Vertrauen in die Freundschaft

Ich gebe zu, wir waren viel zu spät dran.

Seit ich mit Luka zusammen war und seit wir diese unbeschwerten wundervollen Dinge miteinander teilten da ... da waren Raum und Zeit nur noch relativ für mich.

Ich gierte nach seinen Küssen, seinen weichen großen Händen, die meinen Körper so perfekt erhitzen konnten.

Ich liebte es mehr als alles andere auf der Welt in seiner Nähe zu sein, in der ich immer wieder Ruhe fand.

Ich liebte es, vom Klang seiner Gitarre wach zu werden, wenn er neben meinem Bett saß und friedliche Melodien spielte, während ich noch halb schlief.

Und noch mehr liebte ich es, wenn er mitbekam, dass ich wach war, mit dem Musik spielen anhielt und wieder zurück zu mir ins Bett kam.

Ja, ich hatte Fehler gemacht. Und ich würde wohl den Rest meines Lebens immer wieder neue begehen. Aber das Glück würde immer auf meiner Seite sein.

Außer man hatte zu einem Grillabend mit Freunden geladen und war selber der letzte Gast, der ankam.

Nicht nur, dass ich knallrot anlief, als wir auf der Liberty ankamen, ich konnte in jedem Gesicht meiner Freunde lesen, dass sie wussten, warum wir eine gute dreiviertel Stunde zu spät waren.

Alya als Bilderbuchbeispiel vorangehend.

„Schlaft wann anders miteinander, und nicht dann, wann ich riesigen Hunger auf Steak und deinen weltberühmten Nudel-Gemüse-Salat habe!" knurrte sie, als ich die Schüssel auf den beiden aneinandergestellten Tischen links der Bühne abstellte und knallrot anlief.

Ich öffnete die große Einkauftasche, die ich mir unter die Schulter geklemmt hatte und legte noch einige selbstgemachte Baguettes und Brötchen daneben. Dann sah ich meine beste Freundin an. „Tut mir leid." Peinlicher hätte die Situation kaum sein können.

Abstreiten war nicht. Gegenargumente bringen, war noch weniger drin.

Doch dann lachte sie plötzlich hell los und nahm mich in ihre Arme. „Ich bin so froh, dass es dir gut geht. Habt ihr miteinander reden können?"

„Wenn wir es nicht getan hätten, wären wir wohl auch nicht zu spät gekommen." murmelte ich an ihr und schlang selber die Arme um meine beste Freundin.

„Das freut mich so sehr für dich. Du hast es so verdient, glücklich zu sein."

Darauf konnte und wollte ich nicht widersprechen. Ich genoss unsere Umarmung. Bis irgendwann mein Freund neben mir auftauchte.

Er grinste übers ganze Gesicht.

Sanft löste sich Alya von mir und sah zu Luka hinüber. „Ich wünsche euch beiden wirklich nur das Beste!"

Am liebsten hätte ich meine Arme sofort wieder um sie geworfen und sie an mich geklammert. Doch Luka war schneller. Sein linker Arm lag längst um meine Mitte. „Danke, Alya." sagte er mit seiner melodischen tiefen Stimme.

„Nicht der Rede wert!", sagte Alya und nahm sich fast zeitgleich einen Teller vom Buffet, den sie sich mit ordentlich viel Nudelsalat volllud, „Ich weiß, ich weiß, wir haben noch gar nicht angefangen. Aber nach Einsätzen wie dem letzten, habe ich immer Hunger für eine Herde Zebras."

Ich grinste so breit, wie der Mond. „Dann lass ihn dir schmecken!"

„Oh! Du wirst nicht glauben, wie sehr ich das tun werde!" Mit diesen Worten wendete sie sich von uns ab und ging zurück zu Nino und dem Rest der Truppe.

Ich sah zu meinen Freunden hinüber. Sah mit an, wie sie lachten und das Leben feierten.

Und ich hätte es ihnen am liebsten gleichgetan. Doch da blieb dieses seltsame Gefühl in mir zurück.

Irgendwann würde ich mich an nichts mehr hiervon erinnern. An keinen letzten Kuss, an keine kleinen Liebesbekundungen, nicht mehr an das Gefühl, Lukas Hand in meiner zu haben. Ich würde mich irgendwann nicht mehr an das Lachen meines Irgendwann-mal-Kindes erinnern. Nicht an seine ersten Schritte, an seine ersten Worten. Nicht einmal an das erste Ich-liebe-dich von Luka.

„Marinette, was ist los?"

Natürlich hatte es Luka mitbekommen. So wie immer auch. Er hatte Sinne für Gefühlsregungen, die weit über den menschlichen Sinnen hinausgingen.

Ich versuchte mich vom Anblick meiner Freunde zu lösen. Ich wollte glücklich sein. Dieser Abend, diese Nacht würde nur uns gehören. Doch die Erkenntnis über das Schicksal einer Wächterin würde mich immer wieder in solchen Momenten treffen.

Und wer wenn nicht Luka würde es sein, der mich wieder ebnen kann?

