Ich war ja selbst Schuld
„Ich wusste es nicht", versicherte mir Gina zwei Tage später, als ich endlich mit der Sprache rausrückte, wieso meine Stimmung so teilnahmslos war. Sie umgriff den Strohhalm ihres Eiskaffees und saugte daran. „Aber um ehrlich zu sein, habe ich es mir gedacht."
Bei ihren Worten rutschte ich mit dem Ellenbogen von der Tischkante ab und stieß mir den Nerven. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb ich meinen singenden Unterarm. Wieso sah sie so entspannt aus? Ich hatte ihr gerade gesagt, dass mein bester Freund Gefühle für mich hatte. Wieso schien es nur mich aus der Bahn zu werfen?
„Ich wusste es auch", sagte Aga und richtete die Kameraeinstellung, dessen Stativ sie neben unserem Tisch aufgebaut hatte. „Man sieht es in seinen Augen, wenn er dich anschaut." Da sich meine beste Freundin heute keinen Tag freinehmen konnte, kamen Gina und ich zu dem Cafe, in dem Ateez eine Folge der neuen Serie drehen wird, um das Notfallgespräch zu führen, dass ich dringend nötig hatte. Andere Leute wären verärgert, wenn ihnen spontan ihr freier Tag gestrichen wurde, aber Aga tat es gerne. Ateez war ihre Lieblingsband und in ihrer Nähe sein zu dürfen, und sei es nur die Vorbereitungen für die Filmsets zu treffen, machte sie unwahrscheinlich glücklich.
„Wann hast du ihn gesehen?", fragte ich und beobachtete sie dabei, wie sie die Lichtverhältnisse der Lampen überprüfte, ehe sie noch einmal durch die Linse der Kamera schaute. Doch bei meinen Worten hob Aga den Kopf und warf Gina einen fragenden Blick zu, ehe sie sich wieder an mich wandte.
„Hast du ein Kurzzeitgedächtnis?", fragte sie. „Er war mit Tae gekommen, als wir alle bei euch waren."
„Ach ja." Ich rieb mir über die Augen. Mein Gehirn fühlte sich an, als wäre es mit Zuckerwatte gefühlt. Die Nacht mit Jimin hatte mir nicht nur meinen Schlaf geraubt, sondern auch meine Konzentration. „Stimmt."
„Wow, sie ist echt durcheinander", murmelte Gina und stellte grinsend ihren Iced Americano auf dem Tisch ab. Ich griff nach meiner heißen Schokolade und schlang haltsuchend meine Hände um die weiße Tasse. Schmollend kaute ich auf der Unterlippe herum, bis Gina seufzend ihr Getränk beiseiteschob, sich über den Tisch neigte und nach meinen Wangen griff, um mein Gesicht anzuheben.
„Hey, das ist kein Weltuntergange", sagte sie sanft. „Nur, weil einer von euch Gefühle hat, die über Freundschaft hinausgehen, heißt es nicht, dass es gleich vorbei ist. Aber du solltest es ihm sagen."
„Bist du verrückt?", mischte Aga sich ein und ließ sich zufrieden auf der Bank neben mir fallen. Sie hatte für den Dreh alles eingestellt und wartete nur noch auf die Crew und Ateez. Mit einer schnellen Bewegung schlug sie Ginas Hände beiseite und legte einen Arm schützend um meine Schulter. „Sie kann es ihm nicht sagen! Vielleicht will er gar nicht, dass sie über seine Gefühle Bescheid weiß. Das könnte dann alles kaputt machen." Vorsichtig schlich sich ihre andere Hand an meine Tasse und zog sie unauffällig zu sich heran. Noch bevor ich es mitbekam, hatte sie bereits einen großen Schluck von meiner heißen Schokoladen heruntergeschluckt. Sie grinste mich an, als ich sie empört anschaute, und schob mir versöhnlich den Rest der Tasse wieder zu.
„Aber sie kann es doch auch nicht ignorieren", merkte Gina zweifelnd an.
„Das muss sie. Bis er bereit ist es selbst zu sagen. Und nachdem was du in der Buchhandlung erwähnt hast, wird es nicht mehr lange dauern." Aga nahm den Arm von meiner Schulter, verschränkte sie vor der Brust und lehnte sich zurück gegen die Lehne.
