Date bei Nacht
Herzlich willkommen zur Not Today Lesenacht! Es ist 18 Uhr und hier haben wir das erste Kapitel. Ich hoffe, es gefällt euch. Das und Kapitel 10 sind meine liebsten in der ganzen Story bisher. Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber durch die FF kommt mein Jimin Crush etwas zurück.
LG eure Steffi
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Eigentlich war die Gondel gar nicht so klein. Mit ihren riesigen Glasfenstern boten sie einen weiten Rundumblick, besondern über den Waldabschnitt, der wie meterweit unter uns lag. Ich hatte die Wahl gehabt den Namsan Tower entweder durch den langen Weg und den ewigen Treppenstufen zu verlassen oder auf diesem deutlichen einfacheren Weg. Jetzt gerade wünschte ich mir, ich hätte die Treppe gewählt.
Obwohl niemand außer ihm und mir hier war, kam sie mir die Gondel diesem Moment so beengt vor. Jimin sah aus dem Fenster und betrachtete mit einem abwesenden Lächeln die Aussicht. Und ich? Ich betrachtete ihn. Meine Gefühle fuhren Achterbahn. Seine Nähe war mir so vertraut, dass ich aus reiner Gewohnheit nach seiner Hand greifen wollte, aber gleichzeitig waren da diese unsichtbaren Ketten, die meine Gefühle für ihn in einer Kiste einsperrten. Ich knetete meine Finger auf dem Schoß, nur damit sie sich nicht selbstständig machten. Als er den Kopf vom Fenster abwandte, zwang ich mich, in eine andere Richtung zu schauen. Seitdem Moment, in dem ich Jimin wiedersah, schlug mein Herz wie verrückt. Wenn es so weiter ging, würde der Abend für mich in der Notaufnahme, wegen Blutunterversorgung enden. Unauffällig schlug ich mit meiner Faust gegen mein Herz und senkte mit geschlossenen Augen den Blick. So durfte das nicht weitergehen. Das war nicht der Plan, verdammt!
„Alles okay?", hörte ich seine besorgte Stimme, als er eine Hand an meine Schulter legte. „Geht es dir nicht gut?" Von seiner Berührung zuckte ich zusammen und ließ die Hand zurück in meinen Schoß sinken. Schnell zog er seine Hand zurück, aber ich sah, dass ihn meine Reaktion verletzt hatte. Wenn er nur wüsste, was er wirklich in mir auslöste, sobald er mich ansah.
„Mir geht es gut", nuschelte ich schnell und räusperte mich. „Diese Situation ist nur etwas seltsam. Ich habe nicht erwartet, noch einmal so viel Zeit mit dir zu verbringen. Was ich sagen will ..." Ich schaute auf und erkannte, dass Jimin genau verstand, was ich zu sagen versuchte.
„So geht es mir auch." Seine Hand wandert langsam zu meiner. Kurz bevor er mich berührte, hielt er inne und wartete, ob ich sie zurückziehen würde. Aber ich tat es nicht. Ich wollte es genauso sehr wie er. Sanft legt er seine Hand auf meine und ich erwiderte den Druck mit einem vertrauten Gefühl im Magen.
„Es ist ewig her", sagte er leise. „Aber lass uns für eine Nacht so tun, als wäre das alles nicht passiert und als gäbe es morgen keine Konsequenzen." Seine schokoladenbraunen Augen schauen mich bittend an. Wenn ich etwas an ihm besonders geliebt hatte dann, wie sehr er seine gesamten Gefühle in nur einem Blick ausdrücken konnte. „Lass uns im Guten auseinander gehen." Der Druck seiner Finger wurden noch fester und er umschlag meine Hand, als würde er sie nie wieder loslassen wollen. „Du kannst bei mir ganz du selbst sein", sagte er sanft. „Bei mir musst du dich nicht verstellen."
„Wer sagt, dass ich mich verstelle?", fragte ich schwach. Natürlich hatte er mich längst durchschaut. Warum wunderte es mich überhaupt? Außer Yoongi und Aga, kannte mich niemand so gut wie er. Aber Jimin antwortete nicht auf meine Frage. Stattdessen sagte er:
„Wir sind gleich da." Ich nickte verstehend und drückte mit der freien Hand meine Tasche fest an den Körper heran.
