Eleah
Als ich am nächsten Morgen erwachte, saß Bel mit verschränkten Armen vor der Brust auf dem Hocker an der Wand und schlief.
Leise setzte ich mich aufrecht hin und betrachtete ihn. So ungeniert hatte ich das bisher nicht tun können, da sein wachsamer Blick immer auf der Lauer lag.
Gerade Nase, markanter Kiefer, die schwarzen Haare, kräftige Schenkel, seine Oberarme, die beinahe das dunkle Hemd sprengten, nicht zu vergessen die blauen Augen, seine feste Brust, die großen schwieligen Hände, die mir gerne mal eine Gänsehaut bescheren durften ... Ich hielt inne und runzelte die Stirn. Dann verzog sich mein Mund, als mir klar wurde, dass ich ihn zu meinem Leidwesen verdammt attraktiv fand.
Ich hatte nicht vergessen, was er mir angetan hatte, aber irgendwie war er nicht mehr der Mann von vor – ich zählte kurz in meinem Gedanken nach –, vier Monaten ... Großer Gott, war ich wirklich schon so lange hier?
»Gefällt dir, was du siehst?« Bel öffnete ein Auge.
Ich rümpfte die Nase. »Das hättest du wohl gerne.« Schlief dieser Kerl denn tatsächlich nie?
»Das war kein Nein«, sagte er und streckte sich.
»Träum weiter.«
»Oh, ich habe schon sehr gut geträumt«, sagte er. »Von dir. Auf den Knien. Mit diesen Lippen, an denen übrigens immer noch der Sabber hängt, um meinen großen, steif–« Das Kissen, das ich warf, landete genau in seinem Gesicht. Er lachte rau und kehlig, während ich die Beine unter der Decke zusammenpresste und versuchte, mein rasendes Herz wieder unter Kontrolle zu bringen.
»Vielleicht solltest du deiner Freundin Fiona mal wieder einen Besuch abstatten und mich in Ruhe lassen.« Hoppla, wo kam das denn her?
Sein Lachen verstummte.
»Es tut mir leid, das geht mich nichts an«, murmelte ich.
»Wenn man es genau nimmt«, begann Bel langsam, »geht es dich schon etwas an. Also lass mich dir versichern, dass Fiona seit geraumer Zeit tatsächlich nur noch eine Freundin ist. Seit der Hochzeit um genau zu sein.«
Ich hatte keine Ahnung, was ich erwartet hatte, aber sein Geständnis schockierte mich tatsächlich. Irgendwo war auch ein Fünkchen Erleichterung in mir, aber hauptsächlich war ich tatsächlich überrascht.
»Hätte nicht gedacht, dass du dein Vergnügen nicht mit deinem Opfer mich zu ehelichen unter einen Hut kriegst.«
»Tja«, erwiderte er, »du weißt halt so einiges nicht über mich. Ich nehme mein Opfer sehr ernst. Und wo wir schon bei alten Geschichten aus der Stadt sind, magst du mir erzählen, wie du es geschafft hast, Beaufort zu entkommen?«
»Da war plötzlich dieser Wind, der ihn abgelenkt hat«, sagte ich nachdenklich und sah dann Bel an. »Ich weiß, was du denkst, aber ich kann dir versichern, dass ich nichts dergleichen aus meinen Händen habe strömen spüren oder so.«
Mit einem leichten Lächeln lehnte er sich zurück. »Oh, ich bin mir sicher, dass du irgendetwas damit zu tun hattest. Gut gemacht. Also nicht, dass du dich unnötig in Gefahr begeben hast, weil du nicht auf mich gehört hast, aber wenn es dazu geführt hat, deine Macht zu entfesseln ...« Er zuckte mit den Achseln.
