Klartext (neu überarbeitet)

Vermutlich hatte ich das hier verdient. Denk ich. Als Denkzettel dafür, dass Liebe nicht an den Arbeitsplatz gehörte. Erst recht nicht an auf einen Superhelden-Arbeitsplatz, bei dem der Arbeitskollege schon häufiger erwähnt hatte, auf einen zu stehen. Und noch weniger, der der Mann, mit dem man in Flagrante erwischt wurde, der Freund von seiner zivilen Identität ist, von der eigentlich keiner wusste.
Wahrscheinlich war es schon längst kein Geheimnis mehr um unsere Beziehung.

Wir hatten gestern Abend nach unserer Rückkehr unseren neuen Beziehungsstatus recht offen ausgelebt. Mit einem „nur" Freund umarmt man sich nicht so. Oder hält Händchen. Oder verschenkt leise kleine Küsse auf seinem Kopf.
Und um den Rest hatte sich Alya bestimmt bestens gekümmert. Mein kleines Plappermaul.

Cat wusste nicht, wer ich in Zivil war. Viperion dagegen kannte er.

"Das ist nicht so wie es aussieht!", rief ich sofort dazwischen und wedelte aufgeregt mit den Armen herum, "Viperion und ich"

Cat zog verärgert die Augen zusammen. „Ich weiß aus nächster Quelle, dass Viperion gestern erst mit Marinette gesichtet wurde. Und sie sahen genauso verliebt aus wie ihr gerade. Was soll das also? Marinette hat es nicht verdient so von euch behandelt zu werden!"

Jackpot! Identität in Gefahr und Lukas weißer-Westen-Ruf gleich noch mit dazu.

Ich stöhnt frustriert auf. So sollte unser erster Kuss wirklich nicht enden. Sofern man ihn bei der Kürze überhaupt Kuss nennen kann. „Miezekatze, ich weiß gar nicht, wieso du dich darum scherst. Zum einem, bist du hier seit Tagen, vielleicht sogar Wochen nicht aufgetaucht und hast überhaupt keine Ahnung von dem, was man Dir aus „nächster Quelle" erzählt.", versuchte ich es in einem gespielt gelangweilten Ton zu sagen und verschränkte damit auch die Arme vor der Brust, „Zum anderen, und ich hoffe, dass beruhigt dich, geht es Marinette natürlich gut. Viperion hat mir gerade nur erzählt, dass er und Marinette zusammen sind. Und da habe ich ihn hin umarmt."

„Das war mehr als eine Umarmung! Ihr wolltet euch doch gerade küssen, oder nicht?"

Ja! Wollte! Und wir waren auch im Inbegriff es zu tun!

Aber immerhin schien er damit ja nicht alles gesehen zu haben.

Ich stemmte die Arme in die Hüfte und funkelte meinen Teamkollegen böse an. „Was weißt du denn schon darüber wo eine Freundschaft aufhört und eine Liebe anfängt?"

Er ahnte meine Geste nach - und ich wusste genau, wie sehr ihn meine Worte treffen hatten. Aber ich war es leid. So unheimlich leid.

Selbst wenn Luka die Wahrheit nun kannte, würde das vorerst nicht viel ändern. Nicht wenn wir Superhelden waren.

„Ich weiß darüber eine ganz schöne Menge mehr als du!"  Seine Stimme war ein leises tiefes Brummen. Eines, dass mich sofort schlecht fühlen lassen ließ.

Cat war seit unzähligen Jahren in mich verschossen. Hin und wieder gab es da ein anderes Mädchen, so hatte er mir einmal erzählt. Aber alle Wege führten wohl immer wieder zu Ladybug zurück.

Und ich? Ich konnte seine Liebe einfach nie erwidern.

„Cat Noir", begann nun Luka und hob entwaffnend die ausgestreckten Hände nach oben als wolle er zeigen, dass er unbewaffnet sei, „Ich schwöre dir, dass ich niemals Marinette verletzten wollen würde. Manchmal ... sehen die Dinge nur anderes aus als sie eigentlich sind."

Wahrscheinlich war ich wieder so rot wie eine Tomate. Doch ich nickte ernst.

Cat schien wenig überzeugt zu sein. Dennoch nickte er. „Meinetwegen. Dann lasst uns auf Patrouille gehen."

Ich wusste sofort, dass er es nicht lassen würde. Nicht weil er mich nicht als Ladybug aufgeben wollte. Er würde mich gehen lassen, dass wusste ich. Aber er hing an Marinette. Als Freundin. Und ich wusste, was ich tun musste, um ein weiteres Chaos zu verhindern.