Jimin ließ meine Hand nicht los. Nicht, als wir aus der Gondel traten und auch nicht, als wir endlich wieder an der Hauptstraße ankamen. Meine Gefühle waren komplett durcheinander und verwirrt. Auf der einen Seite fühlte sich alles an wie früher, als sei nichts geschehen und trotzdem wusste mein Kopf die Wahrheit und weigerte sich gegen jegliche Zärtlichkeiten und liebevollen Berührungen. Meine Gedanken schrien fast pausenlos, dass es falsch war. Aber ich wollte nicht auf sie hören. Nicht heute Nacht.
„Was möchtest du tun?", fragt Jimin, als er ein Taxi heranwinkt. „Wir können überall hin."
Mein knurrender Magen beantwortete die Frage für mich. Nachdem ich Feierabend hatte, war ich so aufgeregt und nervös gewesen, dass ich nichts essen konnte. Jetzt, wo ein gewisser Teil der Anspannung nachließ, könnte ich tatsächlich etwas zu Essen vertragen.
„Was hälst du von dem Restaurant, in dem wir immer waren?", fragte ich vorsichtig und war erleichtert, als Jimin zustimmend lächelte und nickte. Es gab nicht viele Orte, wo man mit einem Idol hingehen konnte, ohne dass es am nächsten Tag in der Presse landete. Aber Jimin kannte den Besitzer, weil es einer sein alter Schulfreund von ihm war. Bei ihm bekamen wir nicht nur das beste Essen in Seoul, sondern auch unsere Privatsphäre. Und wenn ich mich recht erinnerte, hatte das Restaurant auch bis vierundzwanzig Uhr auf, was daran lag, da es abends als Bar genutzt wurde.
Ein Taxi kam vor uns zum Stehen und Jimin öffnete, ohne lange zu zögern, die Autotür, um mich einsteigen zu lassen. Während ich den Anschnaller suchte, ging er um das Taxi herum und stieg auf der anderen Seite ein. Während er die Tür schloss, nannte er dem Taxifahrer die Adresse und schnallte sich mit einer geschmeidigen Bewegung an, ehe er sich zu mir herüber lehnte und mir half, weil ich zu dumm war, das blöde Ding in die Öffnung zu stecken. Er hatte sich nicht verändert. Noch immer war er der Gentleman, wie ich ihn gekannt hatte.
Das Restaurant befand sich in der obersten Etage eines hohen Gebäudes. Riesige Glasfenster umgaben zwei Seiten des Raumen und ergaben so einen wunderschönen Ausblick über Seoul. Efeu schlängelte sich an der Steinwand auf der anderen Seite des Raumes bis zur Decke hinauf. Es sah so echt aus, als würde er sich in die Wand hineinfressen, aber ich wusste, dass es nur Deko war. Jimin und ich waren oft hier, besonders im Sommer, da selbst die Terrasse aus einer Glasfront bestand und von oben vor dem Regen schützte. Noch dazu war der Bereich des Restaurants schmal und wenn wir in der hintersten Ecke saßen, nahm niemand Jimins Anwesenheit war.
Schon als wir das Restaurant betraten, erschien ein überraschter Gesichtsausdruck auf Taeohs Gesicht. Es muss ewig her sein, dass er Jimin und mich zusammen sah. Wahrscheinlich hatte er genauso wenig wie ich damit gerechnet, dass wir noch einmal gemeinsam hier aufschlagen würden. Zuerst blieb mein Herz stehen, als er uns erkannte, weil ich dachte, er würde mich für das was ich tat verurteilen. Aber das tat er nicht. Stattdessen lächelte er strahlend und kam mit seinem Tablet in der Hand zu uns. Etwas, das ich besonders an ihm liebte. Anstatt seine Angestellten auszubeuten, packte Taeoh genauso hart mit an und übernahm jede Arbeit, bei der Not am Mann war. Heute Abend war er offensichtlich der Kellner.
„Dass ich dich nochmal wiedersehen würde", begrüßte er mich überrascht und warf Jimin einen fragenden Blick zu.
„Es war spontan", erklärte dieser. „Ich erkläre es dir ein anderes Mal."
„Seid ihr etwa wieder zusammen?" Taeoh klemmte sich das Tablett unter den Arm und schrieb etwas auf einen kleinen Zettel auf, ehe er es zurück in der kleinen Tasche seiner schwarzen Schürze verschwinden ließ.
„Nein!", sagte ich schnell und hob abwehrend die Hände. Vermutlich war ich etwas zu vorschnell, denn ich sah aus dem Augenwinkel, wie Jimin zusammen zuckte. Auch Taeoh sah etwas überrumpelt von meiner forschen Antwort aus. Deshalb fügte ich zögerlich hinzu: „Wir wollen uns voneinander verabschieden."
