Kapitel 1

Ein warmer Windhauch legte sich sanft auf seine Gesichtszüge. Tief sog er die salzige Luft durch seine Nase und vernahm den reißenden Geschmack auf seiner Zunge. Das leise Rauschen der Wellen kämpfte gegen seinen schnellen Herzschlag an, und dennoch fand er keine Ruhe. Die ersten Sonnenstrahlen kitzelten über seine Haut, doch anstatt eine wohlige Wärme in ihm auszulösen, fraß sich nur eisige Kälte durch seinen Körper. Jason starrte über das blau glitzernde Wasser, welches sich vor ihm erstreckte und sich mit weiß schäumenden Perlen vor seinen Füßen brach. Dieser Ort hatte ihm einst gezeigt, wie schön das Leben sein konnte. Er hatte ihn darin bestärkt, die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben. Es war der Ort gewesen, der dazu geführt hatte, dass er noch lebte. Und jetzt? Jetzt war es einer der vielen Orte, der sein Herz schwer werden ließ. Die Trauer, die sich seit vier Monaten unentwegt durch seine Zellen fraß, nahm ihm jede Lebenslust. Vier Monate. Vier Monate ohne Noraja. Vier Monate, in denen keiner wusste, wo sie steckte. Ob es ihr gut ging. Ob sie überhaupt noch lebte. Seitdem fühlte sich jeder Tag gleich an. Stumpf, abgerissen, bedeutungslos. Einzelne blonde Strähnen hatten sich aus seinem Zopf gelöst und wurden vom Wind sanft durch die Luft bewegt. Jason rieb sich über die Stirn und vernahm das leichte Kratzen der Sandsteinchen, die an seiner Handfläche klebten und sich gnadenlos in seinem Gesicht verteilten. Leise seufzend versuchte er, die unliebsamen Begleiter loszuwerden. Erfolglos. Tja, wie alles in meinem Leben. Widerwillig stand er auf, denn ihm war noch nicht danach, den Ort, an dem er ungestört in Selbstmitleid versinken konnte, zu verlassen. Doch der Blick auf sein Handy zeigte ihm, dass er nicht mehr viel Zeit hatte, ehe er zu seinem nächsten Termin musste. Er versank tief in dem weichen, bereits warmen Sand. Schwerfällig ließ er seinen Blick ein letztes Mal über den Strand schweifen, bevor er sich abwandte und zurück zu seinem Bike lief. Ein stechender Schmerz schoss ihm durch seine Brust, als er die Stelle passierte, an der vor einem Jahr der Soundtower stand. Die Stelle, an der Noraja und er das erste Mal ihre harten Masken fallen ließen und sich gemeinsam durch die Wellen des Schmerzes kämpften. Der Punkt, an dem sie noch weit voneinander entfernt schienen und sich doch schon so nah waren. Und wie jedes Mal glaubte Jason, immer noch die Energie des Konzerts in der Erde zu spüren und die Melodie der Lieder zu hören. Die Schwere in seinem Körper verlor erst an Bedeutung, als er neben dem Bike zum Stehen kam und sein Blick, auf die schwarze Lederkutte fiel. Das Zeichen seiner Liebe. Der Ausblick auf eine Familie. Schnell nahm er sie von dem Tank, und erst als sich das erwärmte Leder, wie eine zweite Haut an seinen Körper schmiegte, fühlte er sich nicht mehr vollständig verloren. Er hatte immer noch sie. Die Walhalla Fighter. Seine Familie. Sein Fels in der Brandung, und doch hatte das alles einen bitteren Beigeschmack, denn das alles hatte er nur durch sie gewonnen. Noraja. Er wusste, dass seine Gedanken ihm keine Ruhe lassen würden, und schon gar nicht, wenn er weiter an diesem Ort verweilte. Jedes Mal nahm er sich vor, dass er das letzte Mal den Weg hierher gefunden hatte, und doch zog ihn ein unsichtbares Band immer und immer wieder zum Beginn ihrer Vertrautheit zurück. Die Vibrationen des Bikes ließen seine Gedanken langsam zur Ruhe kommen, während er über die scheinbar unendliche Landstraße nach Boxaja fuhr. Fernab von dem Stress der Stadt, vorbei an hochgewachsenen Maisfeldern, um