13 // this is where the magic happens

Eine Viertelstunde lang sitze ich stumm und regungslos im Auto, um mich zu sortieren. Mein Blick ist in die Ferne gerichtet, doch ich starre nur ziellos vor mich hin, ohne etwas wahrzunehmen. Als ich mich einigermaßen beruhigt habe, rufe ich Shalik an. Der hat mir zwar mittlerweile eine Nachricht geschrieben und mich auch einmal angerufen, allerdings glücklicherweise trotz unserer geplanten Verabredung davon abgesehen, mich zu terrorisieren.

"Ich dachte schon, du ghostest mich", begrüßt er mich spottend nach wenigen Sekunden am anderen Ende der Leitung.

"Ne, das ist nicht meine Art", gebe ich ernst zurück und zwirbele meinen Pferdeschwanz gedankenverloren um meinen Zeigefinger.

"Was ist los? Alles okay? Du hörst dich genervt an", erkundigt sich Shalik aufmerksam.

Ich starte den Motor und parke meinen Wagen in zwei Zügen aus der engen Parklücke aus.

"Sorry mir kam kurzfristig was dazwischen. Ich fahre jetzt nachhause und ziehe mich um, ich stecke noch immer in meinem Hosenanzug von der Arbeit und dann komme ich zu dir, okay? Du kannst ja vielleicht schon mal mit Chico rausgehen. Ich weiß, wir wollten zusammen mit ihm spazieren gehen, aber ich bin ehrlich gesagt ziemlich kaputt", schlage ich vor und fädele meinen Wagen in den fließenden Verkehr ein.

"Sollen wir unser Treffen lieber auf morgen verschieben? Sonst wird das noch zu spät, du musst doch morgen wieder früh raus", bietet Shalik verständnisvoll an.

"Nein", entgegne ich schnell. "Ich habe mich den ganzen Tag darauf gefreut."

"Okay", antwortet Shalik, dann herrscht kurz Stille. "Anderer Vorschlag. Was hältst du davon, wenn du jetzt direkt zu mir kommst und ich dir einfach was zum Umziehen gebe? Du schmeißt dir einfach eine Jogginghose und ein Shirt von mir drüber, kannst deine steifen Schickimicki-Sachen ausziehen und wir haben noch zwei Stündchen, um miteinander zu chillen."

Ich kann an seiner Stimme hören, dass er grinst. Sofort sehe ich sein charismatisches Lächeln und die funkelnden grünen Augen wieder vor mir. Kurz wäge ich pro und kontra gegeneinander ab, doch meine Entscheidung ist schnell gefallen.

Es gibt deutlich schlimmeres, als den Abend mit Shalik in einem seiner kuschelig weichen, himmlisch duftenden Jogginganzüge zu verbringen. Und wenn ich ehrlich bin, kommt es mir mehr als gelegen diesen zusätzlichen, unnötigen Weg zu vermeiden, nicht noch mehr Zeit zu vergeuden und schnell bei Shalik zu sein.

"Okay, so machen wir es. Ich bin in fünf Minuten bei dir", beschließe ich daher kurzerhand, verabschiede mich von ihm und lege auf.

Es sind wirklich gerade mal fünf Minuten vergangen, als ich meinen grauen Kleinwagen vor dem in die Jahre gekommenen Mehrfamilienhaus parke, in dem Shalik wohnt. Ich schnappe mir meine Handtasche vom Beifahrersitz, schließe den Wagen per Knopfdruck auf die Fernbedienung ab und überquere die viel befahrene Hauptstraße zügig.

"Shalik Bouaziz" steht in krakeliger Handschrift auf dem weißen Klingelschild. Ich schelle an und muss nicht lange warten, bis mir die Haustür geöffnet wird.

Das enge Treppenhaus mit den abgenutzten, dreckig-weißen Wänden kenne ich schon von unserem ersten Treffen und laufe zielstrebig in die erste Etage. Die Wohnungstür ist bereits einen Spalt breit geöffnet und es dringt ein nervöses Hecheln gefolgt von einem herzzerreißenden Quietschen nach draußen.

"Oh, wer erwartet mich denn da so sehnsüchtig?", flöte ich fröhlich, springe die letzten zwei Treppenstufen hoch und drücke vorfreudig die Tür nach innen auf.

Chico springt aufgeregt aus der Wohnung, umrundet mich, wedelt wie wild mit seinem Schwanz und drückt sich eng an meine Beine. Ich streife beiläufig meine Pumps von den Füßen und spüre erleichtert das erste Mal seit heute Morgen wieder flachen Boden unter meinen Fersen.