Ich nickte verstehend und stimmte Aga innerlich zu. Um ehrlich zu sein, war ein ernstes Gespräch mit Yoongi über unsere Freundschaft gerade das Letzte, was ich führen wollte. Zumal es mich immer noch so sehr verwirrte, dass ich meine eigenen freundschaftlichen Gefühle in Frage stellte. Es war nicht wie bei Jimin. Wenn ich Yoongi sah, dann hatte ich keine Schmetterlinge oder war nervös. Ich wollte auch nicht in seinem Arm liegen und die Welt vergessen. Meine Liebe zu Yoongi war anders. Ich fühlte mich wohl und war glücklich, wenn ich ihn sah. Egal wie schlecht gelaunt ich war oder wie furchtbar es mir ging, sobald Yoongi da war, ging es mir besser. Er wusste genau das Richtige zu sagen und wusste, wann ich nicht über meine Gedanken sprechen wollte. Wenn ich Yoongi mit einem Wort beschreiben müsste, dann wäre es: Familie.
„Du hast uns immer noch nicht erzählt, wie dein Gespräch mit Jimin gelaufen war." Gina stieß mich leicht mit ihrer Fußspitze an, als ob ich zu tief in Gedanken versunken gewesen wäre und ihre ersten Versuche mit mir ein Gespräch zu beginnen, gescheitert waren.
„Das würde mich auch mal interessieren", grinste Aga und warf einen kurzen Blick auf ihre Uhr. „Ich habe noch eine halbe Stunde. Also schieß los."
Ich fühlte mich überrumpelt und wusste nicht, wo ich beginnen sollte. Doch das kleine Lächeln in meinem Gesicht, dessen Mundwinkel sich automatisch in die Höhe schoben, verrieten mich.
„Oh, das sieht vielversprechend aus!", quietschte Gina in einer Tonlage, bei der sich einige Gäste in dem kleinen Cafe zu uns herumdrehten. Da meine Freundin aber mit dem Rücken zu ihnen saß, bekam sie es nicht mit. Aga dagegen schirmte mit ihrer Hand die Augen ab und rutschte auf ihrem Platz tiefer.
Also erzählte ich meinen Freundinnen von der Nacht, in der Jimin und ich durch Seoul gewandert sind. Es war komisch, es in Gedanken noch einmal Revue passieren zu lassen. Seitdem waren zwei Tage vergangen und ich dachte öfter daran, um nicht ein Detail zu vergessen. Aber ich merkte mit jedem Tag, der verging, dass mir die kleinen Details in den Erinnerungen fehlten. Das machte mich traurig. Sehr sogar. Irgendwann würde ich mich kaum noch an Details erinnern können und dann würde mein Gehirn sich irgendetwas zusammen spinnen, um die Teile sinnvoll miteinander zu verbinden.
„Also das wars?", fragte Gina zweifelnd. „Kein Kontakt mehr? Nicht mal ein kleines bisschen?"
„Nein." Ich konnte selbst hören, wie traurig dieses kleine Wort aus meinem Mund klang. Irgendwie hoffnungslos, was vermutlich daran lag, dass sich mein Herz und mein Verstand nicht einig waren. Wenn ich ehrlich zu mir selbst war, dann vermisste ich ihn. Aber es war das beste so für uns beide. Also straffte ich meine Schultern, versteckte meine Gefühle hinter einem Pokerface und versicherte ihnen viel selbstbewusster als vorher: „Wir haben diesen klaren Schlussstrich gebraucht. Jetzt kann ich endlich weiter machen."
„Ich finde deine Entscheidung richtig", sagte Aga nachdenklich und stützte ihr Kinn auf ihrer Hand ab. „Und ich unterstütze dich vollkommen. Ich erlebe jeden Tag wie streng die Idols, für alles was sie tun und sagen, bewertet werden. Ihr würdet euch beide damit keinen Gefallen tun. Den Kampf könnt ihr nicht gewinnen."
„Ich finde, dass du einen Fehler machst", sagte Gina. „Tae sagte -"
„Halt!", unterbrach ich sie sofort. „Seit wann schreibst du mit Tae?"
„Also, ich..." Gina fuhr verlegen mit ihrer Fingerspitze über die Tischplatte. „Eine Weile?"
„Eine Weile?", echoten Aga und ich synchron und warfen uns einen vielsagenden Blick zu.
