20 | Neue Geheimnisse?

Es geht weiter, endlich :) Ich hoffe, es gefällt euch.

„Hast du seitdem nochmal was von ihr gehört?"

Maxwell musterte Nika neugierig, doch sie schüttelte nur schweigend den Kopf und strich sich eine Haarsträhne hinter das rechte Ohr. Dabei ließ sie ihren Blick die Alsterpromenade entlangschweifen, an der sie auf einer der vielen Bänke unter einem großen Baum saßen. Sie war froh, dass er sich heute Zeit für sie nehmen konnte, denn sie machte gerade keine einfache Phase durch. Zu der vorangegangenen Auseinandersetzung mit ihrer Mutter kam noch das schlechte Bauchgefühl, mit dem sie mittlerweile ein paar Wochen zur Arbeit ging.

Seit der gemeinsamen Fortbildung teilte Paul sich häufiger mit ihr zu gemeinsamen Schichten ein, suchte ihre Nähe und versuchte, mit ihr zu flirten. Natürlich ging sie auf seine Versuche nicht ein, doch sein verstärktes Interesse ging trotzdem nicht spurlos an ihr vorüber. Immerhin hatte sie ihm gerade erst die gewünschte Gehaltserhöhung aus dem Kreuz geleiert und wollte nicht so kurz darauf in irgendeiner Weise negativ auffallen. Also bemühte sie sich, höflich und respektvoll zu bleiben, so lang er sich ihr nicht regelrecht aufdrängte.

„Und was hast du jetzt vor?", riss Maxwell sie aus ihren Gedanken.

Sie zuckte mit den Schultern.

„Was soll ich schon machen?", gab sie trotzig zurück. „Ich kann nur abwarten, wie sich die Situation entwickelt. So, wie ich sie kenne, wird sie sich nicht für ihr respektloses Verhalten Marten gegenüber entschuldigen. Wird also ganz sicher ein harmonisches Familienessen nächste Woche."

Ihr Gegenüber zog an seiner Zigarette, dann lächelte er.

„Du hast also wirklich vor, dort hinzugehen?"

Sie zog eine Grimasse.

„Wirklich Bock habe ich nicht. Aber vielleicht haben sich die Wogen bis dahin ja schon so sehr geglättet, dass wir uns ansatzweise vernünftig miteinander unterhalten können", räumte sie ein.

„Also führt ihr jetzt eine richtige Beziehung, Marten und du?", wollte er wissen und musterte sie neugierig. Sie schmunzelte verlegen.

„Ich weiß nicht, ich schätze schon", antwortete sie unsicher.

„Was heißt das, du schätzt?", hakte er nach.

„Er hat mich jedenfalls als seine Freundin bezeichnet. Klingt schon ziemlich ernst, findest du nicht?", grübelte sie und lächelte bei der Erinnerung an Martens Worte.

„Für ihn ist das wirklich schon sehr groß", bestätigte Maxwell und warf den Zigarettenstummel auf den Boden.

„Ich war auch ziemlich überrascht", gab sie zu. „Aber ich finde es natürlich schön, dass es sich in diese Richtung entwickelt hat."

„Deine Mutter fällt tot um, wenn sie merkt, dass ihr mehr als nur Freunde seid", grinste er amüsiert.

„Das befürchte ich allerdings auch", gab sie beißend zurück. „Und mein Vater enterbt mich sofort."

Sie schwiegen einen Augenblick, bevor sie das Thema wechselte.

„Marten hat erzählt, dass ihr am Wochenende ein Konzert in Bremen gebt."

„Ja, das wird krass. Kommst du vorbei?"

Er runzelte fragend die Stirn. Sie lächelte.

„Ich muss nur bis nachmittags arbeiten. Wenn du das möchtest, besuche ich dich sehr gerne. Immerhin habe ich dich noch nie live gesehen."

Er grinste.

„Cool. Ich würde mich wirklich freuen, wenn du kommst."

Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. Dann seufzte sie traurig.

„Du, ich muss los. Ich muss noch einkaufen und dann zur Arbeit."

Er nickte.

„Okay, komm. Ich bring dich noch zum Auto."

