Kapitel 25 : On my way

♪♫♪ Listened to by walls, we share the same spaces, repeated in the corridors, performing the same movements. Storey to storey, building to building, street to street we pass each other on the stairs. ♪♫♪ -INXS „The stairs"-

Als ob ich es geahnt hätte: Wir müssen alles vergessen, was wir in den letzten beiden Wochen erlebt haben. Im Men-in-Black-Stil oder mittels einer Pille wie in „Torchwood", das ist hier die Frage. Allerdings ist diese Science-Fiction hier im Gegensatz zu diesen beiden Serien äußerst real, so real wie die Musik von vorhin, die nun langsam aus dem Nichts erneut anschwillt...

... here I am, lost in the ashes of time, but who owns tomorrow?

... Leider. Doch wenn ich mich richtig erinnere, gilt der Teil mit dem Auslöschen der Erinnerungen nur für meinen Banknachbarn, während ich unbehelligt bleibe. Hat der Fahrer dieses Taxis etwa Mitleid mit mir, weil ich mit dem Gips, der laut Plan übermorgen bereits runter müsste, schon gestraft genug bin? Sollte wirklich das eintreten, was ich mir zusammenreime, wird es für ihn nicht leichter werden, sobald er wieder in seinen eigenen Körper zurückgekehrt ist – und schon gar nicht, wenn er den Brief von Beth liest.

Ich fürchte, ich bin dem jungen Mann eine ausführliche Erklärung schuldig...

Fassungslos lasse ich den Schwall an Worten, der auf mich einströmt, über mich ergehen. Zuerst jener Unfall in der Weihnachtsnacht und mein Handicap, an dem sämtliche unserer Auftritte während unserer Tournee um ein Haar gescheitert wären. Dann der Zoff mit meiner Noch-Schwägerin, und zum Schluss das Eintrudeln des Filmteams um unseren Lieblingsregisseur. Doch was viel schwerer wiegt als alles zusammen, ist Beth: Verschwunden, weil ich es verkackt habe? Der Brief, der mir in die Hand gedrückt wird, spricht eine leider nur allzu deutliche Sprache.

... und deshalb musst du, Tim, alles vergessen, was du seit Weihnachten in Nicoles Zeit erlebt hast...

Schön wär's. Als ob ich den Brief oder das, was ich gerade gehört habe, je vergessen könnte! O ja, dafür wird er schon sorgen. Er, der gerade versucht, Licht ins Dunkel seiner Identität zu bringen, da anscheinend nicht nur ich dastehe wie der Ochs vorm Berg.

„Nennt mich Macht des Schicksals, X-Faktor oder auch St. Jude, auch wenn ich weiß, wie wenig ihr alle heutzutage noch an Wunder oder die göttliche Vorsehung glaubt."

Diese Ansprache hat uns beiden gegolten, doch ich weiß genau, worauf er anspielt: St. Jude – der heilige Judas Thaddäus, Schutzpatron der hoffnungslosen Fälle. Schon einmal haben sich unsere Wege gekreuzt. Letzten Winter in Prag. Und mir ist fast so, als hätte er mich seitdem nicht mehr aus den Augen gelassen und nur auf seine Chance der Wiedergutmachung gewartet: dafür, dass es nicht er war, der mir den Arsch gerettet hat, sondern Michael – zusammen mit diesem seltsamen Vertreter unserer Botschaft...

Natürlich wird er mir diese Erinnerung nicht nehmen. Er wird schon dafür sorgen, dass ich das, was mir mein Tauschgegenstück gerade erzählt hat genauso wenig vergesse. Wozu hätte er sonst dafür gesorgt, dass mir durch das Leeren unserer Taschen der Brief meiner Liebsten in die Hände gerät?

Buffy...

... in between the longing to hold you again. I'm caught in your shadow, I'm losing control. My mind drifts away, we only have today...