„Ja, er schrieb mir und wir haben uns ein wenig über das Drama >Crashlandig on you< unterhalten. Nichts besonderes." Sie rührte mit dem Strohhalm in ihrem Iced Americano herum, ehe sie ihn ertappt in dem Glas fallen ließ und seufzte. „Wieso tut ihr so, als sei es ein Weltwunder?"
„Weil es das ist", sage ich und betrachte meine Freundin noch immer mit erhobener Augenbraue. „Tae schreibt niemandem einfach nur so. Er ist super vorsichtig was weibliche Kontakte angeht."
Gina schnaubte.
„Das soll ich dir glauben? Tae hat viele weibliche Freunde!"
„Ja", nickte ich grinsend. „Aber es sind alles Idols. Ich meine ja, Tae ist total sozial und findet schnell Freunde aber, wenn er wirklich in der Öffentlichkeit gesehen wird, dann mit männlichen Freunden. Mit den Weiblichen redet er meistens nur auf Veranstaltungen."
„Hab ich auch bemerkt", nickte Aga zustimmend. „Tae ist einer der Idols, die ihr Image am meisten bewahren. Ich glaube der Junge war noch nie in einem Datingskandal verwickelt."
Gina lief augenblicklich rot an, als sie verstand, was wir ihr damit sagen wollten. Schweigend rutschte sie in ihrem Stuhl tiefer.
„Meint ihr wirklich?", fragte sie verlegen. Ihre weißblonden langen Haare rutschten ihr vor die Augen, hinter der sie ihr knallrotes Gesicht verbarg. Genau im gleichen Moment begann mein Handy zu klingeln und Taehyungs Namen erschien auf dem Display.
„Wenn man von ihm spricht", lachte ich über den Zufall und nahm mein Handy in die Hand. „Soll ich ihn fragen?"
„Nein!", rief Gina sofort, als ich auf den grünen Hörer drückte und mir das Telefon ans Ohr hielt. Doch ich kam gar nicht dazu auch nur einen feixenden Kommentar von mir zu geben, als Tae schon das Wort ergriff.
„Du musst mir einen Gefallen tun!" Bei der Dringlichkeit in seiner Stimme hielt ich erschrocken den Atem an. Mit großen Augen sah ich zu Gina, die sofort aufrecht in die Höhe fuhr. Aga legte eine Hand auf meinen Oberschenkel und neigte sich weiter zu mir herüber, um das Gespräch mitzuhören. Ausnahmsweise ließ ich es zu, ohne sie von mir weg zu scheiben.
„Was ist passiert?", fragte ich alarmiert in den Hörer.
„Jimin ist krank", antwortet er besorgt. „Eure Nacht zusammen war ja eine nette Idee, aber jetzt liegt er mit Fieber und einer heftigen Erkältung in unserem Dorm und kann das Album nicht mitpromoten. Namjoon ist total sauer auf ihn und auch das Management war nicht begeistert." Er holte tief Luft und seufzte sie langsam wieder aus. „Jedenfalls geht es ihm echt beschissen und ich komme hier nicht weg. Unsere Termine gehen noch bis zweiundzwanzig Uhr. Kannst du zu unserem Dorm gehen und dich im ihn kümmern? Koch ihm Suppe, flöß ihm Tee ein, oder was auch immer, aber sorg dafür, dass er aufhört mir alle paar Sekunden zu schreiben, was ich ihm alles mitbringen soll, wenn wir nach Hause kommen."
„Ich kann nicht gehen, Tae", weigerte ich mich. „Das geht einfach nicht."
„Ach bitte", erwiderte er unbeeindruckt. „Auf einen Tag mehr oder weniger kommt es nun auch nicht mehr an. Es geht nur um heute. Wahrscheinlich ist er von den Medikamenten zu sehr weggenebelt, dass er nicht mal erkennt, ob du da bist oder ich. Der Junge braucht einfach Gesellschaft. Wenn er krank ist, ist er nicht gerne alleine."
„Hat denn niemand anderes Zeit?"
„Nein. Außerdem bist du schuld an diesem Zustand, also beschwere dich nicht. Ich habe bei dem Wachmann unten schon Bescheid gesagt, aber achte trotzdem darauf, dass dich sonst niemand sieht. Den Türcode schicke ich dir per SMS."
„Aber -"
„Danke, du bist ein Schatz!" Und dann hatte er aufgelegt, bevor ich weitere Einwende erheben konnte. Ausdruckslos schaute ich den Display meines Handys an, auf dem mir der beendete Anruf von Tae angezeigt wird. Das Gespräch hat nicht einmal fünf Minuten gedauert.
