28 | Nächtliche Überraschung

Das Kapitel ist super lang. Ich hoffe, es gefällt euch. Danke für all eure Kommentare und Votes und die krasse Resonanz auf diese Geschichte.

Nika streifte sich die sündhaft teure Armbanduhr übers Handgelenk, die ihre Eltern ihr zum letzten Weihnachtsfest geschenkt hatten, und betrachtete ein letztes Mal kritisch ihr Spiegelbild. Das schlichte weiße Top hatte sie in den blauen, knielangen Rock gesteckt. Darüber trug sie einen passenden Blazer, an ihren Füßen schwarze Pumps. Besonders viel Lust hatte sie nicht auf das Familienessen, doch sie konnte nicht absagen. Also hoffte sie, dass der Abend nicht in einem Spießroutenlauf für sie enden würde.

Am Haus ihrer Eltern angekommen, parkte sie ihren Wagen in der geräumigen Einfahrt, stieg aus und atmete ein letztes Mal durch. Ihr Vater hatte die elegante Kaufmannsvilla mit mediterranem Flair selbst gebaut. Das gesamte Grundstück war von einem Zaun mit schmiedeeisernen Elektro-Tor umgeben. Im vorderen Grundstücksteil war das Gebäude mit einer Doppelgarage verbunden, vor der sich vier weitere Stellplätze befanden. Auch, wenn Nika es nur ungern zugab, doch sie mochte die offene und funktionelle Raumaufteilung im inneren des Hauses. Eine gehobene Ausstattung wie Mosaik-Marmorwandfliesen im Eingangsbereich oder die hochwertigen Naturstein-Fliesen im Erdgeschoss unterstrichen die Wertigkeit des Hauses. Von einem imposanten Eingangsbereich mit Kachelofen gelangte man in den großzügigen, durch eine Schiebetür getrennten Wohn- und Essbereich. Der großzügige, lichtdurchflutete Wohnbereich mit weißen Marmorkamin war mit einem hellen Teppichboden ausgestattet und gab einen Blick in dem traumhaften, versteckten Garten und die großzügig angelegte, mit Granit verlegte Terrasse frei. Der Garten mit alten Obstbäumen und eingewachsenen Rotbuchen wirkte beinah wie ein Park. Die Wohnküche im Landhausstil war über den Eingangsbereich und durch das große Esszimmer erreichbar und führte auf eine weitere Sonnenterrasse. Im Obergeschoss befanden sich das Schlafzimmer, ein riesiges Badezimmer und die ehemaligen Kinderzimmer, eines davon verfügte über einen Südbalkon.

Nika lief den akkurat gepflasterten Gehweg entlang, der von der Einfahrt zur Haustür führte. Als ihr Vater die Tür öffnete, setzte sie ein Lächeln auf. Wahrscheinlich hatte er sie bereits aus dem Küchenfenster gesehen und sie an der Tür erwartet, noch bevor sie klingeln konnte. Sie schaute in seine blauen Augen, um die herum sich kleine Lachfältchen gebildet hatten.

„Hallo, Hajo", begrüßte sie ihn, ließ sich halbherzig in eine Umarmung ziehen und drückte sich anschließend an ihm vorbei ins Innere der Villa. Der vertraute Geruch von Orange und Zimt lag in der Luft und ihr Blick glitt an den zahlreichen Bildern in den gründlich aufgehängten Rahmen vorbei. Die Familienportraits und Urlaubsbilder erinnerten sie an ihre Jugend, die sie in diesem Haus verbracht hatte. Doch es waren überwiegend schlechte Erinnerungen an eine Zeit, in der sie ständig das Gefühl gehabt hatte, nicht genug zu sein; so, wie sie auch Nick nicht genug gewesen war.

„Gut siehst du aus", sagte ihr Vater und schaute zufrieden an ihr herab.

„Danke. Du auch", erwiderte sie, dabei hatte sie ihn nicht einmal genau angesehen. „Wie geht's dir?"

Sie gingen gemeinsam durch die große Schiebetür in den durch bodentiefe Fenster lichtdurchfluteten Wohn- und Essbereich.

