|Filoreax| Stimme im Kopf

TW: Selbstkritik/-hass (auch Körper)


Pov Fefe 

"Yeah 

Oh shit, ich habe meine Hosen wieder voll, Potzblitz

Aber aus der Hose kommt nur Gold, Topfschnitt

Vokuhila, ich bin Großverdiener 

Durch asoziale Lieder, in mei'm Portemonnaie ist Lila, oh shit",

tönten die ersten Lines meines Songs durch das Auto. Genervt schloss ich die Augen und drückte meinen Kopf in das Polster des Sitzes.

"Kannst du das bitte ausmachen Dominik?", fragte ich möglichst ruhig, den Kloß in meinem Hals ignorierend. Kevin, der bis jetzt auf dem Beifahrersitz mit gesummt oder gesungen hatte, hielt inne und drehte sich zu mir um. Fragend musterte er mich. "Alles okay? Du warst den ganzen Stream schon so anders?", brachte der blondierte argwöhnisch die berechtigte Fragen, während Dominik netterweise die Musik ausschaltete. Ich nickte sofort und murmelte irgendwas davon, dass alles gut sei. 

"Bin einfach etwas müde, also alles in Ordnung. Und hab nur in letzter Zeit genug von meinen Songs gehabt.", redete ich mich schulterzuckend raus, um das Thema möglichst schnell wieder zu beenden. Glücklicherweise nickte Kevin vorne nur langsam und widmete sich wieder seinem Handy, sodass er das Glitzern in meinen Augen nicht bemerkte. Mit meinem Jackenärmel wischte ich mich einmal über das Gesicht und starrte aus dem Fenster die vorbeiziehenden Straßenmarkierungen an.

Kevin hatte jedes Recht dazu, so verwirrt zu sein. In den vergangenen Monaten hatte ich mich, auch für Außenstehende erkennbar, verändert. Ich mied zum Beispiel meine eigene Musik komplett. Bei sämtlichen Treffen, Partys oder anderen Anlässen. Meine sonst so geliebten Musikstreams fanden nicht mehr oft statt, bis ich gänzlich mit Streamen aufgehört hatte. Nicht mal irgendwo etwas posten tat ich wirklich, eigentlich hätte man mich schon vergessen sollen. Auch in anderen Streams war ich selten zu sehen, was ja ungewöhnlich für mich war, da ich sonst öfter gerne mal bei verschiedenen Leuten vorbeigeschaut hatte. 

'Ich hab gerade paar familiäre Probleme, aber mir geht es den Umständen entsprechend gut. Und meine Musik geht mir im Moment nur etwas auf die Nerven, nichts ernstes, ich komm bald wieder. Versprochen.'

Das war die Entschuldigung an meine Fans gewesen. 

Hatte ich familiäre Probleme? Nein. Ging es mir gut? Nein. Würde ich das Versprechen halten können? Sehr wahrscheinlich nicht. 

Ich hatte mit niemandem darüber geredet. Darüber, wie ich über mich, meinen Content, mein Auftreten dachte. Meine Musik war nicht einfach nur ein bisschen nervig geworden. Ich hasste es, meine Stimme so zu hören. Alles klang so schrecklich, die Lyrics waren scheiße und nur die Lines von den Features hörten sich einigermaßen gut an. Am liebsten wollte ich alle Songs von sämtlichen Plattformen runternehmen. Jedes Mal, wenn ich nur ein Stück aus einem von ihnen hörte, musste ich gegen diesen Würgereiz ankämpfen und Tränen stiegen mir in die Augen. Das hatte mir natürlich alle Lust und Fähigkeit genommen, Musik zu machen. 

Aber eine reine Musikpause zu machen, wäre ja nicht das große Problem gewesen. Klar ist das auch traurig, aber eben nicht so auffällig. Denn mit Streamen hatte ich ja auch aufgehört. Nicht nur in den Songs ging ich mir selbst auf die Nerven, sondern ich hatte auch begonnen, es zu hassen, wie ich mich in anderen Bereichen benahm. Dass meine Viewerzahlen ein bisschen am droppen waren, und das nicht nur, wenn zum Beispiel Kevin online kam, hatte nur dazu beigetragen, wie schlecht ich mich fühlte. 