„So viel also dazu", grinste Aga und neigte sich wieder von mir weg, während sie erneut nach meiner heißen Schokolade griff und sie austrank. „Viel Spaß beim Gesundpflegen. Aber koche ihm besser keine Suppe. Wir wissen alle, dass du nicht kochen kannst."
„Bin ich die einzige, die es irgendwie süß findet?", grinste Gina wenig hilfreich. „In Dramen ist das immer so niedlich. Sie sitzt an seinem Bett, streicht ihm mit einem nassen Lappen den Schweiß von der Stirn, danach will sie gehen und er zieht sie an sich heran, direkt in seine Arme und bittet sie im Dellierium, sie nicht zu verlassen." Sie seufzte theatralisch. „Alle Jiminfans würden töten, um an deiner Stelle zu sein."
Ja, und genau deshalb machte ich mir ja auch Sorgen. Wir hatten unseren Abschied, verdammt! Ich kann nicht einfach in den Dorm spazieren und mich um ihn kümmern!
„Wollt ihr nicht mitkommen?", fragte ich meine Freundinnen hoffnungsvoll, doch beide winken ohne zu zögern ab.
„Ich muss arbeiten", antwortete Aga und warf erneut einen Blick auf ihre Uhr. „Die Dreharbeiten beginnen gleich."
„Ich bleibe auch hier", erwiderte Gina und warf einen Blick aus dem großen Fenster, vor dem gerade der schwarze Van mit Ateez zum Stehen kam. „Das hier wird mein Highlight des Monats."
„Irgendwie traurig", murmelte Aga kopfschüttelnd, doch Gina zuckte nur unbeeindruckt mit den Schultern.
„Es kann ja nicht jeder in einem Entertainment arbeiten." Plötzlich quietschte sie erneut auf. „Uh, da sind sie!"
Ateez stieg der Reihe nach aus dem Van und betrat das Cafe. Höflich begrüßten sie die Mitarbeiter und die Angestellten der Crew, ehe sie von den Stylisten belagert wurde, die das Make – Up noch einmal checkten. Musste ich jetzt wirklich gehen? Ich wollte doch eigentlich dabei sein, wenn die Folge gedreht wurde.
„Geh ruhig", versicherte mir Gina fröhlich. „Ich grüße Wooyoung von dir."
„Finger weg von Wooyoung!", drohte ich ihr halb ernst gemeint und lachte, als sie gespielt seufzte. „Komm schon, Jimin wartet auf dich. Er braucht dich gerade dringender als Ateez."
Ich nickte. Sie hatte ja Recht. Wenn es ihm wirklich so schlecht ging, wie Tae sagte, dann kann ich ihn wirklich nicht alleine lassen. Also verabschiedete ich mich von Gina, die sich kurz darauf von ihrem Platz erhob, um noch ein Getränk zu bestellen, und winkte Aga zu, die bereits zu Hongjoong gegangen war, um ihm die heutige Szene zu erklären.
Jimin, ich hoffe dir geht es wirklich so schlecht, wie Tae sagte. Immerhin habe ich gerade Ateez für dich sitzen lassen!
Der Code zum BTS Dorm war eine Aneinanderreihung vieler Zahlen, die ich mir niemals hätte merken können. Definitiv einbruchssicher. Ich musste mehrmals in Taehyungs SMS schauen, ehe ich sie Step by Step in die Tastatur an der Tür eingab. Danach versicherte ich mich noch zweimal, ehe ich auf Eingabe bestätigen drücke und die Tür sich mit einer melodischen Melodie entriegelte. Zögerlich schob ich sie einen Spalt weit auf und steckte den Kopf hindurch in den Flur. Ich kam mir vor wie ein Eindringling, dabei wurde ich von Tae gebeten, bzw. gedrängt, herzukommen. Trotzdem hatte ich ein ganz unwohles Gefühl in meinem Magen. Etwas unschlüssig betrat ich den Flur und schloss leise die Tür hinter mir.