letztendlich von einem dichten Wald umzingelt zu werden.Mittlerweile war er in der Lage, diese Strecke schlafend hinter sich zu bringen, und doch fand er immer wieder neue Dinge, die ihm bisher verborgen geblieben waren. War er die Male davor einfach nur zu unachtsam gewesen oder lag es daran, dass er sich jeden Tag etwas mehr bemühte, auf seine Instinkte zu achten? So oder so vernahm er im Augenwinkel einen Jägerstand, der ihm vorher noch nie aufgefallen war. Belanglos und dennoch etwas, was ihm zeigte, dass das harte Training der letzten Monate sich langsam bezahlt machte. Er nahm mehr von seiner Umwelt wahr. Er konnte schneller auf Situationen reagieren. Er war auf dem Weg, ein vollwertiges Mitglied der Walhalla Fighter zu werden. Er wurde zu einem von ihnen.Sieben Monate lief er bereits als Prospect unter ihnen und wenn er sich nichts zu Schulden kommen lassen würde, sollte es nur noch drei weitere dauern, bis er seinen Vollmemberstatus bekam. Nichtigkeiten, wenn er bedachte, was sein Herz eigentlich wollte, aber immerhin etwas, was ihn von Noraja ablenkte.Er fuhr gerade auf die Insel, als er von Weitem schon die rotleuchtenden Locken von Franzi entdeckte. Diese drehte sich lächelnd zu ihm, als er neben ihr anhielt. »So zeitig schon unterwegs?«, fragte sie und musterte ihn. Jason zog sich den Helm ab und beugte sich in ihre Richtung, um sie in eine feste Umarmung zu schließen. Unsagbare Wärme legte sich dabei auf seinem Körper nieder. Eine Wärme, die nicht einmal die pralle Sonne in ihm auslösen konnte. Franzi war zu einer der wichtigsten Personen in seinem Leben geworden. Sie hatte ihn aufgefangen, als er zusammenbrach. Das Verschwinden von Noraja hatte ihm den Boden unter den Füßen weggezogen und ihn in ein tiefes, schwarzes Loch geworfen. Seine eigene Dunkelheit hatte ihn völlig in sich verschlungen und wochenlang war er in ihr gefangen. Niemand schien einen Weg durch diese zu finden. Niemand außer Franzi. Vielleicht lag es daran, dass sie Noraja in vielen Dingen so ähnlich war und doch so anders. »Ich könnte dir dieselbe Frage stellen«, erwiderte er, während er Franzi aus seinen Armen entließ. Sie schmunzelte. »Erwischt. Aber der Tag wird lang und ich will noch schnell zu Norajas Haus, bevor der Alltag mich gefangen nimmt.«Ein ungutes Gefühl breitete sich in Jasons Magen aus und ließ ihn schwer einatmen, und doch verließen die Worte ungewollt seine Lippen. »Soll ich dich fahren?«Unsicherheit legte sich in ihren Blick. »Bist du dir sicher?«Nein, dachte sich Jason, doch stattdessen nickte er nur und schon legte sich ein Lächeln in Franzis Gesicht. »Na dann«, sagte sie und ließ sich hinter ihm auf das Bike gleiten.Zögernd zog er die Kupplung und startete. Das Unwohlsein entwickelte sich zu einer ausgeprägten Übelkeit, doch als Franzi ihre Arme um seine Hüfte legte, schloss er für den Bruchteil weniger Sekunden die Augen und legte den Gang ein.Der Weg führte sie vorbei an dem Bürogebäude, welches das eigentliche Ziel von Jason gewesen war. Er war Norajas Wunsch nachgekommen und leitete seit vier Monaten die Eventfirma. Anfänglich erdrückte ihn das Gefühl, dem Ganzen nicht gewachsen zu sein, doch mittlerweile hatten die Routine und der Drang, sich zu beweisen, dafür gesorgt, dass er Norajas Können kaum noch nachstand. Routiniert lenkte er das Bike über die verschlungene Straße, die zu ihrem Haus führte, doch so, wie sich das Gebäude vor ihm auftat, zog er schlagartig die Bremse und sorgte dafür, dass Franzi mit ihrem Kopf in seinen Nacken einschlug. »Sag mal, geht's noch?