27 | Versöhnung

Ich wünsche euch viel Spaß mit dem Kapitel. Vielleicht wird es ja ganz süss...

„Es gibt Dinge, die ich dir einfach nicht sagen kann. Das ändert aber nichts an meinen Gefühlen zu dir", gab er zurück. „Außerdem bist du nicht viel besser als ich. Du hast mir weder was von deinem Chef erzählt noch von deinen Schulden."

„Nur geht es hier gerade nicht um mich", konterte sie entschieden. „Wenn du wirklich Gefühle für mich hättest, hättest du so etwas Schäbiges gar nicht erst gesagt."

Er atmete schwer.

„Ja. Das war nicht cool. Und ich habe mich dafür entschuldigt. Manchmal, wenn ich in Rage bin, sage ich Dinge, die ich danach bereue. Das ändert aber nichts daran, dass auch du Sachen vor mir zurückhältst und mir nach wie vor nicht vertraust. Ich verstehe, dass du wissen willst, was mit mir los ist, aber so eine Beziehung ist keine Einbahnstraße, mein Schatz."

Sie legte den Kopf schief, während er an sie heranrückte und seine Hand auf ihren Oberschenkel legte. Sie biss sich auf die Unterlippe und ließ es einfach geschehen. Nur eine Handbreite trennte sie voneinander. Es war, als würde er sie mit seinen klaren Augen hypnotisieren. „Alles wieder okay?"

Er strich ihr sanft die Haare nach hinten. Sie verlor sich im Blau seiner Augen, während ihr Brustkorb sich aufgeregt hob und senkte. Die Vorstellung, all die negativen Gedanken über Bord zu werfen und einfach gar nichts mehr zu denken, wirkte wie eine zum Greifen nahe Erlösung. Doch wenn sie sich jetzt wieder von ihm um den Finger wickeln ließ, würde er es nie lernen; weder, sie nicht zu bevormunden, noch, sie anständig zu behandeln. Also schüttelte sie den Kopf.

„Nein, es ist nicht okay."

„Es tut mir wirklich leid. Ich wollte dich nicht verletzen", beteuerte er.

„Trotzdem hast du es getan. Auf verschiedene Weise", erwiderte sie.

„Und jetzt?", fragte er und sah erwartungsvoll in ihre Augen.

Sie seufzte schwer.

„Gehe ich schlafen", antwortete sie entscheiden und erhob sich. Er beobachtete sie schweigend dabei, wie sie das Wohnzimmer durchquerte. Als er erkannte, dass sie ihre Aussage ernstgemeint hatte, folgte er ihr in den Flur und löschte beim Verlassen des Wohnzimmers beiläufig das Licht. Einen Moment lang blieb er unschlüssig vor ihr stehen. Er wirkte wie ein unbeholfenes Riesenbaby, als er seine Hände ratlos in seinen Taschen vergrub und aufmerksam in ihr Gesicht schaute.

„Gute Nacht, Marten", sagte sie fest entschlossen, doch ehe sie ihm die Wohnungstür öffnen konnte, griff er nach ihrer Hand.

„Lass uns nicht so auseinandergehen", sagte er entschieden.

„Ich bin wütend. Ich habe keine Lust, heute Nacht noch mit dir zu schlafen."

Er runzelte die Stirn.

„Ich will nicht mit dir schlafen. Ich möchte einfach heute Nacht nur bei dir bleiben und dich im Arm halten", gab er weich zurück.

Sie glaubte, sich verhört zu haben. Sie wusste nicht, ob ihre abweisende Art tatsächlich etwas mit seinem seltsam reumütigen, nahezu unterwürfigen Verhalten zu tun hatte, doch sie verbuchte es als kleinen Erfolg. Marten war kein Typ, der sich verstellte. Seine Stimmung drang wie seine Meinung ungefiltert nach draußen.

Einen Moment haderte sie mit sich selbst. Einerseits wollte sie ihn vor die Tür setzen, andrerseits hatte sie sich lang genug gewünscht, dass sie die Nächte miteinander verbrachten und er fehlte ihr. Außerdem hatten sie beide einen Fehler gemacht; sie hatte ihn mit ihrer falschen Vermutung verletzt und er sie mit seiner Überreaktion. So gesehen waren sie vielleicht quitt.

