimmer, da wir noch immer im Flur stehen. Wir setzen uns gemeinsam auf die Couch.

"Ich will dir nichts, Tiara. Ich will dich nur schützen und das kann ich nicht, wenn du alleine unterwegs bist. Ich könnte nicht ertragen, wenn dir was passiert und ich dich verliere", seine Stimme bricht und seine grünen Augen glänzen verräterisch. "Ich liebe dich, ich habe noch nie jemanden so geliebt wie dich. Ich will mit dir alt werden."

Nun laufen auch mir wieder Tränen über die Wangen, diesmal sind es allerdings Tränen der Rührung.

"Du warst schon den ganzen Tag so komisch und dann wolltest du plötzlich an unserem ersten gemeinsamen Abend weggehen, das habe ich nicht verstanden. Bereust du es etwa schon, mit mir zusammen gezogen zu sein, sodass du direkt flüchten musst?"

Aus großen Augen sehe ich ihn an. "Nein, Shalik, auf keinen Fall. Es ist nur.." Ich stocke.

"Was denn, Tiara? Was ist es denn? Dann rede doch, verdammt! Ich sehe doch, dass dich irgendwas bedrückt."

"Es ist wegen diesem Traum", schluchze ich und halte mir beschämt die Hände vors Gesicht.

"Welcher Traum?", hakt Shalik nach und scheint die Welt nicht mehr zu verstehen. Hat er das etwa ernsthaft schon vergessen?

"Der Traum, den ich letzte Nacht hatte. Dass die Polizei nachts bei uns stand und dich mitgenommen hat", helfe ich ihm auf die Sprünge.

"Achso.. Da habe ich gar nicht mehr dran gedacht. Was ist denn mit dem Traum? Hat der dir Angst gemacht?", fragt er entgegen meiner Erwartung einfühlsam und verschränkt seine Finger mit meinen.

"Ja, total", gebe ich zu. "Deshalb war ich heute auch so scheiße zu dir. Ich konnte an nichts Anderes denken als an diesen Traum und als meine Mum mir dann noch geschrieben hat, dass der erste Traum in der neuen Wohnung wahr wird, bin ich vollends durchgedreht. Nur deshalb habe ich mich auch mit Rani verabredet."

"Also warst du nicht schon seit längerem mit ihr verabredet", schlussfolgert er treffsicher. Ich nicke kleinlaut. "Und wieso hast du mir nicht einfach gesagt, dass dich das so beschäftigt, Baby?", fragt Shalik und wirkt fast ein wenig traurig.

Ich schaue verlegen auf meine Hände und probiere krampfhaft, die richtigen Worte zu finden, um ihm nicht noch mehr vor den Kopf zu stoßen. "Ich wollte einfach alleine sein. Ich konnte mit der Situation nicht umgehen, war überwältigt von meinen ganzen Emotionen und konnte irgendwie nicht klar kommunizieren, was mein Problem ist und was ich brauche, deshalb war ich so distanziert und habe das Weite gesucht. Es tut mir leid, ich weiß, dass das daneben war."

Shalik streicht durch meine Haare. "Ich war selbst unfair heute. Es hat mich genervt, dass du so abweisend zu mir warst und das ausgerechnet heute. Ich hatte Angst, dass du schon bereust bei mir eingezogen zu sein, dass dir das Zusammenleben mit mir nicht gefällt oder so. Also bin ich rausgegangen und habe dasselbe getan wie du: geschwiegen und gesoffen."

Ich vergrabe meine Hände in Shaliks kurzem, schwarzen Haar und kratze mit meinen Fingernägeln leicht über seine Kopfhaut. "Es tut mir leid, Baby", wispere ich leise, ziehe einen Schmollmund und gleite mit meinen Händen langsam seinen Nacken herunter.

Abrupt zieht mich Shalik auf seinen Schoß. "Mach nicht so", knurrt er und sieht mich bedrohlich an.

"Keine Ahnung wovon du redest", flöte ich ihm unschuldig ins Ohr und lasse meine Finger in sein Shirt, über seine Brust gleiten. Meine Nägel streifen seine braune Haut nur ganz leicht, sodass sie eine Gänsehaut hinterlassen.

"Du weißt ganz genau, wovon ich rede. So genau, wie du weißt, was du da gerade tust", sagt er heiser, fasst an meine Hüften und drückt mich enger gegen sein Becken. Seine Erektion bohrt sich durch den Stoff seiner Jeans und erregt mich angenehm zwischen meinen Beinen. Seufzend reibe ich mich an ihm, bis ich ihn so sehr provoziert habe, dass er mich packt und in den schwarz-weißen Webstoff der Couch drückt.

Er macht sich nicht mal die Mühe mich auszuziehen, holt stattdessen seinen harten Schwanz aus der Hose und schiebt meine kurze Pyjamashorts nur grob zur Seite.

"Hast du es darauf angelegt?", knurrt er und seine grünen Augen blitzen erregt auf.

"Wer weiß", flüstere ich und schenke ihm ein verwegenes Grinsen, während ich spüre, wie es zwischen meinen Beinen kribbelt und mein Slip immer feuchter wird.

Natürlich habe ich es darauf angelegt, das weiß Shalik. Ich sehe es in seinem Blick, wie gierig er meinen Körper betrachtet, seinen Schwanz in der Hand haltend und bereits leicht wichsend.

"Ich mag deine Spielchen nicht, Baby", brummt er und sieht mir tief in die Augen. Federleicht lässt er seine Fingerspitzen über die nackte Haut meines Dekolletés fliegen. "Ich werde dir jetzt mal zeigen, wer hier mit wem spielt", kündigt er an und rammt sein hartes Glied in meine feuchte Spalte.

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Meine Lieben,

Das war ja mal wieder eine Achterbahn der Gefühle mit den beiden, nicht wahr?

Aber ich finde, am Ende haben sie es doch ganz gut gelöst.

Habt ihr eine Idee, wie es weitergehen könnte? An dieser Stelle ist ja alles offen..

A.

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