„Viel Stress auf der Arbeit. Ich entwerfe gerade einen neuen Gebäudekomplex in Berlin. Da habe ich viel zu tun."

„Klingt spannend", log sie. „Wo ist Josh?"

„Der kann heute leider nicht kommen", antwortete er.

Sie seufzte lautlos. Das konnte doch nicht sein. Wie konnte ihr Bruder es wagen, sie ausgerechnet heute alleinzulassen?

„Schade. Ist Doris in der Küche?"

„Ja, sie kümmert sich um das Abendessen."

Kurz dachte sie darüber nach, ihrer Mutter zu helfen, doch angesichts der letzten Begegnung entschied sie sich dagegen. Sie hatte keine besonders große Lust, direkt wieder über das unangenehme Thema zu sprechen.

„Deine Mutter sagte mir bereits, dass euer letztes Treffen etwas unschön verlaufen ist", fuhr Hajo fort, als Nika sich auf die teure Ledercouch gesetzt hatte. Sie seufzte lautlos. Natürlich hatte Doris es sich nicht nehmen lassen, mit ihrem Vater über ihre schlimmen Vermutungen zu sprechen.

„Das war nicht meine Schuld", stellte sie klar und schlug die Beine übereinander.

„Das kann ich nicht beurteilen. Ich war ja nicht dabei", erwiderte ihr Vater, als er es sich im Sessel ihr gegenüber gemütlich gemacht hatte. Jetzt beobachtete er sie mit seinem durchdringenden Adlerblick, so, als er warte er einen ausführlichen Bericht.

„Du hast auch nicht viel verpasst. Wir haben uns über die Arbeit unterhalten", versuchte sie, möglichst wenig Informationen preiszugeben und herauszufinden, was Doris erzählt hatte.

„Sie hat mir von dem jungen Mann erzählt, der bei dir im Haus wohnt", machte Hajo mit nur einer Bemerkung ihre Hoffnung auf eine Marten-freie Unterhaltung zunichte.

„Hat sie dir auch erzählt, dass sie eigentlich gar nichts über ihn weiß und ihr Urteil auf losen Vermutungen basiert?", fragte sie provokant und fixierte ihren Vater mit einem stechenden Funkeln in den Augen.

„Er hat einen unheimlichen Eindruck auf deine Mutter gemacht", fuhr er fort.

Sie hob eine Augenbraue.

„Komisch, dabei hat er ihr gar nicht von den kleinen Kindern erzählt, die er am Abend zuvor entführt und gegessen hat", erwiderte sie mit sarkastischem Unterton.

„Wir wollen so einen Umgang einfach nicht für dich, Veronika. Ein Betreiber eines Tattoo-Studios. Was soll denn nur mal aus dir werden? Du verdienst doch sowieso schon nur einen Hungerlohn in diesem Sportstudio. Kein Wunder, dass du dich im Leben nicht positiv weiterentwickelst, wenn du dich ständig nur mit Menschen umgibst, die dich zurückhalten, statt dich mitzuziehen."

In seinem schicken Hemd, mit seinem grimmigen Blick und den leicht ergrauten Schläfen wirkte er ein wenig wie aus einem Mafiafilm entsprungen.

„Erstens kannst du das überhaupt nicht beurteilen, weil du ihn nicht kennst; genauso wenig wie Doris. Vielleicht zieht er mich mehr mit, als ihr euch das auch nur vorstellen könnt. Es kann doch sein, dass er viel zielstrebiger und ehrgeiziger ist als ich und ich von ihm etwas lernen kann. Und zweitens entwickele ich mich ganz hervorragend in die von mir gewünschte Richtung, denn ich habe mich neben meiner Tätigkeit im Studio vor ein paar Monaten selbstständig gemacht und bin gerade dabei, mir etwas eigenes aufzubauen", sagte sie entschieden und reckte ihrem Vater selbstbewusst ihr Kinn entgegen.

„Das hast du uns gar nicht erzählt", stellte er anklagend fest. „In welchem Bereich hast du dich denn selbstständig gemacht?"

Er musterte sie misstrauisch. Es war offensichtlich, dass er skeptisch war.

