24 | Liebe, Hass und Vertrauen

Ich weiß noch nicht, ob es ein gutes oder schlechtes Kapitel ist. Ihr werdet es mir sicher sagen, wenn ihr am Ende ankommt :) An der Stelle vielen Dank für all eure Votes, Kommentare und Reads. Viel Spaß wünsche ich euch.

Nika schluckte unmerklich, als Marten sich zu ihr auf die Couch setzte. Noch immer ließ er sie nicht aus den Augen. Sein entschlossener Gesichtsausdruck machte sie nervös.

„Ich habe dich was gefragt."

Sie suchte nach den richtigen Worten, doch es fiel ihr schwer.

„Ich bin darauf nicht stolz", antwortete sie. „Außerdem hatte ich Hemmungen, es dir zu sagen."

Er schüttelte den Kopf.

„Warum?"

„Du bist oft distanziert und wir sind auch kein klassisches Pärchen."

„Und? Die Probleme mit deinen Eltern habe ich mir doch auch angehört", stellte er klar.

Es war surreal, wenn sie an die letzten Tage zurückdachte. Er hielt seine Sorgen nach wie vor zurück und sprach mit ihr nicht über das, was ihn beschäftigte.

„Dann weißt du's ja jetzt", sagte sie unbeholfen.

„Wie viel?"

Sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne.

„Ist doch egal", versuchte sie, einer konkreten Antwort zu entgehen. Er hob eine Augenbraue und musterte sie eindringlich.

„Sag."

„Noch viertausend ungefähr", antwortete sie kleinlaut.

„Ist doch gar nichts", erwiderte er lapidar.

Sie schnaubte wütend.

„Dass das in deiner Welt mit den vielen bunten Scheinen in der Bauchtasche nichts ist, kann ich mir vorstellen, aber für mich ist das eine Menge Geld", platzte es aus ihr heraus.

„Und, willst du es in Naturalien abbezahlen oder soll dich der volltätowierte Kampfsportler lieber auf den Strich schicken?"

Er hatte tatsächlich jedes Wort gehört.

„So habe ich das nicht gemeint, ich-", setzte sie an, sich zu erklären, doch er schnitt ihr das Wort ab.

„Entspann dich, meine Freundin muss nicht anschaffen", schmunzelte er. „Ich weiß, du würdest es sowieso nicht annehmen, würde ich es dir geben. Aber wenn es eng wird und du in Schwierigkeiten gerätst, leihe ich dir was. Ist echt kein Problem für mich. Überleg's dir einfach."

Es gefiel ihr, dass er davon absah, ihr das Geld einfach so anzubieten, sondern ihr zumindest die Option einräumte, es ihm zurückzuzahlen. Trotzdem wollte sie nicht auf ein Geld angewiesen sein. Sie wusste ja nicht einmal genau, wo es genau herkam und wie er es verdiente. Sie hatte zwar Vermutungen, doch er sprach nie darüber. Es würde jedenfalls nicht ausschließlich von seinem Tattoo-Studio oder seinen Deals abfallen. Viel mehr gefiel ihr allerdings, dass er sie erneut als seine Freundin bezeichnet hatte. Es fühlte sich gut an, dass er sie so nannte, und gab ihr das Gefühl, dass er zu ihr hielt; ganz egal, in was für eine blöde Situation sie sich manövriert hatte, anstatt sie dafür zu verurteilen.

„Danke", sagte sie aufrichtig lächelnd, „Aber ich kriege das schon allein hin."

„Wie du meinst", sagte er. „Aber wenn du es dir anders überlegst: mein Angebot steht. Und wenn du Sorge hast, dass du deine Schulden bei mir nicht begleichen kannst, kannst du sie jederzeit in Naturalien abbezahlen."

Sie legte überrascht den Kopf schief.

„Ich dachte, wir haben Streit."

„Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe: ich will dich auf dem Konzert nicht sehen. Aber richtige Probleme stehen immer vor banalen Streitigkeiten. Merk dir das."

„Und wonach unterscheidest du das?", fragte sie neugierig.

„Wenn du zum Beispiel deinen Job verlierst oder jemand aus deinem engsten Kreis stirbt, ist jeder Streit, den wir hatten, unwichtig für mich. Verstehst du? Ich bin da, wenn du mich brauchst; ganz egal, was vorher war."

„Heißt das, du vergisst unseren dummen Streit von vorhin?", fragte sie hoffnungsvoll.

Er antwortete nicht, legte stattdessen seine Hand an ihre Wange und drückte ihr einen versöhnlichen Kuss auf die Lippen. Dann löste er sich von ihr und stand auf. „Ich muss mich fertig machen."