«, raunte sie ihn an, während sie sich ihre schmerzende Stirn rieb. Doch Jason vernahm ihre Worte nicht einmal beiläufig. Erinnerungen brachen über ihn herein und beförderten ihn vier Monate zurück. Stocksteif klammerten sich seine Finger um den Griff des Bikes, so fest, dass seine Knöchel bereits weiß anliefen. »Jason?«Franzi war abgestiegen und musterte ihn mit besorgter Miene. »Jason?«, wiederholte sie und berührte ihn dabei leicht an der Wange, doch sein Blick war starr auf das Haus vor ihnen gerichtet. Vor Jasons Augen tat sich eine dichte Nebelwand auf und diese schien sich um ihn zu legen, nur um anschließend aufzureißen und ihn wieder an dieselbe Stelle zu befördern. Doch saß er damals nicht auf seinem Bike, sondern auf dem Beifahrersitz von Remis Wagen. Jason war gerade im Begriff auszusteigen, als Remi ihn an der Schulter packte. »Warte.«Jason hielt inne und drehte sich mit fragendem Blick zu ihm. »Was? Hat sie es sich anders überlegt? Will sie nicht mit mir reden?«Remi schüttelte den Kopf und wieder nahm Jason dieses Mitleid in seinem Blick wahr. Remi hatte ihn aus dem Krankenhaus abgeholt und war dabei schon still gewesen. Stiller als sonst. Remi schob es auf die Geschehnisse der letzten Tage und Jason nahm es einfach hin. Seine Gedanken kreisten zu diesem Zeitpunkt einzig um Noraja und das, was passieren würde, wenn sie aufeinandertrafen. Immerhin hatte Jason endlich verstanden, was das zwischen ihnen war. Er liebte sie und daran hatte sich nichts geändert. Keine Flügel, Reißzähne oder Bluträusche würden etwas an seinen Gefühlen ändern. Doch wie sah sie das? Noraja war stur und das Aufeinandertreffen mit Nadine war nicht sonderlich förderlich gewesen. Diese und tausend andere Gedanken beanspruchten seine ganze Aufmerksamkeit. Anderenfalls hätte er den durchdringenden Blick von Remi, welcher von dunklen Augenringen und einer Whiskyfahne untermauert wurde, bemerkt. Auch dass Remi ungewöhnlich langsam fuhr, so als wollte er nicht an seinem Ziel ankommen, entging Jason völlig. Und erst jetzt, als Remi ihn daran hinderte, endlich zu Noraja zu gehen, um aus den wüsten Gedanken klare Worte zu machen, wurde er stutzig. Jasons fragender Blick verwandelte sich langsam in Unverständnis, als Remi nichts sagte, sondern ihn einfach nur anstarrte. Doch ehe Jason einen neuen Versuch starten konnte, das Auto zu verlassen, griff Remi in die Innentasche seiner Kutte und zog einen zerknüllten Zettel heraus. Er musterte ihn erst selbst erneut für einen Moment, bevor er ihn mit einem gequälten Gesichtsausdruck an Jason weiterreichte. »Was ist das?«, fragte dieser und nahm Remi das Stück Papier aus der Hand. »Es tut mir leid«, war die einzige Antwort, die er erhielt, und als er endlich die Whiskyfahne wahrnahm, begann der Absturz.Sein Puls schoss sofort in die Höhe und ein beinahe schon schmerzhaftes Kribbeln breitete sich auf seiner Haut aus. Sein Blick wanderte von Remi zu dem Zettel in seiner Hand. Dunkle Schrift schimmerte durch die weiße Seite und langsam faltete er sie auseinander. Seine Augen flogen über die Worte, und auch wenn er diese leise vor sich hin murmelte, war sein Verstand nicht in der Lage, sie zu verarbeiten. Immer und immer wieder las er die Zeilen von Noraja und mit jedem neuen Anlauf, brach etwas mehr in ihm zusammen. Remi sah, wie Jason langsam abdriftete, und fühlte sich das erste Mal seit Jahren völlig hilflos und überfordert. Doch gerade, als er den Mund öffnete, um Jason irgendwie das Gefühl zu geben, dass er nicht allein in dieser Situation steckte, riss dieser die Wagentür auf und rannte auf Norajas Haus zu. »Fuck. Jason ...