„Kein Fummeln", warnte sie ihn, dann ließ sie seine Hand los und verschwand im Schlafzimmer. Er folgte ihr und zog seinen Jogginganzug aus. So gut es ging versuchte sie zu ignorieren, dass er kurz darauf nur mit einer Shorts bekleidet neben sie ins Bett fiel. Sie löschte das Licht auf dem kleinen Nachttisch am Kopfende, doch als sie in die weichen Kissen sank, rutschte er an sie heran und zog sie in eine Umarmung. Sie würde es in der Situation nicht zugeben, aber es fühlte sich schön an, von ihm gehalten zu werden. Sie lächelte in die Dunkelheit hinein, als er ihr einen sanften Kuss auf die Stirn drückte.

Eine ganze Weile lagen sie schweigend eng umschlungen da. Sie bettete ihren Kopf auf seiner Brust. Er streichelte sanft ihre Schulter. Dabei hinterließen seine Finger ein angenehmes Kribbeln dort, wo er sie berührte.

„Erzählst du mir jetzt, wieso dein Chef dir so auf die Nerven geht?"

„Nur, wenn du mir versprichst, dass du locker bleibst", sagte sie leise und schaute eindringlich in seine Augen. Sie funkelten in der Dunkelheit. Er seufzte schwer.

„Er hat dich angefasst", schlussfolgerte er düster.

„Nein", sagte sie schnell. „Aber er hat keine Gelegenheit ausgelassen, mich anzubaggern, seit wir zusammen in Düsseldorf waren."

Er runzelte die Stirn und sah eindringlich in ihre Augen. Seine Hand, die sich zunächst sanft um ihre geschlossen hatte, verkrampfte sich.

„Was genau macht er?"

„Blöde Sprüche. Mehr nicht."

„Was für Sprüche?", wollte er wissen.

„Dass ihm mein Körper gefällt oder er mit mir essen gehen will. Aber ich habe ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass ich keinerlei Interesse an ihm habe und er das lassen soll, weil es mir unangenehm ist. Ich habe ihm klargemacht, dass er mein Chef ist, ich Berufliches und Privates nicht vermischen will und darüber hinaus mit dir zusammen bin. Seitdem ist er absichtlich ätzend zu mir und schiebt dabei den Chef vor, dabei ist er einfach verletzt in seinem Stolz", erzählte sie.

„Ich ficke seinen Stolz", knurrte er. „Was macht er?"

Sie schmunzelte. Auch, wenn es absurd war, doch sein Verhalten zeigte, dass er hinter ihr stand und bereit war, sie zu verteidigen.

„Mir zum Beispiel absichtlich die Sonntags-Schicht reindrücken, obwohl er weiß, dass ich gern freigehabt hätte, oder mir blöde Ansagen machen, dass du mich nicht mehr im Studio abholen sollst, weil ich sonst die Kunden vernachlässigen könnte."

„Und was hast du jetzt vor?"

Sie musterte ihn fest entschlossen.

„Wenn das nicht aufhört, muss ich mit Lino sprechen. So weitergehen kann das jedenfalls nicht. Und sobald ich es mir leisten kann und die Selbstständigkeit genug abwirft, kündige ich auf jeden Fall", sagte sie.

„Du kannst auch direkt morgen kündigen", erwiderte er mürrisch.

„Irgendwie muss ich aber über die Runden kommen und meine Rechnungen bezahlen. Dazu kommen noch die Schulden", erklärte sie.

„Na und? Meld dich arbeitslos", gab er schulterzuckend zurück.

„Das kann ich nicht machen", seufzte sie.

„Wieso nicht?", fragte er verständnislos.

„Was soll ich denn meinen Eltern sagen?"

„Du musst denen nicht immer alles erzählen. Das ist dein Leben", sagte er entschieden.

„Aber die bekommen doch mit, dass ich dort nicht mehr arbeite", bedachte sie.

Er seufzte theatralisch.

