12 | Ehrlichkeit
Ich hoffe, das Kapitel gefällt euch. Ich widme es HannahCurie, einfach, weil du so lieb kommentiert hast. Danke an der Stelle auch für all die anderen stillen Reads, Votes und Kommentare von euch allen. Ich küsse eure Augen. Vorhang auf.
„Schläfst du noch mit anderen Frauen außer mir?"
„Komm rein", forderte er und machte einen Schritt nach hinten, um sie in die Wohnung zu lassen. Sie schüttelte den Kopf.
„Ich will wissen, ob es stimmt", sagte sie entschlossen. Chopper lief um sie herum und sie versuchte, ihm auszuweichen.
„Nicht, seitdem wir ficken. Kommst du jetzt rein?"
Er musterte sie erwartungsvoll. Sie betrat seine Wohnung und er schloss die Tür hinter ihr. Sie folgte ihm ins Wohnzimmer. „Und davor?"
„Ja, gab da ein paar, die ich regelmäßig getroffen habe", sagte er leichthin.
„Ein paar?"
„Drei."
„Gleichzeitig?"
„Ja."
„Kannst du mir dabei vielleicht ins Gesicht sehen?", fragte sie, als sie nach ihm den Raum betrat. Nur der Fernseher spendete etwas Licht. Das Standbild zeigte irgendeine GTA-Szene. Er fuhr gereizt zu ihr herum.
„Und diese Nora?", wollte sie wissen.
„Was ist mit der?", fragte er gleichgültig.
„Die auch?"
„Nee. Das hast du mir versaut", antwortete er.
Sie schnappte nach Luft.
„Sie hat mit meinem Exfreund geschlafen!"
„Was hab ich damit zu tun?"
„Tut mir leid, dass du wegen mir nicht mehr bei ihr landen konntest", erwiderte sie bissig.
„Musst du wegen der Schlampe jetzt hier so ne Show abziehen?"
Sie schluckte, als sie das bedrohliche Funkeln in seinen Augen sah. Das erste Mal, seit sie miteinander schliefen, bereute sie es, denn er gab ihr kein gutes Gefühl in diesem Augenblick. Stattdessen war zu all ihren Sorgen rund um ihre Familie und ihre Schulden eine weitere dazu gekommen; Marten.
„Momentan ficke ich nur dich. Zufrieden?"
Sie warf die Hände in die Luft.
„Kannst du vielleicht aufhören, so von uns zu reden, als wäre ich irgendein Flittchen, dem du es regelmäßig besorgst?"
„Aber ich besorg es dir doch regelmäßig", stellte er treffsicher fest, ohne seinen intensiven Blick von ihren Augen abzuwenden.
„Du hast einfach keinen Respekt vor mir", warf sie ihm vor.
„Warum? Weil ich ficken sage?"
„Zum Beispiel", erwiderte sie.
„Bist du hergekommen, um mir auf die Eier zu gehen?", fragte er.
Sie stieß einen verächtlichen Laut aus.
„Du bist echt ein Arschloch", stellte sie trocken fest.
„Nee, ich hasse einfach diese Diskussionen. Genau deshalb habe ich keine Freundin", gab er zurück.
„Eine normale Frau würde auch nicht mit einem wie dir zusammen sein wollen", sagte sie beißend. Sein Blick wurde finster.
„Einem wie dir?", wiederholte er.
„Vergiss es einfach", gab sie zurück und wandte sich von ihm ab, um ihn stehenzulassen, doch er wirbelte sie unsanft wieder zu sich herum.
„Nein. Wie hast du das gemeint?", wollte er wissen und schaute düster auf sie herab. Doch sie ließ sich von ihm nicht einschüchtern.
„Du bist ein Gefühlskrüppel, okay? Du bist kein bisschen empathisch und kannst dich nicht in andere hineinversetzen", warf sie ihm vor.
„Wenn du meinst", kommentierte er knapp.
„Warum bist du so?", fragte sie aufgebracht.
„Wie, so?", fragte er gereizt.
„Ätzend!"
„Weil du meinen Kopf fickst", knurrte er.
Sie schnaubte verächtlich, dann wandte sie sich endgültig von ihm ab und ließ ihn im Wohnzimmer allein.
„Bleib hier!", forderte er.
