11 // ich muss die ganze zeit an dich denken
Als ich abends wieder in meinem Bett liege, kreisen meine Gedanken unaufhörlich. Wieder und wieder hallen sowohl Shaliks als auch Ranis Worte wie ein Echo durch meinen Kopf, wie innere Stimmen der Vernunft, die unaufhörlich auf mich einwirken.
Ich habe gemeinsam mit Rani zu Abend gegessen, da ihre Mutter gekocht und darauf bestanden hat und mich dann auf den Heimweg gemacht.
Morgen muss ich wieder arbeiten und ich habe noch keine Ahnung, wie ich um 6 Uhr aufstehen und den Tag überleben soll. Andererseits tut es mir vermutlich auch gut, was zu tun zu haben und auf andere Gedanken zu kommen.
Ich mache mir einen Podcast an, kann den Erzählungen über einen sadistischen Serienmörder aus den 90er Jahren allerdings nicht folgen. Immer wieder schweifen meine Gedanken zu Shalik ab. Wenn ich meine Augen schließe, sehe ich ihn vor mir. Seine hellgrünen Augen, sein strahlendes Lächeln und die anziehende Ausstrahlung.
Es hat mir geschmeichelt, wie er mich behandelt hat. Seine ganze Art, so direkt und unverkrampft. Wir haben auf Anhieb miteinander harmoniert und so wohl wie mit ihm habe ich mich selten mit einem anderen Mann gefühlt, dabei kannten wir uns gar nicht.
Ich will gerade frustriert den Podcast ausschalten, als ich sehe, dass ich eine neue WhatsApp Nachricht habe.
Shalik.
"Ich muss die ganze Zeit an dich denken."
Mein Herz setzt einen Schlag aus, nur um dann rasend gegen meine Brust zu hämmern.
Mehrmals lese ich den Satz, nehme jeden Buchstaben der acht Wörter in mich auf und ertappe mich selbst dabei, debil grinsend auf mein Handy zu starren.
Seine Worte berühren mich. Ich kenne Shalik kaum, aber wenn ich eins über ihn weiß, dann dass er kein Lügner ist. Shalik ist frech, Shalik ist direkt, aber Shalik ist ehrlich, das hat er mir bereits jetzt bewiesen.
Außerdem sieht er mega gut aus, wie ein Tattoomodel aus einem Hochglanzmagazin und ich denke nicht, dass er es nötig hat, zu lügen. Er würde sicherlich auch so Mädchen finden, die sich auf ihn einlassen würden, ob nur für Sex oder auch für mehr.
Ich halte Shalik nicht für einen Spieler, er ist niemand der eine Masche benutzt, um Frauen rumzukriegen. Wenn er sowas sagt, meint er es gewiss ernst. Und wenn er sagt, dass er die ganze Zeit an mich denken muss, dann hat das was zu bedeuten.
"Aber wie soll das denn funktionieren, Shalik? 😔", tippen meine Finger schneller, als ich denken kann.
"Versprochen, ich mache diese eine Sache zu Ende.. Hab bitte ein bisschen Geduld, nur noch ein paar Wochen und dann mache ich nie wieder was. Ich will das selbst nicht mehr, Tiara, ich will dich. Du hast mir den Kopf verdreht."
Mit zittrigen Fingern klammere ich mich haltsuchend an meinem Smartphone fest und weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Glück und Leid liegen oft so nah beieinander.
"Ich weiß, du wolltest Zeit für dich um darüber nachzudenken und die sollst du dir auch nehmen, aber ich kriege dich einfach nicht aus meinem Kopf. Gib mir eine einzige Chance und ich beweise dir, dass ich es ernst meine", kommt kurz darauf noch hinterher.
Ich atme tief durch und versuche einen klaren Gedanken zu fassen, dabei weiß ich tief in mir drin, dass mein Herz schon längst eine Entscheidung getroffen hat.
Es beeindruckt mich, dass Shalik schon jetzt um mich kämpft.
"Wir können uns ja einfach die Tage nochmal treffen und schauen, wo das hinführt", versuche ich möglichst unverbindlich zu antworten, während ich in Wirklichkeit durchdrehen könnte vor Freude.