„In dem ihr essen geht?", fragte er verwirrt. „Zwei Jahre nach euerer Trennung? Etwas spät, findet ihr nicht?"
„Rede ihr das nicht aus", sagte Jimin schnell und legte eine Hand an meinen Rücken. „Ich hatte es gerade erst geschafft, sie zu überreden nicht sofort wieder abzuhauen." Ich ließ mir nicht anmerken, wie sehr mich diese Geste überrasche. Stattdessen lächelte ich, auch wenn ich mich irgendwie unwohl in dieser Situation fühlte.
„Ihr seid ein seltsames Paar", lächelte Taeoh. „Aber irgendwie habt ihr deshalb auch schon immer gut zusammen gepasst. Seid ihr sicher, dass es ein Abschied sein soll? Jimin hat dich wirklich vermisst, Steffi. Wenn ich du wäre, würde ich weglaufen, solange du noch kannst. Denn wenn du nicht damit rechnest, wird er dich fesseln und in seinen Keller-"
„Okay!", rief Jimin schnell dazwischen und schob mich mit der Hand an meinem Rücken an. Ich hatte nicht einmal Zeit Taeohs Worte zu verarbeiten, als Jimin mich bereits durch das halbe Restaurant geschoben hatte und seinem Freund zurief: „Wir nehmen unseren Stammtisch."
Unser Stammplatz war ein kleiner Tisch, am Ende der Terrasse. So weit hinten, dass die meisten Gäste sich im vorderen Bereich aufhielten und wir hier am Ende ganz für uns alleine waren. Jimin erreichte vor mir den Tisch und zog meinen Stuhl zurück, damit ich mich setzen konnte.
„Das musst du nicht tun", sagte ich und fühlte mich augenblicklich unwohl. „Wenn du dich verhälst, als wären wir noch zusammen, dann fühle ich mich noch schlechter."
„Wer sagt, dass ich es nur bei dir mache?", fragte er leichthin und setzte sich mir gegenüber.
„Du tust es auch bei anderen?" Okay, klar. Wie dumm von mir. Wie konnte ich nur so blöd sein und immer alles direkt auf mich projizieren? Jimin war höflich und gut erzogen. Er würde es bei allen Frauen tun. Gleichzeitig spürte ich dieses merkwürdige Gefühl in meinem Magen und ich fragte mich, für wie viele Frauen er im Monat den Stuhl zurechtrückte? Moment, war dieser Stich bei seinen Worten etwa so etwas wie Eifersucht? Verdammt, wieso fragte ich mich schlagartig, was er noch alles so für andere Frauen tat. Hielt er ihnen auch die Tür auf? Wartete er bei ihnen auch so lange, bis sie am Telefon einschliefen, ehe er auflegte? Okay, das gefiel mir nicht. Es machte mich wütend und das war ganz und gar nicht gut.
„Keine Sorge", sagte Jimin sanft. Ich schaute auf und spürte, wie sich meine Gesichtsmuskeln automatisch entspannten. Hatte er meine Gedanken erraten?
„Ich mache es nur bei dir." Er lächelte schüchtern, ohne mich anzusehen, während er nach der Speisekarte griff. Wie konnten so wenige Worte so glücklich machen? War es überhaupt erlaubt, dass es mein Herz beflügelte? Das Lächeln auf meinem Gesicht war nicht mehr aufzuhalten und meine Mundwinkel schoben sich wie von selbst in die Höhe.
„Du bist wunderschön, wenn du lächelst", hörte ich ihn sagen, ohne dass er von der Speisekarte aufsah. „Das hat mir gefehlt."
„Sag sowas nicht", murmelte ich, ohne es so zu meinen. Aber mein Lächeln verschwand automatisch und das schlechte Gewissen trat wieder hervor. „Wir wollten einen Abschluss."
„Ich darf es sagen", erklärte er mir sachlich und legte die Speisekarte beiseite. In seinen Augen trat ein freches Funkeln. „Wir haben gesagt, dass alles erlaubt und es keine Konsequenzen geben wird. Wenn ich dir also sagen will, dass du hübsch bist. Dann kann ich es auch tun."
Ich war viel zu überrascht von seinen Worten, um darauf zu antworten. Aber es war auch nicht nötig, denn Taeoh erschien im gleichen Moment mit einem Notizblock, um die Bestellung auf zu nehmen.
