02 | Marten

Weil ihr es euch gewünscht habt, hier das zweite Kapitel. Ich wünsche euch viel Spaß. :)

„Sind wir noch Freunde?"

Sie musterte ihn ernst.

„Nur, wenn du das nie wieder machst, du Arsch."

Als das Klingeln sie am nächsten Morgen aus dem Schlaf riss, brauchte sie einen Moment, sich zu orientieren. Schließlich hatte sie die erste Nacht in ihrer neuen Wohnung verbracht. Das Letzte, woran sie sich erinnerte war, dass sie Maxwell irgendwann zur Tür gebracht hatte. Doch sie wusste nicht einmal mehr, wann genau er gegangen war.

Es klingelte erneut. Sie öffnete ihre Augen einen Spalt und schaute verschlafen auf das Display ihres Smartphones. Wer auch immer so mutig war, sie aus dem Bett zu klingeln, sollte sich jetzt besser warm anziehen.

Sie strich ihre zerzausten, blonden Haare glatt, quälte sich aus dem Bett und bahnte sich ihren Weg durch den kleinen, noch immer mit Kartons vollgestellten Flur. Müde nahm sie den Hörer in die Hand. „Hallo?"

Noch während sie auf eine Reaktion wartete, klopfte es von außen an der Wohnungstür. Sie hängte den Hörer zurück, drehte den Schlüssel im Schloss herum und zog verschlafen die Tür auf. Als sie in Martens geheimnisvolle Augen sah, erstarrte sie in ihrer Bewegung. Das weiße Shirt spannte über seiner muskulösen Brust und gab einen Blick auf seine tätowierten Arme frei. Selbst in Shirt und Jogginghose war er unglaublich heiß.

„Hab ich dich geweckt?"

Seine Stimme war kühl, hatte jedoch etwas Anziehendes. Er war fast einen Kopf größer als sie und sah prüfend mit einem Blick auf sie herab, der sie erschaudern ließ. Jedem anderen hätte sie jetzt eine Ansage zur unchristlichen Uhrzeit gemacht, doch er strahlte durch seine Größe, seine Statur und die vielen Tattoos eine gewisse Autorität aus und sie war sich nicht sicher, ob sie eine Auseinandersetzung mit ihm unbeschadet überstehen würde.

„Äh, ja, nein", antwortete sie, darauf bedacht, seinem Blick nicht auszuweichen.

„Maxwell hat gesagt, er hat deine Nummer falsch abgespeichert. Zahlendreher oder so. Jedenfalls hat ihm irgendeine andere Alte zurückgeschrieben", erklärte er sachlich.

Ein kühler Luftzug aus dem Flur ließ ihren Körper frösteln.

„Komm kurz rein", bot sie an und machte einen Schritt nach hinten. Er folgte ihr in die Wohnung und sie schloss die Tür. Dabei fiel ihr Blick in den kleinen Spiegel an der Garderobe hinter ihm. Ihre Haare standen in alle Richtungen ab. Außerdem trug sie nur eine Hotpants und ein Tanktop. Wenn er sie so gesehen hatte, war jetzt alles andere auch egal.

„Wenn du mir deine Nummer gibst, leite ich sie Maxwell als Kontakt weiter."

Martens fordernde Stimme erzeugte einen wohligen Schauer auf ihrer Haut. Trotzdem durchschaute sie seinen Versuch sofort. Sie konnte es ihm nicht verübeln, schließlich hatte sie ihn gerade spärlich bekleidet in ihre Wohnung gebeten. Dumm war er nicht. Es gab bestimmt ein paar Mädchen, die ohne zu zögern auf diesen Trick ansprangen.

„Gib du mir einfach seine, dann schreibe ich ihm gleich selbst. Ich hole kurz mein Handy", erwiderte sie und ließ ihn kurz im Flur allein. Als sie zurückkam, ließ er gerade neugierig seinen Blick über ihre noch immer nicht ausgepackten Umzugskartons schweifen.

