Kapitel 7

Jason war gegen siebzehn Uhr endlich zu Hause angekommen. Als er die Wohnung betrat, fand er auf dem Küchentisch einen Zettel seiner Freundin.

Ich bin Arbeiten. Bonny habe ich mitgenommen.

Bonny war eine kleine französische Bulldogge und Jasons größter Schatz. Er nahm den Zettel und warf ihn in den Mülleimer.
„Arbeiten", murmelte er spöttisch und schüttelte mit dem Kopf.
Seine Freundin war eine von diesen Influencern und arbeiten bedeutete bei ihr: Sie sitzt irgendwo beim Essen mit ihren Freundinnen und überlegte, was sie als Nächstes posten könnte. Das Schlimmste daran war, dass sie tatsächlich Geld damit verdiente. Sie hatte fast fünfhunderttausend Follower und mit diesen kamen Werbepartner. Das bedeutete, sie bewarb sechsmal in der Woche sechs verschiedene Produkte, wovon sie privat nicht eins nutzte, und bekam dafür ein Arsch voll Geld.
Er lief zur Couch, ließ sich darauf fallen und war dankbar, dass ihm die Gassirunde heute erspart blieb. Seine Gedanken kreisten um das vergangene Gespräch mit Noraja. Er könnte sein Leben verändern. Aber war er bereit dazu? Es würde bedeuten, dass er öfter nicht zu Hause wäre, und er wusste jetzt schon, dass Nadine das Ganze nicht gefallen würde.Doch egal, wie lange er darüber nachdachte, er kam zu keinem sinnvollen Ergebnis. Er brauchte eine zweite Meinung und es gab nur einen Menschen, mit dem er darüber reden konnte.
Seinem Freund Tim.
Dieser war das komplette Gegenteil von Jason. Er war ein durchschnittlicher Typ, war nicht ganz so groß, hatte dunkelbraune Haare und war recht dünn. Er hatte helle Haut und war eher von der ruhigeren Sorte. Kennengelernt hatten sie sich während des Studiums, welches Tim ebenfalls abgebrochen hatte. Jason kramte nach seinem Handy und wählte Tims Nummer. „Hy, Jason. Was geht?"
„Hy, Tim, passt so weit. Hast du heute Abend Zeit für ein, zwei Bier? Ich bräuchte mal deinen Rat", sagte Jason und es folgte ein kurzes Zögern.
„Ja was soll's, ich muss morgen zwar arbeiten, aber für dich immer und wenn du schon mal einen Rat brauchst. Ich bin in einer Stunde bei dir. Passt das?", fragte Tim.„Ja passt perfekt. Dann bis gleich", sagte Jason und legte auf.
Tim wusste, dass es um etwas Wichtiges gehen musste, wenn Jason einen Rat von ihm wollte, denn eigentlich machte dieser alles mit sich selbst aus und nahm nur selten Hilfe an.
Auf die Sekunde genau klingelte Tim bei Jason an der Tür.
„Hy, Großer, ich habe mal vorsichtshalber Bier mitgebracht", sagte Tim, als Jason die Tür öffnete.
Jasons Augen weiteten sich. Fuck. Er hatte nicht mal nachgeschaut, ob er überhaupt Bier dahatte. An Jasons Blick erkannte Tim schon, dass es die richtige Entscheidung gewesen war.
„Ich wusste es doch, also alles richtig gemacht", sagte Tim, lachte und trat in die Wohnung.
„Sorry. Ich habe es voll verpeilt", sagte Jason und strich sich durch die Haare.
Tim winkte ab und legte sich auf die Couch. Jason tat es ihm gleich. Er öffnete zwei Bier und reichte eins davon Tim.
„Na dann mal raus mit der Sprache, was bedrückt den kleinen Jason?"
Jason nahm einen Schluck aus der Flasche und begann von seinem Tag zu erzählen. „Alter, du hast dich echt auf die Anzeige beworben, die ich dir geschickt habe? Und dann erzählst du mir nicht mal, dass du zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen worden bist?", fragte Tim mit gespielter Enttäuschung in der Stimme und schlug Jason leicht auf die Schulter.
Ja, das war wohl eine weitere kleine Lüge von Jason. Er selbst war nicht auf die Anzeige gestoßen.
„Ja, ich weiß auch nicht. Ich bin davon ausgegangen, dass es eh nichts zum Erzählen geben wird. Ich hätte im Traum nicht dran gedacht, dass ich den Job wirklich angeboten bekomme", sagte Jason und legte den Kopf in den Nacken.
„Was mache ich denn jetzt? Mein ganzes Leben würde sich ändern. Ich habe keine Ahnung, wie ich das Nadine beibringen soll", sagte Jason und man hörte ihm seine Verzweiflung an.
Tim lachte gehässig auf.
„Na Hauptsache Königin Nadine ist glücklich! Jetzt mal im Ernst. Bist du glücklich mit deinem Leben? Wenn die Antwort darauf nicht JA ist, dann weißt du doch, was du zu tun hast. Es ist dein Leben und du musst glücklich sein. Nadine wird sich damit schon abfinden. Die schmollt zwei Wochen und dann ist alles wieder beim Alten. Wie immer, wenn es mal nicht nach ihrem Willen geht."
Jason atmete tief ein und dachte über Tims Worte nach.
„Na ja, wirklich glücklich bin ich nicht. Mich langweilt meine Arbeit. Jeden Tag dieselbe Scheiße, dieselben öden Menschen und immer derselbe egoistische Chef", sagte Jason und sah zu Tim.
„Na dann solltest du am Montag den neuen Job annehmen und danach fährst du ins Büro und sagst jedem Mal so richtig die Meinung. Glaub mir, das kann wahnsinnig befreiend sein und wenn dir danach ist, kackst du deinem Chef halt noch auf den Schreibtisch."
Tim konnte den Satz vor Lachen kaum zu Ende sprechen und Jason stieg direkt mit ein. Tim hatte recht. Er war unglücklich und was hatte er schon zu verlieren? Wer weiß, ob er so eine Chance jemals wieder erhalten sollte. Er sah grinsend zu Tim.
„Scheiß drauf, ich mache es. Ich nehme den Job an!", sagte Jason voller Überzeugung.„Yeah, darauf stoßen wir an!", schrie Tim.
Sie ließen die Biere aneinander knallen und Jason war davon überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Jetzt musste er es nur noch Nadine beibringen. Die kam eine halbe Stunde später nach Hause. Tim verabschiedete sich direkt von den beiden, denn bei dem Gespräch wollte er nicht dabei sein. Jason bat Nadine sich zusetzen. Er wollte das Gespräch nicht unnötig rauszögern, sondern direkt hinter sich bringen. Er erzählte ihr alles und versuchte, ihr zu erklären, dass es zwar eine Umstellung werden würde, aber am Ende auch sie davon profitieren konnte. Schließlich hätte sie dann endlich wieder einen glücklichen Freund. Als er fertig war mit seinem Vortrag, sah er sie an und wartete auf ihre Reaktion. Er rechnete damit, dass sie völlig ausrasten würde, doch was dann kam, hätte er niemals erwartet. „Na, wenn du meinst, dass dies das Richtige für dich ist, dann mach es doch. Es ist ja dein Leben und du sollst ja mal sagen können, dass du dieses auch genossen hast", sagte sie und küsste ihn auf die Stirn.
Jason saß irritiert und schockiert zu gleichen Teilen auf der Couch und starrte Nadine an.

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