Fledermausgeheimnis - I Gewittersturm
Draussen donnert es, Regen peitscht gegen die Fenster und ferne Lichtblitze erhellen immer wieder den Himmel. Die Uhr zeigt kurz vor sechs. Gestresst fahre ich mir durch meine wallnussbraunen Haare, die sich während meines Nickerchens auf dem Sofa verknotet haben. Laut fluchend laufe ich in mein Schlafzimmer, um meine wetterfeste Jacke herauszusuchen. Ich muss mich beeilen, denn bevor die Läden schliessen, muss ich noch meinen Einkauf erledigen. Die ganze Woche schon hatte ich keine Zeit, einkaufen zu gehen, doch jetzt sind meine Schränke so gut wie leer. Nur in der hintersten Ecke steht noch eine einsame Raviolibüchse. Während ich mir die Jacke über die Schultern werfe, eile ich in die Küche, um den Einkaufszettel zu holen, der an den Kühlschrank gepinnt ist. Gerade als ich den Magnet anhebe, um den Zettel rauszuziehen, raschelt es über mir. Langsam hebe ich den Blick und hoffe, dass es kein Insekt ist, das sich in meine Wohnung verirrt hat. Erst sehe ich nichts, denn nur von der Diele scheint etwas Licht in die Küche. Just in dem Moment, in dem das Rascheln erneut ertönt, zerreisst ein Blitz die Dunkelheit. Ich glaube, etwas zu erkennen, bin mir aber nicht sicher. Langsam strecke ich die Hand aus und kippe den Schalter um, damit das Küchenlicht angeht. Ich spüre, wie etwas durch meine Haare streicht. Als ich mich umdrehe sehe ich eine Fledermaus. Sie hängt kopfüber an einem Brett, auf dem kleine Töpfe mit Küchenkräutern stehen. Entgeistert starre ich sie an. Sie blickt zurück, blinzelt nur manchmal kurz, und bewegt ihre Flügel, die leise an der Wand entlangschaben. Vorsichtig nähere ich mich ihr und sehe sie genauer an. Sie sieht aus wie ein Alpenlangohr, ist aber gänzlich schwarz. Ich öffne das Fenster, das sich über der Spüle befindet. «Na komm schon Kleiner», murmle ich und versuche durch Handbewegungen die Fledermaus Richtung Fenster zu scheuchen. Doch sie rührt sich keinen Millimeter und starrt mich weiter an. «Komm schon, ich habe nicht ewig Zeit», seufze ich. Sie öffnet das Maul kurz und schliesst ihn wieder. Ich werfe einen Blick auf die Uhr und atme tief durch. Wenn ich jetzt nicht gehe, werden die Läden schliessen, ohne dass ich etwas eingekauft habe. Resigniert lasse ich die Hände sinken. «Gut, wie du willst», grummle ich und wende mich ab, ohne das Fenster zu schliessen. Ich hoffe, dass die Küche nicht völlig überflutet ist, wenn ich wieder nach Hause komme und die Fledermaus fort ist. Leise vor mich hin meckernd verlasse ich die Küche.
Als ich zwei Stunden später wieder die Wohnung betrete, triefe ich förmlich vor Nässe. Der Regen hat nicht nachgelassen, er ist sogar stärker geworden und draussen herrscht nun beinahe ein kleiner Sturm. Ich eile ins Bad, um meine Haare zu trocknen, die mir an der Wange kleben. Während ich mir mit der Bürste durchs Haar fahre, fällt mir die Fledermaus wieder ein. Und dass ich das Fenster noch nicht geschlossen habe. Fluchend lege ich den Föhn beiseite und haste in die Küche. Vor dem Fenster liegen Handtücher, die das Wasser aufsaugen, das sich auf der Anrichte sammelt. Ich runzle die Stirn und bin mir sicher, dass ich keine Handtücher ausgelegt hatte, bevor ich gegangen bin. Von der Fledermaus ist weit und breit keine Spur zu sehen. Rasch schliesse ich das Fenster, das leise knarrt. Als ich mich abwende, sehe ich den Küchennotizblock mitten auf dem Tisch liegen. Erneut runzle ich die Stirn und trete näher. Eigentlich sollte der in der Krimskramsschublade liegen. Ich strecke gerade die Hand aus, um ihn an seinen Platz zu bringen, als mir auf dem Deckblatt eine Zahlenreihe auffällt. Ich kneife dieAugen zusammen. Weder kann ich mich erinnern, eine Telefonnummer notiert zu haben noch ist das meine Handschrift. Sie ist geschwungen, erinnert eher an Kaligrafie, als an eine Handschrift. Ich beisse mir auf die Lippe, als ich die Zahlenfolgen 666 und 1897 sehe. Das leichte Unwohlsein, das mich beschleicht, während ich auf die Telefonnummer blicke, versuche ich nach Kräften zu ignorieren. Beide Zahlen kommen mir bekannt vor. Irgendwo habe ich sie schon einmal gesehen. Doch wo?
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