14 // und womit? mit recht
"Ich hoffe, du hast heute nach der Arbeit noch nichts vor. Ich habe mir was Cooles überlegt, was ich mit dir machen möchte", lese ich auf meinem Handy, als ich es in der Mittagspause entsperre.
Shalik und ich haben gestern noch zusammen "Oceans Eleven" geschaut, bevor ich in seinem Jogginganzug nachhause gefahren bin. Dort angekommen konnte ich mich auch nicht dazu überwinden, seine Klamotten wieder auszuziehen. Ich habe mich viel zu wohl und geborgen gefühlt, umgeben von dem weichen Sweat und seinem vertrauten Duft.
Jetzt bin ich bereits seit vier Stunden auf der Arbeit und sitze Raphael gegenüber in der kleinen Büroküche. Vor mir steht eine Tupperdose mit dampfend heißen Spaghetti Bolognese, die meine Mutter gestern gekocht hat und die ich für die Mittagspause mitgenommen habe.
Lächelnd schreibe ich Shalik zurück: "Ne, ich habe noch nichts vor. Verrätst du mir denn was wir machen oder ist das eine Überraschung? 😬"
Ich rolle einige Spaghetti mit meiner Gabel auf und schiebe sie mir in den Mund. Raphael beißt indes beherzt in sein belegtes Brötchen.
"Gleich kommt ein Stammkunde, der jedes Jahr einen neuen Wagen im Rahmen seines Leasingvertrags bekommt. Er will sich heute ein neues Auto konfigurieren, willst du ihn mit mir beraten?", biete ich dem blonden Mann an, nachdem ich die Nudeln runtergeschluckt habe.
Ich weiß nur zu gut wie nervig unsere Arbeit sein kann, wenn man erst im ersten Lehrjahr ist. Man bekommt häufig die Aufgaben zugeschoben, auf die niemand anderes Lust hat, wie Akquise oder Rechnungen schreiben, dabei sind gerade die Autoverkäufe und die Neuwagenkonfigurationen das Spannende in unserem Job.
"Auf jeden Fall, gerne. Ich muss nur Herrn Brehmer fragen, ob das okay ist, oder ob er eine andere tolle Aufgabe für mich hat", antwortet er und verdreht seine hellblauen Augen. Offensichtlich ist seine Euphorie gehemmt, da unser Filialleiter und gleichzeitig auch Ausbilder ihm die Tour noch versauen könnte.
Mein Handy vibriert erneut auf dem schmalen, weißen Esstisch. "Das ist eine Überraschung 😇 Ich hole dich um 18 Uhr ab, passt das?"
"Ja, das schaffe ich. Ich freue mich."
Ich vertilge noch die restliche Portion meines Mittagessens, räume die Dose in die Spülmaschine und mache mich danach gut gelaunt für die zweite Hälfte meiner Schicht an die Arbeit.
Nachmittags habe ich es eilig nachhause zu kommen. Ich freue mich auf Shalik und in mir wächst zunehmend die Neugier darauf, welche Überraschung er sich für unsere Verabredung überlegt hat.
Ich schließe unsere schwere Haustür auf und laufe schon in dem schmalen Flurstück meiner Mutter in die Arme.
Zufrieden stelle ich fest, dass sie heute schon deutlich besser aussieht. Ihr braunes Haar fällt in leichten Wellen über die Schultern und ihre strahlend blauen Augen hat sie mit Wimperntusche betont. Sie zieht mich in eine herzliche Umarmung und drückt mir einen Kuss auf die Wange.
"Wie geht es dir, Schatz? Wie war die Arbeit heute?"
"Alles gut so weit. Wie geht es dir? Du siehst gut aus", mache ich ihr ein ehrliches Kompliment und mustere sie anerkennend. Sie trägt eine einfache blaue Jeans und eine Bluse mit einem zarten Blumenmuster, aber vor allem sieht sie endlich nicht mehr so fertig aus wie in den letzten Tagen.
"Ja, ich habe heute Nacht endlich wieder vernünftig geschlafen und außerdem habe ich beschlossen, dass mein Leben weitergehen muss", erklärt sie mit einem tapferen Lächeln. "Es bringt ja keinem was, wenn ich jetzt monatelang Trübsal blase. Aber genug von mir. Wo warst du die letzten Tage immer? Du warst kaum zuhause, gestern habe ich dich gar nicht zu Gesicht bekommen."
"Ich habe da jemanden kennengelernt", verkünde ich ohne Umschweife. Ich bemühe mich, das vorsichtig zu formulieren, doch ich spüre selbst, wie sich bei dem Gedanken an Shalik unkontrolliert ein verräterisches Grinsen auf meinem Gesicht breit macht.
"So so, hat dieser jemand auch einen Namen?", fragt sie mit einem neugierigen Funkeln in den Augen.
"Shalik heißt er. Wir treffen uns gleich wieder", erkläre ich und entledige mich meiner dunklen Pumps.
