Prolog

Schwarze Schatten umgaben Noraja. Die Dunkelheit kroch langsam auf sie zu und legte sich schwer auf ihren schreienden Körper. Schmerzen zogen sich durch diesen und trieben sie unerbittlich der Ohnmacht näher. Wie leicht es doch wäre, dieser nachzugeben. Aufzugeben. Loszulassen. Endlich in das endlose Nichts zu sinken.Jeder Nerv in ihrem geschundenen Fleisch zuckte und schrie nach Erlösung. Er hatte sie zerfetzt. Abgeschlachtet wie ein Stück Vieh. Zum Sterben liegen gelassen. Doch sie starb nicht. Noch nicht. Sie musste kämpfen. Sie kämpfte für ihn. Sie kämpfte für ihre Familie. Sie kämpfte für sich.Die Dunkelheit wich für einen kurzen Augenblick zurück und sofort schoss eine neue Welle des glühenden Schmerzes durch ihren Oberkörper. Sie fühlte, wie ihre Lebensenergie schwand. Sie spürte die Kälte, die immer tiefer in ihre Knochen drang. Sie nagte an ihr und brachte eine unsagbare Leere mit sich, welche sich in ihre Seele fraß. Doch noch war sie hier. Noch war sie nicht bereit zu gehen.Sie wollte leben. Sie musste leben.Krampfhaft hielt sie sich an dem letzten Fetzen Hoffnung fest, der tief in ihr lag und ihr leise zuflüsterte, dass es noch nicht zu spät war. Sie versuchte sich zu sammeln. In ihren Körper zu hören, doch er fühlte sich an wie eine zähe, formlose Masse, die nichts von sich gab, außer endloses Leid. Boxer. Ein Gedanke, der sie wieder ein Stück aus der Dunkelheit zerrte. Seine strahlend braunen Augen tauchten vor ihr auf. Sein Lächeln, während er seine warme Hand sanft auf ihren Bauch legte. »Ich werde euch mit meinem Leben beschützen«, waren seine letzten Worte, ehe sich die Angst tief in seinen Blick fraß.Endgültig und alles vernichtend drang sie in jede Zelle seines Körpers und übertrug sich auch auf Noraja. Das Bild verschwamm und wurde zu einem Szenario des Grauens. Boxer. Gefesselt. Eingesperrt. Sein Gesicht verschwollen und aufgeplatzt. Blut überströmt. Bettelnd auf den Knien, keine fünf Meter neben ihr. Die Gewissheit seines Endes in den Augen stehend, senkte er den Blick. »Es tut mir leid, dass ich nicht in der Lage bin, mein Versprechen einzuhalten.«Ein reißender Schmerz, der alles andere in den Schatten stellte, trieb sich in Norajas Herz. Ihren Mann so zu sehen. Seine Verzweiflung. Die Schuld, mit welcher er von dieser Erde gehen würde, war schlimmer als alles, was dieses Monster ihr hätte antun können. Die Erinnerungen ließen die Dunkelheit erneut angreifen und diesmal war sie nicht in der Lage, diese abzuwehren. Die Leere sammelte sich in ihrem Leib. Ebenso wie ein eisiger Ball der Schwere. Ein stummer Schrei verließ ihre Kehle. Sie wusste es. Es schlug erneut auf sie ein und das letzte Glimmen des Hoffnungsfetzens erlosch. Sie hatte sie verloren. Die Liebe ihres Lebens. Ihre Familie. Alles, was sie jemals geliebt hatte. Es gab hier nichts mehr für sie. Kein brennender Atemzug würde daran etwas ändern. Niemals würde sich diese Leere in ihr wieder füllen lassen. Kein Anker, der sie über Wasser hielt. Kein Lachen, was ihr Herz erhellen würde. Kein Leben, welches sie noch leben wollte.Die Kälte brach explosionsartig durch ihren geschwächten Körper, ließ die Dunkelheit Besitz von ihm ergreifen und erlöste sie von den tosenden Schmerzen. Mit flatternden Augenlidern vernahm sie ein letztes Mal die dumpfen Geräusche um sich herum. »Wir verlieren sie!«»Es ist einfach zu viel.«»Blut. Es ist zu viel Blut.