„Ganz bestimmt nicht", murmelte sie wütend, als sie die Wohnungstür erreichte. Sie hatte schon genug Probleme, ein weiteres konnte sie wirklich nicht gebrauchen.
„Bitte."
Im ersten Augenblick glaubte sie, sich verhört zu haben, doch auch, wenn er ihr in den Flur gefolgt war, ignorierte sie ihn und öffnete die Wohnungstür.
„Bleib bitte hier", wiederholte er. Seine Stimme klang ungewohnt weich. Seine Hand fuhr von hinten an ihrem Kopf vorbei und drückte sanft die Tür ins Schloss. Erst jetzt fuhr sie zu ihm herum und verlor sich im dunklen Blau seiner eindringlichen Augen.
„Ich habe das nie richtig gelernt, okay?"
„Was genau?"
„Zu reden", sagte er.
„Dafür kannst du aber ganz gut deinen Standpunkt vertreten", gab sie trotzig zurück.
„Ich musste fast nie auf andere eingehen. Ich bin darin nicht besonders gut."
„Warum erzählst du mir das?"
„Ich bin nicht nur das Arschloch, für das du mich hältst", erwiderte er leise.
Sie seufzte.
„Dann benimm dich nicht immer wie eins."
Sein Blick fiel auf ihre Lippen, doch auch, wenn er sie nach ihrer Auseinandersetzung magisch anzog, wollte sie nicht, dass sie einander wieder einmal auf Sex reduzierten. Als er jetzt seine Hand an ihr Gesicht legte und sich zu ihr beugte, um sie zu küssen, wich sie zurück. Er sah prüfend in ihre Augen, doch sie senkte ihren Blick zu Boden.
„Was ist?", fragte er.
Sie schaute ihm selbstbewusst ins Gesicht.
„Ich sollte jetzt rübergehen", sagte sie, bevor sie versuchte, sich zu befreien, doch er ließ sie nicht.
„Du solltest jetzt vieles tun, aber ganz sicher nicht gehen."
Sie wollte das Verlangen verdrängen, das sie verspürte, als er ihr tief in die Augen schaute, doch seine dunkle Stimme ließ sie erschaudern. Trotz des Willens, sich nicht wieder einfach so von ihm um den Finger wickeln zu lassen, musste sie zugeben, dass sie tiefere Gefühle für ihn entwickelt hatte, denn sonst hätte sie die Vorstellung, er könnte auch noch mit anderen Frauen schlafen, nicht gestört. Seine Hand fuhr grob in ihr Haar und zog sie zu sich heran, um schließlich ihre Lippen mit seinen zu verschließen.
Er küsste sie für seine Verhältnisse fast schon sanft und zurückhaltend, um ihr die Chance zu geben, zurückzuweichen, doch auch, wenn sich ein Teil in ihr gegen diesen Kuss wehrte, tat sie es nicht. Sie fühlte sich vielmehr wie paralysiert.
„Marten...", flüsterte sie hilflos, doch er grinste nur wissend in den Kuss hinein.
„Sicher, dass du nicht willst?", flüsterte er und küsste sie ein weiteres Mal. Diesmal war sein Kuss stürmisch und fordernd, seine Zunge drückte ungeduldig gegen ihre Lippen.
„Bitte...", flehte sie beinah zwischen zwei Küssen, doch er lachte nur in den Kuss hinein.
„Wenn du es sagst, höre ich sofort auf", versprach er und nahm sie zwischen der Tür und seinem Körper gefangen. Ehe sie wieder zu Atem kam, verschloss er ihre Lippen mit einem weiteren Kuss, der ihr den Verstand raubte. In dem Augenblick brach ihr Widerstand und sie erwiderte seinen Kuss, suchte seine Zunge, während er wieder in ihren Mund eindrang und sie immer wieder reizte, um sich dann wieder zurückzuziehen, an ihren Lippen saugte, in sie hineinbiss, dann seinen Kuss wieder intensivierte, bis ihr schwindelig wurde von dem Tempo, das er vorgab.
Kurz darauf fand sie sich im Schlafzimmer auf seinem Bett wieder. Noch Minuten nach ihrem heftigen Orgasmus lagen sie halb auf, halb nebeneinander und bewegten sich nicht, während ihre Fingerspitzen kleine Kreise auf seinem muskulösen Rücken zogen.
