Die Zeit ändert nicht jeden!

Am nächsten Morgen wurde ich von meinem Wecker geweckt. Ich konnte mich gar nicht daran erinnern, dass ich ihn gestern gestellt hätte. Trotzdem raubte er mir meinen Schlaf, weshalb ich ihn gegen die Wand warf, damit er endlich Ruhe gab. Ein lautes Krachen und es war wieder still. Verschlafen öffnete ich die Augen und entdeckte Keira neben mir liegen. Ein Schrei entwich meiner Kehle und ich landete auf dem Boden. Derweil fing Keira an lauthals zu lachen. Murrend stand ich auf, hob das Kissen vom Boden auf und warf es meiner besten Freundin ins Gesicht. Diese lachte nur noch mehr.
"Ich geh duschen!", brummte ich.
Ich nahm mir ein Handtuch und neue Anziehsachen aus meinem Schrank und schlurfte dann nach unten ins Bad. Ich hatte noch die Sachen von gestern an, was ganz gut war, denn so konnten meine Eltern nicht den Verband um meinen Arm sehen. Im Badezimmer schloss ich mich ein, entledigte mich meiner Klamotten und dem Verband und stellte mich unter die Dusche. Ich stellte zuerst kaltes Wasser an, um erst mal wach zu werden und mich vor diesem Schreck zu erholen. Als ich halbwegs wach war und mein Herzschlag sich beruhigt hatte, stellte ich das warme Wasser ein. Nachdem ich eine gefühlte halbe Stunde geduscht hatte, stellte ich das Wasser wieder ab und stieg aus der Dusche. Ich zog frische Unterwäsche an und erneuerte den Verband um meinen linken Arm. Die Wunde sah deutlich schlimmer aus, als ich gestern gedacht hatte. Danach zog ich mir eine schwarze Jeans und ein dunkellilafarbenes Langarmshirt. Ich band noch meine Haare zu einem Zopf und verließ dann das Bad. Im Flur wartete Keira schon sehnsüchtig auf mich.
"Und wo treffen wir Phibie eigentlich?", fragte ich.
"Wir treffen sie im Einkaufszentrum!", antwortete sie.
Ich nickte. Schnell verabschiedete ich mich noch von meinen Eltern, die mir noch schnell 100€ in die Hand drückten und ging dann zusammen mit Keira zu ihrem Auto. Sie hatte tatsächlich noch den roten 1988 Audi Urquattro. Schmunzelnd stieg ich in den Wagen ein. Keira stieg ebenfalls ein und startete den Motor. Die ganze Fahrt zum Einkaufszentrum verlief schweigend. Da fiel mir wieder die Fahrt zum SHIELD Gebäude ein. Diese war genauso Still wie jetzt.
Flashback
Ich saß auf der Rückbank eines schwarzen Vans, mit getönten Scheiben. Zitternd umklammerte ich die Decke, die mir nach meiner Rettung gegeben wurde. Ich hatte immer noch solche Schmerzen von den ganzen Verletzungen, doch es es ging mir deutlich besser. Den ganzen Flug über hatte mich ein sehr freundlicher Arzt zusammengeflickt. Die junge, rothaarige Frau, die wahrscheinlich erst Mitte zwanzig war, saß neben mir und tippte irgendwas auf ihrem Handy ein.
"Wann kann ich wieder nach Hause?", fragte ich mit brüchiger Stimme.
Dadurch dass ich meine Stimme so gute wie nie in den letzten, keine Ahnung wieviele Monate lang, nicht mehr benutzt habe, war sie rau und brüchig geworden. Doch diese Frau antwortete nicht. Sie schaute nicht mal von ihrem Handy auf, so als ob ich gar nicht gefragt, oder in einer anderen Sprache gefragt hätte. Doch ich hatte sie extra auf Englisch gefragt.
Enttäuscht schlang ich die Decke enger um mich und schaute wieder aus dem Fenster. Es war bereits Nacht, doch in der Hauptstadt von Amerika war alles hell beleuchtet. Wie als wäre die Sonne garnicht untergegangen, so hell war es hier. Aus den Gesprächen, die ich belauscht hatte, als wir gelandet waren, fuhren wir zu einem Gebäude namens 'Triskelion'. Der Hauptsitz von SHIELD, was immer das auch ist.