Dachtest du wirklich, dass das lustig ist? Halt doch auch einfach mal die Fresse, du laberst viel zu viel Scheiße! Es nervt! Schau mal, die Zahl ist schon wieder gesunken, du kannst einfach nichts! Alle anderen sind so viel besser als du, siehst du, da wechseln wahrscheinlich schon wieder welche rüber zu Dominik, der ist eh tausendmal unterhaltsamer! Geh einfach offline, es lohnt sich gar nicht. Niemand mag dich wirklich, die tun nur alle so. Aus Mitleid. Wie erbärmlich du auch noch versuchst, den Stream zu retten. Du. Kannst. Nichts.

So hatte mich die Stimme in meinem Kopf die ganze Zeit angeschrien. Live musste ich aus der Cam gehen, um mich wieder zu fangen und die Tränen wegzublinzeln. In den Streams mit meinen Freunden bin ich stiller geworden und hielt mich eher im Hintergrund. Mehrfach stoppte ich mich selbst, diesen einen Joke zu bringen oder unterbrach mich mitten in meinem Satz, weil ich zu viel redete. Ich wusste, wie mein Chat drauf war und ich wusste auch, dass alle oft mal scherzhaft beleidigten, doch irgendwann hatten diese Nachrichten angefangen, mich ernsthaft zu verletzen.

Auch heute war der Stream mit meinen Freunden, bei denen ich mich sonst eigentlich immer wohl gefühlt hatte, die Hölle gewesen. Sie taten nicht einmal etwas, doch ich redete mir ein, dass sie mich eigentlich gar nicht mögen würden, denn wie konnte man mich überhaupt mögen? Mein Kopf war nie still und nach einer Chatnachricht, die alle anderen zum Lachen brachte, hatte ich es nicht mehr ausgehalten und war kurzerhand zwanzig Minuten im Bad verschwunden. Besorgt hatte mein bester Freund Maik geklopft und mich, nachdem ich den Raum verlassen hatte, beiseite genommen und nach meiner unbefriedigenden Antwort fest umarmt. So gut ich konnte hatte ich verhindert, schon wieder in Tränen auszubrechen. Warum ich ihm nicht die Wahrheit sagte, war mir selbst ein Rätsel.

Offenbar schien mein merkwürdiges Verhalten allen Anwesenden aufgefallen zu sein, denn ich wurde mindestens sieben mal nach meinem Wohlbefinden gefragt.

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Netterweise hatten Kevin und Dominik, die schon etwas eher gehen mussten, mich mitgenommen und nach Hause gefahren. Viel länger hätte ich es nicht mehr ausgehalten. Die Strecke zog sich quälend lang und die Stille nach dem kurzen Wortwechsel war eindeutig zu laut. 

Vor meiner Haustür stiegen wir aus und ich wurde zum Abschied von beiden umarmt.

"Gute Nacht großer.", der blonde klopfte mir auf den Rücken.

"Schreib, wenn was ist. Du kannst immer mit uns reden, ja?", Dominik schaute mich eindringlich an, als er schon halb im Auto saß. Ich lächelte schief und nickte. "Mach ich, danke.", presste ich noch heraus und hob meine Hand zum Winken. Natürlich meinte Dominik das komplett ernst und auch Kevin und alle anderen würden sehr viel für mich tun. Und ich versuchte ja auch, diese bösartige Stimme zu ignorieren. Klappen tat das aber eben so gut wie nie. 

Sie mögen dich eigentlich gar nicht. Du bist richtig unsympathisch und nicht mal lustig. Wie können die sich immer noch mit dir abgeben? Du laberst sie eh nur unnötig voll, deine Anwesenheit belastet doch alle nur! 

Mit ein paar schnellen Schritten stand ich neben meinem Klingelschild. Der Schlüssel drehte sich im Schloss und ich trat in den Flur. Kurz stand ich nur mit geschlossenen Augen da und atmete geräuschvoll aus. Dann zog ich langsam Schuhe und Jacke aus und ließ sie auf den Boden fallen. 

Schlurfend wollte ich mich in die Küche bewegen, doch vor dem großen Wandspiegel blieb ich stehen und blickte der Person vor mir in die Augen. Oft war ich schon in dieser Position gewesen, doch selten wurde ich von so leeren und traurigen Augen gemustert, wie heute. 

Allgemein sah ich gar nicht gut aus. Angefangen bei meinen riesigen Augenringen, bis zu meiner Haltung. Ich war ein zusammengesunkener Haufen, der in seinen eigenen Klamotten versank. 

