Kapitel 13 - Wenn die Dunkelheit erwacht
Bel
Meine Lungen brannten wie Feuer, aber etwas in mir weigerte sich den Kopf zu heben und Luft zu holen. Luft ... Pah!
Unter Wasser war meine Welt noch in Ordnung und ich genoss die Stille der Einsamkeit und den Druck, der meinen Körper zusammenhielt. Trotzdem waren meine Gedanken vernebelt und alles andere als klar. Das kalte Wasser eines Bergsees hätte mir vermutlich besser getan als diese heiße Quelle.
Was war nur los mit mir? Warum hatte ihr Anblick mir beinahe die Luft zum Atmen abgeschnürt? Ich hatte schon genug nackte Frauen in meinem Leben gesehen. Das sollte mich nicht so aus der Bahn werfen.
Ich öffnete den Mund und stieß einen Unterwasserschrei aus, der die ganze angestaute Energie in mir entlud.
Dann tauchte ich auf.
Ich war einfach ein Idiot. Natürlich wusste ich, was hier los war. Warum hatte ich ihr denn überhaupt diesen Ort gezeigt? Und dann auch noch alleine.
Du weißt, warum. Du willst es nur nicht wahrhaben.
Gut, dass ihr nicht aufgefallen war, dass ich hier gar nichts zu erledigen hatte. Ich wollte mir einfach nur selbst beweisen, dass ich meinem Schicksal entkommen konnte. Dass es nicht wahr war. Und das alle anderen sich irrten.
Blöderweise hatte mir dieser Ausflug jetzt aber aufgezeigt, dass mir mein Schicksal bereits dicht auf den Fersen war. Ich musste Eleah so schnell wie möglich loswerden und möglichst viele Seemeilen zwischen uns bringen. Hoffentlich tauchte Zola bald mit neuen Informationen auf. Sollte sie sich doch mit ihr herumärgern.
Du kannst nicht davonlaufen.
Ich stieg in meine Hose und füllte den Beutel an meinem Gürtel mit ein paar Münzen. Dann löschte ich das Feuer, stapfte wütend an Eleah vorbei und bestieg die ersten Latten. Es war gut, dass sie sich entschlossen hatte zu schweigen, denn ich konnte für nichts garantieren. Der Gedanke, ihr einfach den Hals umzudrehen, war zu präsent in meinem Kopf. Innerhalb weniger Sekunden würden sich so meine größten Probleme wie von selbst erledigen und die Ruhe würde in meine Gedanken zurückkehren.
Lügner!
Ein Blick über meine Schulter zeigte mir, dass sie mir folgte. Sehr aufmerksam strich sie ein wenig Dreck von der Latte auf Höhe ihrer Hüfte, während sie mir eine weitere entgegenhielt. Na wunderbar, jetzt hatte sie auch noch Mitleid mit mir und konnte mir kaum noch in die Augen schauen.
Natürlich hätte ich darüber froh sein können. Etwas Besseres als das sie mir in Zukunft lieber aus dem Weg ging, konnte mir doch eigentlich gar nicht passieren. Aber ich sah schon Zolas und Asils entsetzte Gesichter vor mir, während ich ihnen offenbarte, dass wir in Zukunft getrennte Wege einschlugen und dass ich es einfach vermasselt hatte.
Bisher hatte ich diesen Weg immer nur mit Asil bestritten. Ich hatte geglaubt, mit einer Frau würde ich ewig brauchen, aber der Aufstieg ging schneller als gedacht. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass ich so meine überschüssige Energie abbauen konnte, indem ich eine Latte nach der anderen in die dafür vorgesehenen Spalten rammte.
Als wir aus dem Brunnen stiegen, hatte die Dämmerung bereits eingesetzt. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, sammelte die Bretter ein und stapfte aus der Höhle zurück in den Wald. Eleahs bohrender Blick in meinem Rücken nervte mich schon jetzt. Kaum zu glauben, aber mir war es tatsächlich lieber, wenn sie den Mund aufmachte, denn dann konnte ich ihr wenigstens die Meinung geigen.