Also erzählte ich ihm alles. Angefangen beim Tag, an dem mir Meister Fu die Miraculous-Schatulle übergab, mich zur neuen Wächterin benannte und dann alles vergaß. All die Jahrzehnte waren mit einem Mal aus seinem Kopf verschwunden. Sicherlich hatte er sich schnell wieder verliebt. Er heiratete sogar nochmal die Liebe seines früheren Lebens. Aber es hatte einen enormen hohen Preis dafür gegeben.

Luka hörte mir während der ganzen Zeit nur stumm zu und streichelte meinen Rücken immer wieder, als müsste er mir zeigen, dass er für mich da wäre. Und das wusste ich auch mehr als alles andere zu schätzen.

„Ich hasse ihn nicht dafür. Meister Fu, meine ich. Es war eine ausweglose Situation und sofern es ein Schicksal für uns gibt, war dieser Weg wohl auch wirklich für mich bestimmt. Andernfalls hätte ich sonst nie all diese wichtigen Ladybug-Sachen entdeckt wie die Herstellung der kleinen Glücksbringer, die die Leute vor Hawk Moths Akumas schützen sollen. Ich bin ihm nicht böse. Aber ...", ich brach ab und schüttelte müde den Kopf, „Es wird mich immer wieder daran erinnern, dass ich niemals ein normales Leben führen kann, wenn ich es wirklich wollte. Das ... fühlt sich so ... vorherbestimmt an."

„Dann bleibt uns wohl nur eine Sache übrig."

Mein Kopf schnellte zu Luka hoch. Mit erhoben Brauen betrachtete ich ihn dabei, wie er in seiner Hosentasche nach etwas suchte. Und fand.

Sein Handy. Er entsperrte es und wischte auf dem Display nach rechts, um die Kamerafunktion zu aktivieren.

Ohne, dass ich wirklich wusste, was um mich herum geschieht, hielt er das Handy mit einem Arm weiter von uns weg, drückte seine Lippen auf meine Wange und fotografierte uns dabei. Dann packte er das Handy zurück in seine Hosentasche.

Als er meine Verwunderung immer noch auf meinem Gesicht erkannte, wurde sein Lächeln weich wie Butter. „Wir schaffen Erinnerungen für dich. Jeden Tag aufs neue. Und wenn es wirklich an der Zeit wird, deine Aufgabe an den nächsten Wächter zu übergeben, werden wir uns alle Erinnerungen ansehen. Damit du niemals vergisst, wie unglaublich du bist."

„Ach, Luka." Mir standen die Tränen in den Augen.

Und weil er natürlich wieder einmal besser wusste, dass ich kaum mehr in der Fassung war, weiter zu reden, nahm er mich einfach wieder in den Arm. Und ließ mich den Schmerz vergessen.

Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir so standen. Wie oft er meinen Scheitel küsste und mir immer wieder in mein Ohr kleine Liebesbekundungen flüsterte.

Ich erwiderte sie alle. Und genoss den Moment nur in seinen Armen und von seinem Duft und seiner Wärme umgeben zu sein.

Dann hörte ich plötzlich Schritte hinter uns und mit einem letzten Kuss auf meine Wange, löste sich Luka von mir. Und hinterließ eine unangenehme Kühle auf meiner Haut.

„Ich glaube, ihr beiden müsst miteinander reden." hörte ich Luka sagen und drehte mich herum.

Vor mir stand Adrien. Mit einem milden Lächeln auf den Lippen.

Ja, das mussten wir. Reden.

Luka küsste mich ein letztes Mal auf die Wange, bevor er sagte: „Ich lass euch beiden alleine."

Und das tat er auch.

Ich hatte das Gefühl, dass er mit sich auch meinen rettenden Anker mitgenommen hatte. Mir wurde schlagartig warm. Nein. Mir wurde heiß. Extrem heiß.

Adrien und ich waren alleine. Alleine! Und er wusste, wer ich war!

Verdammt!

Wieso ließ mich Luka alleine damit zurück?

Weil du ein großes starkes Mädchen bist! Du schaffst das!

Ja. Da war wohl was dran.

„Wollen wir uns setzen?" fragte Adrien und deutete zu den Sonnenstühlen, auf denen Luka und ich heute Nachmittag noch gesessen hatten. Ich nickte jedoch und folgte seiner Einladung zu den Stühlen.

Wir nahmen nebeneinander Platz und hätte Adrien nicht die Initiative ergriffen, hätte ich kaum gewusst, wo ich anfangen sollte.

Er lächelte mild und zuckte mit den Schultern. „Ist alles irgendwie komisch gelaufen heute, oder?"

Ich nickte langsam und wachsam und wartete drauf, dass er ... wütend wurde oder verärgert. Ich hätte es ja wirklich verstehen können. „Ja."

Adriens Lächeln würde schmaler. Dann verschwand es völlig. „Ich war so blind gewesen, dich in Ladybug nicht zu erkennen. Ihr seid euch so ähnlich. Du bist so mutig, tapfer und stark. Ich glaube, ich habe mich so sehr in dein zweites Ich verschossen, dass ich vollkommen die Orientierung verloren habe."