Schon wieder spürte ich dieses verräterische Brennen in meinen Augen und meine Sicht verschwamm. Nachdem ich aggressiv über meine Augen gewischt hatte, schauten mein Spiegelbild und ich einander so hasserfüllt an, als wäre es ein Wettkampf. Gott, war ich erbärmlich. Stand schon wieder heulend vor dem Spiel und musste dem Drang, ihn einzuschlagen, widerstehen. Mein Blick wanderte hinunter zu meinen Händen und ungläubig wieder hinauf zu meinem Gesicht in der Spiegelung. 

Ich verstand nicht. War ich das? Wie konnte ich das sein? Wie war es dazu gekommen? Warum sah ich so aus?

Wie von selbst drehte mein Körper sich zur Seite und eine Hand zog das weite T-Shirt nach oben. Das war nämlich auch eines meiner Probleme. Nicht nur meinen Charakter verabscheute ich, sondern hatte auch einiges an meinem Körper auszusetzen. Deswegen trug ich noch weitere Sachen als sonst schon und es machte mich selbst schon traurig, wie ich in den Stoffen ertrank.

Verabscheuend lag mein Blick die nächsten Minuten auf meinem Körper. Irgendwann ließ ich das Shirt seufzend wieder los und schleppte mich in die Küche um mir einen Tee zu machen. Es war zwar schon ein Uhr nachts, doch ich ließ mich auf die Couch fallen, kramte mein Handy aus der Hosentasche und verlor mich schnell irgendwo in den Tiefen des Internets. Zum Einen hilfreich, da musste ich wenigstens nicht so viel nachdenken, zum Anderen eher wenig förderlich in Bezug auf die Vergleiche. Sogar diese dummen TikToks schienen mehr Leute zu interessieren als mein ganzer Content.

Meine Sitzposition wurde langsam zu einer liegenden und ich döste mehrfach mit den Handy in meinem Gesicht weg. Mit nur halb geöffneten Augen warf ich einen flüchtigen Blick auf die Uhr, die mir mitteilte, dass es bereits halb drei war. 

Mein ganzer Körper fühlte sich so schwer an. Die Hand, die das Handy hielt, rutschte von der Couch und baumelte über der Kante und meine unnützen Versuche, irgendwie wach zu bleiben, scheiterten kläglich.

Das nächste Mal, das ich wach wurde, war dem Klingeln und Vibrieren des Handys zwischen meinen Fingern verschuldet. Als ich es endlich geschafft hatte, meine Augen ordentlich zu öffnen und mich aufzusetzen, ploppte auch schon die Benachrichtigung mit der Information, dass ich den Anruf verpasst hatte, auf. Nach dem dritten Mal vertippen, hatte ich mein Handy entsperrt und konnte nachschauen, wer da viertel vier nachts angerufen hatte. 

Marcel? Was wollte der denn um diese Uhrzeit von mir?

Ich klickte auf 'ZURÜCKRUFEN' und kurze Zeit später hörte ich ihn auch schon.

"Felix?"

Die Hintergrundgeräusche waren ziemlich laut und seine Stimme ging fast in ihnen verloren.

"Marcel, ist alles in Ordnung?? Wo bist du? Ist dir was passiert?" Meine eigene Stimme klang auch nicht gerade fantastisch, jedoch versuchte ich, möglichst wenig traurig und verheult zu klingen. 

"Hmmm... Ich glaub ich... ich bin in der Nähe von dir? Ja, ziemlich sicher."

Dass er so verwirrt klang, verwirrte mich ebenfalls sehr. "Ist alles okay?", fragte ich mit mehr Nachdruck. 

"Naja... Denk schon, ja? Alles noch dran an mir." Es wurde kurz noch lauter auf seiner Seite und er sagte etwas für mich unverständliches. 

"Warum rufst du an? Man Marcel du verwirrst mich!" Warum kam der Nuggetjunge denn nicht zum Punkt?

"Dings, ich brauch nen Schlafplatz. Wär echt nice, wenn ich zu dir könnte? Bitti?"

Hätte ich mir eigentlich schon denken können. Warum ruft man sonst mitten in der Nacht an? Trotzdem war das bei Marcel noch nie vorgekommen. Aber was wäre ich für ein Freund, wenn ich nein sagen würde. 