„Dann erzählst du denen einfach, dass du jetzt genug Kunden hast. Du denkst echt zu viel darüber nach, statt das einfach zu machen", kommentierte er.

„Weil ich meine Miete bezahlen muss, Marten", sagte sie gereizt. „Und ich bekomme erstmal eine Sperre, wenn ich selbst gekündigt habe. Das führt nur dazu, dass ich noch mehr Schulden habe."

„Dann lass dich halt kündigen", konterte er.

„Das sieht scheiße aus für den Lebenslauf", sagte sie.

„Du willst doch sowieso selbstständig sein und für niemanden mehr arbeiten. Ist doch dann auch egal", gab er zurück.

Sie seufzte schwer.

„Ich weiß, du meinst es nur gut, weil du nicht willst, dass ich der Situation weiter ausgesetzt bin, aber ich kann den Job nicht einfach so hinschmeißen", sagte sie.

„Du bist dumm", sagte er. „Jeder normale Mensch würde ihm einfach das Gesicht kaputtschlagen."

„In deiner Welt vielleicht", schmunzelte sie.

„Genau, und weil du das nicht willst, weil man das in deiner Welt nicht macht, und du dich einscheißt, wenn ich das für dich regele, musst du das Problem anders lösen. Deshalb wäre es der leichteste Weg, einfach zu kündigen."

„Das kann ich immer noch machen, wenn mich Diplomatie nicht weiterbringt", erwiderte sie.

Er lächelte spöttisch.

„Du glaubst echt, du kommst da durch reden weiter?"

„Ich will es zumindest versuchen, okay?"

„Und wenn er dich weiter erniedrigt, weil ihm davon einer abgeht? Darf ich ihm dann das Gesicht kaputtschlagen?"

„Wenn er sich zu viel herausnimmt, mache ich ihm eine klare Ansage. Ich habe das im Griff. Vertrau mir", versuchte sie, ihn zu besänftigen.

„Okay. Aber wenn er dir Probleme macht oder dich anfasst, kommst du zu mir."

Sie nickte.

„Versprochen."

„Dann komm her", forderte er, legte seine Hand an ihr Gesicht und presste seine Lippen auf ihre. Sie seufzte wohlig in den Kuss hinein und genoss einen Augenblick das Gefühl der Geborgenheit. Als sie sich anschließend eng an ihn kuschelte, schlich sich ein zufriedenes Lächeln auf ihre Lippen. Ihre Fingerkuppen fuhren über seinen Bauch, bis sie zufällig seine lange Narbe streiften. Sie hielt inne, strich vorsichtig darüber und ertastete sie.

„Ich wäre fast draufgegangen in dieser Nacht."

Sie hob ihren Blick und sah in seine Augen.

„Das mit dem Riff war gelogen. Ich hab nen miesen Stich kassiert. Hab ne Menge Blut verloren", fuhr er nachdenklich fort. Ihr wurde gleichzeitig heiß und kalt.

„Wie ist das passiert?"

„Bin nachts überfallen worden auf dem Kiez."

Als sie verstand, dass ihm das auch heute noch passieren konnte, musterte sie ihn sorgenvoll.

„Warum erzählst du mir das auf einmal?"

Ein leichtes Lächeln umspielte seinen Mundwinkel.

„Das möchtest du doch."

Sie lächelte als sie erkannte, dass er gerade versuchte, ihr entgegenzukommen und ihr zu zeigen, dass sie und ihre Meinung ihm wichtig waren. Statt zu antworten, zog sie ihn zu sich heran und küsste ihn. Vielleicht hatte ihr selbstbewusstes Auftreten ihm endlich bewusst gemacht, dass er etwas ändern musste, damit ihre Beziehung auf Dauer funktionierte.

„Was?", fragte sie, als er frech in den Kuss hineingrinste.

„Wir könnten Wut-Sex haben. Das ist geil."

Sie verdrehte die Augen und löste sich von ihm. Er lachte amüsiert und zog sie zu sich zurück.

„War ein Witz. Komm wieder her."

Wie hat euch das Kapitel gefallen? Sieht so aus, als würde er sich ja doch langsam öffnen. Also ich bin ja schon verliebt in die beiden. :D

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