Shalik steht mit verschränkten Armen in dem kleinen Flurstück und legt seinen Kopf schief. "Also meinetwegen müssen sie sich nicht umziehen, Madame", kommentiert er mein Outfit und macht eine galante Handbewegung.

Grinsend schlinge ich meine Arme um seinen Bauch und lasse mich von ihm an seine starke Brust drücken. Er steckt in einem sportlichen Jogginganzug von Nike, der schwarz-grau gemustert ist und hat seine Haare wieder mal mit einer Cap bedeckt.

Sein süßer Duft erfüllt den ganzen Raum und fühlt sich bereits jetzt vertraut an. Shalik drückt mir einen schnellen Kuss auf die Wange und gibt mich dann wieder frei, damit ich mich endlich seinem braunen Welpen widmen kann, der ungeduldig fiepend um meine Aufmerksamkeit buhlt.

Ich gehe in die Knie und begrüße Chico ausgiebig. "Na mein Freund", sage ich leise und nehme seinen bulligen Kopf zwischen meine schlanken Hände. Seine braunen Augen blitzen mich aufmerksam an und er leckt sich mit seiner langen Zunge einmal ums Maul. "Ich habe wieder nichts für dich mitgebracht, tut mir so leid", entschuldige ich mich und kraule ihn auf beiden Seiten gleichzeitig hinter den Ohren. "Morgen in der Mittagspause kaufe ich was für dich und dann bekommst du was Leckeres von mir, okay?", denke ich laut und tätschele wohlwollend seine Flanke, bevor ich mich vom Boden hochdrücke und Shalik anlächele.

"Komm mit ins Schlafzimmer, ich habe dir schon was rausgelegt", erklärt Shalik und greift nach meiner Hand. Er öffnet eine der weißen Zimmertüren und verkündet mit einer auslandenden Handbewegung und einem frechen Zwinkern: "This is where the magic happens."

Der Raum hat schätzungsweise 10 Quadratmeter, die durch ein breites Boxspringbett, einen Schwebetürenschrank mit großflächigen Spiegelelementen und einen Flachbildschirm gefüllt werden. Die Wände sind grau gestrichen und der Boden ist mit einem anthrazitfarbenen Hochflor-Teppich ausgelegt.

"Wow, du hast ja sogar dein Bett gemacht", lobe ich ihn mit Blick auf das feinsäuberlich gefaltete, gestreifte Bettzeug. "Da kannst du mal sehen, dass ich dich wirklich mag", betont er und lacht über sich selbst. "Gewöhne dich nicht daran."

Dann deutet er auf einen niedrigen Stapel gefalteter Klamotten, die am Fußende seines Bettes liegen. "Ich habe dir ein paar Sachen rausgelegt: Jogginghosen, T-Shirts, Hoodies, was auch immer du willst. Ist auch alles frisch gewaschen. Suche dir einfach was aus und zieh dich in Ruhe um, ich warte im Wohnzimmer auf dich."

Er wendet sich zum Gehen, dreht sich dann aber nochmal mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht um. "Wobei das eigentlich schade ist. Ich kenne wenig Frauen, die so sexy in einem Hosenanzug aussehen wie du."

Mir wird heiß und ich merke, dass mir die Röte ins Gesicht schießt. Zum Glück lässt Shalik mich allein und zieht die Tür hinter sich zu.

Ich nehme das oberste Kleidungsstück auseinander und betrachte es kurz. Eine schlichte, schwarze Jogginghose von Nike. "Reicht doch", murmele ich vor mich hin und öffne zuerst die Schleife, und dann Knopf und Reißverschluss meiner rosanen Stoffhose. Ich lege erst die Hose und dann meinen Blazer ordentlich zusammen und ziehe mir Shaliks Jogginghose über meinen kleinen, runden Hintern. Sie ist deutlich zu groß und zu lang, aber das stört mich nicht. Ich ziehe das Band in der Taille enger und widme mich dann den restlichen Sachen.

Nach einer kurzen Bestandsaufnahme schließe ich die Shirts aus, da ich schnell dazu neige zu frieren und entscheide mich für einen grünen Hoodie mit großem New York Yankees Logo auf der Brust.

Ich falte Shaliks restliche Anziehsachen wieder ordentlich, nehme meine eigenen mit und gehe rüber zu Shalik und Chico ins Wohnzimmer, die gemeinsam auf der Couch liegen; Shalik in seinem grauen Jogger mit Camouflage-Print auf der langen Seite des Sofas und der kräftige Hund zusammengerollt an seinen Füßen.