»Bleib nicht so weit zurück«, rief ich. »Du willst nicht hier herumirren, wenn es dunkel ist.«
Sie beschleunigte ihren Schritt und holte zügig auf, während ich eine Holzlatte nach der anderen in unterschiedliche Büsche warf und sie im dichten Unterholz versteckte.
Als wir wieder in Eisenstadt ankamen, waren die meisten Einwohner bereits in ihre Häuser eingekehrt. Das Kerzenlicht drang nur aus den einzelnen Fenstern nach draußen auf die Straßen, sodass die Wege zum größten Teil in Dunkelheit lagen. Nur vereinzelt leuchteten uns Laternen den Weg.
Gerade als wir um eine Ecke bogen, fiel mein Blick auf eine Gruppe Soldaten, die uns aus Richtung des Hafens entgegenkamen. Um diese Uhrzeit waren sie zwar vermehrt auf Patrouille, trotzdem war es ungewöhnlich, dass sie uns so schnell gefunden hatten. Galatea schien bereits ihre Fühler nach uns ausgestreckt zu haben.
Bevor wir ihre Aufmerksamkeit auf uns zogen, legte ich Eleah die Hand auf den Mund und zog sie in eine Gasse, die zwischen zwei Häusern hindurchführte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie mich an, während sie mit ihren Fäusten meine Brust malträtierte. Ihr Blick fiel erneut auf die Narben auf meiner Brust, die nur dürftig von dem noch immer feuchten Hemd verdeckt wurden, dass ich mir übergestreift hatte und sie hielt für einen Moment inne. Ich nutzte die Gelegenheit ihres dummen schlechten Gewissens aus, griff nach ihren Fäusten und drängte sie mit meinem Körper in den Schatten einer Häuserwand. Mit dem Zeigefinger an meinen Lippen deutete ich ihr an, leise zu sein.
Ihre Augen zuckten hin und her und sie bäumte sich noch einmal auf, aber schließlich nickte sie vorsichtig. Langsam nahm ich die Hand von ihrem Mund.
»Was ist?«, flüsterte sie.
Ich verdrehte die Augen und zischte: »Sei still!«
Die Stimmen der Soldaten näherten sich und auch Eleah schien sie nun zu hören, denn sie reckte den Hals, um an mir vorbei sehen zu können. Mir blieb kaum mehr Zeit für Erklärungen, als sich die Dunkelheit in mir bündelte, durch meine Adern pumpte und schließlich aus meinen Rücken hervor brach. Eleah keuchte auf, während sich die Schwärze wabernd hinter mir aufbaute. Erneut legte ich den Zeigefinger an meine Lippen und warf ihr einen drohenden Blick zu.
Sie schluckte, als ich mich mit den Händen an der Wand hinter ihr abstützte und noch näher trat, sodass meine Dunkelheit sie ebenfalls verschlingen konnte. Ihr Atem kitzelte flach und hektisch die nackte Haut an meinem Hals. Sie wagte es nicht, sich zu bewegen, starrte mich nur mit ihren großen braunen Augen an, die mit kleinen bernsteinfarbenen Sprenkeln durchzogen waren.
Als die Stimmen an uns vorbeizogen, wartete ich noch einen Augenblick, um sicherzugehen, dass die Soldaten auch wirklich weg waren und uns nicht bemerkt hatten. Dann ließ ich die Dunkelheit um uns herum aufwirbeln, bis sie zu Boden fiel und sich dort langsam auflöste.
Energisch stieß Eleah mich von sich. »Was ...? Das eben ...«, stammelte sie. »Wie ...?«
»Das geht dich nichts an«, herrschte ich sie an. Die Verwunderung über das, was gerade geschehen war, stand ihr deutlich in das Gesicht geschrieben. »Sei ruhig, bleib da stehen und gib mir eine Minute.« Auch ich musste mich sammeln.