Sie seufzte lautlos. Es war offensichtlich, dass sich an seiner Meinung dennoch nichts geändert hatte und er allein zum Konzert fahren würde. Sie war hin- und hergerissen. Sie konnte einfach nicht verstehen, weshalb er sie so vehement nicht mitnehmen wollte. Er hatte ihr sein Motiv ja nicht einmal ansatzweise erklärt, und sie war unglaublich wütend über die Art, wie er mit ihr umging.

Einerseits bot er ihr an, ihr aus den finanziellen Schwierigkeiten zu helfen, doch andererseits hielt er sie auf Distanz. Viel mehr störte aber sie die Tatsache, dass er tatsächlich darüber entscheiden wollte, wann sie sich wo aufhielt. Sie hatte sich - außer vielleicht von ihm - noch nie etwas sagen lassen und verstand nicht, weshalb sie ausgerechnet bei ihm damit anfing.

Sich in der einen oder anderen Auseinandersetzung zu unterwerfen und sich zurückzuziehen, war die eine Sache - sich von ihm vorschreiben zu lassen, wo sie hingehen durfte, die andere. Ebenso wenig würde sie sich von ihm diktieren lassen, wie sie ihr Leben zu leben hate. Es wurde Zeit, dass sie ihm eine Grenze aufzeigte, um zu verhindern, dass er sie zukünftig immer häufiger in eine von ihm gewünschte Richtung drängte. Sie war immerhin eine erwachsene Frau und hatte sich selbst von ihren Eltern nichts vorschreiben lassen. Sie konnte ihr Leben selbst gestalten und so lang er ihr keine nachvollziehbare Begründung für sein Handeln lieferte, würde sie nicht nachgeben.

Sie wusste, dass ihre Entscheidung auch zu gravierenden Schwierigkeiten zwischen ihr und Marten führen konnte, doch sie war nicht bereit, sich von ihm in dieser Art und Weise unterdrücken zu lassen. Wenn er glaubte, er konnte sie in irgendeiner Weise fremdbestimmen, täuschte er sich. Schließlich war Maxwell auch ihr Freund und ihm lag sehr viel daran, dass sie ihn heute in Bremen besuchte.

Ihr ging es nicht nur darum, ihn zu unterstützen; generell hatte sie noch nie einen Live-Auftritt von ihm gesehen. Sie wusste, dass ihm ihre Affäre mit Marten gegen den Strich ging und hatte gerade deshalb das Gefühl, ihm zeigen zu müssen, dass auch er ihr nach wie vor am Herzen lag. Sie wollte nicht, dass der Eindruck entstand, nur, weil zwischen Marten und ihr etwas lief, wäre ihr die Freundschaft zu Maxwell unwichtig geworden. Doch sie wusste auch, dass es keinen Zweck hatte zu versuchen, Marten umzustimmen. Er würde nicht von seiner Meinung abrücken. Also würde sie einfach auf eigene Faust dort auftauchen.

Sie wartete, bis Marten losfuhr, und kehrte dann in ihre Wohnung zurück, um sich fertigzumachen. Sie schlüpfte in eine schwarze Leggings mit weißen Streifen, zog ein weißes, verspieltes Top über, das etwas von ihrem Bauch zeigte, und streifte sich die Jeansjacke über. Anschließend drehte sie sich leichte Lochen in die Spitzen ihrer Haare, besserte ihr Make-Up von heute Morgen ein wenig auf und schlüpfte schließlich in ein weißes Paar Sneakers, bevor sie sich auf den Weg machte.

Als sie die große Halle erreichte, rief sie Maxwell an, um ihn zu fragen, wo sie ihr Auto abstellen konnte. Es war mittlerweile halb acht am Abend. Der Einlass hatte bereits begonnen. Trotzdem hielten ein paar vereinzelte Fans am Backstage-Parkplatz Ausschau nach den Jungs. Ein groß gewachsener, dunkel gekleideter Typ öffnete ihr auf Maxwells Anweisung via Handy den Rollzaun, um sie aufs Gelände zu lassen. Als sie den Wagen unweit von Martens Batmobil geparkt hatte, atmete sie ein letztes Mal tief durch und versuchte, die aufkeimende Nervosität zu verdrängen.

Sie stieg aus dem Auto und lief geradewegs auf die kleine Traube Männer am Backstage-Eingang zu. Zu ihrer Erleichterung war Marten nicht dabei. Dafür entdeckte sie John, der stilecht einen bunten Lacoste-Anzug trug. Er musterte sie mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck, als er sie sah, schloss sie jedoch kurz in seine Arme.

„Hey, alles gut?", fragte er, bevor Nika den anderen anwesenden die Hände schüttelte und sich vorstellte. Auf einmal hatte sie das Gefühl, außer ein paar von Maxwells Freunden niemanden zu kennen.

„Ja, alles super", sagte sie, dann schaute sie sich suchend um. „Ist Maxwell schon da?"