„Ich biete Personal Trainings an und baue mir gerade einen kleinen Kundenstamm auf."

Hajo schwieg einen Moment, fuhr sich durch das an den Schläfen ergraute Haar und schaute ernst in ihr Gesicht.

„Ganz ohne Kapital?"

„Um mich selbstständig zu machen, benötige ich in erster Linie kein Kapital, sondern einen Kundenstamm, der bereit ist, meinen Stundensatz zu zahlen. Ich kann mein Gehalt selbst festlegen und muss mich, wenn es erstmal gut läuft, nicht mehr im Studio für viel zu wenig Geld kaputtschuften", erzählte sie.

„Und wie viel verdienst du da in der Stunde?", fragte er interessiert.

„Momentan liegt mein Stundensatz bei 120 Euro und das ist noch günstig im Vergleich zur Konkurrenz", sagte sie.

„Wie viele Stammkunden hast du denn schon?", wollte er wissen.

„Noch nicht genug, um davon leben zu können. Aber ich sage ja: ich arbeite daran", wich sie einer konkreten Antwort aus.

„Dir ist bewusst, dass das alles nur auf den ersten Blick verführerisch ist, und du am Ende einen ganzen Batzen an Steuern zahlen musst, ja?", hakte Hajo kritisch nach.

„Natürlich ist mir das bewusst. Aber selbst, wenn ich auf einmal tausende Euro verdienen würde, würde ich das berücksichtigen und nicht alles auf einmal ausgeben."

Ihr Vater wollte gerade etwas erwidern, als Doris das Wohnzimmer betrat. Nika begrüßte ihre Mutter mit einer kurzen Umarmung.

„Das Essen ist gleich fertig. Ihr könnt euch schonmal rüber setzen", sagte sie und deutete auf den großen Esstisch aus Mahagoni-Holz, den sie bereits stilvoll eingedeckt hatte. Kurz darauf schob Nika sich mit dem friedlichsten Gesichtsausdruck, den ihre Schauspielkünste hergaben, eine weitere Gabel Rotkohl in den Mund. Dazu gab es Lammragout und Kartoffeln.

Der kurze Ortswechsel hatte kurzzeitig auch das Gespräch zwischen ihr und ihrem Vater unterbrochen und sie hatte die Hoffnung, dass sie sich nun über andere, oberflächlichere Themen unterhalten konnten.

„Also ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis du deinen Job in diesem Sportstudio hinschmeißt", kommentierte Hajo mit einem abschätzigen Unterton, dabei wusste er, dass ihre berufliche Tätigkeit sie mehr ausfüllte als es irgendeine Stelle in einem stickigen Büro konnte. Doris starte Nika alarmiert an.

„Wieso willst du denn den Job hinschmeißen? Hat etwa dieser Marten etwas damit zu tun?", fragte sie besorgt und umklammerte das Messer fest mit ihren Fingern.

Nika verdrehte die Augen.

„Ich habe entschieden, mich als Personal Trainerin selbstständig zu machen. Wenn die Selbstständigkeit genug abwirft, könnte ich kündigen. Das ist alles."

Seltsamerweise schlich sich ein Lächeln auf das Gesicht ihrer Mutter.

„Das finde ich klasse. Die Leute wollen schließlich immer abnehmen oder gut aussehen. Und du würdest viel besser verdienen", sagte Doris überzeugt.

„Und was ist hier so passiert?", fragte sie schnell, um endlich das Thema zu wechseln.

„Deiner Tante geht es gar nicht gut", seufzte Doris, bevor sich ein wehleidiges Funkeln in ihre blauen Augen schlich.

„Ich sage seit Jahren, dass sie sich von diesem Arschloch trennen und den verzogenen Rotzlöffel zum Teufel jagen soll", kommentierte Nika und erntete sich einen strengen Blick von Hajo.

„Was?", fragte Nika gleichgültig, „Er hat sie jahrelang betrogen und ihr Sohn beklaut sie. Ich hätte sie beide hochkant rausgeschmissen."

„Man kann sich das eigene Kind nicht immer aussuchen", stellte Hajo beißend fest.

Sie legte den Kopf schief und seufzte. Konnte er es nicht ein einziges Mal gut sein lassen?