Nur eine Stunde später verstaute Nika die Einkäufe im Kühlschrank. Dabei warf sie einen Blick aus dem Küchenfenster. Martens Wagen stand nicht vor der Tür. Er war also schon wieder unterwegs. Sie schüttelte lächelnd den Kopf als sie bemerkte, dass sie wieder einmal an ihn dachte. Sie konnte es kaum erwarten, ihn heute Abend wiederzusehen.

Nachdem sie die Einkäufe weggeräumt hatte, verschwand sie noch einmal im Schlafzimmer, um ihre Sporttasche zu packen. Sie würde heute im Laufe des Abends zwei Kurse geben, also stopfte sie ein Handtuch, ihre Sportklamotten und Wechselkleidung hinein. Anschließend machte sie sich auf den Weg zur Arbeit.

Paul stand hinter dem Tresen, als sie das Studio betrat, und musterte sie aufmerksam. Dabei ließ er seinen Blick an ihrem Körper hinabschweifen.

„Hey", flötete sie trotzdem und schenkte ihm ein Lächeln, in der Hoffnung, er würde keine unangenehmen Fragen stellen.

„Hey", lächelte er, „Alles gut?"

„Ja, und selbst?", fragte sie, darauf bedacht, seinen tiefen Blick nicht zu lang zu erwidern.

„Mir geht's super. Die neuen Jacken und T-Shirts vom Studio sind angekommen. Der Karton steht im Büro. Die sind ganz gut geworden. Ich habe dir was in deiner Größe auf den Tisch gelegt. Kannst du direkt anprobieren."

„Okay, ich schaue mir die Sachen gleich an", sagte sie und verschwand im Büro. Dort ließ sie ihre Tasche neben den Schreibtisch fallen und griff nach der schwarzen Sweatjacke auf dem Schreibtisch. Sie faltete den Stoff auseinander und betrachtete das kleine rote Logo des Studios auf der Brust, bevor sie die Jacke wendete und einen Blick auf die Rückseite warf. Kurzerhand zog sie den Hoodie aus, den sie heute trug, und warf sich die neue Jacke über. Sie passte tatsächlich wie angegossen.

„Und, gefällt sie dir?"

Überrascht fuhr sie zu Paul herum, der im Türrahmen stand und sie neugierig betrachtete. Sie biss sich auf die Unterlippe. Zum Glück hatte sie nicht das T-Shirt zuerst anprobiert. Wie lang stand er schon dort?

„Ja, sieht super aus", lächelte sie über ihre Irritation hinweg und strich über den weichen Stoff. „Fühlt sich auch gut an."

„Steht dir auch richtig gut", ergänzte er mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.

„Danke", erwiderte sie unbeholfen, bevor sie das T-Shirt nahm und es in ihrer Sporttasche verschwinden ließ, so, als hätte sie es sich bereits angesehen. Vor ihm wollte sie es sicher nicht anprobieren.

„Ich kümmere mich mal um ein paar Rechnungen", ließ Paul sie wissen, bevor er sich an ihr vorbeidrückte und sich auf den Schreibtischstuhl fallenließ.

„Okay, ich gehe dann rüber", erwiderte sie erleichtert, bevor sie ihren Chef allein zurückließ.

Die ersten Stunden ihres Arbeitstages verliefen ruhig. Um die Mittagszeit kamen meist nur wenige Kunden zum Training vorbei. Also nutzte Nika die Zeit, mit dem einen oder anderen Kunden an der Theke ein kurzes Schwätzchen zu halten und einen Kaffee zu trinken oder drehte ihre Runden über die Trainingsfläche, um zu schauen, ob einer ihrer Kunden ihre Unterstützung brauchte. Gegen Nachmittag, kurz vor der typischen Feierabend-Zeit, zu der das Studio voller wurde, kehrte Paul aus dem Büro zu ihr an die Theke zurück und ließ sich ihr gegenüber auf einen der Hochstühle fallen.

„Machst du mir einen Kaffee?"

Sie musterte ihn lächelnd.

„Klar", sagte sie, auch, wenn er sich als Chef des Studios seinen Kaffee auch einfach selbst zubereiten konnte.

Paul beobachtete sie dabei.

„Und, nicht viel los bisher, oder?", fragte er scheinheilig, dabei kannte er die Antwort bereits selbst.

„Nee, ruhig momentan", sagte sie, stellte die Tasse in die Maschine und drückte auf den entsprechenden Knopf.