„Ich bin so weit", sagte sie und beobachtete ihn dabei, wie er sein Handy aus der Hosentasche seiner Jogginghose zog. Er tippte auf dem Display herum, dann fiel sein geheimnisvoller Blick wieder in ihre Augen und er diktierte ihr die Nummer. Als Nika sie gespeichert hatte, verabschiedete er sich knapp und verschwand; so schnell, dass sie nur einen flüchtigen Blick auf seinen knackigen Arsch werfen konnte. Sie schaute ihm kopfschüttelnd hinterher. Jeder andere Mann hätte sie in diesem knappen Outfit zumindest ausgecheckt, doch er hatte sie nicht einmal richtig angesehen.

Sie schob ihre Gedanken über sein seltsames Verhalten zur Seite und rief Maxwell an. Es dauerte eine ganze Weile, bis er das Gespräch annahm.

„Hey, ich bin's. Nika."

„Heeeeeyyyy", sagte Maxwell fröhlich, „Alles gut bei dir?"

„Dein Weckdienst war eben hier", knurrte sie und machte sich einen Senseo-Kaffee mit ihrer alten Kaffeemaschine.

„Sorry, aber ich hab irgendwas falsch eingespeichert", erklärte er.

„Hab ich schon gehört. Bist wohl abgeblitzt", grinste sie, nahm die Kaffeetasse und fiel auf einen weißen Holzstuhl in ihrer Küche.

„Ja, Digga. Voll der Film so früh am Morgen. Die hat sich richtige Filme geschoben. Woher hast du meine Nummer? Lüg nicht. Dies, das. Was machst du heute Abend?"

Sie stellte die Tasse auf ihrem weißen Küchentisch ab.

„Weiß nicht, warum?"

„Komm vorbei. Ich hab ein paar Leute eingeladen."

„Klingt cool. Wann?", fragte sie

„Neun oder so. Ich sag dir nochmal Bescheid. Marten kann dich mitnehmen."

Ihr wurde gleichzeitig heiß und kalt bei der Vorstellung, noch mehr Zeit mit diesem ominösen, wortkargen Typen zu verbringen. Trotzdem freute sie sich auf den Abend bei Maxwell. Gestern um dieselbe Zeit hatte sie nicht einmal gewusst, dass er überhaupt noch Interesse an ihrer Freundschaft hatte.

Sie machte sich fertig, erledigte ein paar Besorgungen, aß etwas und ging schließlich baden, um sich im Anschluss für den Abend bei Maxwell fertigzumachen. Er hatte ihr zwischenzeitlich noch einmal geschrieben und sie mit weiteren Details versorgt. Da sie nur bei ihm zuhause chillen würden, hatte sie sich etwas Gemütliches angezogen. Sie trug ein graues, ärmelloses Top, eine schwarze Leggings, grau gemusterte Nike Air und eine schwarze Bomberjacke. Geschminkt hatte sie sich nur dezent mit etwas Mascara und einem durchsichtigen Lipgloss.

Sie war gerade damit fertig geworden, ihre Haare zu glätten, als es an der Tür klopfte. Nika versuchte, diese seltsame Nervosität zu unterdrücken, als sie Marten die Tür öffnete. Er stand vor ihr, in einem bunten Jogginganzug, und schaute auf sie herab. Sie meinte, den Ansatz eines Lächelns in seinen Mundwinkeln zu erkennen, war sich aber nicht sicher. „Bist du fertig?"