„Seine Eltern auch nicht", murmelte sie und schob sich schnell noch ein Stück Fleisch in den Mund.

Nika war erleichtert, als sie nach dieser Tortour nach Hause zurückkehrte. Eine Plastiktüte mit Essensresten in der Hand, klopfte sie erschöpft an Martens Wohnungstür. Es dauerte eine Weile, bis er ihr öffnete. Sie hielt ihm die Plastiktüte entgegen.

„Hast du Hunger?"

„Hat dir das Essen deiner Mutter nicht geschmeckt?", fragte er, machte einen Schritt nach hinten und ließ sie herein.

„Doch, aber wir hatten so viel über, dass sie mich gefragt hat, ob ich was mitnehmen will. Da habe ich natürlich nicht nein gesagt", antwortete sie und schloss die Tür hinter sich.

„Was gab's denn?", fragte er.

„Kartoffeln, Lamm und Rotkohl."

„Weiß deine Mutter, dass du den großen, volltätowierten Straftäter von nebenan mit ihrem Essen versorgst?", stichelte er, während sie ihm in die Küche folgte. Dort nahm er die Tupperschüsseln aus der Tüte und warf einen Blick auf die Essensreste, bevor er sie auf einen Teller gab und in die Mikrowelle stellte.

„Brauchst du Alkohol?", fragte er, öffnete den Kühlschrank und hielt ihr mit prüfendem Blick eine Flasche Whiskey entgegen. Sie winkte ab. „Das hättest du mir vorher anbieten müssen."

„Willst du drüber reden?", fragte er und musterte sie eindringlich, doch sie schüttelte resigniert den Kopf. „Ich will das ehrlich gesagt nur vergessen."

Als das Essen aufgewärmt war, folgte sie ihm ins Wohnzimmer, wo sie neben ihm auf die Couch fiel und sich müde die Pumps von den Füßen streifte, ehe sie die Beine an ihren Körper zog.

„Die kannst du anlassen", sagte er, „Ist geil beim Ficken."

Sie verdrehte seufzend die Augen.

„Du musst gar nicht so tun, als hättest du noch Zeit dazu, immerhin bist du derjenige, der gleich wieder verschwindet und mich mit Chopper allein lässt."

Auch, wenn sie sich fest vorgenommen hatte, ihn auflaufen zu lassen – er schaffte es immer wieder. Sie hasste ihn dafür. In den vergangenen Monaten hatte sie ihre Angst Chopper gegenüber nach und nach überwunden, und mittlerweile konnte sie sogar mit ihm auf Martens Couch kuscheln. Seit er so häufig unterwegs war, um sich um die Renovierungsarbeiten in seiner Bar zu kümmern, ließ er ihn ab und zu bei ihr, wenn Nikas Arbeitszeiten es zuließen, damit Chopper nicht so lang allein war.

Als Marten verschwunden war und sie kurzerhand Rock und Top gegen T-Shirt und Jogginghose getauscht hatte, schaute sie auf ihr Handy. Es war bereits halb zehn. Eigentlich hatte sie Josh längst anrufen wollen, doch vor lauter Diskussion und Ärger mit und auf ihren Vater hatte sie es wieder vergessen.

Sie kehrte mit einer Flasche Wasser und einem Glas ins Wohnzimmer zurück. Chopper lag dort auf der Couch. Sie stellte das Glas und die Flasche vorsichtig auf dem Wohnzimmertisch ab, dann ließ sie sich mit etwas Abstand neben Chopper sinken, schaltete den Fernseher ein und klickte sich bis in die Netflix-App. Sie lehnte sich entspannt zurück, machte es sich gemütlich und startete irgendeinen Film.

Inzwischen fühlte es sich nicht mehr seltsam an, in Martens Wohnung allein zu sein. Sie hatte sich daran gewöhnt. Irgendwann kroch Chopper zu ihr heran und legte seinen Kopf auf ihrem Schoß ab, wie er es so häufig tat, wenn Marten nicht zuhause war. Mittlerweile zitterten ihre Finger nicht mehr, wenn sie ihn streichelte, und sie war auch nicht mehr nervös; die Anwesenheit seines Hundes beruhigte sie gewissermaßen. Sie fühlte sich sicher.