Natürlich war sie wieder schwach geworden. Er wusste einfach, wie er sie reizen musste, um zu bekommen, was er wollte. Doch sie bereute es nicht. Der Sex mit ihm war wirklich unglaublich. Ob die anderen Frauen genauso überwältigt waren wie sie?
Sie seufzte lautlos. Drei Stück. Die Vorstellung, dass er praktisch jeden Tag eine andere besucht hatte, gefiel ihr überhaupt nicht. Dabei ging es sie im Grunde genommen gar nichts an. Sie führten keine Beziehung miteinander, also gab es praktisch auch keine Ansprüche oder Verpflichtungen.
Nach ihrer schweren Enttäuschung durch Nicks Verrat an ihrer Beziehung wollte sie auch gar keine Verpflichtungen mehr eingehen. Sie wollte einfach die Zeit genießen, die sie mit Marten teilte. Doch auch, wenn der Sex extrem gut war: er war gefährlich. Sie hatte ihn noch immer nicht gefragt, wie er sein Geld verdiente, doch eigentlich wusste sie es bereits. Er würde eines Tages sich selbst und vielleicht auch sie in Schwierigkeiten bringen. Ob es das wert war? Für eine Affäre?
Eine Affäre.
Erst jetzt, als sie die Worte in ihrem Kopf wiederholte, wurde ihr klar, dass Janet Recht hatte und er tatsächlich die erste Affäre ihres Lebens war. Das einzige, was sie verband, war Sex; neben ihrer Liebe für Gangsterfilme vielleicht. Sonst waren sie einfach zu unterschiedlich; sie bemühte sich, ein ordentliches Leben zu führen, ihren Job gut zu machen, sich gesund zu ernähren, keine Drogen zu nehmen und Menschen in der Erreichung ihrer Ziele zu unterstützen. Er war ein Nachtmensch, hatte ein Aggressionsproblem, trieb sich herum, trank und kiffte gern und schleppte batzenweise bunte Scheine in seiner Bauchtasche nach Hause.
Marten regte sich und unterbrach sie in ihren Gedanken. Er rollte sich auf die Seite und betrachtete sie schweigend. Sie verlor sich einen Moment lang in seinen Augen, als er ungewohnt zärtlich über ihr Gesicht strich und leicht lächelte. Er suchte heute übermäßig viel Nähe und sie hätte gelogen, wenn sie gesagt hätte, dass ihr das nicht gefiel; vielleicht schon etwas zu sehr für eine Affäre.
„Was ist?", fragte er heiser.
„Triffst du Nora noch?"
Er hielt ihrem prüfenden Blick stand und schüttelte ungläubig lächelnd den Kopf.
„Ich habe dir gerade das Hirn rausgefickt und du denkst trotzdem noch an die?"
„Und?", wollte sie wissen.
„Nein", versicherte er ihr und rückte noch ein Stück zu ihr heran.
Er betrachtete sie einen Moment, dann schüttelte er leicht den Kopf.
„Was?", wollte sie wissen.
„Eigentlich solltest du jetzt gar nicht mehr in der Lage sein, an irgendetwas zu denken", stellte er leise fest. Seine Stimme erzeugte einen wohligen Schauer auf ihrer Haut. Sie lächelte unwillkürlich.
„Es beschäftigt mich einfach", antwortete sie.
„Wegen deinem Ex?", fragte er.
Sie verlor sich einen weiteren Moment in seinen Augen. Kurz dachte sie darüber nach, ihm ausführlich von Nick zu erzählen, war aber der Meinung, dass so viel Offenheit nicht angebracht war. Außerdem hatte er schon genug auf Maxwells Party mitbekommen, um das Rätsel selbst zu lösen.
„Ich will die einzige sein, mit der du schläfst."
„Seit ich mit dir schlafe, schlafe ich mit keiner anderen mehr. Okay?", versicherte er, dann verschloss er ihre Lippen mit einem Kuss. Sie seufzte schwer und verdrängte die Gedanken rund um andere Frauen, genoss es einfach, dass sie diesen Moment mit ihm hatte. Schließlich war er unberechenbar und konnte morgen schon wieder auf Distanz zu ihr gehen. Eine ganze Weile blieb sie noch neben ihm liegen, während er einen Joint rauchte.
