29 | Neue Geheimnisse
Meine Lieben, ich wünsche euch ganz viel Spaß mit dem nächsten Kapitel. Ich küsse eure Augen.
Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, während der Typ sie düster durch den offenen Türspalt musterte. Inzwischen war sie sich sicher, dass sein Besuch keineswegs freundschaftlich war.
„Er ist nicht da", antwortete sie also, in der Hoffnung, dass die beiden verschwinden würden. Doch ihr Gegenüber fixierte sie mit einem intensiven Blick, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ und verschaffte sich gewaltsam Zutritt zu Martens Wohnung. Es passierte so überraschend, dass sie gar nicht reagieren konnte, sondern einfach nur wie paralysiert dastand.
„Ich kann mich nicht erinnern, dich hereingebeten zu haben", wollte sie sagen, erinnerte sich jedoch mit einem mulmigen Gefühl an Martens Worte nach dem Konzert zurück und schwieg. Wenn diese Typen wirklich so skrupellos waren, wie er gesagt hatte, sollte sie lieber vorsichtig sein.
Die beiden Männer warfen ungeniert einen Blick in jeden Raum. Nur das Wohnzimmer, in das sie Chopper gesperrt hatte, ließen sie aus, denn der bellte noch immer aufgeregt auf der anderen Seite der Tür.
„Ich denke, ihr kommt besser ein anderes Mal wieder", sagte sie bemüht entspannt, obwohl sie innerlich selten so nervös gewesen war.
„Weißt du, wo er gerade ist?", fragte der Dunkelhaarige, als er vor ihr stehenblieb. Sein Blick war so kalt, dass sie erschauderte. Sie schob ihre vor Aufregung zitternden Finger ineinander.
„Nein, keine Ahnung", antwortete sie und war das erste Mal froh darüber, dass Marten sie oftmals im Ungewissen darüber ließ, wo er sich herumtrieb. Ihr Gegenüber schaute spöttisch grinsend auf sie herab und schüttelte den Kopf. Sie reckte ihm selbstbewusst ihr Kinn entgegen, auch, wenn er es tatsächlich schaffte, sie einzuschüchtern.
„Warum glaube ich dir das nicht?", fragte er und beugte sich ihr so weit entgegen, dass sie seinen heißen Atem auf ihrer Haut spürte.
„Ich weiß es wirklich nicht. Ich passe nur auf seinen Hund auf", beteuerte sie.
Er musterte sie mit einem unergründlichen Gesichtsausdruck. Plötzlich legte er seine riesige Hand auf ihre Schulter und drückte sie mit seinen kräftigen Fingern zusammen. Sie versuchte, zurückzuweichen, stieß jedoch mit dem Rücken gegen die Wand. Die Ungewissheit darüber, was er als Nächstes tun würde, ließ Panik in ihr aufsteigen. Sie wollte ihn von sich stoßen, doch sie fühlte sich wie gelähmt.
„Und wer hat auf den Hund aufgepasst, als ihr zusammen bei dem Konzert gewesen seid?", fragte er misstrauisch und musterte sie prüfend.
„Keine Ahnung", antwortete sie, darauf bedacht, seinem Blick nicht auszuweichen. „Außerdem war ich nicht mit Marten dort. Maxwell hat mich eingeladen."
Sie erinnerte sich an Martens Erzählungen zurück und versuchte, von einer möglichen Beziehung abzulenken. Irgendwie war es ja sogar die Wahrheit. Ihr Gegenüber schaute einen Moment lang durchbohrend in ihre Augen, so, als könne er die Wahrheit darin lesen, und blähte dabei seine Nasenflügel auf.
„Wenn er wiederkommt, frag ihn, ob er Samira vergessen hat, und richte ihm aus, dass er weiß, wo er mich findet", knurrte er, bevor er von ihr abließ. Nikas Herz schlug ihr augenblicklich bis zum Hals und ihr wurde gleichzeitig heiß und kalt.