«, brüllte Remi ihm nach, während er selbst aus dem Auto sprang. Doch Jason vernahm seine Worte nicht mehr und hatte nur noch ein Ziel. Noraja. Es musste ein Scherz sein. Zwar ein schlechter, aber sie verarschten ihn. Aus was für Gründen auch immer. Doch schon als er durch den großen Flur trat und in die leere Küche blickte, zog sich sein Magen krampfhaft zusammen. Ihr Geruch. Eine Mischung, die sich für ihn kaum in Worte fassen ließ, ummantelte ihn. Tief sog er diesen in sich auf und schloss für einen Augenblick die Augen. Es musste eine Lüge sein. Sie konnte nicht gegangen sein.Ein leises Knacken schickte ihm einen Hoffnungsimpuls durch den Leib und ließ sein Herz für einen Moment hüpfen. Vor seinem inneren Auge sah er die langen blonden Haare, die zu einem wüsten Dutt gebunden waren. Die strahlend blauen Augen, in denen sich so viel Vergangenheit widerspiegelte, und das wundervollste Lächeln, welches er jemals gesehen hatte. Leise, sanfte Schritte bewegten sich auf ihn zu und schickten ihm unwillkürlich ein Lächeln ins Gesicht. Vergessen war die Angst, die vor wenigen Sekunden seinen Körper gefesselt und seinen Geist zum Stillstand gezwungen hatte. Doch als er die Augen öffnete, verschwammen die blauen Pupillen und wandelten sich in Rehbraune, welche ihm nur eins entgegenbrachten. Unsicherheit. Franzi trat vor ihn, und während er Remis Verhalten ignorieren konnte oder besser gesagt einfach verdrängt hatte, traf ihr Anblick mitten in sein tobendes Herz. Angst, Sorge und Hilflosigkeit kämpften in ihrem Blick und hatten sich auf ihr gesamtes Erscheinungsbild niedergelegt. Mit hängenden Schultern und leicht gesenktem Kopf, stand sie unmittelbar vor ihm. Nichts von ihrer Stärke, die sie sonst ausstrahlte, war mehr vorhanden. Sie war verschwunden, ebenso wie das Gefühl, des Zuhause seins, welches er sonst in diesen Räumen verspürte.Sein Blick löste sich von der schweigenden Franzi und wanderte erneut durch das Haus. Erst jetzt wurde ihm die Stille bewusst. Eine erdrückende Schwere legte sich auf seine Schultern und presste ihn zu Boden. Seine Lunge begann sich zusammenzuziehen und seine Kehle trocknete aus. Ein nagendes Gefühl von Schuld fraß sich wie ein Bandwurm durch seinen Magen und wuchs mit jedem verkrampften Atemzug etwas mehr. Der Geruch, der ihn vor wenigen Sekunden noch geerdet hatte, schickte ihm einen bitteren Geschmack in die Kehle und ließ seine Magensäure gefährlich brodeln.»Nein«, entfuhr es ihm, und als er den Blick wieder zu Franzi richtete und sah, dass ihre Augen rot unterlaufen glänzten, überrollte ihn die Welle der Übelkeit und ließ ihn davonlaufen. Raus aus dem Haus. Weg von dem Mitleid und der aufkeimenden Schuld. Sein Herz schlug schmerzhaft gegen seine Brust. Seine Lunge presste Sauerstoff in ihre Zellen, obwohl sie kaum noch im Stande dazu war. Seine Beine wurden mit jedem panischen Schritt weicher und bald zitterten sie unkontrolliert. Er rannte ziellos in Richtung des offenen Meeres. Doch die Erinnerungen, die er von jeder Ecke der Insel empfing, schlugen gnadenlos auf ihn ein und vermischten sich in seinem Geist zu einem gesichtslosen Sadisten. Seine Umgebung verschwamm und nahm bizarre Formen an. Der Boden unter seinen Füßen schwankte, und seine ersten Schritte versanken im Nichts. Die ihm so vertraute Insel formte sich zu einer Parade aus Horrorerinnerungen, und sein Verstand begann damit, sich zu verabschieden, und lockte die Dunkelheit aus ihrem Versteck. »Jason?«Er vernahm seinen Namen kaum merklich und völlig dumpf. »Jason?