„Schon entschieden?", fragte er interessiert und drückte provokant die Miene aus dem Kugelschreiber heraus, während er mich abschätzend musterte. In diesem Moment fragte ich mich ernsthaft, ob Taeoh mein Freund oder mein Feind war.
„Äh." Schnell schaute ich zurück in die Karte. Ich hatte mir noch nicht einmal darüber Gedanken gemacht, ob ich lieber Garnelen oder Hühnchen möchte. Pasta oder Reis? Argh! Wieso kamen Kellner eigentlich immer so schnell?
„Wir nehmen ein Hühnchenteller, Dumplings und diese geile Currysuppe, wenn du sie noch hast."
„Logisch", nickte Taeoh und schrieb die Bestellung auf den Zettel. Jimin schaute zu mir.
„Ich hoffe, das ist okay?", fragte er vorsichtig. „Ich erinnere mich, dass du es am Liebsten mochtest."
Ich nicke langsam, irgendwie beeindruckt davon, dass er es noch wusste.
„Und zu trinken?", fragte Taeoh.
„Cola?", wandte Jimin sich an mich. Als ich erneut nickte, bestätigte er: „Zweimal Cola."
„Alles klar. Ich reiche es sofort weiter." Taeoh verstaute den Zettel mit der Bestellung sicher in seiner Schürze und wandte sich dann mit einem letzten kurzen Blick zu mir ab. Ein Schauer fuhr mir über den Rücken. Seine Blicke sprachen Bände. Ganz offensichtlich war er sauer auf mich für das, was ich Jimin angetan hatte. Und wenn wir ehrlich waren, dann hatte ich das auch verdient.
Als er verschwunden war, herrschte für einen kurzen Moment schweigen, in dem Jimin mich genauer musterte, während ich nicht so recht wusste, wo ich hinschauen sollte. Das sind diese seltsamen Momente, in denen dringend jemand etwas sagen sollte. Aber mir fiel einfach kein Einstiegsthema ein, stattdessen fragte ich mich, was zur Hölle ich hier tat?
Jimin räusperte sich. Offenbar hatte er einen guten Einstieg gefunden, um die peinliche Stille zu überwinden.
„Wie geht's dir so? Also ich meine, hast du dich gut eingelebt hier?"
Okay, definitiv ein schwacher Anfang, aber was Besseres wäre mir auch nicht eingefallen.
„Ja, das habe ich", nickte ich also und richtete mich auf, um meinen Rücken etwas zu entlasten. „Eine Freundin von mir hat mich in ihrer Wohnung aufgenommen. Und naja ich hab den Job gewechselt. Ich arbeite jetzt in einem Buchladen, weißt du?"
„Achso?" Jimins Augen weiteten sich für einen kurzen Moment überrascht. Anscheinend haben ihm Yoongi und Tae wirklich nichts weiter verraten. „Das klingt doch toll, da wolltest du immer hin. Mit der Physiotherapie warst du ja nie wirklich glücklich."
„Ja, das ist wohl war." Es dauerte ein wenig, bis meine Kollegen mit mir warm wurden, aber so langsam schienen sie mich zu akzeptieren und das erleichterte es mir wirklich dort zu arbeiten. Wenn man ungelernt irgendwo reingeworfen wurde, war die Wahrscheinlichkeit gering, auch als gleichberechtigt behandelt zu werden.
„Wie ist es dir ergangen?", fragte ich vorsichtig und richtete den Blick auf meine Finger, die mit dem Ende der Tischdecke spielten.
„Das übliche Idolleben", antwortete Jimin schulterzuckend. „Comebacks, Auftritte, Interviews, Training und wenn alles erledigt war, ging es von vorne los."
„Das klingt anstregend."
„Ja, aber ich liebe es."
„Ich weiß", nuschelte ich schuldbewusst. Genau deshalb hatte ich mich ja damals so entschieden. Es wäre ihm alles weggenommen worden, wenn er bei mir geblieben wäre.
Bevor er darauf antworten konnte, erschien Taeoh wieder an unserem Tisch.
„Hier." Er stellte eine Flasche Soju vor uns auf den Tisch und dazu zwei kleine Gläser. „Geht aufs Haus. Vielleicht hilft es euch die angespannte Stimmung etwas zu lockern. Das spürt man sogar am anderen Ende der Terrasse."
Ich kaute schuldbewusst auf meiner Lippe herum. Jimin dagegen warf seinem Freund einen eindeutigen Blick zu, den wohl nur er verstand, denn Taeoh zwinkerte ihm zu und verschwand kurz darauf wieder. Jimin griff wortlos nach der Flasche und goss uns beiden etwas ein, ehe er mir mein Glas hinhielt und verkündete:
„Auf den Abschluss."
