Kapitel 4
Nachdem das Frühstück beendet war, nahm mich Allan erneut mit sich. Ich hatte nicht einmal die Möglichkeit, abzusagen. "Komm Püppchen", sagte er und führte mich durch die Gänge, während seine beiden Freunde uns folgten. Sie waren größer als ich, was dafür sorgte, dass ich bei ihnen wohl unterging.
"Ich hab jetzt Magiepraxis", murmelte ich, weil ich nicht wusste, ob er mich zur richtigen Stelle brachte. Ich wollte nur ungern zu spät kommen oder gar nicht. Das würde nur für Stress sorgen.
"Du kommst heute mit mir", entschied er, was mich leise seufzen ließ. Sollte ich mich jetzt gegen ihn stellen oder mit ihm gehen? Ich wusste es nicht. Am Ende ließ ich mich mitziehen und würde einfach sagen, dass ich Angst vor ihm hatte und mich deshalb nicht gewehrt habe. Vielleicht würde mir das helfen, wenn die Lehrer mir einen Vortrag hielten.
Allan führte mich zu einem Zimmer, in das er mich sogar mit hineinzog. Dort erwartete uns wohl seine Klasse und eine Lehrerin, die mich nachdenklich musterte. "Lord Suo, wen habt Ihr da mitgebracht?", fragte sie höflich. Es irritierte mich, dass sie ihn mit Lord ansprach. War er irgendein hohes Tier? Vielleicht müsste ich ihn wirklich kennen.
"Das ist Püppchen", sagte er lediglich abwinkend, bevor er mich mit sich zog. Er ließ sich an seinem Platz nieder und zuerst glaubte ich, er würde mich einfach stehenlassen, doch dann zog er mich auf seinen Schoß.
Dieser Kerl war entweder geistig nicht ganz richtig oder so von sich überzeugt, dass es ihn egal war, was sich gehörte und was nicht.
Obwohl viele uns ansahen, sagte keiner etwas. War das vielleicht sogar normal?
Ich fügte mich, weil es das Einfachste war. Es gab sowieso nichts, was ich verpassen würde. Der Unterricht war mir egal, auch wenn ich schon irgendwie gern mehr über meine Magie gelernt hätte. Großmutter wäre zwar nicht erfreut, wenn ich durchfiel, aber wenn dem so war, dann war das halt so.
Allan hielt mich mit einem Arm fest, als würde er erwarten, dass ich jeder Zeit von ihm runterspringen würde. Stattdessen lehnte ich mich etwas gegen ihn, um bequemer zu sitzen.
Meine Aufmerksamkeit gehörte der Umgebung und ich lauschte den theoretischen Unterricht über Magie. Viel verstand ich nicht, nahm es aber trotzdem in mich auf. Reine, emotionslose Fakten lagen mir mehr als Gefühle. Damit kam ich klar. Das war etwas, womit ich arbeiten konnte. Irgendwann würde ich es schon verstehen. Noch fehlten mir andere Dinge, doch das störte mich nicht.
Während ich zuhörte, spürte ich Kälte in meinem Inneren. Dann flüsterte mir etwas zu. Ein Flüstern, das ich schon lange nicht mehr gehört hatte. Es lag tief in mir und die Stimme war unklar, weshalb es mir gelang, sie auszublenden und stattdessen auf die Stimme der Frau zu konzentrieren.
Dann spürte ich, wie Allans Hand über meinen Oberschenkel glitt und mich streichelte. Hatte er bemerkt, dass ich mich verspannt hatte?
Er war ein seltsamer Mann. An sich interessierte er mich nicht sonderlich. Gleichzeitig erfüllte er aber das seltsame Bedürfnis nach Nähe. Es war sehr angenehm seine Wärme zu spüren. Dabei war es mir egal, wer es war. Es könnte auch Sanosuke oder Sam sein. Sogar eine Frau wäre mir recht.
Was war nur los mit mir?
Warum tat ich das? Ich sollte mich von ihm losreißen und mich von ihm fernhalten. So, wie ich ihn einschätzte, war ich nur ein Zeitvertreib für ihn. Er würde mich, genau wie Melody, fallenlassen, sobald er das Interesse an mir verloren hatte. Aber störte mich das überhaupt? Im Grunde nutzte ich ihn ebenfalls aus, auch wenn das vielleicht nicht klar war. Er gab mir Aufmerksamkeit. Obwohl ich ihn nicht kannte, mochte ich seine Gegenwart. Schon immer hatte ich Interesse an dominanten Männern und er war definitiv dieser Typ Mann.