«Die Stimmen verschwanden in der Ewigkeit des Nichts und ein sanftes Rauschen ummantelte Noraja. Ein dumpfes Klopfen presste sich gegen ihre Trommelfelle und schützte sie vor den kreischenden Lauten. Behutsam begleitete sie das leise Säuseln und legte sich beruhigend auf ihren krampfenden Leib. Ihr Herz wurde schwächer. Die Schläge kaum noch wahrnehmbar. Das verbleibende Blut erlag friedlich in ihren Adern, als ein letztes Zucken durch ihre Muskeln fuhr. Ein hohes, eintöniges Piepen riss sie aus ihrer Stille. Gleißendes Licht brannte sich in ihre Augen und blendete sie für wenige Sekunden. Weißer, verschwommener Nebel legte sich über ihre Linsen. Ihre Glieder gaben ein angenehmes Kribbeln von sich und eine wohltuende Wärme breitete sich in ihr aus. Ein leichtes Seufzen der Erleichterung verließ ihre Lippen und langsam klärte sich das Bild vor ihr. Sie starrte auf sich selbst. Ein makabres Gebilde unter sich. Kalte weiße Wände. Ein rot verschmierter Fußboden. Geräte in allen Ecken. Maskierte Menschen. Besudelt mit Blut. Und inmitten dieser Szene lag sie. Noraja. Blutüberströmt. Eine riesige, klaffende Wunde, welche sich von ihrem Kinn bis zu ihrer Hüfte zog. Sie hatten versucht, die Blutung zu stoppen. Überall waren Mulltücher in ihren Leib gepresst. Gespenstisch hingen die weißen Fetzen aus ihrem reglosen Fleisch. Vereinzelt sah sie Klammern, die ihre Hautlappen notdürftig zusammenhielten. Vergebens. Alles war tiefrot eingefärbt und zeigte, dass sich ihr Blut den Weg aus ihrem Körper gekämpft hatte. Es verteilte sich als riesige Lache auf dem Boden. Und doch gaben sie nicht auf. Unzählige Hände lagen auf und in ihrem Fleisch. Pressten sich auf die offenliegenden Organe. Verzweifelte Blicke wurden ausgetauscht, während sie bei jedem kleinen Schritt durch ihr Blut rutschten und es so im gesamten Raum verteilten. »Gestorben in einem OP voller Ärzte. Aufgeplatzt wie eine verdammte Puppe, der zu viel Watte einverleibt wurde.« Noraja schmunzelte über ihre eigenen Gedanken und blickte ein letztes Mal auf ihr lebloses Ich, bevor das monotone Piepen ihr bestätigte, was sie längst wusste. Sie war tot.Es machte keinen Sinn mehr, weiter an diesem Ort zu verweilen, und so schloss sie die Augen. Beruhigt. Sorglos. Frei von Gedanken. Sterben war wohl doch nicht die schlechteste Option. »Noraja?« Ein dumpfes Pochen ging durch ihren Schädel. Kein Schmerz, nur ein unangenehmer Druck breitete sich aus und ließ sie aufstöhnen. Ich bin tot, war ihr einziger Gedanke. Hieß es nicht, dass genau dann nichts mehr passierte? »Noraja?«Die Stimme wurde klarer. Mächtiger. Dunkler. Langsam nahm ihr Unterbewusstsein wieder etwas wahr. Sie spürte den harten Untergrund. Ihre Finger ertasteten einen glatten Boden. Kälte ging von ihm aus, während Wärme von oben auf sie herab drang und ihren Geist belebte. Das Kreischen eines Raben ließ sie stutzen, als erneut eine gedämpfte, nun aber melodische Stimme zu ihr durchdrang. »Noraja. Wach auf.«Sie hielt inne. Konzentrierte sich. Versuchte zu atmen. Keine Schmerzen. Kein Leid. Immer deutlicher vernahm sie ihren Körper und dass er wieder seine ihr wohlbekannte Form angenommen hatte. Was war hier los? Unsicherheit breitete sich in ihr aus. Zögernd suchte sie nach Worten. »Bin ich tot?« Ein leises Seufzen war zu hören, bevor sie eine Bewegung zu ihrer Rechten vernahm. »Ja.«Ein eigenartiges Gefühl ergriff ihren Körper. Irgendwie hatte sie mit einer anderen Antwort gerechnet. Sie kniff die Lider zusammen, bevor sie vorsichtig ein Auge öffnete. Sie erwartete blendendes Licht, doch nichts als dichter Nebel umgab sie. Behutsam ließ sie ihren Blick schweifen. Nichts, außer ein grauer Schleier, der um sie tanzte. Sie sah nach rechts in der Hoffnung, eine Gestalt neben sich zu erspähen, doch auch hier warteten nur weitere Nebelschwarten auf sie. »Wo bin ich?«, fragte Noraja leise. Sie glaubte, eine Bewegung hinter der Nebelwand wahrzunehmen, doch mehr als Schemen waren nicht zu erkennen.»Auf dem Weg nach Walhalla. Du hast tapfer gekämpft. Du sollst deine Belohnung dafür erhalten.