Sie hatte bereits die Hälfte des Films geschaut, als das Handy auf dem Wohnzimmertisch zu klingeln begann. Sie versuchte, danach zu greifen, ohne Chopper, der inzwischen schlief, zu wecken. Es gelang ihr nicht, denn als sie das Handy in ihren Fingern hielt, hob Chopper müde den Kopf. Als sie Joshs Namen auf dem Display sah, breitete sich sofort das schlechte Gewissen in ihr aus. Sie hatte den Anruf tatsächlich auf dem Weg von Martens Wohnungstür bis zu seiner Couch wieder vergessen.

„Hey", begrüßte sie ihren Bruder reumütig.

„Schau an, sie lebt noch", erwiderte Josh beißend.

„Es tut mir leid, ehrlich, ich hatte einfach echt viel zu tun in den letzten Tagen. Außerdem brauchst du mir gar nicht so zu kommen, schließlich hast du mich heute einfach so mit unseren Eltern alleingelassen."

„Ich weiß, aber ich musste länger arbeiten. Trotzdem schade, dass du es nie schaffst, dich mal mit mir zu treffen und wir momentan nur noch telefonieren."

Sie wusste, dass er Recht hatte. Umgekehrt wäre sie auch beleidigt.

„Es tut mir wirklich leid, aber seit wir eine neue Filiale eröffnet haben, geht wirklich alles drunter und drüber", antwortete Nika.

„Geht's dir denn sonst gut? Außer dem Stress auf der Arbeit?", fragte ihr Bruder schließlich und schien sich endlich zufrieden zu geben.

„Ja, sonst geht es mir ganz gut. Und dir?"

„Ganz gut. Gibt's irgendwas Neues bei dir?"

Nika biss sich auf die Zunge. Bisher hatte sie außer Janet und Maxwell niemandem von Marten erzählt. Sie fand, dass sie Josh die Neuigkeit nicht am Telefon überbringen sollte.

„Ich habe mich neben meinem Job im Studio selbstständig gemacht als Personal Trainerin", sagte sie also stattdessen und ließ ihren neuen Freund fürs Erste noch einmal unter den Tisch fallen.

„Aber ich dachte, du bist so zufrieden in dem Studio", stellte Josh überrascht fest.

„Seit wir die neue Filiale eröffnet haben, bleibt noch mehr an mir hängen als vorher, und Paul wird immer anstrengender im Umgang und scheint derzeit regelrecht nach Fehlern zu suchen. Erst vor ein paar Tagen ist ihm aufgefallen, dass ich in unserem neuen Flyer einen Rechtschreibfehler übersehen habe – aber statt mich einfach nur darauf hinzuweisen, hat er den Flyer ausgedruckt und den Fehler mit einem Rotstift markiert, wie in einem Schuldiktat, und gesagt, dass es irgendwann Konsequenzen haben wird, wenn das so weitergeht.", offenbarte sie ihm.

„Glaubst du, das liegt daran, dass du nicht auf seine Avancen eingegangen bist?"

Nika seufzte schwer.

„Ich weiß es nicht. Könnte gut sein. Er ist kein Typ Mann, der mit Zurückweisung gut umgehen kann."

„Hat er denn inzwischen aufgegeben?"

„Schön wär's", antwortete Nika frustriert, „Erst diese Woche hat er wieder an mir rumgebaggert und versucht, mich zum Essen einzuladen. Als ich ihm einen Korb gegeben habe, hat er mir absichtlich die Sonntags-Schicht reingedrückt, die er vorher eigentlich für mich übernehmen wollte."

„Eigentlich schade, dass er auch anderswo nichts anbrennen lässt, sonst wäre er vielleicht sogar eine gute Partie; hat ein paar eigene Läden, verdient gutes Geld, könnte dich versorgen...", kommentierte Josh.

„Von außen betrachtet vielleicht. Aber wenn es einen Mann gibt, der mich privat überhaupt nicht interessiert, dann ist das Paul."

Sie machte eine kurze Pause und wechselte ihr Sitzposition.