„Ja, ist drinnen. Komm, ich bring dich hin", sagte ein Blonder, der sich als Ronny vorgestellt hatte, und begleitete sie ins Innere der Halle. Sie folgte ihm mit einem mulmigen Bauchgefühl vorbei an einigen großen Stahltüren durch die Gänge, in der Hoffnung, nicht als erstes Marten in die Arme zu laufen. Der Weg bis zum Backstage-Bereich erschien ihr unendlich lang.

„Hier ist das Catering", sagte Ronny. „Nimm dir einfach was, wenn du willst"

Doch statt den Raum zu betreten, warf er nur flüchtig einen Blick hinein, dann lief er weiter den Gang entlang zu einer weiteren Tür. Sie folgte ihm in den kleinen, modern eingerichteten Bereich und versuchte, ihre Emotionen zu kontrollieren, als sie ein paar hübsche Frauen auf einer der einladenden Ledercouches sitzen sah. Jede von ihnen sah aus wie ein perfektes Model aus einem Katalog. Wollte Marten sie deshalb nicht hier haben?

„Da vorne ist er", riss Ronny sie aus ihren Gedanken und deutete auf Maxwell, der am anderen Ende des Raumes an einer Bluetooth Box herumfummelte. Als sein Blick auf Nika viel, hellte sich sein Gesicht auf.

„Hey!", lächelte er fröhlich, stellte die Box achtlos zur Seite und machte ein paar Schritte auf sie zu, bevor er sie in seine Arme schloss. „Cool, dass du es doch geschafft hast."

Sie erwiderte sein Lächeln, als er sich von ihr löste. Sie spürte die neugierigen Blicke der Model-Mädchen in ihrem Rücken.

„Ich freue mich auch", sagte sie.

„Marten meinte, du kommst nicht", erwiderte er.

Sie seufzte lautlos.

„Hast du ihm schon gesagt, dass ich mich doch auf den Weg gemacht habe?"

„Nee. Hast du Hunger?", fragte er.

Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte tatsächlich keinen Appetit.

„Ich muss dringend was essen, Digga. Aber zuerst will ich dir die Bühne zeigen. Komm mit."

Die laute Musik in der Halle machte ein Gespräch nahezu unmöglich. Da der Einlass bereits begonnen hatte, führte Maxwell sie hinter dem heruntergelassenen Vorhang auf die Bühne und zeigte ihr das bunte Bühnenbild. Anschließend kehrten sie zurück hinter die Bühne. Doch als sie in den Flur einbogen, blieb sie stehen.

Nur ein paar Meter entfernt stand Marten mit dem Rücken zu ihr gewandt im Gang, ihm gegenüber eine kleine Dunkelhaarige mit wilden Korkenzieherlocken. Sie trug einen hautengen, schwarzen Jumpsuit, der ihre Brüste gekonnt in Szene setzte, darüber einen wadenlangen, grün gemusterten Cardigan. Sofort schlug Nika das Herz bis zum Hals, als das Mädchen dicht an ihn herantrat, sich kurz zu allen Seiten umschaute, und ihm geheimnisvoll etwas in die Handfläche legte. Das Blut rauschte in Nikas Ohren, als er seine Hand nicht wegzog. Wieso ließ er sie so nah an sich heran?

Er ließ das, was sie ihm gerade heimlich zugesteckt hatte, in seiner Bauchtasche verschwinden, dann tauschten die beiden einen tiefen Blick und lachten. Es versetzte Nika einen Stich zu sehen, wie ausgelassen er mit einer anderen Frau herumalberte. Ohne, dass sie es wollte, brannten ihre Sicherungen durch, und sie stürmte kopflos an Maxwell vorbei auf die beiden zu.

„Dein Ernst?!", fragte sie kühl, wirbelte ihn unsanft zu sich herum, und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. Als er sie erkannte, verdunkelte sich sein Blick.

„Was willst du hier?", knurrte er ungeduldig, statt auf ihre anklagenden Worte einzugehen. Das Mädchen mit den Locken, Nika schätzte sie auf Mitte zwanzig, musterte die Szene aufmerksam.

„Willst du uns einander nicht vorstellen?", forderte Nika kühl und warf seiner Begleitung einen frostigen Blick zu, bevor sie wieder erwartungsvoll in sein Gesicht schaute.

Martens Gesichtszüge verhärteten sich, während er Nika mit seinen düsteren Augen fixierte.

„Das ist Cassie, Johns Freundin. Cas, das ist Nika, meine Fickbeziehung."

Hat er nicht gesagt - oder etwa doch? Wie findet ihr sein Verhalten? Und habt ihr euch über ein Wiedersehen mit Cassie gefreut? Ich bin so gespannt, was ihr zu dem Kapitel schreibt.

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