40 | Harmonie

Sie haben es sich verdient. Und ihr euch auch :) Viel Spaß :)

„Wie soll das alles nur weitergehen mit uns?"

Er sah nachdenklich in ihr Gesicht. Sie strich durch sein Haar.

„Ich denke, das sollten wir besprechen, wenn du wieder nüchtern bist", erwiderte sie leise.

Er ließ seinen Kopf schwer seufzend in die weichen Kissen fallen.

„Du hast vermutlich Recht", räumte er ein und schloss seine Augen. Sie betrachtete ihn einen Moment und zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Einerseits gab es ihr ein gutes Gefühl, dass er sich ihr endlich geöffnet hatte. Andererseits hatte sie Angst vor der Zukunft. Nicht nur, dass er in ein paar Tagen für eine ganze Weile ins Gefängnis gehen würde; sie wusste auch nicht, ob sie damit umgehen konnte, dass er an einem Strip-Club beteiligt war und darüber hinaus Kontakt zu so vielen Mädchen pflegte, auch, wenn er es als Job ansah.

„Komm her zu mir", forderte er, die Augen noch immer geschlossen.

Sie zögerte, dann folgte sie seiner Bitte und legte sich wieder in seinen Arm. Er sagte nichts, küsste lediglich ihre Schläfe. Eine Weile lagen sie einfach schweigend miteinander da, bis sein Atem ruhiger wurde. Auch Nika überkam endlich die Müdigkeit, nach der sie sich die ganze Zeit gesehnt hatte. Sie hatte das Gefühl, dass der Stress der gesamten letzten Wochen von ihr abfiel und sie endlich loslassen konnte. Während sie einschlief, hoffte sie, dass alles gut wurde, wenn sie wieder aufwachte.

„Baby..."

Sein leises Flüstern löste eine wohlige Wärme in ihr aus, als sie langsam in die Realität zurückkehrte.

„Hmm", machte sie leise.

Sie war noch zu müde, ihre Augen zu öffnen. Doch sie spürte seine warmen Arme, die er um ihren Körper geschlungen hatte. Es fühlte sich schön an, endlich wieder in seinen Armen zu liegen. Sie blinzelte und schaute verschlafen in sein lächelndes Gesicht.

„Ich kann noch nicht aufstehen", sagte sie und schloss ihre Augen noch einmal. Seine Finger streiften ziellos über ihren Rücken.

„Ich muss kurz mit Chopper raus", murmelte er in ihr Haar.

Sie seufzte, dann rückte sie von ihm ab, damit er aufstehen konnte.

„Soll ich dir irgendwas mitbringen?", fragte er, als er sich aufgesetzt hatte.

„Ich brauche nichts", antwortete sie und beobachtete ihn dabei, wie er aufstand und in eine Shorts und ein Shirt schlüpfte, bevor er nach einem Jogginganzug in seinem Kleiderschrank griff. Als er ihn übergezogen hatte, kam er ein letztes Mal zu ihr ans Bett, um sie zu küssen. Dann ließ er sie allein.

Sie blieb eine ganze Weile liegen, konnte jedoch nicht mehr einschlafen. Also stand sie auf, nahm eine heiße Dusche und machte sich ein kleines Frühstück.

Sie stutzte, als ihr Blick aus dem Küchenfenster auf die Straße fiel. Marten stand dort neben einem dunklen Wagen und sprach mit ein paar Typen, die mindestens so groß, breit und tätowiert waren wie er selbst. Die Unterhaltung wirkte ernst. Die Gesichter der Männer waren angespannt, keiner von ihnen hatte ein Lächeln auf den Lippen. Nika hatte sie vorher noch nie gesehen. Auch, wenn sie es nicht wollte, schrillten ihre Alarmglocken sofort wieder auf.

Sie blieb noch einen Moment am Fenster stehen, dann ging sie ins Wohnzimmer und fiel dort auf die Couch. Je länger Marten auf sich warten ließ, desto ungeduldiger wurde sie. Als er schließlich die Wohnungstür aufschloss, wartete sie mit misstrauischem Blick auf ihn. Als er sie sah, verzogen sich seine Mundwinkel zu einem spitzbübischen Grinsen. „Du hättest mit dem Duschen auch auf mich warten können."

Doch ihr war nicht zum Scherzen zumute.

„Wer waren diese Typen?"

Martens Blick wurde ernst, als er sich Nika näherte. Sie musterte ihn auffordernd.

„Ein paar Freunde von mir", antwortete er knapp und fiel neben sie auf die Couch.