»Wie gnädig«, zischte ich, »aber ich hätte trotzdem lieber auf diese Begegnung verzichtet.«
»Ich weiß«, sagte Bel wieder ernst. »Magst du es noch einmal versuchen?« Er stand auf und ging zu dem kleinen Tisch. Mit ein paar Streichhölzern entzündete er die Kerze, die darauf stand. Dann ließ er sich wieder auf dem Hocker an der Wand nieder.
Ich verstand, was er von mir verlangte, aber ich wusste nicht, wie ich es in die Tat umsetzen sollte.
»Erinnere dich an die Gefühle, die du verspürt hast, als Beaufort mit dir in der Gasse war und ... ich unten mit dir im Verlies.«
Ich verzog meinen Mund und er fuhr fort: »Die Magie ist nicht an ein bestimmtes Gefühl gebunden. Nur sind die negativen wie Hass, Angst und Zorn eben die machtvollen, die es erleichtern. Vielleicht wirst du es irgendwann an ein anderes starkes positives Gefühl binden können, aber bis dahin versuch es einfach so.«
Ich knirschte mit den Zähnen, aber ich setzte mit aufrechter hin, sodass ich die Kerze genau im Blick hatte. »Woher weißt du, dass es so funktioniert, wenn du selbst ... keine Magie besitzt?« Ich vermied das Wort Niederer, weil es, wie er mir selbst gesagt hatte, eine abwertende Bezeichnung war.
Er runzelte die Stirn. »Es ist kein Geheimnis, Eleah. Das weiß jeder.«
»Na dann«, murmelte ich und wandte mich wieder der Kerze zu. Tief atmete ich ein, dann schloss ich die Augen. Ich musste gar nicht allzu tief in meinem Gedächtnis wühlen, um an das Verlies auf diesem Schiff zu denken. Sofort hatte ich wieder den modrigen Geruch von morschem Holz und nassem Stroh in der Nase, spürte den Hunger, der mir beinahe den Verstand geraubt hatte, sah Bel vor mir, wie er mir hinterherlief, mich zu Boden drückte, mit seinem Dolch bedrohte, mich an die Wand drückte und ... küsste.
Ich warf ihm einen verärgerten Blick zu.
»Lenk ich dich ab?«, fragte er und grinste, als ob er genau wusste, an was ich gedacht hatte.
Mit einem Schnauben wischte ich die Erinnerung fort und konzentrierte mich auf Beaufort. Bei ihm fiel es mir wesentlich leichter, Angst und Zorn in meinem Inneren zu finden. Ich bündelte die beiden Gefühle und ...
»Sieh hin«, flüsterte Bel und ich tat es.
Die Flamme der Kerze flackerte hin und her, als würde sie von Wind beeinflusst werden. Ich konzentrierte mich stärker, gab mir noch mehr Mühe, aber konnte sie nicht dazu bringen zu erlöschen.
»Beeindruckend«, sagte Bel. »Ein mickriger Hauch von Nichts, aber dennoch irgendwie beeindruckend.«
In meiner Freizeit trainierte ich heimlich unter Deck meine Magie, erzielte aber keine nennenswerten Fortschritte. Es fiel mir noch immer schwer, mein rationales Denken auszuschalten und auf meine innere Stimme zu hören, die mir den Weg zur Magie zeigte. Gelegentlich klappte es ganz gut und ich konnte einen Hauch von Wind heraufbeschwören, aber meistens passierte nichts und ich zweifelte daran, dass ich wirklich die war, für die man mich hielt.
Ansonsten half ich Matti in der Kombüse beim Schälen der Kartoffeln oder dem Pökeln von frischem Fleisch und Fisch. Leider hatte dies zur Folge, dass die Crew sich nur sehr zögerlich über das Essen hermachte. Anscheinend konnten sie sich nur allzu gut an meine Gefangenschaft erinnern und befürchteten nun, dass ich sie aus Rache vergiften würde, wenn sie etwas von dem, was ich zubereitet hatte, aßen. Eine Zeit lang ärgerte es mich, aber dann fand ich mich damit ab.