„Wer ist Samira?", wollte sie fragen, doch sie traute sich nicht. Als die beiden sich von ihr abwandten, rissen sie ein paar Bilder von der Wand und ließen sie schließlich mit wild klopfendem Herzen allein in der Wohnung zurück. Erst jetzt, als die Situation vorbei war, füllten sich ihre Augen mit Tränen, und sie drückte eilig die Wohnungstür ins Schloss.
Was war da gerade passiert?
Sie versuchte, sich zu beruhigen, doch es gelang ihr nicht.
Woher kannte Marten diesen Joker, in welcher Beziehung standen sie zueinander und was genau wollte er von ihm? Es war offensichtlich, dass sie kein besonders gutes Verhältnis hatten. Für sie war es eindeutig: es hatte etwas mit seinem zweiten Leben auf dem Kiez zu tun.
Und wer war diese Samira? Sie hatte den Namen von Marten noch nie gehört. War sie vielleicht eines der Mädchen, die er vor ihr getroffen hatte? Oder hatte er vielleicht sogar eine zweite Freundin, die er bisher irgendwie vor ihr geheim gehalten hatte? War er vielleicht gerade in diesem Moment bei ihr?
Ihr wurde bewusst, dass sie nicht länger mit dieser Ungewissheit und diesen Geheimnissen leben konnte. Sie wusste nicht, wieso genau Joker nach ihm gesucht hatte, doch ganz egal, was es war; sie musste mit Marten sprechen. Er musste wissen, dass er nach ihm suchte – und auch davor nicht zurückgeschreckt hatte, sie unterschwellig zu bedrohen. Und sie musste herausfinden, wer diese Samira war.
Nika zog das Handy aus der Jogginghose und wählte seine Nummer. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, bis es endlich in der Leitung knackte.
„Ja?"
„Wo bist du?", fragte sie.
„Unterwegs", antwortete er kurz angebunden und vage wie immer. Sie versuchte anhand der Hintergrundgeräusche zu erkennen, wo er sein könnte, um sich zu beweisen, dass er gerade nicht bei einer anderen Frau war. Doch sie hörte lediglich ein wildes Stimmdurcheinander von ein paar Männern im Hintergrund. Sie seufzte lautlos. Das alles würde sich ändern müssen, damit sie sich in der Beziehung fallenlassen konnte.
„Wann kommst du nach Hause?"
„Dauert noch. Warum?"
„Joker und noch so ein Typ waren hier."
Eine unangenehme Stille entstand.
„Was wollte er?"
„Mit dir sprechen. Ich habe ihm gesagt, ich wüsste nicht, wo du bist."
„Okay. Ich kläre das. Bei dir alles okay?"
Sie schnaubte wütend.
„Was glaubst du denn?!"
Er atmete tief.
„Okay, ich komme nach Hause. Bis gleich."
Als er aufgelegt hatte, fiel sie erschöpft auf die Couch im Wohnzimmer. Chopper lief währenddessen unruhig in der Wohnung umher, kehrte irgendwann wieder zurück und legte sich zu ihr. Eine ganze Weile saß sie einfach nur so da und hing ihren wirren Gedanken rund um Marten, Joker und der geheimnisvollen Samira nach. In was war er da nur verstrickt?
Als sie irgendwann den Schlüssel in der Tür hörte und Chopper von der Couch sprang, atmete sie erleichtert auf. Kurz darauf tauchte Marten im Türrahmen auf und musterte sie besorgt. Er hatte nicht einmal seine Jacke ausgezogen.
„Hey...", begrüßte sie ihn leise, als er ein paar Schritte auf sie zumachte und sich zu ihr auf die Couch setzte.
„Was ist passiert?", wollte er wissen. Sie wollte antworten, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt. Als er sah, dass sie mit der Selbstbeherrschung kämpfte, umschloss er ihre Hand mit seiner. Sie legte den Kopf schief und sah vorwurfsvoll in seine Augen.
„Die beiden wollten wissen, wo du bist. Da ich es nicht wusste, konnte ich ihnen nicht weiterhelfen. Also haben sie ein paar Bilder von der Wand geschlagen und sind verschwunden", erzählte sie. Die Frage rund um Martens geheimnisvolle Bekanntschaft brachte sie einfach nicht über die Lippen. Sie hatte zu viel Angst vor seiner Reaktion. Wenn er ihr wirklich fremdging, würde er das sicher nicht einfach so zugeben. Vielleicht würde er ihr auch grundlose Eifersucht vorwerfen.