„Was für Freunde?", wollte sie wissen.

Er hob eine Augenbraue.

„Wird das jetzt ein Verhör?"

„Sind das solche Freunde, die dich in Schwierigkeiten bringen?"

Sie bemerkte selbst die Aufregung in ihrer Stimme.

Er schüttelte den Kopf, setzte ein leichtes Lächeln auf.

„Keine Sorge. Richtige Freunde. Brüder. Verstehst du?"

Sie atmete tief durch und versuchte, sich wieder zu entspannen.

„Ich habe sie gebeten, sich um meine Angelegenheiten zu kümmern, wenn ich reingehe. In dem Fall musst du dir keine Gedanken machen", versicherte er ihr und rückte an sie heran. Sie nickte. „Okay."

„Wenn du das wirklich willst, also das mit uns, dann musst du lernen, mir zu vertrauen. Es gibt Dinge, die kann ich dir nicht sagen, weil du sonst angreifbar wirst", sagte er und legte seinen Arm um sie. Sie ließ es geschehen und sank gegen seine Brust.

„Ich bin so durcheinander, ich weiß überhaupt nicht, was ich will oder wie ich mir das alles vorstelle", sagte sie ehrlich.

„Was?"

„Unsere Beziehung."

Es war das erste Mal, dass sie der ganzen Sache zwischen ihnen einen Namen gab.

„Bis gestern wusste ich gar nicht, dass wir überhaupt noch so etwas wie eine richtige Beziehung haben", sagte er nachdenklich.

„Ich auch nicht", erwiderte sie.

„Dir wird es an nichts fehlen, so lang ich weg bin. Das verspreche ich dir. John und die Jungs kümmern sich um alles."

Sie schluckte. Er legte seine Hand an ihr Gesicht, als er ihren nachdenklichen Blick bemerkte.

„Eigentlich ist es gar nicht so schlimm. Du kannst mich alle paar Wochen besuchen."

„Und das findest du nicht schlimm?", fragte sie entsetzt.

Er lächelte leicht.

„Du stellst dir das viel dramatischer vor, als es ist."

„Wie ist es denn?", fragte sie aufrichtig interessiert.

„Ich bekomme ein kleines Zimmer, aber bis zum Einschluss abends kann ich da raus. Wenn ich mich zusammenreiße, kann ich da drin arbeiten, mir Sachen von draußen bestellen, du kannst mich besuchen und ich kann ein paar Stunden im Monat telefonieren. Ist natürlich kein Luxushotel, aber kaputt macht mich das auch nicht."

Nika schaute prüfend in seine Augen.

„Du sagst das, damit ich mir keine Gedanken mache", stellte sie fest.

Er lächelte leicht.

„Wenn alles gut läuft, kann ich jede zweite Woche Besuch empfangen und etwa 12 Stunden im Monat telefonieren, bekomme 15 Tage Hafturlaub und dir wird kaum auffallen, dass ich überhaupt weg bin. Und wenn alles richtig gut läuft, bekomme ich nach einer gewissen Zeit Vollzugslockerung."

„Was heißt das?", fragte sie und fühlte sich im gleichen Moment schrecklich naiv.

„Freigang. Ich kann dann tagsüber raus, arbeiten, dich sehen, Sachen erledigen..."

„Mir wäre lieber, du müsstest gar nicht erst da rein", stellte sie klar.

„Mir auch, aber das lässt sich jetzt nicht mehr ändern."

Sie seufzte schwer.

„Ich habe dich von Anfang an gewarnt", erinnerte er sie.

„Ich weiß, aber ich habe mich immer in die Illusion geflüchtet, dass schon alles gutgeht. Immerhin wusste ich nicht, was du alles so treibst, weil du das vor mir immer abgeschirmt hast", erwiderte sie.

„Und war das nicht besser so? Im Nachhinein betrachtet? War es nicht besser, davon auszugehen, dass ich Teilzeit-Hausmeister bin?"

Er schaute eindringlich in ihre Augen. Sie lachte unwillkürlich.

„Als ob. Mir war schon klar, dass du das nicht wirklich machst", sagte sie.

„Siehst du. Du bist schlau genug, um zu wissen, dass ich irgendwas anderes Dummes anstelle, aber so lang du nicht weißt, was, kannst du dir auch keine unnötigen Gedanken machen oder dich nachts schlaflos hin- und herwälzen."

Sie schüttelte energisch den Kopf.

„Das ist keine Entschuldigung. Du hättest mir sagen müssen, dass du in ernsthaften Schwierigkeiten steckst", sagte sie anklagend.