Die Neuigkeit, dass ich nun Bels Ehefrau war, hatte sich auf dem Schiff wie ein Lauffeuer verbreitet. Zuerst kam ich mir beobachteter denn je vor, aber nach einiger Zeit verebbte die Aufmerksamkeit, dir man mir entgegenbrachte und die Männer gingen mir wieder zum größten Teil aus dem Weg.
»Kartoffeln sind wirklich sehr vielseitig«, sagte Matti und reichte mir eine der Knollen. Er hatte sich langsam an meine ständige Anwesenheit gewöhnt und taute ein wenig auf.
Ich schälte die Kartoffel und warf sie in einen großen Topf. »Vor allem sind sie gut lagerbar, wenn sie kühl und dunkel aufbewahrt werden.«
Er nickte und zuckte zusammen, als an Deck über unseren Köpfen plötzlich Tumult ausbrach.
Neugierig sah ich zur Decke, von der der Staub rieselte. »Was ist da los?«
»Ein Schiff«, sagte er zögerlich. »Bel hat gesagt, ich soll auf dich achtgeben und dir ausrichten, dass du hierbleiben sollst.«
Ich ignorierte den dezenten Hinweis auf Bels Befehl und fragte: »Was für ein Schiff?« Jemand polterte über unsere Köpfe hinweg. »Was ist da oben los?«
Ich war nicht so einfach abzulenken wie Matti, der nur ratlos mit den Achseln zuckte und seine Aufmerksamkeit wieder den Kartoffeln widmete. Ich legte das Messer zur Seite und ging zur Tür.
»Bitte ...!«, flehte Matti. Doch das Letzte, was ich noch von ihm wahrnahm, war die Sorge, die ihm ins kindliche, runde Gesicht geschrieben stand, und ich fragte mich, ob sie mir galt oder sich selbst, da ich Bels Anweisung missachtete und meinen Beschützer in der Kombüse allein zurückließ.
Ich hastete über den langen Korridor zur Treppe, die zum Deck führte, von wo das Gebrüll immer lauter nach unten hallte. Metall traf auf Metall und plötzlich dazwischen ein Schuss. Ein Schatten fiel von Deck die Treppe hinunter und bremste mich, ehe ich einen Fuß auf die erste Stufe setzen konnte.
»Wo willst du denn hin?«
Mein Blick blieb an der Pistole in Bels Hand hängen. »Was ist da oben los?«
Er warf einen Blick über seine Schulter und ging dann ein paar weitere Stufen hinunter, direkt auf mich zu. »Geh zurück.« Mit der Waffe in der Hand fuchtelte er in die Richtung, aus der ich gekommen war. »Sofort!«
Ein plötzlicher Aufschrei ließ mich zusammenzucken und ich vergaß den bissigen Kommentar über seinen Ton. Es krachte und rumpelte und als ich wieder aufsah, wälzte sich Bel mit einem mir völlig unbekannten Mann auf dem Boden herum. Der Angreifer holte mit der Faust aus und schlug sie Bel mitten ins Gesicht.
Ein entsetzter Laut kam über meine Lippen, als ich meinte, Knochen knacken zu hören, woraufhin der Mann aufsprang und herumwirbelte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er mich an.
»Miss?«, stieß er hervor. »Sind Sie eine Gefangene?«
Manchmal beweist das Schicksal wirklich Humor. Jetzt, wo ich freiwillig an Bord dieses Schiffes war, bot sich mir eine Chance zur Flucht. Allerdings bezweifelte ich, dass dieser Mann mein Retter hätte sein können, denn Bel nutzte die Verwirrtheit des Mannes aus, trat ihm die Beine weg und brachte sich selbst wieder in eine aufrechte Position.
»Aufstehen«, befahl Bel.