„Auf den Abschluss", erwiderte ich und nahm das kleine Glas dankbar entgegen. Das war genau das, was ich jetzt gebrauchen kann. Am besten hätte er gleich eine weitere Flasche hiergelassen. Ich kippte den Shot herunter, der sich brennend in meiner Kehle ausbreitete und stellte das leere Glas wieder auf den Tisch. Plötzlich seufzte Jimin und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
„Kannst du bitte nicht so aussehen, als hätte ich dich entführt?", bat er. „Ich habe mich immer wohl in deiner Nähe gefühlt, aber gerade frage ich mich, wie ich diese unüberwindbare Mauer erklimmen kann."
„Was für eine Mauer?", fragte ich verwundert, doch Jimin zog nur wissend eine Augenbraue in die Höhe.
„Du weißt genau, was ich meine. Du hattest sie bereits auf den Malediven, aber irgendwie hast du sie für mich abgelegt. Aber jetzt ist sie wieder da und es ist anders als damals. Sie ist stabiler, als würdest du sie nicht ablegen wollen, weil sonst alles in dir zusammenbricht."
„Das ist lächlerich, Jimin", nuschelte ich und schaute hinaus in die Dunkelheit. Selbst mitten in der Nacht, bzw. besonders jetzt, war Seoul wunderschön. Das Restaurant befand sich im Itaewonvirtel und abends begann dieser Stadtteil zu leben. Clubs und Restaurants öffneten und beherbergten Menschen aus allen Kulturen. Es war laut und lebhaft, aber kein Ort, an dem ich mich alleine aufhalten würde. Die Leute kamen her, um zu feiern, sich zu betrinken und ausgiebig zu essen. Und besonders, um die Welt und ihr Leben für einen kurzen Moment zu vergessen.
„Ist es nicht", erklärte Jimin und lehnte sich ein wenig über den Tisch. Nachdenklich legte er den Kopf schief und durchbohrte mich eindringlich mit seinem Blick, bis ich fragend beide Augenbrauen in die Höhe zog, weil es mir unangenehm wurde.
„Ich habe das Gefühl, dass du dir selbst etwas vormachst, deshalb stelle ich mir die Frage was dir passiert ist, dass du dich so davor fürchtest deine Gefühle offen zu legen", erklärte er schließlich seine Gedanken. „Irgendetwas ist doch passiert, nicht wahr?"
„Ist das wirklich ein Thema, worüber du jetzt reden willst?", fragte ich ehrlich. „Ich würde es nämlich gerne vermeiden und einfach nicht daran denken."
„Das geht nicht. Jetzt, da ich weiß, dass ich recht habe, will ich es wissen. Du konntest mir immer alles sagen und das soll sich bis zum Schluss auch nicht ändern."
„Aber es würde nichts bringen darüber zu reden."
„Mir schon. Dann würde ich dich besser verstehen."
„Warum tust du dir das an, Jimin?", fragte ich und fügte in Gedanken hinzu: Ich bin ein schlechter Mensch. Jemand wie du, sollte jemanden treffen, der ihn glücklich macht und positiv ist und nicht jemand Kaputtes, wie mich. Doch Jimins Antwort war ein kleines Lächeln.
„Weil du es bist. Und mich alles interessiert, was dich betrifft."
Doch Taeoh rettet mich erneut aus meiner Lage. Mit zwei Tellern voller Essen kam er zu uns und stellte es auf dem Tisch ab.
„Okay das reicht", verkündete er. „Wie lange wollt ihr noch um den heißen Brei herum reden? Das ist ja kaum auszuhalten!" Taeoh rieb sich mit geschlossenen Augen die Stelle zwischen seinen Augenbrauen.
„Er hat dich wirklich vermisst. Die ersten Wochen kam er jeden Abend her und hat meinen Sojuvorat geleert."
Jimin schlug sich stöhnend beide Hände ins Gesicht und rieb sich die Augen.
„Wieso musst du ihr das erzählen? Was habe ich dir getan?"
„Ich versuche dir zu helfen."
„In dem du ihr sagt, was für ein Wrack ich nach der Trennung war?"