Sie lehnte ihren Kopf an seine Schulter und legte ihre Beine über seine. Die Wärme seines Körpers hüllte sie ein und sie schob eine Hand auf seinen Bauch. Hin und wieder kratzte sein Bart an ihrer Stirn. Es war seltsam, doch sie fühlte sich ihm in diesem Augenblick unglaublich nah. Sie sprachen nicht miteinander. Sie lag einfach nur in seinem Arm und hing ihren Gedanken nach. Es war verrückt, aber sie fühlte sich einfach geborgen in diesem Moment, also blieb sie einfach liegen und genoss diese unerwartete Nähe, die er sonst kaum zuließ.
Eine ganze Weile ließ sie ihre Fingerspitzen über seine Haut streichen. Dann fiel ihr Blick auf eine weiche Erhebung im Lendenbereich. Sie fuhr sanft darüber, ertastete sie. Es handelte sich um eine etwa acht Zentimeter lange Narbe, doch da die bunte Farbe seiner Tattoos sie überdeckte, war sie ihr bisher noch nicht aufgefallen.
„Sieht übel aus", sagte sie und schaute erwartungsvoll in sein Gesicht.
„Halb so wild", spielte er die einstige Verletzung seltsam kühl herunter, bevor er nach ihrer Hand griff und sie von der Narbe wegführte.
„Was hast du da gemacht?", fragte sie.
„Hör auf, immer so neugierig zu sein", erwiderte er abweisend.
Sie seufzte schwer, als sie erkannte, dass, nur, weil er ihre körperliche Nähe suchte, das noch lang nicht bedeutete, dass er sich ihr auch tatsächlich öffnete. Er hielt sie nach wie vor auf Distanz. Die Erkenntnis versetzte ihrem Herzen einen kleinen Stich, denn sie hatte gedacht, dass sie wirklich dabei waren, Fortschritte zu machen.
„Was ist so schlimm daran?", hakte sie dennoch nach.
Er verdrehte die Augen.
„Ich war nachts im Meer schwimmen. Hab mich an nem Felsen geschnitten. Ich hoffe, du fühlst dich jetzt besser", offenbarte er gereizt.
Sie konnte nicht verstehen, wieso er sich manchmal so verschlossen verhielt. Sich beim Schwimmen zu verletzen, war nun wirklich kein zu hütendes Geheimnis. Doch vielmehr als über seine zurückweisende Art ärgerte sie sich über sich selbst; darüber, dass sie ihre Emotionen ihm gegenüber nicht unter Kontrolle hatte. Abgesehen davon, dass sie kein Anrecht darauf hatte, die einzige Frau in seinem Leben zu sein, waren die Gefühle, die damit verbunden waren, nicht richtig. Es zeigte, dass er ihr mehr bedeutete als gewollt – und seine Reaktion sprach dafür, dass es andersherum nicht so war. So sehr sie seine Nähe heute genoss; sie durfte sich nicht daran gewöhnen.
Die Vorstellung, dass er sie trotzdem gleich wieder allein lassen würde, bedrückte sie. Sie wollte sich nicht wieder schlecht fühlen. Obwohl es gerade so schön mit ihm war, musste sie ihm zuvorkommen, um sich vor einer Enttäuschung zu bewahren. Also löste sie sich von ihm und krabbelte aus dem Bett.
„Gehst du rüber?", fragte er, als sie damit begann, ihre Klamotten zusammenzusuchen.
„Ja", sagte sie, „Ich weiß schließlich, dass du lieber allein schläfst."
Martens Blick veränderte sich seltsam.
„Okay."
Ich weiß, ihr seid jetzt sicher enttäuscht, dass ich den heißen (Versöhnungs-)Sex ausgespart habe, aber in dem Fall ging es viel mehr um das Zwischenmenschliche der beiden und deshalb habe ich den Schwerpunkt auch darauf gelegt.
Wie hat euch das Kapitel gefallen? Findet ihr gut, dass sie ihm die Meinung gesagt hat? Was haltet ihr davon, dass er versucht hat, sie aufzuhalten und sie schlussendlich trotzdem wieder miteinander im Bett landen? Und was ist sein Problem am Ende des Kapitels? Versteht ihn irgendjemand? Ich bin gespannt auf eure Kommentare.
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