Kapitel 9

Jason verließ die Anwaltskanzlei mit einem breiten Lächeln im Gesicht und war sich sicher, dass er sich noch niemals so befreit gefühlt hatte.
Er war am Montagmorgen pünktlich 9 Uhr auf Arbeit erschienen und schon, als er das Büro betreten hatte, spürte er die Blicke auf sich. Diesmal trug er keinen teuren Anzug, wie alle anderen. Nein, er hatte sich direkt in sein neues Outfit geworfen. Er hatte ein schwarzes Shirt an, dunkelblaue weite Jeans, bequeme Sneakers und ein lässiges, schwarzes Hemd, welches er offen über dem Shirt trug. Er wirkte dadurch kräftiger, denn er war muskulös, aber das versteckten die Anzüge immer. Jason hatte eine braune Papiertüte in der Hand und lief lächelnd auf den Fahrstuhl zu. Als er in seiner Etage angekommen war, hielt er bei fast allen Büros an, klopfte, trat ein und erklärte dem dazugehörigen Mitarbeiter, wie wenig er ihn mochte. Seinen Chef hatte er sich für den Schluss aufgehoben. Er öffnete die Bürotür, ganz ohne zu klopfen, legte ihm die Kündigung vor die Nase und erklärte ihm, was für ein verdammtes Arschloch er doch war und dass er ihm die Pest an den Hals wünschte. Noch bevor sein Chef reagieren konnte, schmiss Jason die Papiertüte auf seinen Tisch (nein da war keine Scheiße drin, wäre aber sicher lustig gewesen, sondern Laptop, Handy, Zugangskarten usw.) und verließ diesen Abschnitt seines Lebens endgültig.