Ich muss sicherlich nicht weiter andeuten, dass diese Tour nicht unbedingt zu meinem liebsten Patrouille-Runden gehört hat.

Luka war kein Platzhirsch. Cat Noir dagegen schon. Zumindest wenn es um mich als Ladybug ging im Zusammenhang mit der Option, dass meine zweite Identität vielleicht doch noch Single sein könnte.

Ich musste dringend für klare Verhältnisse sorgen. Marinette und Luka konnte nicht zeitgleich mit Viperion und Ladybug ein Paar sein. Sollte das Hawk Moth spitzkriegen, wäre Luka in ernsthafter Gefahr.

Aber zuvor musste ich noch etwas anderes erledigen.

Cat Noir mochte manchmal ein echt schleimiger  Liebesbekunder sein. Aber sein Herz war genauso rein wie seine Absichten.

Aus irgendeinem Grund mochte er Marinette. Auch wenn ich nie wirklich verstanden habe wieso. Vielleicht lag es an der unerfüllten Liebe zu jemanden, die ihn mit meinem wahren Ich verband.

Jedenfalls wusste ich, dass er die Sache zwischen Viperion und Ladybug nicht einfach so auf sich beruhen lassen würde. Sein Gewissen zwang ihn Marinette sagen zu müssen, was er gesehen hatte.

Und ich wollte ihn diesen Gefallen so schnell wie möglich erfüllen.

Also sprang ich nach unserer Patrouille rasch in Richtung Park, verwandelte mich in einer abgelegenen Ecke zurück in Marinette  und wartet wie ein Lockvogel vor der Falle auf einer verlassenen Bank.

Ich musste ohnehin mal Zeit finden meine Mails auf dem Handy durchzusehen.

Argh. Hätte ich das nur mal gelassen.

Rechnung.
Rechnung.
Rechnung.
Auftragsanfrage.
Wo bleibt mein Shirt?
Rechnung
Mail von Papa mit Betreff „Komm mal wieder rum - musst die neuen Crossants mit Erdnussbutter-Schinkenfüllung probiere
Rechnung
50 Prozent Rabatt ab einen Einkauf von 200 Euro

Ich laß gerade die nächste Kundenanfrage, als ich ihn vor mir landen hörte.

„Uh! Hallo, Cat Noir!" begrüßte ich ihn in meinen zuckersüßesten Ton und lächelte freundlich.

Ich nickte höflich. Trotzdem wollte der ernste Gesichtsausdruck nicht verschwinden. „Marinette! Hast du vielleicht einen Moment für mich?"

Obwohl ich wusste, wieso er hier war, schlug mein Herz wild in meiner Brust auf. „Oh, ja klar! Setz dich doch."

Ohne zu zögern setzte er sich neben mich. Dann seufzte er. Wieder und wieder. Und nochmal.

„Geht's Dir nicht gut?" fragte ich vorsichtig nach.

Er nickte. „Es wird alles immer komplizierter für mich."

Ich zog die Brauen zusammen. „Wieso?"

Cat versucht auf den sandigen Boden vor uns die passenden Worte zu suchen. „Weißt du, ich bin seit unzähligen Jahren in dieses Mädchen verliebt... nein, inzwischen ist sie zu einer wundervollen Frau geworden.
Ich habe versucht ihr Herz Jahr um Jahr zu erobern. Aber sie liebte einen anderen. Und ich wusste einfach nicht wer es war. Ich habe mir mit ihr meine Zukunft vorgestellt. Nur wir beide. Fernab von allem.
Aber dann würden wir erwachsen und Dinge ändern sich, weißt du?"

Ich nickte verständnisvoll. „Natürlich."

„Ich bin aus Paris weggezogen. Weit weg. Habe das der Frau, die ich geliebt habe, aber nie gesagt und versucht jeden Tag diese weite Entfernung zu verschleiern. Aber irgendwann ging es nicht mehr. Ich wurde unpünktlich, konnte ihr nicht mehr rund um die Ohr zur Verfügung stehen. Und das tat mir wohl genauso weh, wie sie enttäuscht von mir war."

Das war der Grund für seine Unpünktlichkeit? Er war weggezogen? Wieso hat er das mir nie gesagt?

„Mein Job kam dazwischen. Dann die Sache mit meiner Eltern. Ich konnte ihr einfach nicht mehr das bieten, was in unserer Jugend normal war.
Geht es dir so ähnlich?" Jetzt sah er mich an. Und sein gekränkter Anblick brach mir das Herz. Der beinahe Kuss und meine Worte hätte ihn wirklich übel zugerichtet. Und das war nur meine Schuld. Aber das konnte ich ihn nicht sagen.