"Ja klar, komm vorbei. Hast du eine Mitfahrgelegenheit?" 

Mein Freund bejahte und machte sich auf den Weg. Bevor ich aufstand, atmete ich nochmal durch und beschloss dann, mich kurz frisch zu machen. Dieser Anblick konnte Nooreax ruhig erspart bleiben.

Während meines Aufenthaltes im Bad mied ich den Blick in den Spiegel und hoffte einfach, dass ich einigermaßen lebendig aussah. Keine viertel Stunde später schreckte ich durch das Geräusch meiner Klingel wieder hoch. Auf dem Weg zur Tür übte ich mein Lächeln ein paar mal und verharrte danach kurz mit der Hand auf der Klinke. Es war ja nur Marcel, was sollte passieren?

Langsam zog ich das kalte Metall zu mir und offenbarte damit einen etwas zerknitterten Nooreax. Dieser grinste mich verlegen an, kratzte sich am Hinterkopf und meinte: "Heyy Felix, tut mir leid, dass ich dich geweckt hab und so. Ich schätze, das nächste Mal muss ich mich an bessere Leute ranhängen?"

Ich rang mir ein kleines Lachen ab, begrüßte ihn auch und trat zur Seite, um ihn reinzulassen. Marcel schien mich noch umarmen zu wollen und streckte deshalb seine Arme in meine Richtung aus. Für zu wenige Sekunden rührten wir uns nicht, ich ließ mich gerne gegen ihn drücken. 

"Was genau hast du da jetzt eigentlich gemacht?", erkundigte ich mich als wir wenig später in der Küche standen und ich meinem Besucher ein Glas Wasser auffüllte.

"Also ich war mit so fünf anderen Freunden draußen und auf einmal irgendwie in nem Club? Keine Ahnung, hab jedenfalls nicht so viel getrunken wie man sieht, aber die anderen halt. Eigentlich wollten wir zusammen gehn aber dann waren die schon weg und ja, dahin laufen wäre zu weit gewesen und niemand wollte da hinter fahren. Also hat mich irgendsoein John ein kleines Stück in deine Richtung mitgenommen. Wirklich danke, dass ich hier sein kann, auch um die Uhrzeit."

"Kein Problem, hab eh noch nicht geschlafen." Mit diesen Worten reichte ich ihm das Glas.

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Ich hatte gehofft, dass Marcel meine aktuelle Situation als Content-Creator und Musiker nicht ansprechen würde, aber so leicht ließ er sich dann doch nicht mehr ablenken. 

Gerade hatte ich ihm seinen Schlafplatz gezeigt, das Gästebett im Raum neben meinem Schlafzimmer, da hielt er mich am Arm fest.

"Ist bei dir  eigentlich alles in Ordnung? Ich hab auch kurz den letzten Stream mit den anderen geschaut."

Mein Körper versteifte sich kurz und ich starrte ihn an. "J-ja... Ja klar, was soll sein? Ich brauch vielleicht nur ne Pause.", stückelte ich die Worte in meinem Kopf einigermaßen sinnvoll zusammen. "Felix." "Ja?" Ich wollte vorsichtig meinen Arm zurückziehen, doch die Hand des blonden krallte sich in meinen Ärmel. "Du kannst mich nicht anlügen. Da ist mehr. Bitte, ich seh es doch!" Leicht verzweifelt schaute er mich an. Wie gerne ich mit ihm reden wollte. Er würde mir zuhören und für mich da sein, eigentlich wusste ich das. Diese verfluchten Scheißgedanken.

"Es... Es ist alles okay, lass uns lieber schlafen gehen. Schau wie spät es ist."

Seufzend wurde mein Sweater losgelassen. "Ich geh mich umziehen.", murmelte ich und drehte mich zu meinem Kleiderschrank um. Mit einem eindeutig zu großem Shirt schlurfte ich zum Badezimmer. 

"Felix..." Marcels Stimme war nur ein Hauchen und ließ mich kurz inne halten. Er klang so besorgt...  Mit zusammen gekniffenen Augen schloss ich die Tür hinter mir und sank mit dem Rücken an ihr zu Boden. Was war nur falsch mit mir? Marcel war einer meiner besten Freunde, wieso konnte ich denn nicht mit ihm reden? Es war ja nicht einmal etwas sonderlich schlimmes, das konnte jeder Person passieren. 