« Sein Bewusstsein kämpfte mit der Dunkelheit und ließ die Worte nur langsam zu ihm durchdringen, bis etwas Warmes seine Wange berührte und die Finsternis in ihm, von einem grellen, reißenden Licht zerrissen wurde. Die Erinnerungen verzogen sich wie eine Maus in ihr Loch, als sie die Katze vor sich entdeckte, und krochen zurück in die hinterste Ecke seines Verstandes. Als sich das Bild vor ihm klärte, sah er wieder in rehbraune Augen, nur dass diese ihm diesmal mit Güte und Wärme entgegentraten. »Ist alles okay?«, fragte Franzi sanft. Jason nahm einen tiefen Atemzug. Seine Lunge brannte, als hätte er ihr minutenlang den Sauerstoff verwehrt. Er brauchte noch einige Augenblicke, bis er endlich wieder im Hier und Jetzt ankam. Franzis Hand ruhte dabei unentwegt auf seiner Wange und ihr Daumen streichelte behutsam darüber, als hätte sie Angst, ihm Schmerzen zuzufügen. Nachdem sein Puls wieder eine annehmbare Frequenz erreicht und das Beben seines Körpers sich beruhigt hatte, nickte er endlich. »Ja.«Franzi lächelte ihn traurig an und strich ihm ein letztes Mal über die Bartstoppeln, bevor sie ihre Hand zurückzog.»Sie wird wiederkommen«, murmelte sie und noch lag dabei Hoffnung in ihrer Stimme. Eine Hoffnung, die Jason langsam verließ, und dennoch versuchte er sich, mit allen Mitteln an den letzten Rest davon zu krallen.»Ja, das wird sie«, erwiderte er und schaffte es fast, seine Zweifel in dieser Aussage zu verbergen. Aber eben nur fast. Während die Anspannung in Jasons Körper langsam nachließ und das brennende Gefühl seiner Nackenmuskulatur ihn dazu zwang, seine verkrampften Hände vom Lenker zu lösen, um sich selbst über den Nacken zu reiben, trat Franzi vor ihn. »Hör auf damit. Hör auf zu zweifeln und dir an etwas die Schuld zu geben, wofür du nichts kannst.«Er hasste diese Worte. Er hasste sie so sehr, denn sie trafen ihn immer wieder. Es lag nicht daran, dass er diesen keinen Glauben schenkte. Es lag daran, dass er sich selbst dafür hasste, dass er sie nicht verinnerlichen konnte. Er konnte es einfach nicht. Er konnte niemandem sonst die Schuld daran geben. Und so war es wieder nur ein Nicken, was er Franzi als Antwort gab. Sie würde die Lüge in seinen Worten so oder so vernehmen, also konnte er sich den Versuch ebenso gut sparen. »Kommst du heute Abend zum Abendessen?«, fragte Franzi, wissend, dass sie beim Thema Schuld niemals auf einen Nenner kommen würden.Jason rieb sich über die Augen und räusperte sich. »Gern«, erwiderte er, auch wenn er lieber nein geschrien hätte. Jetzt, gerade in diesem Moment, wollte er nur in sein Bett, sich die Decke über den Kopf ziehen und in einem gestaltlosen Traum versinken, der ihm jegliche Emotionen nahm. Ein leises Klingeln, welches ihm aus seiner Kutte entgegendrang, sorgte dafür, dass keine neue Welle an Erinnerungen über ihn hereinbrechen konnte. Mechanisch glitt seine Hand unter das Leder und zog das Handy hervor. Ein tiefes Stöhnen entfuhr ihm, als er auf das Display sah. Manfred.Franzi kam nicht umher, zu schmunzeln, als sie den Namen ebenfalls sah. »Du solltest ihn umbenennen in: Nicht rangehen.«»Dann würde er wahrscheinlich persönlich hier auftauchen«, raunte Jason und steckte das immer noch klingelnde Handy wieder ein. »Ist es denn schon wieder so weit?«»Es scheint wohl so«, murmelte er und schien mit den Gedanken aber bereits wieder an einem anderen Ort zu verweilen. Und noch bevor Franzi etwas erwidern konnte, startete Jason sein Bike und versuchte ihr ein Lächeln zu schenken. »Dann sehen wir uns später.«Und ohne auf eine Antwort zu warten, legte er den Gang ein, fuhr davon und ließ Franzi mit einem mulmigen Gefühl im Magen zurück.

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