„Ja, klar", sagte sie und versuchte, dabei nicht so unsicher auszusehen wie sie sich fühlte. Dieser seltsam durchbohrende Blick von Marten löste ein leichtes Unbehagen in ihr aus. Sie konnte ihn nicht einschätzen. Sie schnappte sich ihre Tasche und ihren Schlüsselbund und zog die Tür hinter sich zu, dann lief sie vor ihm die Treppe hinunter. Sie war sich nicht sicher, ob er ihren Arsch in diesen Leggings abchecken wollte, denn anders als bei anderen Männern konnte sie seinen Blick nicht in ihrem Rücken spüren. Sie jedenfalls hatte ihn abgecheckt; seine geheimnisvollen Augen, sein düsteres Gesicht, seine starken Arme und seinen muskulösen, mit Tattoos übersäten Oberkörper, sogar seinen Arsch, als er ihre Wohnung heute Morgen verlassen hatte. Sie schwiegen, während sie den kleinen Gehweg entlang bis zu seinem protzigen, dunklen Mercedes liefen. Josh wusste ganz sicher, was genau das für einer war, aber Nika interessierte sich nicht für Autos. Für sie sah der Wagen einfach nur teuer aus.

„Steig ein", forderte er, so, als müsse er sie erst noch darum bitten. Sie fiel in das weiche Leder des Beifahrersitzes. Der leichte Duft von Weed vermischte sich mit dem eines Vanille-Duftbaums und seinem guten Parfum, als er sich auf den Fahrersitz fallen ließ. Sie schnallte sich an und warf ihm einen unauffälligen Seitenblick zu. Die Jacke seines Jogginganzugs spannte über seinen Oberarmen, als er sich lässig in das weiche Leder des Sitzes sinken ließ und den Wagen startete. Er hatte wirklich irgendwas. Sie erschrak, als plötzlich laute Musik aus den Boxen dröhnte.

„Gefällt dir? Oder eher nicht so?", versuchte er den alten DMX-Song zu übertönen und fuhr aus der Parklücke. Nika lächelte. „Ist okay."

Marten schmunzelte leicht, dann drehte er die Musik noch etwas lauter. Als er einen vorgedrehten Joint aus der Bauchtasche zog, fiel Nikas Blick ungewollt auf die vielen bunten Geldscheine darin. Bevor er ihre Überraschung bemerken konnte, schaute sie schnell wieder aus dem Fenster. Er steckte sich die Tüte zwischen die Lippen, zündete sie an und inhalierte. Dann ließ er das Fenster auf seiner Seite ein Stück herunter, um etwas frische Luft hineinzulassen, rappte den Song mit und zog zwischendurch immer mal wieder am Joint.

„Du kiffst nicht, oder?", fragte er irgendwann, als sie an einer Ampel hielten, und hielt ihr den dampfenden Joint hin. Sie grinste. „Ich bin auch ohne behindert genug."

Marten lachte.

Es war das erste Mal, dass sie ihn lachen sah – und es war noch heißer als er selbst.

„Hast du noch nie?", fragte er und schaute neugierig in ihre Augen.

„Doch, schon, aber-"

Er verdrehte die Augen und seufzte.

„Du musst vor mir nicht auf anständig machen", versicherte er ihr.

„Doch nicht deshalb. Ich mache das einfach nur nicht mehr. Außerdem bin ich anständig", gab sie zurück.

„Du hast mir in ner verdammt kurzen Hose die Tür aufgemacht."

„Du hast mich quasi aus dem Bett geschmissen!", rechtfertigte sie sich lachend und schlug ihm spielerisch gegen den Arm. Sofort begannen ihre Finger zu kribbeln. Erst jetzt realisierte sie, dass sie ihn das erste Mal wirklich berührte – abgesehen von seinem Händedruck bei ihrer ersten Begegnung.

Martens undurchdringlicher Blick ruhte auf ihr. Sie konnte nicht ablesen, was er dachte, doch zu ihrer Erleichterung schaltete die Ampel genau jetzt auf grün. Er schaute ihr jedoch noch einen Moment ins Gesicht, zog an seinem Joint und blies ihr mit diesem unergründlichen Gesichtsausdruck den Rauch um die Nase. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als sie sich im tiefen Blau seiner Augen verlor. Sie konnte ihn gerade unmöglich nicht attraktiv finden. Erst jetzt, als sie den Rauch durch ihre Nase einsog, wandte er seinen Blick wieder auf die Straße und beschleunigte den Wagen. Sie versuchte unterdessen, ihr klopfendes Herz wieder unter Kontrolle zu bringen.