« Noraja schluckte und richtete sich auf. Lichtblitze zuckten vor ihren Augen auf und spülten eine Flut an schrecklichen Bildern herbei. Blut. Ihr zerfetzter Körper. Boxer.Sofort senkte sie den Blick. Verschwunden. Alles. Sie starrte auf ihren Bauch, der in ein sanftes Gewand aus dunklem Stoff gehüllt war. Verrückt. Sie war verrückt. Sie hob ihre Hände und musterte diese. Keine Verletzungen mehr. Keine abgerissenen Nägel, welche sie sich bei dem Versuch, sich zu befreien, zugezogen hatte. Alles war verschwunden.»Walhalla?«, entfuhr es ihr völlig verwirrt. »Ja, Walhalla«, wurde ihr entgegengehaucht. Sie richtete sich langsam auf, nur um dabei festzustellen, dass es sich immer noch anfühlte, als wäre sie schwerelos.Konnte das wirklich sein? Gab es das wirklich? »Du behältst recht daran zu zweifeln. Tun sie alle. Erst vor wenigen Stunden stand an derselben Stelle ein dir wohl bekannter Mann. Er war nur etwas ... sagen wir zwiegespaltener. Lauter. Kampflustiger.«Noraja verstand kein Wort und schwieg. »Er hört auf den Namen Boxer.«Sein Name jagte ihr eine Gänsehaut über den Körper. Ihr Herz raste. Ihr Herz. Es raste. Unsicher legte sie ihre Hand auf die Brust und vernahm das leise Klopfen. »Er ist hier?«, fragte sie keuchend und drehte sich zu dem Schatten hinter der Nebelwand. Ein leises, warmes Lachen drang zu ihr. »Ist er und er erwartet dich bereits. Komm. Ich bringe dich zu ihm.«Ihre Zweifel, welche diesen Ort betrafen, waren verschwunden, so als hätte es diese niemals gegeben. Schon machte sie den ersten Schritt auf die Nebelwand zu, als erneut das Kreischen eines Raben zu hören war. Doch diesmal wirkte es nervöser. Nahezu aufgebracht. Eine weitere Präsenz tauchte auf. Hinter ihr. Kalt und dunkel legte sie sich wie ein Schatten über Noraja und ließ sie innehalten. »Und was ist mit deinem Mörder? Dem, der dir dein ungeborenes Kind aus dem Leib gefetzt hat? Was ist mit dem Rest deiner Familie? Sie trauern. Sie leiden. Wegen dir. Weil du gegangen bist. Weil du aufgegeben hast.«Die Stimme war klar und fordernd. Sie drang Noraja bis ins Mark ihrer Knochen. Die Wärme verschwand und das Hochgefühl, was sie eben noch verspürt hatte, kroch ihr aus dem Körper. Langsam drehte sie sich herum, doch auch diesmal war nur ein Schemen hinter der Nebelwand zu erkennen. »Was? Ich ...«, stammelte Noraja überfordert. Eine schnelle Bewegung lehnte sich in den Nebel und ließ für einen Moment die Silhouette einer Frau erscheinen.»Ja du. Du hast aufgegeben!«, wurde ihr zornig entgegengeworfen. Ihre Worte trafen Noraja mitten ins Herz und rissen es erneut in kleine, blutende Stücke. Schuldgefühle begannen an die Oberfläche zu steigen. Zweifel mischten sich darunter. »Ich habe alles versucht ...«»Dann wärst du jetzt nicht hier«, wurde sie fauchend unterbrochen. Unwohlsein stieg in ihr auf. Langsam zog sich ein ziehender Schmerz durch ihren Unterbauch, was sie sofort nach unten blicken ließ. Blutige Finger stachen ihr entgegen. Gebrochene, eingerissene Fingernägel. Eingebettet in getrocknetem Blut. Ein unangenehmes Kitzeln wanderte über ihre Schenkel, als plötzlich ein blutiger Faden ihre Beine entlanglief und sich den Weg auf den glänzenden Boden suchte. »Was passiert hier?«, fragte Noraja mit brüchiger Stimme, ehe ein neuer Schmerzimpuls durch ihren Körper schoss. Schreiend ging sie in die Knie. Ihre Lungen zogen sich zusammen. Jeder Atemzug brannte ihr in der Kehle und schickte ihr ein glühendes Stechen durch den Schädel. »Bitte. Mach dass es aufhört!« »Hör auf!«, grollte plötzlich die dunkle Stimme durch die Nebelwand. »Ich befehle es dir!