Meine Gedanken glitten zurück zu den letzten Stunden. Es war seltsam mit ihm. Warum war er vor der Tür der Sekretärin gewesen und warum vor meiner Zimmertür? Was hatte er von mir?
Wahrscheinlich wollte er nur eine schnelle Nummer. Aber warum dann der Aufwand? Oder war das einfach seine Art?
Schließlich war die Stunden vorbei und Allan erhob sich, wobei er mich förmlich mit sich hob. Er stellte mich auf den Boden ab, bevor er erneut mein Handgelenk griff, als würde er dafür sorgen, dass ich ihm nicht wegrennen konnte. Wenn ich so darüber nachdenke, war er ganz schön aufdringlich.
"Hast du irgendwas von dem verstanden, was gesagt wurde?", fragte er und schien neugierig. Ich zuckte dabei die Schultern.
"Keine Ahnung", antwortete ich, weil ich nicht wusste, ob dem so war oder nicht.
Allan lachte lediglich, bevor er mich erneut mit sich zog. Es schien nicht so, als würde die Lehrerin etwas sagen, als wir an ihr vorbeigingen.
Warum? Hatte sie hier nichts zu sagen? War er vielleicht irgendwie Besonders? Oder war das so ein Ding, was ich nicht verstand, weil es nicht menschlich war?
Allan zog mich hinaus in ein Gebiet des Internats, das eine Art Ring auswies. Zu erkennen an runden Plätzen, die mit Sand ausgeschüttet waren. Sie waren abseits der anderen und so verteilten sich die Schüler.
"Was schleppst du denn schon wieder an?", fragte ein Mann schnaubend, der mich intensiv musterte. Er wirkte wie ein Hüne von einem Mann. Groß, muskulös und breitschultrig. Zudem war er sogar größer als Allan, was irgendwie einschüchternd wirken könnte, wäre es mir nicht so egal.
Er schnaubte leise. "Tu, was du nicht lassen kannst. Ruf mich, sobald du Unterricht willst", bemerkte er, bevor er sich abwandte und ging.
Ich blickte ihm hinterher, bevor ich zu Allan sah. War dieses Verhalten normal?
"Das hier ist der Übungsplatz für die Magiepraxis", erklärte er, wobei er belehrend klang. Als hätte ich mir das nicht denken können.
Es herrschte für einen Moment Schweigen, während er mich ansah. "Willst du nicht fragen, warum wir hier allein sind?", fragte er, denn das waren wir. Die anderen waren in anderen Kreisen weiter von uns entfernt.
"Nein", antwortete ich. Warum sollte ich fragen? Dass er Freunde hatte, wusste ich, also war er wohl einfach eitel und wollte niemand anderen bei sich haben. Dass er irgendwie besonders war, hatte ich schon verstanden. Das musste er mir nicht unter die Nase reiben.
Allan lachte, wobei ich mich fragte, wieso ich ihn ständig so erheiterte.
Er griff mein Kinn und hob es an. "Ich bin neugierig darauf zu sehen, wann du nicht mehr so schicksalsergeben bist und deine Krallen zeigst", sagte er, wobei ein Funkeln in seinen Augen lag.
Ich schwieg, denn das würde nicht geschehen. Das würde ich nicht zulassen.
Erneut stahl er mir einen kurzen, flüchtigen Kuss und schien auf eine Reaktion zu warten. Ein Kribbeln ging von meinen Lippen aus und sorgte dafür, dass ich eine leichte Gänsehaut bekam.
Wie war das möglich? Das sollte nicht geschehen. Sehnte ich mich wirklich so sehr nach Nähe, dass mein Körper so reagierte?
Allan ließ von mir ab, zog mich aber mit in die Mitte des Rings. "Zeig mir, was du kannst", forderte er mich mit einem Grinsen auf.
Ich brauchte einen Moment, bis ich ihn folgen konnte. "Soll ich dich angreifen oder wie?", fragte ich, da ich nicht ganz verstand, was er wollte. Sollte ich meine Magie zeigen oder wie durfte ich das zu verstehen.