„Und was gibt es bei dir Neues?", fragte sie neugierig und streichelt Choppers Kopf, als er ihn wieder auf ihrem Schoß ablegte.

„Ich hab dir doch von Jackie erzählt..."

„Von wem?", fragte sie trocken und wirklich völlig ahnungslos.

„Diese Kleine, die ich auf dem Konzert kennengelernt habe."

„Was ist mit ihr?"

„Ich lerne morgen Abend ihre Eltern kennen."

„Okay, das ist selbst für deine Verhältnisse krass. Du bist echt verliebt, oder?"

Er lachte.

„Ich mag sie. Du wirst sie auch mögen, wenn ich euch einander mal vorstelle."

„Das freut mich für dich", sagte sie, als es klingelte. Sofort sprang Chopper bellend von der Couch. Sie warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr. Es war bereits kurz vor zwölf.

„Ist das ein Hund?", fragte Josh irritiert.

„Ja, ich passe heute auf ihn auf. Er gehört meinem Nachbarn", antwortete Nika wie selbstverständlich, während sie Chopper in den Flur folgte.

Du passt auf einen Hund auf", wiederholte ihr Bruder trocken.

Sie versuchte, Chopper zu beruhigen, doch es gelang ihr nicht.

„Ja, hab so ne Art Schocktherapie gemacht. Du, ich muss mal kurz Schluss machen, ja?", erwiderte sie sieschließlich überfordert, während Chopper weiter die Tür ankläffte. Sie beendete das Gespräch und versuchte, die in ihr aufsteigende Nervosität zu kontrollieren. Es klingelte ein weiteres Mal und Chopper drehte komplett durch. Wollte Marten nicht erst mitten in der Nacht nach Hause kommen? War es überhaupt richtig, die Tür zu öffnen? Er war nicht zuhause und wer auch immer um diese Zeit bei ihm vorbeikam, konnte ihn auch anrufen oder ein anderes Mal wiederkommen. Andererseits konnte es ebenso gut sein, dass er wieder einmal zu viel getrunken und John ihm daraufhin den Schlüssel weggenommen hatte. Sie griff nach dem Hörer der Gegensprechanlage. „Hallo?"

Sie horchte kurz in die Stille hinein. Nichts passierte. Als es jetzt plötzlich unvorhergesehen gegen die Tür klopfte, schreckte sie zusammen. Choppers unruhiges Bellen machte sie beinah wahnsinnig.

„Wer ist da?"

Noch während Nika diese Frage aussprach, wurde ihr bewusst, dass es eine der Fragen war, die das Opfer eines Serienkillers im Horrorfilm kurz vor seinem Tod stellte.

„Joker. Ein Freund von Marten."

Nika wusste nicht, ob sie den Namen jemals gehört hatte, doch sie sperrte Chopper, der sich noch immer nicht beruhigte, kurzerhand ins Wohnzimmer. Dann öffnete sie vorsichtig die Tür.

Sie erschauderte, als sie die Silhouetten zweier groß gewachsener Männer im sonst dunklen Flur stehen sah. Sie trugen dicke Lederjacken über ihren Jogginganzügen, schauten bedrohlich auf sie herab. Sie schluckte unmerklich, als sie die beiden erkannte; es waren die beiden Männer, mit denen Marten sich nach dem Konzert hinter der Halle unterhalten hatte. Hatte er die beiden gemeint, als er gesagt hatte, er wollte sie von bestimmten Menschen fernhalten? Sie wusste es nicht, denn er hatte seine Aussage nicht weiter ausgeführt.

Der Linke der beiden trat einen letzten Schritt an sie heran und Nika fuhr ein kalter Schauer über den Rücken. Erst jetzt, als etwas Licht aus dem Wohnungsflur auf das Gesicht ihres Gegenübers fiel, erkannte sie die ganzen Tätowierungen in seinem Gesicht. Sie wich instinktiv einen Schritt zurück, als er seine Nase beinah durch den Türspalt steckte, und sie kalt musterte. „Ich muss mit Marten reden."

Ich weiss. Mieser Cut. Was glaubt ihr? Was will er von Marten? Und was würdet ihr tun?

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