„Warum hast du die überhaupt reingelassen?", fragte er ernst.
„Sie müssen vorher schon ins Treppenhaus gekommen sein, denn als ich zur Tür bin, waren sie schon hier oben. Ich habe nur aufgemacht, weil ich dachte, es wären tatsächlich Freunde von dir. Als ich ihn wiedererkannt habe, wollte ich ihn direkt wieder wegschicken, aber sie sind einfach reingekommen."
„Und Chopper?"
„Weil ich erst dachte, dass er tatsächlich ein Freund von dir wäre, habe ich Chopper kurz ins Wohnzimmer gebracht. Ich habe das alles einfach zu spät gecheckt."
Marten lächelte, doch es war ein wütendes Lächeln.
„Hat er noch irgendwas gesagt?"
Er klang beunruhigt. Es war offensichtlich, dass er etwas zu verbergen hatte und nicht wollte, dass sie davon erfuhr. Sie wusste, dass sie nicht weiter mit dieser Ungewissheit leben konnte. Sie konnte nicht so tun, als hätte es diesen Vorfall nicht gegeben und als wüsste sie nicht, dass Marten offenbar eine andere Frau traf. Außerdem gab es vielleicht doch eine einfache Erklärung für alles, auch, wenn sie nach Jokers ehrfürchtigem Auftritt nicht mehr wirklich daran glaubte. Sie konnte sich jedenfalls nicht tage- oder vielleicht sogar wochenlang fragen, was das alles zu bedeuten hatte.
„Dass du wüsstest, wo du ihn findest", antwortete sie. Dann nahm sie all ihren Mut zusammen. „Wer ist Samira?"
Sein Blick veränderte sich schlagartig und sie hatte das Gefühl, dass er von einer auf die andere Sekunde blasser geworden war.
„Ein Mädchen, das ich mal kannte", antwortete er vage.
Nika hob skeptisch eine Augenbraue.
„Hast du was mit ihr?", fragte sie, als seine Hände sich seltsam verkrampften.
„Nein", antwortete er knapp.
„Was ist es dann?", bohrte sie ungeduldig nach.
„Lange Geschichte", wich er erneut aus.
„Erzähl sie mir", forderte sie hartnäckig.
„Das kann ich nicht", erwiderte er entschieden.
„Warum nicht?", hakte sie nach.
Er atmete tief ein und aus, bevor er in ihre Augen schaute.
„Das alles geht dich nichts an."
„Wie bitte?!", platzte es wütend aus ihr heraus, „Ich werde in deiner Wohnung unterschwellig von einem Psychopathen bedroht, der dich aus irgendeinem Grund sucht, und mich ganz nebenbei darauf aufmerksam macht, dass es eine andere Frau in deinem Leben gibt, und du besitzt die Dreistigkeit, mir zu sagen, dass mich das alles nichts angeht?!"
„Es ist besser, wenn du jetzt gehst."
Sie starrte ihn aus großen Augen fassungslos an.
„Ist das dein Ernst?"
„Ja."
Sie schüttelte enttäuscht den Kopf. Sie war durcheinander, wütend und enttäuscht zugleich. Er hatte sie ausgeschlossen, vielleicht sogar gewusst, dass es Schwierigkeiten geben konnte, und trotzdem nichts gesagt. Er hatte sie in dem Glauben gelassen, dass alles gut war – und sie vielleicht mit einer anderen Frau betrogen. Sie stieß einen verächtlichen Laut aus.
„Wie du meinst...", sagte sie enttäuscht, bevor sie aufstand und ihn in seiner Wohnung allein ließ.
Puh, ich weiss, war schon ein fieses Kapitel; nicht nur wegen der beiden Jungs, sondern vor allem wegen diesem Mädchen und Martens Reaktion darauf. Was haltet ihr denn davon? Und wie hat euch das Kapitel sonst gefallen?
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