Er machte eine auffordernde Handbewegung. "Du gehst in die erste Klasse, aber wie die anderen wirst du doch schon ein paar Dinge können. Also zeig sie mir", forderte er weiter.
Er hatte Recht, ich kannte schon ein paar Dinge, denn meine Mutter hatte sie mir in meiner Kindheit beigebracht. Meine Magie war, laut meiner Eltern, viel zu zeitig erwacht. Was nur ein Beweis dafür war, dass ich diese Macht gar nicht kontrollieren konnte.
Um seiner Aufforderung nachzukommen, hob ich meine Hand und nur wenig später schwebten die kleinen Kiesel um uns herum.
Allan machte ein pfeifendes Geräusch. "Dann hättest du das Tablett auch selbst schweben lassen können", bemerkte er, wobei ich glaubte, dass Bewunderung in seiner Stimme mitschwang. "So weit sind die wenigsten Erstklässler. Deine Eltern müssen dich schon sehr rangenommen haben. Wie lange ist deine Magie schon erwacht? Vielleicht bist du ja ein Frühzünder", sagte er, was in mir die Frage aufwarf, wann die Magie der normalen, magischen Wesen erwachte.
Vielleicht sogar erst mit achtzehn. Das hieß, ich dürfte sie erst seit etwa einem Jahr haben. Wie alt er wohl war?
"Ich habe dich etwas gefragt", sagte er und wedelte vor meinem Gesicht herum. "Wie lange kannst du Magie schon?", wiederholte er seine Frage.
Ich überlegte, ob ich ehrlich sein oder lügen sollte. Wahrscheinlich war lügen die klügere Option. "Seit einem halben Jahr", bemerkte ich, wobei er eine Augenbraue hob.
"Das ist eine Lüge", bemerkte er nüchtern. Konnte er sowas spüren oder riet er einfach?
"Wieso sollte ich lügen?", fragte ich emotionslos. Natürlich hatte ich meine Gründe, doch das musste er nicht wissen.
"Ich weiß nur, dass du es tust, also?", drängte er mich, wobei er mich weiterhin anstarrte.
Innerlich verdrehte ich die Augen. "Es ist länger als ein halbes Jahr", sagte ich schließlich. Das war immerhin nicht gelogen.
"Also vor deinem Achtzehnten?", fragte er neugierig.
"Ja", erwiderte ich, denn auch das war nicht gelogen. Wie weit vor meinem Achtzehnten stand immerhin nicht zur Debatte.
Es schien, als wäre er mit diesen Antworten zufrieden. "Kannst du Feuerbälle erschaffen?", wollte er wissen.
Ich ließ die Steine wieder fallen, hob die Hand und erschuf damit eine kleine Flamme.
Er lachte leise. "Machst du dir damit deine Zigarette an oder wie?", wollte er belustigt wissen.
"Kerzen", korrigierte ich nüchtern.
"Und wie sieht es mit Wasser aus?", wollte er wissen, wobei er mich mit funkelnden Augen musterte.
Da ich Wasser eigentlich immer dann nutzte, um mich zu säubern, war es nicht schwer, eine Kugel in meiner Hand zu erschaffen.
"Sehr gut, dann kannst du dich damit auch sauber machen", bemerkte er nüchtern.
Erst jetzt erinnerte ich mich daran, dass ich ja noch überall Kaffeespuren haben musste. Eigentlich war sauber machen gar keine schlechte Idee. Warum war ich da nicht selbst drauf gekommen?
Ich ließ den Wasserball verschwinden, bevor ich meine Augen schloss. Meine Konzentration lag auf den Kaffee auf mir. Ich zog das Pulver aus meinem Haar und meiner Kleidung, bevor es wie Sand zu Boden rieselte.
"Sehr interessant. Du bist echt kreativ", bemerkte er zustimmend nickend. "Eindeutig nicht auf den Stand einer Erstklässlerin. Ich denke, ich kann die Direktorin dazu bringen, dich in meine Klasse zu stecken. Du wirst zwar die theoretischen und praktischen Prüfungen nachholen müssen, doch ich denke, das ist kein Problem", entschied er einfach für mich.
Ich könnte ihm jetzt erklären, dass ich von Theorie keine Ahnung hatte, doch ich schwieg. Warum mir Stress machen? Ich würde einfach durch die Prüfungen fallen und dann war es gut. Vielleicht verlor er dann sein Interesse an mir.
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