Mit dem auf seinen Kopf gerichtete Pistolenlauf erhob sich der Mann wieder. »Bastard«, ächzte er. »Lasst die Lady in Ruhe.«
Es dauerte einen Moment, ehe Bel die Waffe sinken ließ, aber nur, um mich gleich darauf mit einem Ruck zu sich zu ziehen. Ich wollte den Mund öffnen, doch da spürte ich schon das kalte Stück Metall eines Dolches an meinem Hals.
»Wenn Ihr die Ehre dieser Dame retten wollt, dann ergebt Euch.« Bel Stimme war ruhig, aber eisern. Mir war sofort klar, was er vorhatte.
Der Blick des Mannes huschte zu mir und dem Dolch an meinem Hals. An der Art, wie sein Kiefer mahlte, erkannte ich, dass er es zumindest in Erwägung zog, was ich ihm wiederum irgendwie anrechnete.
Weniger begeistert war ich von Bels Tat. Ich hatte es satt, für ein Spiel missbraucht zu werden, bei dem ich wie eine Spielfigur beliebig hin- und hergeschoben wurde. Damit war jetzt endgültig Schluss. Den nächsten Zug würde ich selbst bestimmen.
Doch ehe ich auch nur irgendetwas dagegen einwenden konnte, neigte Bel den Kopf an mein Ohr und flüsterte: »Spiel mit.«
Ohne den Mann aus den Augen zu lassen, fuhr er mit seiner Zunge an meinem Hals entlang und mein gesamter Denkprozess setzte aus. Mein Oberkörper versteifte sich, aber als er einen Kuss in meinen Nacken hauchte, wurden meine Beine weich wie Butter.
Er wollte spielen? Na schön, dann war es jetzt wohl an der Zeit für mich, in dieses Spiel einzusteigen.
Ich lehnte mich gegen seinen festen, warmen Körper und neigte den Kopf leicht zur Seite, während ich dem Mann einen flehenden Gesichtsausdruck zuwarf. Ich spürte Bels verfluchtes Grinsen an meiner Haut, als er verstand, was ich hier trieb.
Mein Becken kippte gegen seinen Schritt und ich stellte zu meiner Zufriedenheit fest, dass sein Grinsen erlosch und sich jede Faser seines Körpers anspannte. Er löste sich von meinem Hals und knurrte mir ins Ohr, sodass sich die Vibration wie eine Welle durch meinen gesamten Körper ausbreitete.
»Hör auf damit«, raunte er.
Ich entließ ein Wimmern aus meiner Kehle und drehte den Kopf weiter in seine Richtung, so als hätte ich Angst, dass die Klinge des Dolches meine empfindliche Haut verletzen würde. Ich hob den Blick ein wenig, bis ich auf seine Augen traf und stellte eine lautlose Frage: ›Und wenn ich das nicht tue?‹
Aber Bel kam nicht dazu zu antworten. Es gab einen dumpfen Schlag und dann fiel der Mann von Asils Säbelgriff geschlagen bewusstlos zu Boden.
»Lasst euch nicht stören«, sagte Asil nebenbei, während er sich den bewusstlosen Körper des Mannes über die Schulter hievte. »Bin schon wieder weg.«
Ich ertrank in blauen Augen, bis Bels Blick auf meine Lippen fiel. Er ließ die Hand mit dem Dolch sinken. »Du spielst nicht fair«, sagte er leise.
»Ausgerechnet du sprichst von Fairness?«
Sein Mundwinkel zuckte. »Touché.«
Mein Herz schlug schnell, als ich die Hand zu seiner Wange hob, um ihm mit dem Daumen das Blut von der aufgeplatzten Lippe zu wischen. Aber kaum hatte ich ihn berührt, legte sich der dunkle Schleier über seine Augen und er zog sich einen Schritt zurück, sodass ich beinahe ins Straucheln geriet.
Ich schwieg und betrachtete ihn, wie er sich mit dem Handrücken über die geschwollene Unterlippe fuhr. Meine Hand glitt zu meinem Hals, wo er mit seinen Küssen eine Spur hinterlassen hatte, die nun rot auf meinen Fingerspitzen lag.