Ich will auf Nummer sicher gehen und ihm nicht die Sicherheit geben, dass er mich zu einhundert Prozent überzeugt hat und nichts mehr dafür tun muss.
Es vergehen nur ein paar Sekunden bis Shalik mir erneut zurück schreibt.
"Darüber würde ich mich wirklich freuen ❤"
Ich schicke ihm daraufhin nur einen "🥰"-Smiley und lege mein Handy bewusst weg.
Nach dem kurzen Gespräch mit Shalik kann ich schlafen wie ein Baby. Ich bin so selig, dass es keine zehn Minuten dauert, bis ich im Land der Träume bin.
Als ich am nächsten Morgen nach meinem Handy greife, um meinen schrillenden Wecker auszuschalten, der mich aus dem Schlaf gerissen hat, entdecke ich eine ungelesene Nachricht von Shalik. Er muss mir gestern Abend noch geschrieben haben, als ich längst geschlafen habe.
"Hast du denn vielleicht morgen schon Zeit für mich?"
Ich reibe mir die Augen und strecke mich ausgiebig, bevor ich ihm antworte. "Ich muss bis 16.30 Uhr arbeiten. Wenn du magst, können wir uns abends für zwei Stündchen treffen", biete ich ihm an.
Dann mache ich mir leise Musik an, gehe duschen und esse eine Kleinigkeit zum Frühstück.
Für die Arbeit kleide ich mich immer schick und elegant, da mein Chef darauf viel Wert legt. "Wir verkaufen schließlich teure Neuwagen und keine schrottreifen Rostlauben", pflegt er immer zu sagen.
Aus diesem Grund habe ich mir im Laufe der letzten zwei Jahre meiner Ausbildung diverse Hosenanzüge, Kostüme, Blazer und Blusen zugelegt.
Heute entscheide ich mich für eine Kombination aus einem rosafarbenen, schmalen Blazer und einer farblich identischen Paperbag-Hose. Darunter trage ich ein weißes Top aus Satin mit Spitzenbesatz und wie jeden Tag klassische Pumps.
Meine Haselnussbraunen Haare binde ich zu einem glatten Pferdeschwanz und mein Make Up halte ich natürlich.
Ich packe mir noch das von meiner Mama vorgekochte Essen für die Mittagspause ein, die vor guten zwei Stunden erst von ihrer Nachtschicht im Krankenhaus kam und gerade ihren wohlverdienten Schlaf nachholt, und laufe zu meinem Auto.
Auf der Arbeit angekommen verstaue ich meine Tupperdose im Kühlschrank und setze zwei große Kannen Kaffee auf.
Das Team in unserem Autohaus besteht aus 20 Personen, aufgeteilt auf Werkstatt, Service und Autoverkauf. Neben mir gibt es noch einen weiteren Auszubildenden, Raphael, der erst dieses Jahr bei uns angefangen hat, obwohl er schon 23 Jahre alt ist.
"Boah danke, ich dachte schon, ich muss das jetzt machen", stößt eben jener erleichtert aus, als er zu mir in die kleine Büroküche tritt. Sein hellblondes Haar ist frisch geschnitten und sein schwarzer Anzug ordentlich gebügelt.
"Guten Morgen Raphael", begrüße ich ihn tadelnd, aber mit einem Grinsen im Gesicht.
"Sorry, Tiara, guten Morgen", entschuldigt er sich.
"So früh schon gestresst?", ziehe ich ihn auf.
Er lehnt sich ein wenig zu mir herüber und der Duft seines herben Parfums steigt mir in die Nase. "Susanne dreht jetzt völlig am Rad", flüstert er mir verschwörerisch zu und verdreht seine blauen Augen.
"Jetzt?", gebe ich grinsend zurück. "Das passiert alle paar Wochen."
"Und mit jedem Mal wird es schlimmer", stöhnt er leidend.
"Ich glaube du brauchst erstmal einen richtig guten Kaffee", antworte ich und zwinkere ihm zu.
Auch wenn wir privat nichts miteinander zu tun haben, bin ich froh, dass er hier ist. Wir verstehen uns gut miteinander und verbringen unsere Pause meistens zusammen. Mit ihm kann ich ein bisschen aus dem ernsten Arbeitsalltag ausbrechen und auch mal Späßchen machen, was wohl auch daran liegt, dass wir beide den Altersdurchschnitt gründlich nach unten ziehen.