"Holt er dich ab? Dann muss ich gleich mal aus dem Küchenfenster schauen", neckt sie mich und wackelt mit ihren geschwungenen Augenbrauen.
"Das sieht bescheuert aus", lache ich über ihre Grimasse und wende mich zum Gehen.
"Ach, Tiara Schatz, ganz kurz noch", ruft sie mir hinterher, als ich schon auf der dritten Stufe bin. "Papa hat mich angerufen."
Nun hat sie wieder meine volle Aufmerksamkeit. Blitzschnell fahre ich zu ihr herum. "Was will er? Der hat Nerven, dich auch noch anzurufen", schimpfe ich ungebremst drauf los und verstärke meinen Griff um das Treppengeländer aus Edelstahl.
"Er hat gesagt, dass er dich schon mehrmals angerufen und dir Nachrichten geschrieben hat, aber du ignoriert alles", schildert sie seine Sicht der Dinge in ruhigem Ton.
"Ja und womit?", fragte ich aufgebracht und mache eine bedeutungsschwangere Pause. Mama sieht mich fragend an.
"Mit Recht. Ich will nicht mit ihm reden, ich bin so sauer auf ihn", poltere ich weiter.
"Ich weiß, Schatz", antwortet sie verständnisvoll und legt ihre Hand sanft auf meine. "Ich bin auch sauer auf ihn, aber er ist immer noch dein Vater."
"Toller Vater ist er. Daran hätte er mal denken sollen, bevor er dich betrogen hat."
"Ach Tiara", seufzt meine Mama und streichelt aufmunternd über mein braunes Haar. "Er liebt dich, er liebt euch beide, er liebt nur mich nicht mehr", sagt sie leise und schluckt hart. Jetzt bin ich es, die ihr aufmunternd über den Arm streichelt. Sofort überkommt mich mein schlechtes Gewissen. Das Letzte was ich wollte, war Salz in ihre Wunden zu streuen.
"Sag ihm wenigstens, dass du erstmal Zeit für dich brauchst, das ist das Mindeste. Tu es für mich, so habe ich dich erzogen", nuschelt meine Mama in meine Haare.
"Okay, ich schreibe ihm morgen", verspreche ich und löse mich sanft von ihr. "Es tut mir leid, aber ich muss mich fertig machen, ich bin schon spät dran", entschuldige ich mich zähneknirschend.
"Kein Problem, ich wollte dir das nur eben noch sagen, wer weiß, wann wir uns das nächste Mal sehen", schmunzelt sie und zwinkert mir zu.
Ich springe für eine schnelle Katzenwäsche unter die Dusche und schlüpfe in eine bequeme Mom Jeans, ein schwarzes, enganliegendes Shirt mit Turtleneck und einen leichten Sommermantel, ebenfalls in schwarz. Dazu wähle ich lässige Turnschuhe und eine schwarze kleine Umhängetasche. Mein Makeup brauche ich nur ein wenig aufzufrischen und meine Haare, die ich unter der Dusche nicht gewaschen habe, binde ich zu einem hohen Pferdeschwanz.
Pünktlich wie die Maurer um 18 Uhr klingelt mein Handy. "Bin da, dringt Shaliks tiefe Stimme in mein Ohr. "Ich komme", flöte ich zurück und springe schon die Treppen herunter. "Mama?", rufe ich durch den Flur.
"Ich bin in der Küche", ruft sie zurück. "Ich koche für morgen vor", informiert sie mich und rührt mit einem hellen Holzlöffel in einem kleinen Topf mit Sauce. "Oh, das riecht gut, was wird das?", hake ich nach und klaue mir eine grüne Bohne aus dem Abtropfsieb. "Das wird eine Reispfanne mit Paprika und Stangenbohnen", antwortet sie und dreht sich vom Herd zum Küchenfenster. "Ist er da, dein Shalik?" fragt sie und blickt neugierig nach draußen.
"Mama", ermahne ich sie lachend. "In der Protzkarre da?", hakt sie unbeirrt nach und zieht eine Augenbraue hoch. Sie wischt ihre Hände an der karierten Kochschürze ab, tritt zwei Schritte näher ans Fenster und tut so, als wolle sie Shalik und seinen Wagen noch genauer unter die Lupe nehmen. Dann fängt sie an zu lachen und drückt mir einen Kuss auf die Wange. "War nur Spaß, Schatz. Viel Spaß euch beiden. Nächstes Mal kann er dann mal Hallo sagen kommen."
"Richte ich ihm aus", antworte ich gut gelaunt und verlasse das Haus.
Shalik sitzt auf dem Fahrersitz und ist in sein Handy vertieft. Er trägt eine Jeansjacke mit einem weißen Shirt darunter und hat seine Haare gestylt. Bisher habe ich ihn außer auf Fotos immer nur mit Cap gesehen, doch gefällt er mir auch.