„Und dann? Was hättest du getan?", fragte er provokant.

„Weiß nicht, ich-"

„Siehst du", unterbrach er sie überlegen, „Ist doch besser, dass du dir nicht deinen süßen Kopf darüber zerbrechen musstest."

„Aber das ist nicht richtig", erwiderte sie energisch.

„Wieso nicht? Ich halte alles Schlechte von dir fern."

„Aber ich will das nicht", konterte sie entschieden, „Ich will wissen, wenn was los ist."

„Es gibt Dinge, in die ich dich nicht mit reinziehen will. Warum akzeptierst du das nicht?"

„Gehört das nicht zu einer Beziehung dazu? Auch schlechte Zeiten miteinander durchzumachen?", fragte sie, statt auf seine Frage einzugehen. Marten seufzte. „Schon, aber nicht, wenn ich dich damit belaste."

„Meinst du, es belastet mich weniger, wenn ich urplötzlich erfahre, dass du auf einmal über ein Jahr nicht mehr da sein wirst?"

Er hielt ihrem anklagenden Blick stand.

„Okay", sagte er schließlich.

Sie legte die Stirn in Falten.

„Was, okay?"

„In Zukunft reden wir darüber."

Sie atmete erleichtert auf.

„Unter einer Bedingung", setzte er ernst hinzu.

„Die wäre?", wollte sie wissen.

„Sobald es wirklich gefährlich werden könnte, behalte ich Details für mich. Ich will nie wieder meine Freundin zu Grabe tragen. Deal?"

Sie schluckte hart. Er strich durch ihre Haare und schaute eindringlich in ihre Augen. Sie wusste, dass dieses Angebot mehr war, als er jemals zu geben bereit sein würde. Also lenkte sie ein und nickte. Und sie verstand ihn. Auch sie wollte nicht mit irgendwelchen kriminellen Machenschaften in Verbindung gebracht werden, in denen er vielleicht drinhing. Was das anging, war es vielleicht tatsächlich besser, so wenig wie möglich zu wissen.

„Deal."

„Gut", sagte er und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen, „Dann überleg dir mal, was du unbedingt noch machen willst, bevor ich wegmuss."

„Heute wäre ich einfach gern mit dir allein", sagte sie nach einer kurzen Denkpause. Er lächelte.

„Okay, dann lass uns heute ein paar alte Gangsterfilme reinziehen und chillen."

Ein paar Stunden später lag sie in seinem Arm auf der Couch in seinem Wohnzimmer. Es setzte bereits der dritte Filmabspann ein, doch sie konnte gar nicht genug davon kriegen, einfach nur in seiner Nähe zu sein und zu genießen, dass sie endlich richtig zueinander gefunden hatten; trotz all der Turbulenzen.

Doch jetzt fühlte es sich tatsächlich wie eine Beziehung an.

„Willst du uns was kochen?"

Nika warf Marten einen irritierten Blick zu, doch der schaute ihr einfach nur auffordernd in die Augen. Sie schmunzelte.

„Von was? Den drei Teilen, die seit ein paar Wochen in deinem Kühlschrank vor sich hin gammeln?"

Er grinste.

„Du hättest einkaufen können", stellte er frech fest.

„Ich habe jede Woche für Chopper frisches Fleisch geholt. Ich dachte, das reicht."

Er lächelte versonnen.

„Was?"

„Danke, dass du dich so gut um ihn gekümmert hast. Das ist nicht selbstverständlich; gerade bei deiner Angst vor Hunden."

Sie erwiderte sein Lächeln. Es war schön zu sehen, dass er ihre Bemühungen trotz ihrer Situation zu dem Zeitpunkt zu schätzen wusste. „Habe ich gern gemacht. Er kann schließlich nichts für seinen Daddy."

Marten schüttelte mit einem leichten Lächeln auf den Lippen den Kopf.

„Wieso bist du so eine Hexe manchmal?", fragte er und legte seine Hand an ihre Wange.

„Weil du manchmal ein Idiot bist", erwiderte sie ernst.

„Hast du noch was drüben oder sollen wir was bestellen?"

„Bestellen klingt gut. Du zahlst."

Marten lachte auf.

„Warum das denn?"

„Einfach so."

Marten seufzte grinsend.

„Lässt du mich dafür wenigstens an deinen Arsch?"

Wie hat euch das Kapitel gefallen? Irgendwie bin ich hin- und hergerissen zwischen Glück und Trauer :) Was sagt ihr? 

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