„Finde ich gut. Dann können wir ein bisschen quatschen", lächelte er.

Sie seufzte lautlos. Ihr stand so gar nicht der Sinn danach, sich mit ihm zu unterhalten.

„Ich habe gleich einen Termin mit einer Kundin für einen neuen Trainingsplan. Ich war gerade dabei, mir ein paar neue Übungen zu überlegen", versuchte sie, den Smalltalk mit ihm zu umgehen und reichte ihm die heiße Tasse, Zucker und einen Teelöffel über den Tresen.

„Wer denn?", fragte er neugierig, als sie wie zur Bestätigung einen handgeschriebenen Plan hochhielt.

„Ute Fürst", antwortete sie und schnappte sich einen Kugelschreiber, um sich weiter in ihre Ideen zu vertiefen. Doch Paul ließ sich davon nicht abschrecken.

„Und was hast du dir so für sie überlegt?", wollte er wissen.

Es war offensichtlich, dass er sie unbedingt in ein Gespräch verwickeln wollte. Trotzdem lächelte sie und versuchte, die Situation professionell zu meistern.

„Sie hat sich beschwert, sie würde sich nach dem Training nicht ausgepowert fühlen. Also habe ich ihr mal ein bisschen was aufgeschrieben. Burpees, Squats, Split Lunges...", erzählte sie geduldig.

„Ich glaube, ich schaue gleich zu, wenn du ihr die Übungen zeigst", grinste er frech.

„Kannst du nicht. Irgendjemand muss ja die Theke übernehmen", versuchte sie, das Elend abzuwenden, doch er schmunzelte nur amüsiert.

„Lotti füllt gerade Desinfektionsspray nach. Danach übernimmt sie die Theke für dich."

„Klar, immer alles auf die Azubis", erwiderte sie.

„Du gönnst mir den Spaß einfach nicht, oder?"

„Nein. Meine Kundinnen sollen sich hier wohlfühlen und nicht das Gefühl haben, dass der Chef ihnen auf den Arsch glotzt", fuhr sie trocken fort.

„Ich gucke ja nicht ihr auf den Arsch, sondern dir."

Hatte er das gerade tatsächlich gesagt? Sie musterte ihn kritisch und hob eine Augenbraue. Sie war hin- und hergerissen zwischen einen frechen Konter und einer klaren Ansage. Er war schließlich nicht ihr Freund. Sprüche wie dieser gingen einfach zu weit dafür, dass sie ein Angestelltenverhältnis miteinander pflegten.

„Was denn? Dafür bräuchtest du wirklich einen Waffenschein", sagte er, als er ihren mürrischen Blick bemerkte.

„Und du für deine flachen Sprüche einen Idiotenschein", gab sie zurück, als sie sich nicht länger kontrollieren konnte. Er lachte. Sie blieb ernst.

„Ich habe keinen Witz gemacht."

Damit wandte sie sich von ihm ab und vertiefte sich wieder in ihren Trainingsplan. Dabei warf sie einen hoffnungsvollen Blick auf die Uhr. Ihre Kundin musste jeden Moment kommen. Paul beobachtete sie schweigend und nippte an seinem Kaffee. Es war ihr unangenehm, denn er ließ sie keine Sekunde aus den Augen. Irgendwann ließ sie schwer seufzend den Stift sinken und schaute gereizt in sein Gesicht.

„Was?"

Er wollte gerade antworten, als Lotti aus dem hinteren Bereich des Studios zu ihnen zurückkehrte. Die dunkelhaarige Auszubildende nahm sich ein Glas und schüttete sich etwas Wasser ein. Nika atmete lautlos erleichtert auf, als Paul auf seinen vermutlich weiteren dummen Spruch verzichtete, stattdessen vom Hochstuhl rutschte, sich seine Kaffeetasse schnappte und wieder im Büro verschwand.

Der Abend verlief verhältnismäßig ruhig. Paul blieb im Büro, während Nika das Gespräch mit ihrer Kundin führte, zwei Kurse gab und schließlich eine heiße Dusche nahm. Wie so häufig in den letzten Tagen sehnte sie sich dem Feierabend entgegen. Doch Lotti, die mit ihr gemeinsam die Schicht an der Theke übernahm, und ein paar Kundinnen, die nach dem Training noch etwas quatschten, machte es einigermaßen erträglich.