„Nein, damit sie versteht, wie sehr du sie geliebt hast." Dann wandte sich Taeoh wieder an mich, knallte seine flache Hand auf den Tisch, dass ich mich erschrak, und neigte sich mit ernstem Gesichtsausdruck zu mir herunter. „Du hast Glück, dass ich dich mag, Steffi. Denn andernfalls, hätte ich dich aus meinem Restaurant geschmissen. Dieser Kerl", er zeigte herrisch auf Jimin, der Taeoh mit großen Augen und seinem „Was zur Hölle tust du da" – Blick anschaut, „er liebt dich immer noch. Das wird er dir nicht sagen, aber er tut es. Er hat nie damit aufgehört. Hast du eine Ahnung, wie viele unendlich lange Abende ich das Gejammer hören musste, dass du weg bist? Dass er dich nie wieder sehen wird? Dass er dich vermisst? Ich schwöre dir, ich war kurz davor ihm eine Weinflasche über den Kopf zu ziehen, damit er ruhig ist."
„Hey!"
„Du wirst niemanden finden, der dich aufrichtiger liebt, als er", endete Taeoh, ohne auf Jimins Protest zu achten. „Und ich hoffe für dich, dass es dir klar wird, bevor es zu spät ist."
Filmreif endete Taeoh, richtete sich wieder auf und ging davon. Dieser Kerl hatte eindeutig zu viele Filme gesehen. Mit großen Augen schaute ich Jimin an, der sofort rot um die Nase wurde und nach seinen Stäbchen griff.
„Ich habe nicht den ganzen Vorrat geplündert", nuschelte er. „Aber ich war schon ziemlich fertig, das ist wahr."
Ich betrachtete ihn mitfühlend dabei, wie er den Dumpling aß, und erinnerte mich an meine ersten Wochen zurück.
„Mir ging es auch nicht gut", sagte ich leise. Jimin hielt kurz inne und schaute zu mir auf, doch ich achtete nicht darauf und griff mit dem Stäbchen nach einer Hähnchenkeule.
„Wirklich nicht?"
„Nein." Ich seufzte und legte die Stäbchen beiseite, nachdem ich mehrmals unkonzentriert versuchte, die Keule zu greifen. „Also gut, du willst, dass wir uns heute Nacht die volle Wahrheit sagen? Bitte." Ich wartete kurz auf Jimins zustimmendes Nicken, ehe ich fortfuhr. „Ich habe dich wirklich geliebt. Mehr, als jemanden vor dir. Und als ich mich von dir trennte, lag es nicht daran, dass ich keine Gefühle mehr für dich hatte. Du kennst den Grund, wieso ich es getan habe."
„Ja, tue ich", nickte er. „Und ich habe dir gesagt, dass ich alles für dich aufgegeben hätte."
„Aber schau dir doch mal an wie sehr BTS gewachsen ist in der Zeit? Wie weit ihr gekommen seid? Du hättest das alles verpasst? Vielleicht hätte es die Band ohne dich auch nicht mehr gegeben. Es ist dein Traum. Sowas kannst du doch nicht für jemand anderen wegwerfen."
„Du warst nicht irgendjemand."
„Du wärst unglücklich geworden."
„Das weißt du nicht."
„Doch, das weiß ich." Ich schwieg einen kurzen Moment und spürte wie mir bei den nächsten Worten die Röte ins Gesicht schoss. Es auszusprechen viel mir alles andere als leicht. „Was ich eigentlich sagen wollte, ist, dass ich noch sehr lange an dich gedacht habe und ewig brauchte, um über dich hinweg zu kommen, falls es dich beruhigt. Du warst also definitiv nicht der Einzige, der gelitten hat."
„Danke", sagte er schließlich nach einer Weile, in der wir beide schwiegen. „Es tut gut, das zu wissen."
Taeoh sah zufrieden aus, als wir das Essen bezahlten und das Restaurant verließen. Ich wusste nicht so recht wieso, aber irgendwie war der verurteilende Blick aus seinem Gesicht verschwunden, als wir uns verabschiedeten. Wenn er in dem Bereich eine Kamera installiert hätte, dann hätte ich das doch bemerkt, oder?
Jimins und mein Gespräch war noch immer weit davon entfernt, es als einen Abschluss bezeichnen zu können, aber immerhin sind wir einen Schritt weiter und steuern einen guten klaren Schnitt an. Ich war froh, als er vorschlug zum Hangang zu gehen. Es war gerade mal zweiundzwanzig Uhr und ich war auch noch nicht bereit diesen Abend enden zu lassen. Für ein paar Stunden wollte ich noch mein Leben vergessen und einfach den Moment mit ihm genießen.
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