Auf einmal bremste der Wagen etwas zu stark, weshalb ich in den Sicherheitsgurt gedrückt wurde, was schrecklich weh tat. Durch die gebrochenen Rippen und den vielen Schnittwunden, die jetzt wieder anfingen schmerzhaft zu pochen, kniff ich die Augen zusammen und krallte mich noch mehr in die Decke.
"Verdammt Clint! Fahr doch mal vorsichtiger!", fauchte die Frau neben mir den Fahrer an.
Ich dachte wegen mir, motzte sie ihn an, doch als ich die Augen öffnete sah ich, dass sie durch die Bremsung ihr Handy hat fallen lassen. Dann fiel ihr Blick zum ersten Mal, auf der ganzen Fahrt auf mich und sofort entwichen ihr sämtliche Gesichtszüge. Anscheinend hatte sie gar nicht bemerkt das ich überhaupt in diesem Auto saß. Trotz meiner Frage.
"Wer bist du?", fragte die Frau völlig verwirrt.
"Das ist das Mädchen was wir in Moskau vor HYDRA gerettet haben!", beantwortete dieser Clint die Frage, die eigentlich an mich gerichtet war. 
Um seine Antwort noch etwas zu unterstützen, nickte ich leicht. Irgendwie kam ich mir in diesem Moment wie ein Kind vor, dass seine Eltern sucht. Bloß bin ich kein Kind. Nein, ich bin eine einundzwanzig Jährige, die völlig abgemagert, am ganzen Körper verletzt und einer Decke eingewickelt verängstigt und unsicher zitternd in einem Auto saß.
"Oh!", murmelte die Frau.
Mir war es irgendwie unangenehm, wie mich die Frau anstarrte, was sie auch schnell merkte und wieder auf ihrem Handy irgendwas eingab. Dann ging die Fahrt schweigend weiter. Nach einer Weile kamen wir an einem riesigen und hohem Gebäude an. Es machte wirklich einen sehr starken Eindruck von einem Hauptsitz von irgendwas.
An einem Tor, wo dahinter eine Brücke war, die zu diesem Gebäude führte, stand ein kleines Häuschen, in dem ein Wachmann saß. Dort musste der Wagen kurz stehen bleiben. Der Wachmann kam aus seinem kleinen Häuschen und kam zum Auto. Er begrüßte den Fahrer herzlich und auch die Frau, die neben mir saß. Mich starrte er bloß unsicher an. Ich war froh, als wir dann endlich weiter über die Brücke, in eine Tiefgarage fuhren. Es war mir unheimlich, wenn Leute mich so seltsam anstarrten. In der Tiefgarage standen schon mehrere Leute, die anscheinend auf uns gewartet haben. Einen erkannte ich auf Anhieb. Er trug eine dunkelblaue Uniform, auf dessen Brust ein silberner Stern war. Auf seinem Rücken trug er den Schild, den er mir bei meiner Rettung einfach mal so in die Hand gedrückt hatte. Sein Name wollte mir nicht einfallen, den er mir ebenfalls bei meiner Rettung gesagt hatte. Nur das er irgendein Captain war, wenn das richtig war. Die anderen Leute waren mir allesamt Fremd. Als der Wagen bei diesen Leuten stehen blieb, stiegen die rothaarige Frau und der Fahrer aus, doch ich blieb im Auto sitzen. Ich zitterte nur noch stärker. Dieser Captain war wahrscheinlich der einzige, der sich wunderte, wieso ich nicht Ausstieg. Die anderen interessierten sich nicht mehr für mich, sondern unterhielten sich über irgendwas. Der Mann mit dem Schild öffnete die Tür und lächelte sanft.
"Keine Sorge! Ich will Ihnen nichts tun!", sagte er sanft.
Vorsichtig öffnete er den Sicherheitsgurt und hob mich aus dem Auto, darauf bedacht mich so wenig wie möglich zu bewegen und somit mir so wenige Schmerzen wie möglich zu bereiten. Doch er machte dann keine Anstalten mich abzusetzen. Nein! Stattdessen trug er mich zu einem Aufzug. Die anderen schien es immer noch nicht wirklich zu interessieren und unterhielten sich weiter. Im Aufzug sagte dieser Captain einfach 'Krankenstation!' und der Aufzug setzte sich in Bewegung.