„Kann ich dich mal kurz sprechen?"

Sie fuhr überrascht zu Paul herum, der plötzlich an der Theke aufgetaucht war. Wollte er noch einmal über die offene Situation von vorhin sprechen?

„Klar", antwortete sie trotzdem lächelnd.

„Im Büro?"

Sie warf Lotti einen kurzen Seitenblick zu, dann folgte sie ihm. Sie seufzte lautlos, als er die Tür hinter ihnen schloss.

„Was ist los?", fragte sie scheinheilig, obwohl sie genau wusste, worüber er reden wollte.

„Ich wollte mich bei dir entschuldigen."

Sie schaute ihn einen Moment lang überrascht an.

„Ach ja?"

„Der Spruch vorhin war dumm. Tut mir leid. Ich bin da zu weit gegangen", sagte er ernst und sah eindringlich in ihr Gesicht. Sie war für einen Augenblick überfordert und sprachlos zugleich. Sie hatte mit vielem gerechnet, doch nicht mit einer Entschuldigung.

„Mach es einfach nicht wieder. Ich fand das wirklich unangenehm", sagte sie entschieden.

„Kann ich verstehen. Ich habe darüber nicht nachgedacht in dem Moment. Ich wollte einfach einen dummen Spruch machen. War scheiße von mir. Tut mir leid, wenn ich dich damit in eine unangenehme Situation gebracht habe."

Als Nika an diesem Abend nach Hause kam und sie Martens Wagen vor dem Haus stehen sah, gelang es ihr, die negativen Gedanken rund um Paul beiseite zu schieben. Sie freute sich stattdessen auf die Zeit mit ihm. Sie brachte kurz ihre Tasche nach Hause, bevor sie zu ihm rüberging und an seiner Wohnungstür klopfte.

Sie schreckte kurz zusammen, als Chopper auf der anderen Seite anschlug. Es dauerte einen kurzen Moment, bis Marten ihr in Jogginghose und Shirt bekleidet die Tür öffnete. Sie erschauderte, als sie seinen nachdenklichen Blick bemerkte, doch statt etwas zu sagen, zog er sie einfach nur zu sich heran und drückte ihr einen Kuss auf. Sie folgte ihm ins Wohnzimmer. Der Fernseher zeigte, wie so oft, das Standbild einer GTA-Szene. Sofort wurde sie von diesem ihr allzu bekannten süßlichen Duft eingehüllt. Im Aschenbecher auf dem Wohnzimmertisch lag ein glühender Joint.

Er ließ sich wieder in die weichen Polster sinken und lehnte sich zurück, nahm den Joint und zog daran. Mit der anderen Hand griff er nach dem Controller. Sie ließ sich vorsichtig neben ihn sinken und betrachtete ihn schweigend von der Seite. Seine Gesichtszüge waren angespannt, er wirkte unruhig.

„Ist alles okay?"

Er wandte ihr seinen Blick zu, schaute ihr ins Gesicht, sagte jedoch nichts. Stattdessen nahm er einen weiteren tiefen Zug und legte den Joint in den Aschenbecher zurück, bevor er ihr sanft den Rauch um die Nase pustete. Sie ließ sich davon nicht beirren, sondern hielt seinem durchdringenden Blick stand.

„Nein, ist es nicht", antwortete er schließlich leise.

„Willst du drüber reden?", wollte sie wissen, doch er schüttelte den Kopf. Sie legte sanft ihre Hand an sein Gesicht. Er lehnte sich in die Berührung hinein, umfasste ihre Finger fest mit seinen und schloss für einen Moment die Augen. Dabei zog er sie näher zu sich heran. Sie ließ es geschehen, lehnte ihre Stirn gegen seine und spielte mit ihren Fingern am Stoff seines Shirts herum. Er atmete tief durch, bevor er seine Augen wieder öffnete, seine Hand in ihren Nacken legte und ihre Lippen mit einem Kuss verschloss. Anschließend löste er sich von ihr, legte einen Arm um sie und zog sie zu sich heran, ehe er mit ihr in die weichen Polster zurücksank und sein Spiel fortsetzte.

Ist irgendjemand noch so genervt von Paul wie Nika? Und was ist da wieder los mit Marten? Findet ihr, die beiden sollten miteinander reden?

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