„Jimin?", fragte ich, während ich meine Handtasche auf dem Fußboden abstellte und mich mit der Hand gegen die weiße Wand lehnte, um meine Schuhe auszuziehen und sie ordentlich hinzustellen. Fragend horchte ich noch eine Weile in die Stille herein, aber es kam keine Antwort. Also schnappte ich mir meine Tasche und schlich auf Zehenspitzen durch die Wohnung bis zu Jimins Zimmer. Der Bewegungsmelder an der Decke reagierte sofort, als ich den Flur mit Zimmern der Jungs erreichte, und augenblicklich gingen die warmen Lichter an der Decke an. Leise klopfte ich gegen die helle Holztür und wartete auf eine Reaktion. Aber wieder kam nichts, also betrat ich mutig den Raum und hoffte, dass ich ihn nicht störte. Ich war sicherlich die letzte Person mit, der er heute rechnen würde.
„Jimin?", fragte ich erneut und öffnete die Tür weit genug, um einzutreten. Sein Zimmer hatte sich nicht verändert. Er hatte noch immer diesen alten dunkelgrauen Teppich unter seinem Bett, was ich nie verstand. Aber Jimin beharrte darauf, dass es das Parkett schonen würde. Auch der runde dunkelgraue Sessel, am Fußende seines Bettes, existierte noch. Genauso wie die dunklen Vorhände vor den bodentiefen Fenstern. Ein Schreibtisch stand in der Ecke des Zimmers, gut beleuchtet von dem Tageslicht, auf dem sein Laptop stand, genauso wie einige DVDs, weil er zu faul war, sie zurück ins Wohnzimmer zu bringen. Auf seinem Bett lag eine schlafende Person, eingekugelt in zwei dunkelgraue Decken. Ich seufzte innerlich und ließ meine Schultern sinken, als die Anspannung aus ihr heraus wich. Er schlief tief und fest. Kein Wunder, dass er mich nicht gehört hatte. Sanft setzte ich meine Handtasche auf seinem Schreibtisch ab und trat an das Bett heran. Er lag auf der Seite, das Gesicht halb im Kissen vergraben. Seine Wangen waren gerötet und er schnarchte etwas. Vermutlich bekam er kaum Luft durch die Erkältung.
Behutsam hockte ich mich vor seinem Bett hin, damit ich ihn nicht aufweckte, und betrachte mit einem kleinen Lächeln sein schlafendes Gesicht. Ihn so zu sehen, erinnerte mich an all die Morgende an denen ich neben ihm aufgewacht war. Damals, als noch alles gut war.
Ich griff mit der Hand in die Stelle meines Pullovers, unter dem sich mein Herz befand, und hoffte somit, den ziehenden Schmerz abschwächen zu können. Aber er traf mich erbarmungslos. So wie jedes Mal, wenn ich mich an unsere gemeinsamen Momente zurückerinnerte.
Ich warf einen Blick hoch zu seinem Beistelltisch und sah, dass seine Wasserflasche leer war. Also erhob ich mich wieder und schlich aus seinem Zimmer heraus, in die Küche. Dort kochte ich ihm einen Tee, griff nach meinem Handy, um Tae zu schreiben, dass ich hier war und er sich keine Sorgen mehr machen brauchte. Danach legte ich es auf der Küchenfläche ab, direkt neben der Tasse. Momente blitzten in meinem Kopf auf, die es mir schwer machten aufrecht zu stehen. Erinnerungen, an die ich ewig nicht gedacht hatte und mit jeder Weiteren wurde das Atmen schmerzhaft.
Zwei Arme schlangen sich von hinten um meinen Körper und zogen mich fest an sich heran.
„Ich habe dich vermisst", hauchte mir Jimin in das Ohr, dessen warmer Atem in meinem Gehörgang kitzelte. Ich schloss die Augen und ließ den Kopf nach vorne sinken, damit die aufkommenden Tränen nicht aus meinen Augen entweichen konnten. Es war nicht echt. Genauso wenig wie das Gelächter in der Küche, als Jimin und ich zusammen Pasta gekocht hatten. Da wir beide eine Katastrophe beim Kochen waren, endete es mit einer angebrannten Tomatensoße und einem fast angefackelten Handtuch, was Jimin aus Versehen auf dem Herd hatte liegen lassen.
Ich goss das heiße Wasser in die Teetasse, griff nach meinem Handy und durchquerte das Wohnzimmer, auf dem Jimin und ich auf dem Sofa zusammen gekuschelt saßen und einen Horrorfilm schauten, den wir beide nicht vertrugen. Ich hatte mir ein Kissen vor das Gesicht gehalten, während Jimin mir versicherte, dass es keine Geister gibt und er mich beschützen würde. Aber dann kam Hoseok in den Raum und mein Exfreund bekam den Schock seines Lebens.
