24 // a little party never killed nobody

Auch die nächste Woche vergeht wie im Flug. Ich stecke immer mehr in den Vorbereitungen für meine schriftliche und mündliche Abschlussprüfung und mache neben Schule, Arbeiten und Lernen nicht viel. Ich treffe mich nach wie vor so gut wie jeden Tag mit Shalik, fahre nach der Arbeit zu ihm, lerne sogar manchmal bei ihm oder nutze die Treffen mit ihm dafür, den Kopf zwischendurch ein wenig frei zu bekommen. Mittlerweile schlafe ich auch immer öfter unter der Woche bei ihm, da seine Wohnung nur wenige Kilometer von unserem Autohaus entfernt ist und ich somit morgens noch später losfahren kann.

Es läuft wirklich gut zwischen Shalik und mir, nicht zuletzt, weil er so viel Zeit mit mir verbringt, dass er nur wenig Zeit für anderes hat und nicht auf dumme Ideen kommen kann. Ich habe wirklich ein gutes Gefühl und glaube ihm, dass seine Absicht ist, ein straffreies Leben zu führen und sich eine Zukunft mit mir aufzubauen.

Letzteres beweist er mir oft, ob mit kleinen Gesten, wie dass er für mich gekocht hat, wenn ich von der Arbeit komme, dass er mir Blumen mitbringt oder meine Lieblingsschokolade. Shalik lässt mich ich selbst sein, ich kann ihm alles erzählen, was mich beschäftigt, ob positiv oder negativ. Er ist immer für mich da und hilft mir Lösungen zu finden, wenn ich den Wald vor lauter Bäumen nicht sehe. Er baut mich auf, unterstützt mich aber kritisiert mich auch wenn nötig. Er ist kein Ja-Sager, aber auch kein Miesmacher.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass er die beste Version meiner Selbst aus mir herausholt. Bei ihm bin ich glücklich, losgelöst und habe das Gefühl, endlich angekommen zu sein.

Obwohl wir uns kaum kannten, hat er mir geholfen die schwere Situation mit der Trennung meiner Eltern durchzustehen. Er hat mich aufgebaut, mich abgelenkt oder mir Raum gegeben traurig zu sein, je nachdem, was ich in dem Moment gebraucht habe. Ich kenne so viele Männer, die bei jeder kleinsten Schwierigkeit abhauen, sich vor Entscheidungen und Konsequenzen drücken, bloß möglichst unverbindlich bleiben und weder Verantwortung übernehmen noch Bindungen eingehen, doch Shalik ist nicht so. Er ist kein Feigling, keiner der sich scheut oder abhaut. Sein Wort hat Gewicht und auf ihn kann ich mich blind verlassen.

Deshalb kann ich auch einigermaßen gut damit leben, dass er heute wieder in die Disco muss, um wieder Teile zu verticken. In den letzten Wochen hat er das immer ein bisschen vor sich hergeschoben, ist nur einen Abend gegangen oder teilweise gar nicht, doch das ist mittlerweile aufgefallen - sehr zum Missfallen seines Kreditors.

Um nicht im Laufe der Nacht doch noch durchzudrehen und mich in unnötige Sorgen um Shaliks Wohlergehen zu verlieren, habe ich mich mit Rani verabredet. Wir wollen endlich mal wieder einen richtigen Mädelsabend bei ihr machen, was trinken und einen Film schauen. Ich habe mir extra Schlafsachen eingepackt, um bei Rani zu übernachten und nicht mitten in der Nacht zurück fahren zu müssen.

Es läuft auch alles nach Plan, die Stimmung ist ausgelassen, bis mitten in unserem Highschool-Teenie-Film, nach der ersten Flasche Sekt, Helin anruft. "Hey Girls, was macht ihr?", fragt sie und ich stelle sie auf Lautsprecher. "Wir schauen Girls Club und du?", antwortet Rani und steckt sich ein paar Paprika-Chips in den Mund.

"Ich fahre gleich mit Neda nach Oberhausen ins Steffys, wollt ihr nicht mitkommen?"

Rani wirft mir einen vielsagenden Blick zu. "Hm, ich weiß nicht", antworte ich ehrlich und greife ebenfalls in die fettige Chipstüte. Eigentlich steht mir der Sinn heute weniger nach Party und mehr nach einem chilligen Abend mit meiner besten Freundin.