Ich starrte auf meine Hände, während das Herz in meiner Brust wie verrückt raste. Scheiße! Scheinbar hatte ich meinen Verstand verloren, denn mein Körper handelte eigenmächtig. Die Zeit drängte. Ich musste sie loswerden, aber zuerst mussten wir unbemerkt zurück auf das Schiff.
Anstatt auf mich zu hören und an Ort und Stelle zu verweilen, war Eleah einige Meter weiter in die Gasse zurückgewichen, nicht ohne mich aus den Augen zu lassen.
»Echt jetzt? Das hat es gebraucht, um sich deine Angst zu verdienen? Wenn ich das doch nur vorher gewusst hätte ...« Theatralisch riss ich die Hände in die Luft, als wäre diese Reaktion etwas Neues für mich.
»Du ...«, begann sie einen erneuten Versuch.
»Ich?«
»Du ...«
»Ja?«
»Du ...«
Geräuschvoll blies ich die Luft aus. »Das wird wohl nichts mehr. Es wäre das Beste, wenn du dich schnell beruhigst, damit wir weitergehen und von hier verschwinden können.«
»Weitergehen?«, krächzte sie und deutete zwischen uns hin und her. »Wir?«
Ich folgte der Bewegung ihres Finger und blieb an ihren Haaren hängen, die mittlerweile fast wieder getrocknet waren und in leichten Wellen auf ihre Schultern fielen. Mein Hemd und die Hose waren ihr zu groß und Schuhe trug sie keine. Ob je der Hut auf ihrem Kopf gesessen hatte, vermochte ich nicht mehr zu sagen.
»Du hast recht. Zu auffällig«, murmelte ich und ließ den Blick auf meine nackte Brust sinken. »Komm mit!« Ich vergewisserte mich, dass keine Soldaten mehr auf den Straßen unterwegs waren und trat dann aus der Gasse. Ich packte ihren Oberarm und zog sie mit mir mit. Entweder war sie noch immer zu verwirrt, oder sie hatte aufgegeben Fragen zu stellen, denn sie ließ sich von mir gefügig durch die Straßen führen.
Ich schätzte Ersteres.
Als ich den kleinen Laden mit der goldenen Nadel im Türschild entdeckte, schob ich sie vor mir durch die Tür. Die Glocke über dem Eingangsbereich kündigte unser Eintreten an.
»Ich wollte gerade schließen.« Ein Mann trat hinter einem Vorhang hervor. Sein Gesicht war mit Falten übersät, Hemd und Hose wirkten dagegen fast schon unnatürlich glattgebügelt.
»Tut uns leid, dass wir so spät noch stören. Ich verspreche, es geht schnell und soll nicht zu Eurem Nachteil sein.« Ich warf ihm den Beutel Münzen entgegen. »Ich brauche ein frisches Hemd und für sie«, ich deutete mit einem Nicken hinter mich, »ein Kleid. Wir sind nicht wählerisch.«
Der Schneider ließ seinen Blick neugierig zwischen mir und Eleah hin und her gleiten, während er den Beutel in seiner Hand wog.
»Den Rest könnt Ihr behalten.«
»Lasst mich kurz nachschauen, was ich da habe.« Der Mann schien zu verstehen, dass ich keine Fragen beantworten wollte und mir sein Schweigen erkaufte.
Ich nickte ihm zu und sah ihm nach, wie er hinter dem Vorhang verschwand. Es dauerte nicht lange, bis er mit einem Hemd, was er mir reichte, zurückkam.
»Ich habe ... Eurer Frau ... hinten ein einfaches Kleid hingelegt. Ihr könnt es alleine anziehen.« Lächelnd machte er Eleah Platz, die sich schweigend an ihm vorbeischob.
»Beeil dich!«, rief ich ihr nach. »Sonst komme ich und hole dich!« Sie erwiderte nichts, drehte nicht einmal den Kopf in meine Richtung, um mir einen giftigen Blick zuzuwerfen. Aber sie erschien tatsächlich, nur wenige Minuten später, angezogen im Verkaufsraum wieder.
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