Das Fenster auf der Fahrerseite ist bis zur Hälfte geöffnet, trotzdem ist Shalik durch sein Handy und die Musik in seinem Auto so abgelenkt, dass er nicht bemerkt, dass ich mich ihm nähere. Ich trete an sein Fenster heran, strecke meine Hand blitzschnell aus und streichele ihm über die Wange.
Shalik erschreckt sich nicht wirklich, hebt aber ruckartig den Kopf und entblößt zwei Reihen strahlend weißer Zähne. "Hey", begrüßt er mich, greift nach meiner Hand und drückt sie an seine Lippen.
"Ich dachte schon, du bemerkst mich gar nicht", tadele ich ihn und kneife leicht in seine Wange.
"Sorry, ich musste kurz was klären", entschuldigt er sich und wirft sein Handy lässig in die Mittelkonsole. "Was ist, steigst du ein oder willst du dort draußen Wurzeln schlagen?"
Ich nicke ihm zu, umrunde den Wagen und steige zu Shalik ins Auto. Ich zögere kurz, lehne mich dann aber über die Armlehne und drücke ihm einen schnellen Kuss auf die Wange. "Sieht gut aus mit deinen Haaren", teile ich ihm mit und schenke ihm ein Lächeln.
Shalik ist wirklich ein schöner Mann und auch rein objektiv gesehen genau mein Typ. Er ist groß, hat eine kräftige, trainierte Statur und viele Tattoos; selbst sein Kleidungsstil gefällt mir. Er sieht dem Traummann, wie ich ihn mir selbst gemalt hätte, verdächtig ähnlich, so dass es schon fast gruselig ist.
"Danke Tiara, du siehst auch schön aus", antwortet er charmant und startet den Motor.
"Wohin fahren wir denn jetzt?", versuche ich ihm erneut seine Pläne zu entlocken, doch Shalik bleibt stur. "Siehst du doch gleich, sei nicht so ungeduldig", neckt er mich und ich sehe ihm an, wie viel Spaß ihm das macht. Seine Augen funkeln richtig vor Schadenfreude, mich noch ein bisschen quälen zu können und auch noch die letzten Minuten meiner Unwissenheit maximal auszureizen.
"Ich habe den ganzen Tag darüber nachgedacht", eröffne ich ihm. "Wir können weder Schwimmen noch Eislaufen gehen, dafür bräuchte ich schließlich besondere Kleidung. Kino fällt auch raus, du hast zu viel Erfahrung mit Frauen, als dass du sie gleich am Anfang in ein Kino schleppst", werfe ich in die Waagschale und beobachte jede seiner Regungen aufmerksam. Shalik versucht sich an einem Pokerface, muss aber lachen.
"Ach ja, ich habe also viel Erfahrung mit Frauen?", hakt er amüsiert nach. "Wie kommst du denn darauf?"
"Das sieht man dir an", denke ich laut und Shalik schüttelt lachend den Kopf. "Ist ja jetzt auch egal", winke ich ab. Ich bin zu konzentriert auf die Suche nach der Lösung, Shaliks Verschwiegenheit hat meinen Kampfgeist geweckt. "Sag mir einfach, dass ich mit meinem Ausschlussverfahren Recht habe. Weder Schwimmbad noch Eishalle oder Kino, richtig?"
"Richtig, Sherlock", antwortet Shalik und nickt mir anerkennend zu.
"Okay, dann weiter. Wir werden auch nicht Essen gehen, denn das hättest du nicht so groß angekündigt. Es wird etwas sein, was nicht alltäglich ist. Bewegen wir uns dabei?"
Shalik antwortet nicht.
"Okay, wir bewegen uns also. Oh mein Gott", rufe ich und schlage mir erschrocken die Hände vor den Mund, als mir ein Geistesblitz kommt. "Wir gehen aber nicht Paintball spielen, oder?"
Nun kringelt sich Shalik vor Lachen und greift mit seinen Händen fest um das Lenkrad. "Nein!", ruft er. "Wie kommst du denn auf sowas? Hätte dir das gefallen?"
"Nein, auf gar keinen Fall. Ich bin nicht der Typ dafür, sich abballern zu lassen", stelle ich klar und verschränke die Arme vor der Brust. "Es gibt zu viele Möglichkeiten, es kann alles und nichts sein", schmolle ich, als mir klar wird, dass ich ohne konkrete Hinweise mit meiner rationalen Herangehensweise nicht weiterkomme.
Shalik lenkt den Wagen von der Straße auf einen Parkplatz, parkt rückwärts in die nächstbeste Parklücke ein und zieht den Schlüssel ab. Er deutet mit einer kurzen Kopfbewegung auf eine große Lagerhalle mit riesiger Neon-Reklame und klärt mich auf: "Wir spielen Schwarzlicht Minigolf."
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Meine Lieben,
Nun ist also auch Tiaras Mama eingeweiht. Wie fandet ihr ihre Reaktion?
Und was sagt ihr zu dem Date, das Shalik da geplant hat? Würdet ihr euch über so eine Überraschung freuen? Und wie wird Tiara reagieren?
A.
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