"Sie können mich ruhig wieder absetzen!", murmelte ich.
Er schaute einfach nur zu mir herunter und schüttelte belustigt den Kopf.
Flashback Ende
"Erde an Chloe!", holte mich Keira's Stimme mich aus meinen Gedanken.
"Entschuldige! Hast du was gesagt?", fragte ich etwas verwirrt.
"Ja! Und zwar, dass wir da sind!", antwortete sie.
"O-oh!", stammelte ich etwas unsicher.
Sie seufzte. Es war kein normaler Seufzer, sondern ein typischer Keira Seufzer, der andeutete, dass gleich irgendeine Rede, oder was ähnlich schlimmes kommt.
"Chloe, wenn du willst sag ich Phibie ab und fahr dich wieder heim! Du musst das nicht tun wenn du nicht willst. Wir könnten einen unserer Filmabende machen, oder wir reden einfach nur. Oder..."
"Keira, mir geht's gut, wirklich! Ich will das hier machen!", lächelte ich.
Und ich brauche das auch!
Wir stiegen aus und warteten auf Phibie. Meine beste Freundin redete mir in der Zeit, in der wir auf dieses verwöhnte Miststück warteten, ein, dass sie sich geändert hätte. Dass sie viel freundlicher geworden wäre und sich auch um ihre Mitmenschen und nicht mehr um sich selbst kümmern würde. Ungläubig schaute ich meine Freundin an, da ich das einfach nicht glauben konnte. Für mich war das einfach nur ein Witz.
"Hey, Keira!", rief auf einmal jemand.
Wir drehten uns um und sahen, wie eine wasserstoffblonde junge Frau, auf uns zu kam. Phibie hatte sich vom Aussehen her nicht geändert. Sie färbte sich immer noch ihre Haare und trug sehr figurbetonte Klamotten. Ihre Hose war so eng, sodass ich mich wunderte, dass sie überhaupt noch laufen konnte. Der Ausschnitt von ihrem Oberteil war immer noch sehr tief. Laut ihr, musste sie wahrscheinlich immer noch ein Blickfang sein. Make-up hatte sie auch etwas zu übertrieben aufgetragen.
Nicht jeder ändert nach einer bestimmten Zeit!
"Hat sie überhaupt noch ein Selbstwertgefühl?", flüsterte ich.
Keira unterdrückte ein Lachen, aber ein grinsen konnte sie sich nicht verkneifen. Auch ich musste etwas schmunzeln. Lächelnd kam sie vor uns stehen. Mit ihren hohen High-Heels, die Phibie trug, war sie ungefähr fünf Zentimeter größer als ich.
"Schön dich zu sehen Keira!", begrüßte Phibie Keira.
"Und Chloe! Gott, es tut mir so leid, dass du entführt worden bist!", meinte sie übertrieben mitfühlend zu mir und umarmte mich.
Total überrascht und völlig perplex erwiderte ich die Umarmung nach kurzen zögern. Als mich dann endlich los ließ, musterte sie mich kurz abschätzig, bevor sie dann wieder lächelte.
"Und? Was wollen wir zuerst machen?", fragte sie fröhlich.
"Erstmal was essen gehen!", antwortete Keira sofort.
"Gute Idee! Ich sterbe vor Hunger!", meinte ich darauf erleichtert.
"Willst du wirklich was essen, Chloe?", fragte Phibie kritisch, "Du solltest aufpassen, dass du nicht wieder so pummelig wirst."
"Besser, als eine abgemagerte Schlampe zu sein!", murmelte ich grimmig.
"Was hast du gesagt?", fragte Phibie verstimmt.
"Nichts, nichts!", winkte ich lächelnd ab.
Nach Phibie's schnauben und dem schnellen Gang, den sie einlegte, hatte sie wahrscheinlich gehört was ich gesagt habe. Doch damit sie sich ihren 'stolz' bewahren konnte, tat sie so, als ob sie es überhört hätte. Keira hatte es auf jeden Fall gehört, denn sie starrte mich verblüfft an. Ich zuckte einfach nur mit den Schultern und setzte mich ebenfalls in Bewegung. Etwas verdattert lief auch Keira los und zu dritt gingen wir dann in die Stadt.
Na das kann was werden!

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