"Da ist heute eine Hip-Hop Party und der DJ, der auflegt, hat es echt drauf", versucht sie uns zu überzeugen.

"Ich habe gar nichts Passendes zum Anziehen dabei", halte ich dagegen.

"Du könntest was von mir nehmen", schlägt Rani vor und legt den Kopf schief. Ihr gefällt Helins Vorschlag, das sehe ich ihr gleich an. "Genau Tiara", pflichtet unsere Freundin ihr durchs Telefon bei und ich höre, dass sie begeistert in die Hände klatscht.

"Ich weiß nicht", murmele ich unschlüssig. "Du willst unbedingt, oder?", frage ich meine beste Freundin leise, die im Jogger und mit Dutt auf dem Kopf auf ihrem Bett sitzt, obwohl ich die Antwort bereits in ihren Augen lesen kann.

"Ja, schon. A little Party never killed nobody", zitiert sie einen Song und grinst mich schelmisch an. Ich gebe mich geschlagen, schließlich will ich auch kein Spielverderber sein und lasse mich wieder rücklings auf Ranis Bett fallen.

"Wann wärst du denn hier?", frage ich und starre an die weiße Decke mit den vielen Halogenspots. Rani reißt triumphierend ihre Hände in die Luft.

"In einer Stunde", kommt es von Helin zurück und Rani richtet sich schlagartig auf. "Eine Stunde?", fragt sie hektisch und springt vom Bett. "Dann müssen wir jetzt aber richtig Gas geben."

Und das tun wir. In Rekordzeit schminken wir uns, machen unsere Haare und suchen uns ein Outfit aus Ranis Fundus. Ganz nebenbei leeren wir noch eine zweite Flasche Sekt und beginnen schon in Ranis Zimmer zu den Bässen aus ihrer JBL-Box abzudancen. Ihre Familie ist heute zum Glück ausgeflogen und kann sich über unsere Lautstärke nicht beschweren.

Als Helin anruft, um uns mitzuteilen, dass sie vor der Tür steht, betrachten Rani und ich uns ein letztes Mal im Spiegel. Trotz unserer knappen Vorbereitungszeit sehen wir heiß aus. Rani hat ihre langen schwarzen Haare offen und glatt mit einem Halfbun, ist auffällig geschminkt und trägt ein kleines Schwarzes mit tiefem Rückenausschnitt, dass ihrer schönen Figur schmeichelt. Ich habe mich für einen Seitenscheitel mit großen Locken, rote Lippen und eine Kombination aus schwarzem, bauchfreiem Bandeau-Top mit passender, hoher Paperbag-Hose entschieden, die wenigstens die Illusion vermittelt, dass ich schöne Kurven hätte.

"Was machst du, Babe?", blinkt auf meinem Handy auf. Ich folge Rani durchs Treppenhaus nach unten und mache ein spontanes Selfie, welches ich Shalik schicke. "Haben uns kurzfristig entschieden, doch noch wegzugehen", tippe ich dazu.

"Aha. Wo geht ihr hin?", kommt direkt zurück. Diese spontane Entscheidung scheint bei ihm eher weniger Anklang zu finden.

Ich schlüpfe in ein Paar schwarze Highheels. Welch ein Segen, dass Rani nicht nur denselben Geschmack, sondern auch die gleiche Kleider- und Schuhgröße wie ich hat. Schon seit Jahren leihen wir uns gegenseitig Sachen oder tauschen sie untereinander, wenn sie uns selbst nicht mehr gefallen, aber der anderen noch Freude machen.

"Wir fahren nach Oberhausen ins Steffys", antworte ich Shalik und steige in Helins Auto.

Als wir eine knappe Stunde später mit einem Drink in der Hand auf der Tanzfläche stehen, merke ich die zwei Flaschen Sekt, die Rani und ich in kurzer Zeit zu zweit weggekippt haben, deutlich. "Für mich gibt's erstmal nur noch Cola", nuschele ich und hebe abwehrend meine Hände, als meine beste Freundin mir ein Glas Vodka-E geben will.

"Stell dich nicht so an", schimpft sie und drückt mir das Glas mit Nachdruck in die Hand.

