Chapter 4 [Julian]
Ich liebte Madi. Ich liebte sie wirklich, was mir wieder einmal bewusstwurde, als wir zusammen bei Abendessen saßen. Ethan übernachtete bei einem seiner Freunde, weshalb Madi und ich nur mit Freya und Layla aßen. Mein Teller war bereits leer und ich hatte keinen Hunger auf eine zweite Portion, womit ich in Ruhe beobachten konnte, wie liebevoll und fürsorglich Madi mit unseren Töchtern umging. Worüber genau sie redeten, hatte ich nicht mitgekriegt, doch sie brachte die beiden zum Lachen, was niedlich war.
Madi war eine tolle Mutter und darüber hinaus eine wundervolle Ehefrau. Trotz ihres Jobs als Physiotherapeutin hatte sie es all die Jahre geschafft, genug Zeit für die Kinder und mich zu haben. Sie ließ es so wirken, als wären alle Aufgaben, die sie erledigen musste, leicht und kein Problem für sie. Dass das nicht der Wahrheit entsprach, wusste ich. Immerhin waren wir seit 17 Jahren zusammen und ich war in ihren tiefsten Momenten an ihrer Seite, genau wie sie in meinen schweren Zeiten sie an meiner gewesen war. Wir hatten einige Dinge zusammen durchgestanden und erlebt, wodurch wir zusammengewachsen sind. Ich war ihr für alles dankbar, was sie für mich mitgemacht hat. Sie hat in London für mich alles stehen und liegen lassen und ein neues Leben in Madrid begonnen, hat mich nach Niederlagen aufgebaut und während Verletzungen gepflegt. Madi war immer für mich da gewesen und dafür liebte ich sie.
Daran, dass ich Madi liebte, war nicht zu zweifeln. Allerdings musste ich mir eingestehen, dass ich sie nicht mehr so liebte, wie man seine Ehefrau lieben sollte. Ich war ihr dankbar für die Momente, in denen sie für mich da war, und bewunderte sie dafür, dass sie als Mutter einen großartigen Job machte. Jedoch sind die Berührungen und Zärtlichkeiten zwischen uns in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Wir hatten uns keine Zeit mehr füreinander genommen, sondern uns nur mit den Kindern oder unseren Jobs beschäftigt. Zwar redeten wir immer noch viel und tauschten uns aus, doch ging es dabei viel mehr um die Kinder, wie zwei Eltern das nun mal taten, und nicht um uns, zwei verheiratete Menschen, die sich eigentlich von ganzen Herzen lieben sollten.
Je mehr ich darüber nachdachte, desto perplexer wurde ich. Wann hatten Madi und ich uns das letzte Mal geküsst? Wann saßen wir zuletzt kuschelnd auf der Couch? Wie sah es überhaupt in Madisons Berufsleben aus? Ich konnte mich dunkel daran erinnern, dass ihr Chef sie zu einem Gespräch eingeladen hatte... ob das schon stattgefunden hat?
Keine dieser Fragen konnte ich beantworten, was mich innerlich fassungslos werden ließ. Wie konnten wir uns so auseinanderleben, ohne dass wir es merkten? Und wieso störte es mich nicht? Ich interessierte mich natürlich für Madi und ihren Beruf, aber küssend auf der Couch liegen, würde ich nur noch mit einem Menschen wollen, Kai.
Bevor ich noch weiter über meine Gefühle nachdenken konnte, spürte ich auf einmal, wie jemand an meinem Ärmel zupfte:,,Papa! Papa!"
Leicht schüttelte ich den Kopf und drehte mich zu Freya:,,Ja, Kleine?"
,,Ich wollte dir gute Nacht sagen" erklärte sie lächelnd. Verwirrt sah ich zu Madison, da die Zwillinge es gewohnt waren, dass einer von uns sie ins Bett brachte. Grinsend klärte sie mich auf:,,Ich bringe die beiden ins Bett. Räumst du den Tisch ab?"