Ich drehe vor Shalik eine Pirouette und breite meine Arme weit aus. "Tada!", rufe ich grinsend. Shaliks ganze Aufmerksamkeit wird vom flackernden Fernseher zu mir gelenkt und er richtet sich auf. "Gar nicht so schlecht, oversized ist ja in", kommentiert er mein neues Outfit. "Wobei ich immer noch dabeibleibe – der Blazer und die Pumps haben mir auch gefallen. Hat irgendwie sowas Autoritäres."

Ein dreckiges Lächeln schleicht sich auf sein Gesicht und seine Augen funkeln lüstern auf.

"Du stehst also auf Autoritäten?", frage ich und lasse mich grinsend neben ihn fallen. Chico hebt den Kopf und als er mich registriert, erhebt er schwerfällig seinen müden Körper, um zu mir zu tapsen. Ich spreize meine Beine leicht, sodass er sich bequem in meinen Schoß legen kann und wende mich wieder Shalik zu, um ihn mit hochgezogener Augenbraue anzusehen.

"Das habe ich nicht gesagt", weicht er lachend aus und zieht mich sanft an sich. "Erzähl mal, wie war dein Tag? War alles gut auf der Arbeit?"

Mein Herz schlägt höher, doch ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen. Ich bekomme ein unwohles Gefühl. Hoffentlich fragt er mich nicht, weshalb ich mich verspätet habe. Ich möchte ihm nichts ins Gesicht lügen, weiß aber auch nicht, wie ich ihm erklären soll, wer Amir ist und wieso er auf mich gewartet hat. Ein solches Gespräch mit Shalik fühlt sich zu diesem Zeitpunkt falsch an.

"Ja, war alles gut auf der Arbeit. Wir haben eine Kollegin, die regelmäßig anstrengend ist, aber daran haben wir uns mittlerweile gewöhnt. Sind wohl die Wechseljahre oder so. Wie war dein Tag?", plappere ich drauf los. Ich versuche, das Gespräch von mir wegzulenken, und Shalik geht zum Glück darauf ein.

"Mein Tag war auch ganz gut so weit, ich war den ganzen Vormittag bei meinem Onkel und habe ihm bei einem Auto geholfen. Wir mussten da ein paar Kleinigkeiten reparieren, um es für den Verkauf fertig zu machen. Ich war aber ehrlich gesagt den ganzen Tag mit meinem Kopf nur bei dir. Du weißt gar nicht wie froh ich bin, dass du mir eine Chance gibst."

Shalik sieht mir tief in die Augen und streichelt über meine Wange.

"Ich stelle dir bald mal Rani vor, meine beste Freundin, dann kannst du dich bei ihr bedanken. Sie hat mich dazu überredet, dass du eine Chance verdient hast, und im Grunde hättest du mich ohne sie auch überhaupt nicht kennengelernt, nur wegen ihr habe ich mir überhaupt Tinder runtergeladen."

"Echt? Dann muss ich mich wohl wirklich bei ihr bedanken", antwortet er schmunzelnd. "Wie ist sie so, deine Rani?"

Unwillkürlich fange ich an zu lächeln. "Rani ist seit der ersten Klasse meine beste Freundin. Wir waren zusammen in der Schule bis zu unserem Abschluss, dann habe ich meine Ausbildung bei LUEG begonnen und sie macht eine Ausbildung bei DM zur Drogistin. Unserer Freundschaft hat das zum Glück keinen Abbruch getan, sie ist nach wie vor der Mensch, der mir am nächsten steht."

"Und sie ist ein Tinder-Profi?", hakt Shalik nach.

"Keine Ahnung. Sie ist auf jeden Fall kein Beziehungsmensch und pflegt eher lockere Bekanntschaften. Wo genau sie die Typen immer her hat, weiß ich allerdings nicht. Das ist ihr Ding, nicht meins."

Nachdenklich nickt Shalik. "Ich werde sie ja sicherlich bald mal kennenlernen und mir ein eigenes Bild von ihr machen können, so wie du dir von Dion und Ziyad, wenn du das willst. Außer dir reicht ein Verbrecher in deinem Bekanntenkreis", flachst er selbstironisch.

"Schwachsinn", relativiere ich seine Aussage und boxe ihm leicht gegen den Oberarm. Shalik drückt mir grinsend noch einen Kuss auf die Wange. "Sollen wir noch einen Film schauen?"

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Meine Lieben,

Ich finde die beiden ja ziemlich süß zusammen, oder was sagt ihr?

Bis jetzt ist ja immer noch kein richtiger Kuss zwischen den beiden gefallen, meint ihr das dauert noch lange?

A.

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