"Meinst du, dass das eine gute Idee bist? Du bist nicht mal hier in der Nähe, wenn irgendwas passiert", hat Shalik schon vor einiger Zeit geantwortet, doch ich sehe es erst jetzt. "Mvh dir keime Sorgrn, was solll mir scvhon passierrn", antworte ich mit verschwommenem Blick auf mein Display und stecke mein Handy wieder weg.

Ich verstehe gar nicht, wieso Shalik sich jetzt so anstellt. Ich bin schon groß und nicht zum ersten Mal in einer Disco. Seine Fürsorge in allen Ehren, aber er ist doch selbst unterwegs und das mit deutlich bedenklicheren Absichten als ich. Ich bin weder hier um mir einen Typen aufzureißen noch um mich wer weiß wie abzuschießen geschweige denn um wie er Drogen zu verticken, ich will einfach nur einen schönen Abend mit meinen Freundinnen haben, ein bisschen tanzen und danach müde ins Bett fallen.

Trotzig führe ich das Longdrinkglas an meine Lippen und nehme einen großen Schluck des süßen, alkoholischen Getränks. Jetzt erst recht.

Ich schaue erst wieder auf mein Handy, als ich gegen zwei Uhr nachts auf der Toilette sitze und mich an der Kabinenwand abstütze, um nicht von der Klobrille zu rutschen. Alles dreht sich und ich brauche dringend frische Luft. Ich habe die zwei Vodka-Mischen definitiv zu schnell getrunken und das macht sich jetzt bezahlt.

"Ich finde das echt uncool. Ich will dir nichts verbieten, ich mache mir nur Sorgen um dich, Tiara, und dass du schon so betrunken bist, wie deine Nachricht zeigt, macht es nicht besser."

Vor einer knappen Stunde hat Shalik dann noch drei passiv aggressive Fragezeichen hinterhergeschickt. Ich versuche ihm zu antworten, merke aber selbst ziemlich schnell, dass das aktuell keinen Sinn mehr ergibt, lösche daher mein Kauderwelsch wieder und entscheide mich für eine Sprachnachricht.

Ich räuspere mich kurz, hole tief Luft und flöte dann so gefasst und vor allem nüchtern wie irgendwie möglich ins Handy: "Ne, es ist alles gut, Schatz, ehrlich. Ich bin einfach nur spontan mit meinen Freundinnen ein bisschen rausgegangen, du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen. Ich steige jetzt auf Cola um und gleich fahren wir eh nachhause. Ich melde mich nochmal, wenn ich im Bett liege."

Dann drücke ich mich schwerfällig von der Toilette hoch, gerate ein wenig ins Wanken und halte mich an der Toilettentür fest. "Alles okay?", dringt Ranis Stimme besorgt durch die Tür und mischt sich mit dem leisen Dröhnen der Musik von der Tanzfläche.

"Geht so", gebe ich zu, schließe die Tür auf und stoße sie auf.

"Ich muss mal an die frische Luft. Kommst du mit raus?"

"Klar", willigt sie sofort ein. Wir waschen uns die Hände und ich lasse mir noch einen Moment lang das kalte Wasser aus dem Hahn über meine Pulsadern laufen.

Mit langsamen Schritten kämpfen wir uns durch die Menschenmassen zum Ausgang und treten in den Außenbereich, in dem zahlreiche Grüppchen oder Paare stehen um zu rauchen oder sich ungestört zu unterhalten.

Ich atme tief die kalte Nachtluft in meine Lungen und steuere dann auf einen der Stühle zu, der am Rand steht. Vorsichtig lasse ich mich auf die Sitzfläche gleiten und schließe kurz die Augen. Noch immer dreht sich alles, doch ich spüre, dass mir die frische Luft und das kalte Wasser von eben Besserung verschaffen.

Plötzlich spüre ich, dass sich die Sicht vor mir verdunkelt, als ob jemand vor mich tritt. Noch bevor ich die Augen öffnen kann, ertönt eine tiefe Stimme und lässt mein Herz vor Schreck einen Schlag aussetzen: "Tiara, was machst du denn hier?"

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Meine Lieben,

Preisfrage: Wer steht da plötzlich vor Tiara?

Und meint ihr, Tiaras spontaner Ausflug in die Disco wird noch zu einem richtigen Streit mit Shalik führen? Der schien ja nicht so begeistert davon zu sein..

A.

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