,,Ja, mache ich" stimmte ich zu, ehe ich Freya kurz hochhob, um ihr einen Kuss auf die Wange zu drücken, ,,gute Nacht, Kleine, schlaf schön."
Als ich Freya wieder abgesetzt hatte, kam auch Layla zu mir und wollte noch einmal ordentlich gedrückt werden, ehe sie zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester nach oben lief. Seufzend blickte ich ihnen hinterher und widmete mich dem Geschirr, als die drei aus meinem Blickfeld waren. Ich liebte die Kinder, mehr als alles andere auf der Welt, und wollte, dass sie ihre Kindheit genossen. Dazu brauchten sie sowohl Madi als auch mich. Ein Grund weshalb ich all meine Gefühle und die Sehnsucht nach Kai unterdrückte. Meine Kinder kamen immer an erster Stelle.
Nach einiger Zeit kam Madison wieder runter. Den Großteil des Geschirrs hatte ich bereits im Geschirrspüler verstaut und war nur noch dabei die großen Töpfe mit der Hand abzuspülen. Madi setzte sich auf einen der Hochstühle, dir wie an der kleinen Theke in der Küche stehen hatten und beobachtet mich eine Weile. ,,Okay, Jule. Was ist los?"
,,Was meinst du?" hakte ich irritiert nach und warf einen kurzen Blick zu ihr, bevor ich den Topf weiter schrubbte.
,,Irgendwas beschäftigt dich. Das spüre ich" entgegnete sie und klopfte auf den Stuhl neben sich, ,,lass die Töpfe stehen. Das können wir nachher immer noch machen. Komm her und erzähl mir, was los ist."
Zögerlich ließ ich den Topf und den Schwamm im Waschbecken liegen. Ich schnappte mir ein Geschirrtuch, was auf der Arbeitsfläche lag und trocknete meine Hände ab. Danach kam ich Madisons Wunsch nach und setzte mich zu ihr:,,Ich habe keine Ahnung, wie ich anfangen soll."
,,Julian, seit wie vielen Jahren kennen wir uns nun schon? Du kannst mir einfach direkt sagen, was dich belastet" lächelte sie aufmunternd. Allerdings wusste ich weithin nicht, wie ich meine Gedanken in Worte fassen sollte. Ich wollte sie nicht verletzten oder etwas sagen, was sie im Endeffekt falsch verstehen konnte. Somit bleib ich still und blickte bedrückend auf meine Hände.
,,Ohje, ist es wirklich so schlimm?" wollte Madi wissen, was ich mit einem leichten Nicken quittierte. Sie schien zu verstehen, dass es mir leichter viel Dinge zu zustimmen, anstatt sie wirklich selbst auszusprechen und fragte daher weiter:,,Hat es etwas mit mir zu tun?"
Wieder nickte ich. Madison seufzte und fuhr sich durch die Haare:,,Das Gespräch über uns musste früher oder später kommen. Es ist nicht mehr wie früher. Findest du nicht?"
,,Du siehst das genauso?" fragte ich überrascht, aber auch erleichtert. Ich wand meinen Blick zu Madi, die mich leicht schmunzelnd an sah:,,Hältst du mich für blöd? Natürlich habe ich gemerkt, dass wir uns distanziert haben. Manchmal habe ich das Gefühl, dass das einzige, was uns zusammenhält nur noch die Kinder sind."
,,Ich verstehe nicht, wie sich das alles so schnell ändern konnte. Als wir hierhergezogen sind, war alles quasi perfekt" murmelte ich und raufte mir die Haare.
,,Jule, dir ist schon bewusst, dass wir vor 12 Jahren hierhergezogen sind? In den Jahren hat sich einiges verändert. Das ist nicht alles von heute auf morgen passiert" gab Madison sanft zurück, ,,wir sollten darüber reden, wie wir nun weitermachen, wenn wir uns einig sind, dass es so, wie es nun ist, nicht mehr funktioniert und unsere Gefühle sich verändert haben."