Ich zog eine Braue hoch und sah ihn nachdenklich an. „Na ja, nach dem Kuss mit Viperion und mir, dachte ich eigentlich schon, dass du es wüsstest. Immerhin hast du sowohl mich als auch Ladybug mit Luka erwischt."

Adrien lächelte traurig. „Ich nenne es mal das Ladybug-Verliebtheits-Symptom. Aber ja. Ich hätte es da längst merken müssen. Aber ich war blind gewesen."

Ich fasste allen Mut zusammen, der noch in mir schlummerte. „Blind genug, um Kagami in den Sand zu setzen? Sie liebt dich abgöttisch, Adrien. Sie hat so so viele Kompromisse gemacht, um mit dir zusammen zu sein. Sie hat den weiten Weg zwischen New York und Paris in Kauf genommen, hat dich vielleicht Monate nicht mer gesehen und blieb trotzdem unverrückbar an deiner Seite."

Er ließ den Kopf hängen. „Ich weiß."

Mir entfuhr ein tiefes Seufzen. „Ich habe es damals bei Luka nicht besser gemacht. Er hatimmer  alles für mich stehenge lassen und ich habe ihn immer wieder enttäuscht und gekränkt. Wenn du damals nicht den Mut gehabt hättest, mir diesen Korb zu verpassen, hätte ich ihn wohl endgültig verloren."

Wieder lachte er traurig. „An diesem Tag habe ich dich dafür verloren. An ihn."

Mich durchlief ein tiefer Schauer. Ich wusste nicht wirklich, was ich sagen sollte und was nicht.

Hätte ich Adrien früher gesagt, wer ich bin, wären wir ein Paar geworden.

Wer weiß dann schon wie mein Leben jetzt ausgesehen hätte? Immerhin hätte er das Leben als Superheld ziemlich gut nachvollziehen können. Vielleicht wären wir gemeinsam nach New York gezogen und ich hätte mein Studium tatsächlich beenden können.

Adrien hat mir immer verziehen. Als Cat Noir. Immer wieder, wenn ich ihm als Ladybug einen Korb gegeben habe. Er war mein bester Freund gewesen. War immer für mich da und hat jede Abfuhr mit einem Lächeln aufgenommen. Wo er doch selber Adrien war. Mein eigentliches Ziel lag so verdammt nahe. Direkt vor meiner Nase.

„Es wird nicht mehr so wie es früher mal war, nicht M'Lady?"

Bei dem Klang seines Spitznamens für mich, kam ich ins Schmunzeln. „Nein.", sagte ich sofort und sah ihn an, „Aber die Freundschaft, die wir erschaffen haben, wird sich nie ändern. Für mich wirst du immer mein liebenswerter chaotischer Kater bleiben."

Endlich verzogen sich auch seine Lippen zu einem Lächeln. Wenn auch ein recht kleines. „Und du wirst für mich immer die tapfere, mutige und starke Marinette bleiben. Meine beste Freundin. Und meine Heldin."

Ich griff nach seiner Hand und nahm sie in meine. „Du bleibst auch mein absoluter Spitzenheld. Aber da wäre noch eine Kleinigkeit." sagte ich und deutete zu unseren Freunden, die sich gerade alle zu dem neusten Gast herumgedreht hatten und ihn begrüßten. Kagami.

„Sie hatte dich damals für mich freigegeben, als sie meine Euphorie für dich mitbekommen hat. Sie hat auf dich gewartet und dich immer unterstützt. Ihr tatet einander so unendlich gut. Rede mit ihr. Selbst, wenn du das Gefühl hast, dass du ihr keine feste Beziehung bieten kannst, rede mit ihr. Gib ihr nicht das Gefühl, zweite Klasse zu sein. Sie ist so ein herzensguter Mensch und wenn sie jemand aus ihrem kalten Kern locken kann, dann bist du das!"

Er folgte meinen Blick hin zu Kagami. Und lächeltet endlich groß und breit. Ich hoffte, dass meine Worte ihn erreicht hatten.

„Danke, M'Lady. Das werde ich." sagte er und stand auf.

Doch dann fiel mir noch etwas wichtiges ein. „Adrien?"

Sofort drehte er sich wieder zu mir herum. „Ja?"

Ich spürte wie meine Wangen heißer wurden. „Hawk Moth weiß jetzt wahrscheinlich wer ich wirklich bin. Was werden wir deswegen machen? Unsere Freunde sind in Gefahr. Genau wie unsere echten Leben. Nur meinetwegen."

„Na ganz einfach", antwortete er und drehte sich wieder in Richtung Kagami herum, „Wir halten Hawk Moth auf. Einmal haben wir es schon geschafft. Warum dann nicht auch ein zweites Mal?"

Ich kicherte auf. Vor Erleuchtung. Vor Zuversicht und auch vor Freude.

Er hatte keine Ahnung wie sehr mir seine Worte Kraft gaben.


Entschuldigt bitte die Verspätung 😅

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