«Ein verhöhnendes Grollen war die Antwort auf diese Forderung. »Du hast hier keine Macht über mich. Es ist allein ihre Entscheidung.«Noraja rang immer noch nach Luft, während sich alles um sie herum drehte. Das Gefühl der Schwerelosigkeit war verschwunden und machte einer bleiernen Schwere Platz. Sie sackte auf den Boden. Sie war wieder dort, wo sie hingehörte. »Sie hat ihre Entscheidung bereits getroffen, sonst wäre sie nicht hier!«, erwiderte die nun eindeutig aufgebrachte Stimme. »Das glaube ich nicht«, hallte es wissend durch den Nebel, und um Noraja zog erneut eine Dunkelheit auf, der eine eisige Kälte vorausging. »Willst du nicht dafür sorgen, dass der Tod deines Mannes gerächt wird?«, fragte die weibliche Stimme. Die Worte drangen klar und deutlich in Norajas Sinne. »Doch«, keuchte diese unter einem weiteren Schmerzimpuls, denn mit diesen Worten flammten die Bilder von Boxer wieder vor ihr auf. Seine Schreie setzten sich in ihre Gedanken. Der Geruch von verbranntem Fleisch kam aus dem Nichts und ließ sie würgen. »Mach, dass es aufhört«, bettelte Noraja.»Das kann ich nicht. Es liegt in deinen Händen.«Noraja würgte erneut. Bebend presste sie ihre blutenden Finger in den Boden.»Wie?«, fragte sie, während ihr die Tränen in die Augen stiegen. Ihre Gefühle brachen über ihr herein und trieben sie in die Enge. Angst, Panik und Hilflosigkeit vermischten sich. Doch darunter schlummerte ein Funke Wut. »Sag mir, was du willst?«Noraja vernahm das dumpfe Grollen der männlichen Stimme, doch sie schien so weit weg zu sein, dass sie nicht einmal erahnen konnte, was er versuchte ihr mitzuteilen. »Ich will, dass es aufhört. Diese Schmerzen. Diese Bilder. Diese Gedanken!« Ein leises Lachen war zu hören. »Und glaubst du etwa, das wird geschehen, wenn du dich an Wotans Tisch niederlässt? Dich bereicherst an seinen Gaben und in der Ewigkeit verweilst, während der Rest deiner Familie armselig zugrunde geht? «Die Worte trafen sie, wie heiße Klingen und ließen die Wut in ihr heranschwellen.»Nein«, erwiderte Noraja, unwissend woher diese Erkenntnis plötzlich kam. »Dann sag es! Was willst du?« Die Stimme wurde immer kühler, aggressiver und feuerte die Wut in Noraja weiter an. Es tobte in ihr. Die Wut ging über in rasenden Zorn und drängte die Schuldgefühle und den Schmerz zurück, während die Worte der Frau beinahe schon betörend in sie eindrangen. »Du hast es satt. Jahrelang hast du nach den Regeln anderer gespielt. Du hast dich klein halten lassen. Hast versucht, es ihnen recht zu machen. Du hast nicht gelebt. Du hast existiert. Bis Boxer in dein Leben trat. Er hat dich und deine wahre Schönheit gesehen und geliebt. Er hat dich in seine Familie aufgenommen. Dir eine Familie gegeben. Bis er kam. Bis das Monster kam und dir alles genommen hat.«Das Bild vor Noraja verschwand, um sofort wieder glasklar vor ihr zu erscheinen. Ein widerliches Lächeln stellte sich ihr entgegen. Ein Lächeln, welches eine silberne Klinge an ihrem Kinn ansetzte und ihr alles nahm, was sie hatte. Die Wut und der Zorn brachen aus Noraja heraus, wie eine gewaltige Explosion, und fegte alles andere aus ihren Gedanken. Die Schmerzen stoppten schlagartig und sammelten sich in ihrem zerbrochenen Herz. Sie richtete sich auf und blickte starr zu dem Schemen hinter der Nebelwand zu ihrer Linken. »Also sag mir, was willst du Noraja?« »Rache.