»Es tut mir leid«, sagte er so plötzlich, sodass ich den Blick hob und auf echtes Bedauern stieß. »Es tut mir leid. Alles.«
Ich schüttelte leicht den Kopf. »Ist okay«, sagte ich. Es war nicht mein Blut. Er hatte mich nicht verletzt. »Nur benutz mich nicht mehr für deine Spielchen.«
»Es tut mir leid ...«
Ich seufzte. »Komm mit. Kümmern wir uns um deine Lippe.«
Und er tat es. Er folgte mir zurück zu meiner Kajüte, wo er sich auf dem Hocker an der Wand niederließ und mich schweigend beobachtete, während ich meinen Beutel auf dem Bett auskippte und ein paar Sachen zusammensuchte.
Mit einem einigermaßen sauberen Tuch und einer Flasche Alkohol bewaffnet trat ich vor ihn, aber ehe ich sein Kinn greifen konnte, fing er mein Handgelenk ab.
»Warum willst du nicht, dass ich dich berühre?«, fragte ich. Es war mir schon öfter aufgefallen, dass er mir in den Momenten, in denen wir alleine waren, auswich. »Hast du etwa Angst vor mir?«
»Angst ist ein dehnbarer Begriff«, sagte er vorsichtig und ließ mein Handgelenk los. »Ich habe Angst vor dem, was es mit mir macht, wenn du mich berührst. Ich habe Angst, dass du etwas in mir weckst, das ich nicht kontrollieren kann. Ich habe Angst, dass sich die Dinge wiederholen, die geschehen sind ... Ja, Eleah, ich habe Angst vor dir.«
Fast hätte ich laut losgelacht, aber er sprach jedes Wort mit so viel Ernst aus, dass ich dem Inhalt nur Glauben schenken konnte. »Ich hätte dich nicht für so einen Feigling gehalten«, sagte ich und sah ihm in die Augen, als ich die Hand erneut erhob. Sein Blick fuhr kurz zu dem Tuch, aber dann ließ er mich damit seine Lippe betupfen.
Er legte seine Hände an die Außenseite meiner Schenkel oberhalb der Knie und krallte sich in den Stoff meiner Röcke, um sich an ihnen festzuhalten oder mich jeden Moment von sich zu stoßen. Ich wusste es nicht.
Ich wusste nur, dass mich diese Berührung nicht kalt ließ und ich mir wünschte, er würde seine Hände auf eine ausgiebige Wanderschaft auf meinem Körper schicken. Ich sehnte mich regelrecht danach, von ihnen gehalten und liebkost zu werden. Auch wenn es vermutlich nur Probleme bereiten würden, aber noch nie hatte mich die beiläufige Berührung eines Mannes so dermaßen in Brand gesteckt, und ich konnte nicht umhin, mich zu fragen, wie es sich wohl anfühlte, wenn er noch ganz andere Stellen berührte.
»Woran denkst du?«, fragte er.
»Du hast dich verändert«, antwortete ich diplomatisch.
»Nein«, erwiderte er und ließ die Hände sinken. »Ich bin noch immer der, der dir unaussprechliche Dinge angetan hat.«
Ich knirschte mit den Zähnen. Weder wollte ich daran erinnert werden noch wollte ich, dass er sich deswegen zerfleischte. Aber wenn er bereit war, mir jetzt ein paar Antworten auf unausgesprochene Fragen zu liefern, dann durfte ich mir die Chance nicht entgehen lassen.
»Warum hast du es getan?«, fragte ich leise.
Bel ließ den Kopf sinken, sodass ihm die dunklen Haare ins Gesicht fielen. »Es waren ... es sind schwierige Umstände. Wir wussten nicht, wer Freund oder Feind ist und ... sie sucht nach mir.«
Sie. »Galatea?«
Seine Muskeln spannten sich an, als er nickte.