Raphael wirft einen bösen Blick auf die Doppel-Kaffeemaschine, die gerade zeitgleich zwei große Kannen frischen Kaffee aufbrüht und bereits einen leckeren Duft verströmt.
"Ich hasse dieses Ding", flucht er. "Ich weiß, sie ist 'ne blöde Zicke", stimme ich ihm zu. "Genieße das eine Jahr, in dem ich dir diese unliebsame Aufgabe noch großmütig abnehme."
Raphael und ich genehmigen uns ganz selbstlos die erste Tasse Kaffee, schließlich muss man ja probieren, was man anderen anbietet, bevor ich mich mit einer der zwei Kannen auf den Weg mache und sie den Jungs in der Werkstatt bringe.
Mein heutiger Arbeitstag vergeht wie im Flug. Mittlerweile darf und kann ich schon größtenteils selbstständig arbeiten und so habe ich heute sogar einen schönen Kombi an den Mann gebracht.
Neben der Anerkennung, die mir der Verkauf bringt, ist auch die Provision nicht zu verkennen. In der Ausbildung haben wir zwar einen gedeckelten Festsatz von "nur" 100 pro Neuwagenverkauf, aber auch das leppert sich.
"Okay, ich haue jetzt ab", rufe ich den beiden Frauen am Empfang zu und winke ihnen zum Abschied zu.
"Kommst du auch?", frage ich Raphael, der noch an seinem Schreibtisch sitzt.
"Ich brauche noch zehn Minuten, ich muss noch was fertig machen. Geh ruhig schon, wir sehen uns morgen", verabschiedet er sich von mir.
Ich schenke ihm ein freundliches Lächeln zum Abschied, schultere meine große MCM-Tasche und drücke die schwere Glastür auf.
Ich atme tief ein und inhaliere die kühle Herbstluft in meine Lungen. Jetzt schnell nachhause fahren, um was zu essen und mich umzuziehen, bevor ich zu Shalik fahre. Ich habe ihn in meiner Mittagspause kurz angerufen, da ich auf der Arbeit wenig Gelegenheiten hatte ihm zu schreiben.
Ich freue mich auf ihn, auch wenn ich noch immer ein wenig zwiegespalten bin, was seine kriminellen Machenschaften betrifft. Trotzdem habe ich mich dazu entschlossen, ihm eine faire Chance zu geben und nachdem ich nun eine Nacht darüber geschlafen habe, bin ich mir meiner Sache auch relativ sicher.
Es beginnt schon langsam zu dämmern und ich steuere zielstrebig auf mein Auto zu, als mir ein zweiter PKW ins Auge sticht, der direkt neben meinem parkt.
Ich ziehe die Stirn kraus und werfe einen zweiten Blick zu dem schwarzen Audi A3, bis ich mir sicher bin: ich kenne das Auto.
Mit zügigen Schritten laufe ich auf den Wagen zu, da öffnet sich die Fahrertür schwungvoll.
Ein junger Mann, den ich nur zu gut kenne, steigt aus mit einem reumütigen Hundeblick im Gesicht und einem riesigen Blumenstrauß im Arm.
Ein wenig überrumpelt gehe ich die letzten Schritte auf ihn zu und komme kurz vor ihm zum Stehen.
Er trägt einen schwarzen Hoodie, eine blaue zerrissene Jeans und eine New Era Cap auf seinem dichten Haar.
"Hey", begrüßt er mich leise.
"Hey", gebe ich vorsichtig zurück. Ich weiß nicht, was ich von dieser Situation halten soll.
Was zur Hölle macht er hier?
Er kommt einen weiteren Schritt auf mich zu und sieht mir tief in die Augen.
"Können wir bitte reden, Tiara?"
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Meine Lieben,
Gefällt es euch, das Tiara Shalik eine Chance gibt?
Und wer steht wohl vor dem Autohaus, um Tiara nach der Arbeit abzupassen? Und meint ihr, das ist eine schöne oder eher eine unschöne Überraschung?
A.
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