Ich versuchte ihn aufmunternd anzulächeln. „Ja. Zumindest ging es mir Langezeit so. Langsam ... scheint sich alles wieder einzufinden. Neuanfänge eignen sich dafür bestens, Cat Noir."

Er schwieg eine Weile und starrte vor sich her. „Du hast gesagt, du mochtest früher einen anderen Jungen. Er hat dir wahrscheinlich das Herz gebrochen, wenn du von Neuanfang spricht. Aber inzwischen da ... Du liebst Luka, oder?"

Mit dieser Frage hatte ich absolut nicht gerechnet. Damit, dass ich mich für Luka rechtfertigen müsste, ja. Aber damit...?

Ich versuchte meine Gedanken zu ordnen und sie in passende Worte zu verpacken. „Ich ... habe lange gebraucht um zu verstehen, was Liebe wirklich ist. Wir werfen dieses Wort ständig in den Raum und als Jugendliche habe ich geglaubt schon zu wissen, was es bedeutet. Aber ich lag falsch. Liebe ist nichts, was sich eben so entwickelt. Es braucht Zeit. Und am Ende hat es mir wohl meine beste Freundin am besten beigebracht. Gegenseitiges Vertrauen, Respekt, Humor, Ehrlichkeit ... . Manchmal kann sie unangenehm werden, weil sie sich nicht einfach so versteckt oder von jetzt auf gleich verschwindet. Man ist gezwungen sich mit ihr auseinander zu setzten. Immer und immer wieder. Es muss alles auf gegenseitig beruhen, damit über so etwas wie Liebe entstehen kann. Und genau das spüre ich bei Luka."

Ein mildes Lächeln tauchte auf seinen Lippen auf.

Rasch lenkte ich ein. „Luka hat mir von der Sache mit Ladybug erzählt. Es ist wirklich nicht so, wie es aussah. Bitte denk nicht falsch über ihn und Ladybug. Die beiden ... mögen sich."

Cat nickte leicht. „Ich weiß. Ich ... ich hatte schon kurzzeitg geglaubt, du seist meine Ladybug gewesen."

Historisch fing ich an zu kichern und wurde puderrot. "Ha ha! Ach wie kommst du denn darauf? Ladybug und ich? Bah! Absolut unmöglich!"

Dem lieben Gott sei Dank, nickte er erneut. "Ja. Es war eine Kurzschlussfolgerung. Aber du und Ladybug seid zwei unterschiedliche Menschen. Das habe ich oft genug mitbekommen. Schließlich warst du ja selber auch einmal einer ihrer auserwählten Helden.
Und dann ist da noch eine Sache ... Luka ist wohl die ehrlichste und aufrichtigste Person, die ich kenne. Wenn er sagt, dass er dich nicht verletzten wird, dann hält er sein Wort. Ich weiß, dass er niemals lügen würde. ... Wenn er sagt, dass Ladybug und er nicht zusammen sind, wird das stimmen.
Mich hat es wohl gar nicht so sehr getroffen wie es aussah. Es war wohl mehr der Schock darüber, dass wieder ein Teil meines Leben geendet hat, als ich Ladybug mit jemanden anderes gesehen habe. Mir ist wohl in diesem Moment bewusst geworden, dass ich es nie sein werde, den sie so ansehen wird. Ich habe es immerhin Jahr um Jahr versucht."

Dieser Mann war wirklich blind was mich anging. Aber ich würde mich nicht darüber beschweren. Meine Identität zu wahren stand an allererste Stelle.
Sei's also drum.
Aufmunternd legte ich ihn die Hand auf die Schulter und lächelte mitfühlend. "Irgendwann, auch wenn es sich jetzt noch nicht so anfühlen mag, wird jemand kommen, der dein Herz für sich gewinnen und dich all den Kummer vergessen lassen wird. Glaub mir. Bei mir war es nicht anders."

Cat stand auf und nickte erneut. Der Schmerz saß immer noch tief in seiner Brust, dass wusste ich. Aber ich glaubte daran, dass er meine Worte verstehen würde.

"Der Junge, der damals deine Liebe abgelehnt hat, sollte sich wirklich schämen.", sagte er so leise, dass ich ihn kaum wirklich verstand, "... Ich habe anscheinend ein Talent dafür meine Fehler erst viel zu spät zu bemerken." Das war alles was er sagte, seine Stab zog und mit seiner Hilfe verschwand.

Er ließ mich zurück. Mich und einen unheimlich schrecklichen Verdacht.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top