Umso erleichterter war sie, als sie mit reichlich Verspätung vor Maxwells Haus aus dem Auto stiegen. Marten hatte an einer Tankstelle noch Alkohol und Zigaretten gekauft und sich dabei mit ein paar Fans beim Fotos machen verquatscht.

„Ihr seid spät dran", begrüßte Maxwell sie, als er ihnen die Türöffnete.

„Das ist seine Schuld", sagte Nika ernst und deutete auf Marten. In der einen Hand hielt er eine Flasche Jack Daniels, in der anderen eine Flasche Absolut Vodka. Maxwell begrüßte die beiden grinsend, Nika mit einer Umarmung und Marten mit einem Handschlag, und ließ sie herein. Nika folgte den beiden durch den geräumigen Flur ins Wohnzimmer.

Ein paar Typen chillten auf Maxwells riesiger Couch, überall auf dem Glastisch standen Gläser, Becher und Flaschen herum, dazwischen lag bergeweise Ott. Der wahrscheinlich größte Typ von allen reichte Nika zuerst seine Hand. „Bist du Nika? Ich bin John."

Sie lächelte und schüttelte seine Hand.

„Maxwell hat also schon von mir gesprochen", stellte sie zufrieden fest und bedachte ihn mit einem flüchtigen Seitenblick.

„Ja, warst wohl ne ziemliche Nervensäge in eurer Schulzeit", kommentierte John grinsend, bevor er ihr die anderen vorstellte. „LX, Bobby, Nika." Sie begrüßte auch die anderen Jungs, dann fiel sie neben Marten auf die Couch.

„Was willst du trinken?", fragte John. Sie ließ ihren Blick über die Getränke auf dem Tisch schweifen. „Misch du mir was Gutes", sagte sie und warf all ihre guten Vorsätze über Bord, sich endlich wieder gesund und ausgewogen zu ernähren. Der Abend verlief ziemlich chaotisch. Nika lachte viel, trank ein wenig, und fühlte sich wohl in der Gegenwart von Maxwell und seinen Jungs. Je mehr Zeit sie mit ihnen verbrachte, desto mehr konnte sie verstehen, wieso dieser Haufen Verrückter so etwas wie eine Familie für Maxwell geworden war. Erst, als es spät abends noch einmal klingelte und ein paar spärlich bekleidete Mädchen das Wohnzimmer betraten, sank ihre Laune. Sie stutzte, als sie in eines dieser völlig überschminkten Gesichter schaute. Es kam ihr bekannt vor, doch sie konnte es im ersten Moment nicht zuordnen. Die Dunkelhaarige zog sich ihre Jeans-Hotpants zurecht und schaute von oben arrogant auf Nika herab.

Erst wandte sie ihren Blick ab und trank einen Schluck von der Mische, die John ihr gegeben hatte, doch dann erstarrte sie in ihrer Bewegung. Plötzlich sah sie diese Dunkelhaarige vor sich, so, als wäre es gerade eben erst passiert. Nika musterte sie bedrohlich aus zusammengekniffenen Augen. Hatte sie vielleicht schon zu viel getrunken?

Nein.

Sie war es tatsächlich.

Nora.

Das konnte nicht wahr sein.

Puh. Wer ist diese Nora und was verbindet die beiden? Habt ihr eine Idee?

Und wie hat euch das 2. Kapitel gefallen?

Wie hättet ihr reagiert, wenn Marten plötzlich vor eurer Tür gestanden hätte? :p Wäre es euch unangenehm, ihm völlig verschlafen die Tür zu öffnen?

Wie es jetzt wohl weitergeht? Schreibt es in die Kommentare. 

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