Es war kurz nach 12 Uhr, als Jason in Boxaja ankam. Er parkte vor dem Büro und kramte schnell den Vertrag aus seiner Tasche. Melina stand schon an der Tür, um ihn hereinzulassen.
„Hy Jason, schön dich zu sehen", sagte Melina, reichte ihm die Hand und lächelte.Er erwiderte das Lächeln.
„Hy. Du glaubst nicht, wie sehr ich mich darüber freue jetzt hier zu sein."
Melina ging in die Küche und Jason folgte ihr.
„Wie schaut es aus, Kaffee? Noraja hängt noch am Telefon fest, aber sie sollte gleich so weit sein."
Jason nickte.
„Sehr gern."
Sofort stellte sich wieder das Gefühl, des angekommen Seins ein und er wusste, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Melina reichte Jason einen Kaffee und nahm dann ihren eigenen.
„Lass uns inzwischen auf die Terrasse gehen. Das Wetter ist viel zu schön, um hier drin zu versauern", sagte sie und lief auf die große Glasfront am Ende des Ganges zu.
Jason folgte ihr und sah links in die Büros. Diesmal waren alle Mitarbeiter da. Er steckte seinen Kopf zur Tür rein und begrüßte sie mit einem freundlichen Hallo. Alle sahen auf und grüßten, mit einem Lächeln im Gesicht, zurück.
Jason und Melina setzten sich auf die Terrasse. Erneut war er völlig fasziniert von dem Ausblick. Keine fünf Meter vor ihnen begann der Strand und dahinter lag das tiefblaue Meer. Das Rauschen der Wellen war so gleichmäßig und beruhigend, dass Jason sich automatisch völlig entspannte. Sein Herzschlag wurde ganz ruhig, seine Gedanken legten eine Pause ein und alle Probleme schienen sich in Luft aufzulösen.„Wahnsinnig schön dieser Anblick, oder?", fragte Melina.
Jason sah sie an und seine Augen strahlten voller Glück.
„Unbeschreiblich. Ich weiß nicht, ob ich schon mal an so einem ruhigen, wundervollen Ort gewesen bin. Wem gehört die Insel hier eigentlich? Gehört sie noch zu Lonebeach?"
Melina musste schmunzeln.
„Die Insel gehört Noraja."
Jason sah sie fragend an, aber diese hatte sich bereits abgewandt und sich auf eine der Liegen gelegt.
Dieses Thema schien wohl beendet zu sein. Er setzte sich neben sie und Melina fing an ihm darüber aufzuklären, was ihn in den nächsten Tagen erwarten würde. Jason war aber mit seinen Gedanken immer noch bei dem Thema um die Insel und irgendwie beschäftigte ihm das mehr, als es vielleicht sollte.
„Oh, ich sehe, du hast dich neu eingekleidet? Gefällt mir", sagte Noraja, die plötzlich hinter ihnen auftauchte.
Jason zuckte kurz zusammen, bevor er sich zu ihr drehte.
„Ja, du hast mehr als deutlich gemacht, dass du meine Klamotten kacke findest. Also bin ich los und habe neue Klamotten gekauft und habe seit Jahren mal nur das gekauft, was mir auch wirklich gefallen hat", antwortet Jason.
Noraja schmunzelte.
„Sehr gute Einstellung. Wie sieht es aus, konntet ihr schon einiges klären?"
„Ja so weit. Ich habe ihm gerade erklärt, was so auf ihn zukommen wird", witzelte Melina.
„Super und er ist noch da. Scheint, als hätten wir den Richtigen ausgewählt", sagte Noraja und ließ sich lachend auf einen der Stühle fallen.
„Na dann mal zu den wichtigen Dingen. Wann willst du bei uns anfangen? Du wirst ja sicher noch deine Kündigungsfrist abwarten müssen?", fragte Noraja.
Sie blickte zu Jason, der direkt antwortete.„Wegen mir schon heute. Ich habe vorhin meine Kündigung abgegeben und meinen Chef erklärt, was er für ein Wichser ist. Die Bude betrete ich nicht noch mal. Ich habe so viele Überstunden, dass ich drei Monate nicht arbeiten gehen müsste. Rechtlich gesehen kann ich erst zum Ersten des nächsten Monats anfangen. Ich würde aber gern sofort loslegen, halt ohne Bezahlung, umso eher ich weiß, was ich zu tun habe, umso eher kann Melina in ihren Mutterschutz."
Melina grinste über beide Ohren.
„Ja man, Noraja, der Mann gefällt mir", sagte sie und lehnte sich zurück.
Noraja wollte gerade antworten, als ihr Handy klingelte.
„Remi, ist es wichtig? Bin gerade beschäftigt", sagte sie.
Remis Stimme klang ernst.
„Komm dann bitte ins Clubhouse, wir haben heute Abend einen Auftrag."
„Alles klar, bis dann!", erwiderte sie und legte auf.
Ihr Puls stieg an, gefolgt von ihrem Adrenalinspiegel. Ihre Hände fingen an zu zittern und sie spürte, wie sich etwas in ihr regte. Sie zwang sich, tief durchzuatmen und sich nichts anmerken zu lassen. Melina aber bemerkte die Veränderung von Noraja und konnte sich schon denken, was gerade passiert war. Sie ergriff das Wort, um ihr noch kurz Zeit zu geben, sich wieder zu fangen.
„Nein im Ernst, ich finde dein Angebot super, aber wenn du dir erst mal noch ein paar Tage Ruhe gönnen möchtest, dann ist das völlig okay", sagte Melina.
Jason war kurz irritiert, da Melina das Gespräch übernommen hatte. Er musterte Noraja, drehte dann aber den Kopf zu Melina.
„Nein, ich will keine Pause. Ich wüsste nichts mit der Zeit anzufangen und ich freue mich schon endlich loslegen zu können. Mein Gehirn hatte gefühlt die letzten Jahre schon Pause", sagte er.
Noraja hatte sich wieder halbwegs gefangen und sah zu den beiden.
„Na, dann brauchen wir ja nicht mehr diskutieren. Wir sehen uns morgen", sagte sie völlig emotionslos mit leerem Blick. „Melina kümmerst du dich um alles?"
Melina kannte dieses Verhalten und wusste genau, was los war.
„Klar, kein Thema", erwiderte diese.
Das war der Startschuss für Noraja. Sie stand auf, reichte Jason die Hand und verabschiedete sich.
„So Odin es will, sehen wir uns morgen", sagte sie und schon war sie dabei, die Terrasse zu verlassen, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.

Jason sah ihr verwundert nach. Er hatte ja verstanden, dass Noraja anders war, aber selbst er hatte bemerkt, dass dieser Anruf etwas in Noraja ausgelöst hatte. Sie war wie ausgewechselt. Von völlig entspannt, sprang sie auf nervös und unterkühlt. Ebenso, wie Melina, auch sie wirkte plötzlich angespannt und in ihrem Blick lag Sorge. Was war hier gerade passiert?Für einen Moment hatte er das Verlangen zu hinterfragen, warum die Stimmung schlagartig gekippt war. Doch, auch wenn er die beiden, erst seit wenigen Tagen kannte, wusste er, dass ihm das Ganze nichts anging und das er absolut kein Recht dazu hatte, sich in deren Leben einzumischen. Er war hier, für einen neuen Job und nicht um Teil von Norajas Privatleben zu werden. Sie hatte ihm diese Chance gegeben, dafür war er dankbar und er würde ihr keinen Grund geben, diese zu bereuen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top