Vor seiner Zimmertür kam ich zum Stehen und atmete tief durch. Dann drückte ich den Türgriff herunter und betrat, so leise ich konnte, das Zimmer. Meine Mühen auf Zehenspitzen zu laufen, waren umsonst, denn Jimin schnaubte in ein Taschentuch, als ich hereinkam.
„Steffi?", fragte er verwirrt und stemmte sich von seiner Matratze hoch. „Träume ich?" Seine Stimme klingt belegt und ziemlich verschlafen. Müde reibt er sich über die Augen und blinzelt mehrmals. „Ich muss träumen, nicht wahr? Du kannst nicht hier sein."
„Tae hat mich gebeten herzukommen, während sie alle unterwegs sind." Ich stellte den heißen Tee neben ihm auf dem Nachttisch ab und setze mich auf den Rand der Matratze.
„Wie geht es dir? Du siehst echt fertig aus?"
„Mies", sagte er ehrlich. „Ich fühle mich, als hätte ich eine Melone verschluckt, die in meinem Hals stecken geblieben ist. Meine Nase ist dicht und irgendwer spielt in meinem Kopf Schlagzeug." Er kratzt sich an der Stirn, ehe er sich richtig in seinem Bett hinsetzt, aber erschöpft die Schultern nach vorne sinken ließ. Ich beobachte ihn, ohne etwas zu sagen, und wich auch seinem Finger nicht aus, der sich langsam auf weine Wange zubewegt. Sanft drückt er in meine Haut hinein.
„Entweder träume ich sehr realistisch oder du bist wirklich hier", murmelte er mehr zu sich selbst, als zu mir. Fröstelnd schob er seine Hände wieder unter die Decke, um sie zu wärmen. Es tat mir so leid, ihn so zu sehen. Tae hatte Recht, es war meine Schuld, dass Jimin jetzt krank war. Das Mindeste, was ich tun konnte, war ihm zu helfen, dass es ihm wieder besser ging. Also griff ich nach dem Tee und reichte ihm die heiße Tasse.
„Siehst du, du Idiot", murmelte ich liebevoll. „Ich habe doch gesagt, dass du krank wirst."
„Aber ich war ein Gentleman", sagte Jimin, nahm mir die Tasse ab und belächelte glücklich die dunkelgraue Decke. Ich hob die Hand und berührte seine glühend heiße Stirn. Kopfschüttelnd ließ ich sie wieder sinken.
„Ein Gentleman, der jetzt hohes Fieber hat. Wieso bist du nur so leichtsinnig? Wir hätten wenigstens irgendwo reingehen sollen, wo es warm ist."
„Es ist okay."
„Dass du krank bist?"
„Ja", nickte er abwesend. „Es hat dich zu mir zurück gebracht."
Ich legte den Kopf schief und nahm ihm die Tasse wieder ab, als er einen Schluck daraus getrunken hatte.
„Du stehst unter Medikamenteneinfluss", bemerkte ich und du hast Schüttelfrost. „Ich schaue mal, ob ich irgendwo eine Wärmflasche finde." Als ich von der Matratze aufstand, schoss seine Hand hervor und griff nach dem Ärmel meines Pullovers.
„Geh nicht", bat er. „Bitte bleibe bei mir."
„Ich gehe nirgendwo hin", versprach ich, drehte mich lächelnd zu ihm herum und wischte ihm die schweißnassen Haare aus der Stirn. „Bevor die anderen nicht zuhause sind, bleibe ich hier solange du mich brauchst." Ich nahm seine Hand und schob sie vorsichtig von meinem Pullover, ehe ich eine Hand auf seine Schulter legte und ihn sanft aber bestimmend in die Matratze drückte. „Leg dich hin und ruh dich aus. Ich bin gleich wieder zurück."
Jimin nickte und ließ sich zurück in sein Kissen sinken. An seiner Zimmertür blieb ich noch einmal kurz stehen und drehte mich zu ihm herum. Er muss wirklich fertig sein, denn er war schon wieder eingeschlafen und schnarchte leise vor sich hin. Ein Lächeln umspielte meine Mundwinkel, während mein Herz in der Brust lautstark pochte. Dann verschwand ich hinaus auf den Flur.
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