»Warum?«
Er seufzte. »Um zu Ende zu bringen, was sie begonnen hat.«
Ich musste an das Gespräch denken, das wir in der Hochzeitsnacht miteinander geführt hatten und in der er mir von seinem Fluch erzählt hatte.
»War sie es, die dich verflucht hat?«
»Nein.« Er lachte kurz und bitter auf. »Ich wünschte, du würdest dich erinnern, aber du bist nicht mehr die von damals.«
Ich griff nach seinen Kinn und zwang ihn, den Kopf zu heben. So viel Schmerz lag in seinem Blick, dass es mir schier den Atem raubte. »Dann hilf mir. Hilf mir, dich zu verstehen«, bat ich leise.
Er wich meinem Blick aus und knöpfte sich wortlos das Hemd auf.
Noch einmal das ganze Ausmaß der Brandnarben auf seiner Brust zu sehen, ließ mich scharf die Luft einsaugen. »War sie das?« Mit dem Finger fuhr ich über die Verhärtungen des Gewebes, die von einer schlechten Wundversorgung zeugten.
Bel lehnte den Kopf an die Wand hinter sich und schloss die Augen. Das war mir Antwort genug.
»Warum?«
Seine Brust hob und senkte sich schwer, als würde es ihm schwerfallen, die Erinnerungen an damals zuzulassen und in Worte zu verpacken. »Weil sie etwas von mir wollte, was ich ihr nicht geben konnte.«
»Wart ihr ...«
»Nein!« Er öffnete die Augen und sah mich an. »Nein.«
Ich betrachtete die dunklen Ringe unter seinen Augen. Mit einem Mal sah er unglaublich müde aus. »Du solltest etwas schlafen«, sagte ich. »Leg dich in die Koje und ... Ach, jetzt guck nicht so. Ich verspreche, dass ich nicht über dich herfallen werde.« Beim Klang seiner eigenen Worte musste er lächeln und ich fand, dass es ihm so viel besser stand, als der grimmige Gesichtsausdruck, den er sonst an den Tag legte. Nur der Schmerz in seinen Augen, den er mir offenbart hatte, lag noch immer wie ein Schleier über ihnen.
»Na komm schon«, sagte ich und zog ihn an den Händen nach oben. »Ab in die Federn.«
Wiederstandlos ließ er sich von mir zur Koje führen. »Was ist mit dir?«, fragte er, den Blick auf das schmale Bett gerichtet.
»Ich schaue mir mal an, was ihr für ein Massaker an Deck veranstaltet habt. Der Mann vorhin, wo kam er her? Ich habe ihn noch nie unter den Crewmitgliedern gesehen.«
Bel gähnte und bestätigte meinen Verdacht. »Von dem Schiff, das wir geentert haben.«
»Dann schaue ich mal, ob ich irgendwie helfen kann«, sagte ich und drückte ihn an den Schultern hinunter, sodass er sich auf die Matratze setzen musste.
Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. »Hast du deinen Dolch?«
»Ist das hier etwa kein ehrenwertes Schiff?«, fragte ich und klopfte mir auf das Kleid in Höhe meines Oberschenkels, wo der Dolch mit einem Gürtel befestigt war. »Hab ich.«
»Traue niemandem, außer Asil«, sagte er eindringlich. »Und halte dich von Ärger fern.« Er hielt einen Moment inne und betrachtete mich, ehe er sich mit den Händen von der Matratze aufstütze. »Vielleicht sollte ich doch ...«
»Du sollst dich hinlegen«, erwiderte ich und drückte ihn zurück. »Schlaf jetzt. Ich kriege das schon hin.«
Auf halben Weg zur Tür hielt er mich noch einmal auf. »Eleah?«
»Ja?«
»Kriege ich keinen Gutenachtkuss?«
Ich verdrehte die Augen, konnte mir aber ein Grinsen nicht verkneifen. »Gute Nacht, Bel«, sagte ich und schloss die Tür hinter mir.
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