« Schlagartig riss die Nebelwand vor ihr auf und eine wunderschöne Frau trat vor sie. Ihre Haare so schwarz, dass sie unendlich wirkten. Sie verschlangen jedes Licht und legten einen schweren Schatten um die schlanke Gestalt. Weiße Haut stach darunter hervor, verhüllt in einem engen, schwarzen Kleid, welches sanft über den Boden glitt. Besetzt mit unzähligen roten Diamanten. Doch Noraja hatte nur an einem Interesse. Ihren Augen. Wie kleine Rubine funkelten sie Noraja verschwörerisch entgegen. Die List und die Gefahr dahinter vernahm diese, und doch konnte sie nicht anders, als sich davon fesseln zu lassen. Langsam schritt sie auf Noraja zu und ein feiner Hauch von verbranntem Holz legte sich in die Luft um sie herum. Ein sanftes Lächeln lag auf ihren blutroten Lippen, als sie unmittelbar vor Noraja zum Stehen kam.»Rache ist es, was uns alle am Leben hält«, flüsterte sie sanft. Ihre Worte vibrierten auf Norajas Haut und ließen das Gefühl von endloser Macht durch sie hindurchfließen. Ein Gefühl, welches sie schon in diesem Moment niemals wieder missen wollte. »Rache ist es, was ich dir geben kann.«Ihre roten Augen glühten auf und zogen Noraja noch tiefer in ihren Bann. Die Wut kroch in jede Zelle ihres Körpers und vermischte sich mit dem Wissen der Macht, die sie erhalten hatte. Die Frau lächelte Noraja ein weiteres Mal zu und streckte ihr langsam ihre Hand entgegen. »Nimm sie dir und hol dir zurück, was er dir genommen hat.«Der letzte Funke Verstand in Noraja regte sich und ließ sie abwarten. »Was willst du dafür?«, fragte sie flüsternd. Ein breites Lächeln brachte strahlend weiße Zähne zum Vorschein. »Ein Leben für ein Leben«, erwiderte die Frau und hielt Noraja dabei immer noch die Hand entgegen. »Ein Leben für ein Leben«, wiederholte Noraja und erhielt dafür ein leichtes Nicken. Für den Bruchteil einer Sekunde vernahm Noraja die flehenden Worte hinter sich, doch es war zu spät. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen. »Zu wen soll ich das Leben schicken?«, fragte sie, während sie ihre Hand in die der Frau legte. Im selben Moment wurde Noraja von einer grausamen Leere erfasst. Sie drang tief in ihre Seele ein und fraß sich unerbittlich hinein. Das Lächeln der Frau wurde zu einem breiten, wissenden Grinsen und gleichzeitig veränderte sich ihr Aussehen. Die rechte Seite ihres Gesichts löste sich auf. Die Haut fiel von dem darunterliegenden Fleisch, welches sich unmittelbar danach vom Knochen schälte und in schwarzen Rauch aufstieg. Zurück blieb der blanke Schädel des Todes. Wie eine Maske, in zwei Hälften geteilt. Blutrote Lippen endeten in weißen Knochen und grinsten ihr gemeinsam entgegen. »Es gibt hier nur mich.«Und so, wie die Worte zu Noraja drangen, verschwamm das Bild um sie herum und sie wurde in einen Abgrund gerissen. Nichts. Endloses Nichts umhüllte sie. Minutenlang oder waren es gar Stunden. Noraja wusste es nicht. Sie spürte nur die Kälte und Leere, die ihren Körper gefangen hielt. Bis - bis sie plötzlich ein leises, kaum hörbares Pochen vernahm. Langsam, aber stetig nahm es an Intensität zu. Und mit ihm zog eine eigenartige Wärme in ihrem Körper ein, welche einen Schwall Schmerzen mit sich brachte. Es wurde lauter um sie herum. Die Schmerzen wurden unerträglich. Bis sie endlich die Augen aufriss und grelles, weißes Licht sich in ihre Netzhaut brannte, bis ein Schatten sich über sie lehnte. Besorgte Augen, in denen Überraschung lag, sahen sie an. Ein verborgenes Lächeln zeichnete sich in dem Gesicht der jungen Frau ab, die gedämpft durch ihre OP - Maske sprach. »Na willkommen zurück. Wir hatten die Hoffnung schon aufgegeben.«Noraja schluckte. Unfähig zu sprechen, geschweige denn zu realisieren, was hier gerade passiert war, wanderte ihr Blick unruhig durch den Raum und hielt auf ihrer Hand inne.Ein schwarzer Schatten lag auf dieser, drang in ihre Haut ein und verschwand innerhalb eines Wimpernschlags. Ein leises Knurren verließ Norajas Kehle, während ein angenehmes Pulsieren durch ihren Körper kroch und nach und nach die Schmerzen zum Erliegen brachte.

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