Auch ohne das Gefasel „St. Judes" von feststehenden Ereignissen in Raum und Zeit erkenne ich jetzt ganz deutlich, dass sie die Eine ist, auf die es wirklich ankommt und die ich über diesen Zettel mit den fünf Phasen beinahe vergessen hätte.

Das machen mir die in der Luft immer klarer schwebenden Klänge nur zu bewusst: fünf Phasen, von denen ich die eine des Verhandeln-Wollens längst hinter mir gelassen habe, weil ich mich bereits auf dem Weg zu den nächsten beiden befinde. Allerdings bekomme ich immer mehr den Eindruck, dass sie sich nur schwer voneinander trennen lassen – ähnlich wie ein doppelgesichtiger Joker, bei dem auch niemand weiß, an welcher Stelle der eine Zustand in den anderen übergeht.

Ob das eine das andere bedingt und meine Verzweiflung darüber, dass ich nur auf die von dem Kerl am Steuer beschriebene Weise zurückkehren kann, nötig ist, damit ich verstehe? Verstehe und akzeptiere, dass es gar nicht anders sein kann – ja, dass es sogar sein muss? Nein, meinem besten Freund werde ich nicht helfen können – nicht in dieser und auch in keiner anderen Welt; aber wenn ich nur so mein Leben mit Beth, meiner Buffy, retten kann, dann soll es so sein. Und so tue ich schweren Herzens das, was ich schon längst hätte tun sollen: Ich lasse los.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Andere zu dem gleichen Entschluss gekommen ist. Sonst könnte das hier noch sehr lange dauern.

... touch me and I will follow in your afterglow. Heal me from all this sorrow, as I let you go...

In die Klänge der Sitar mischt sich irisierendes Licht von draußen, breitet sich gleißend hell zwischen Tim und mir aus und überstrahlt dabei den Fahrer, heller als tausend Sonnen. Was unser ganz persönlicher „X-Faktor" auch zu uns noch in den letzten Augenblicken gesagt haben mag, es geht unter in der letzten Strophe des Liedes um uns herum.

... I will sacrifice 'til the blinding day when I see your eyes. Now I'm living in your afterglow.

Dann verhallt auch diese, und ein Ruck geht durch meinen Körper, ganz so wie in jener Nacht, in der sich der Riss in Zeit und Raum ausdehnte und uns beide verschlang. Tim und mich. Nicole Simon und Timothy William Farriss, die sich in der Wirklichkeit niemals getroffen hätten, wäre da nicht diese gefühlte Ewigkeit gewesen, in der Zeit und Raum scheinbar stillstanden und die Welt da draußen zu unwirklichen Schatten verschwamm.

Eine Ewigkeit, die in Wahrheit jedoch nicht mehr als zehn Minuten gedauert hat, wie ich feststelle, nachdem sich die Tür zu meiner Rechten geöffnet hat, um mich wieder auszuspucken und am Straßenrand zurückzulassen. Keine Minute zu früh, übrigens, denn als ich benommen aufsehe, steht Eva mit einem Gesicht vor mir, auf dem sich mehr Fragen abzeichnen, als ich vermutlich je beantworten könnte.

Was in meiner Abwesenheit passiert ist, kann ich mir anhand dessen, was mir Tim in unserem ganz persönlichen Never-Neverland in wenigen Sätzen berichtet hat, grob zusammenreimen. Und der Zettel in meiner Gesäßtasche? Ich bin mir sicher, Eva wird mir nach und nach haarklein aus ihrer Sicht erzählen, was für sie der Auslöser dafür war, dass sie ihn überhaupt erst geschrieben hat.

Doch eines steht für mich schon jetzt fest: Von nun an bin ich nicht mehr von dem Wunsch besessen, das Leben anderer in Ordnung zu bringen, wenn es bei mir weiß Gott genügend Baustellen gibt. Und ich spüre: Das hier ist womöglich nicht das

sondern erst der Anfang zu etwas Größerem.

Zitat: 38 Wörter - Text: 1081 Wörter - insgesamt: 1119 Wörter





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