,,Bevor wir das tun, gibt es noch etwas, was ich dir sagen muss" gestand ich. Ich wollte, dass Kai in meinem zukünftigen Leben eine wichtige Rolle spielte genauso wie ich in seinem. Da Madi die Mutter meiner Kinder war, würden wir die nächsten Jahre noch viel miteinander zu tun haben, weshalb es nur fair wäre, von Anfang an mit offenen Karten zu spielen.
,,Was kommt jetzt? Hast du mich betrogen?" scherzte sie, womit sie Stimmung vermutlich lockern wollte. Jedoch lief mir ein kalter Schauer über den Rücken und ich schluckte. Ab wann hatte man jemanden betrogen?
Als Madison merkte, dass ich mich anspannte und nicht einstimmte, verschwand das Lachen auf ihren Lippen und entsetzt betrachtete sie mich:,,Das ist nicht dein Ernst, oder? Du Arsch. Wie heißt sie?"
,,Das ist etwas komplizierter" merkte ich an, doch bekam von ihr nur einen fragenden Blick, was ich als Aufforderung nahm weiter zusprechen, ,,es ist keine Frau sondern ein Mann und ich habe ihn nicht geküsst oder mit ihm geschlafen. Wir sind nur ausgegangen."
Ich gab Madi einen Moment, um meine Worte zu verarbeiten und sich zu sortieren. Ihr verdatterter Blick zeigte mir, dass sie alles erwartet hätte, aber nicht das. Somit war es für einen Moment still in der Küche, bis Madison sich gesammelt hatte:,,Okay, du hast also einen Mann kennengelernt, mit dem du dich ein paar Mal getroffen hast?"
,,Kennengelernt ist das falsche Wort. Ich kenne ihn schon seit Jahren" erklärte ich ihr zögerlich.
,,Oh mein Gott. Du hattest etwas mit Saúl. Ich wusste, dass ihr euch durch eure gemeinsame Arbeit nähergekommen seid!" Madis Grinsen zeigte mir, dass sie das, was sie sagte, nicht ernst meinte, und nun konnte auch ich mit einstimmen. Saúl und ich kannten uns zwar auch schon Ewigkeiten und unsere Freundschaft wurde durch unsere gemeinsame Arbeit in der Jugendakademie gestärkt, doch mehr könnte daraus nie werden. Zumal Saúl glücklich mit Fernando war, was sowohl Madi als auch jeder andere bei Atletico wusste.
,,Gut, Spaß beiseite. Wie heißt er?" verbesserte Madison ihre Frage von vorhin. Damit erzählte ich Madison von Kai. Wie wir uns damals in Leverkusen kennengelernt hatten, lange zusammen waren, weshalb es zu unserer Trennung kam, unsere lange Funkstille, unser Wiedersehen auf dem La Liga Event und unsere gemeinsamen Treffen in den vergangenen Wochen.
Endlich erfuhr Madi von den wahren Gründen für meinen Wechsel nach London, wo wir uns damals kennengelernt hatten, und auch für meinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft, der dazu diente, dass Kai und ich Abstand voneinander bekamen. Wäre ich in der Nationalmannschaft geblieben, hätten wir weiterhin miteinander zu tun gehabt und uns schwerer mit der Trennung abfinden können.
All die Jahre kannte Madison nur einen kleinen Teil der Wahrheit, da ich alles, was mit Kai zu tun hatte, immer weggelassen hatte. Doch nun ergab für sie alles Sinn und sie hatte Verständnis dafür. Ich war froh, dass Madi so liebevoll und offen reagierte. Sie versicherte mir, dass sie nicht böse war und mich unterstützen, was auch immer ich nun vorhatte. Immerhin wollte sie mich nach 17 Jahren nicht einfach gehenlassen und als Freund behalten, sowohl für die Kinder, als auch für sich.
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Na wenn das nicht mal nach einem klärenden Gespräch klingt. 🤫 Ich hoffe, dass euch dad Kapitel gefällt und lasst gerne Feedback da.
Ich wünsche euch noch eine schöne restliche Woche.💖
Lg. T.
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