Irgendwie schaffte ich es, mich aufzuraffen und meine Schlafklamotten anzuziehen. Dabei drehte ich mich vom Spiegel weg. Der neue Stoff hing traurig an meinem Körper herunter, ich sah schrecklich aus und fühlte mich auch genau so. 

Ein Klopfen unterbrach mich beim Mund ausspülen. "Ehm Fefe? Ich will nicht drängeln, bin Gast und so, aber ich müsste mal dringend aufs Klo!", ließ Nooreax durch die Tür verlauten. Also beeilte ich mich, wischte mir den Mund ab und verließ, ohne ihn anzusehen, den Raum.

Bevor ich schlafen gehen konnte, musste ich noch Bettzeug für meinen Besuch aus meinem Schlafzimmer ins Gästezimmer verfrachten. Nachdem dies getan war, wartete ich noch auf Marcel und vertrieb mir die Zeit mal wieder mit meinem Handy. Und natürlich bekam ich auch Videos, in denen ich selbst zu sehen oder hören war, angezeigt. Sei es in einem Stream von Kevin oder einem Edit. Fuck ich konnte nicht mal beschreiben, wie sehr ich es, oder besser mich, hasste. Die bekannte Flüssigkeit in meinen Augen nahm ich erst nach dem Blinzeln war, als die Tropfen schon meine Wangen hinunterliefen. Wie oft wollte ich in so kurzer Zeit noch heulen? Ununterbrochen durchbohrte ich den Bildschirm förmlich mit meinem Blick, der selbe Streamausschnitt wiederholte sich bereits zum sechsten Mal und ich fand immer neue Dinge, die ich kritisieren und hassen konnte. 

In die Realität wurde ich erst durch ein leises "Hey... Was ist los großer?" zurückgebracht. Erschrocken zuckte ich von der Hand weg, die ihren Weg zu meiner Schulter gefunden hatte, und versuchte mein Gesicht von den Tränen zu befreien. Das brachte nichts, denn Marcel hatte sie selbstverständlich schon gesehen. Langsam und vorsichtig umschlossen mich seine Arme, er beugte sich hinter mir über die Lehne der Couch, und ich konnte die Schluchzer nicht länger unterdrücken. 

Nooreax hielt mich die ganze Zeit einfach nur fest, ließ mich weinen, stellte keine Fragen. Es war unmöglich, dass er das Video auf meinem Handy nicht gesehen hatte. Das Gerät lag neben mir auf den Kissen, ich hatte es fallen gelassen, als sich meine Hände irgendwo an Marcel festgekrallt hatten.

Nach einer Weile schaffte ich es endlich, mein Weinen wieder unter Kontrolle zu bekommen. Tief atmete ich ein und aus und schniefte so oft, bis der größere hinter mir ein Taschentuch besorgte. 

"M-Marcel? Kannst du... A-Also willst du mit in... mit in mein Bett kommen? Bitte?", flüsterte ich und klang dabei so verzweifelt, dass ich selbst geschockt war.

"Natürlich, klar mach ich.", wisperte es in mein Ohr. Etwas wackelig erhob ich mich und umrundete die eine Ecke des Sofas, bis ich von einem Arm um meine Schultern unterstützt wurde. 

"Das lassen wir lieber mal hier...", riet Marcel mir, als ich nach meinem Handy greifen wollte. Vermutlich war das eine gute Idee. 

Ich wurde zum Bett geleitet und schlussendlich noch zugedeckt. Danach senkte sich die Matratze neben mir und ein Körper berührte meinen. Stumm war mein Blick an die leere Decke gerichtet. Marcel war hier her gekommen, weil er Hilfe brauchte und jetzt musste ich ihn wieder belasten. 

Scheinbar suchte er gerade nach den richtigen Worten, denn einige Zeit lang blieb es still. 

Plötzlich spürte ich etwas warmes unter mein Shirt fahren. Es war die Hand des blonden neben mir. Wohl ein Beruhigungsversuch. Instinktiv zog ich meinen Bauch ein und zuckte minimal vor der Bewegung der Hand zurück. Nooreax hielt kurz inne, seufzte dann und zog sein Körperteil zurück. 

"Felix. Du hast keine familiären Probleme, oder? Du brauchst auch nicht nur eine kurze Pause von deiner Musik nehme ich an. Erzähl mir bitte was wirklich los ist, ich kann es mir denken, aber ich möchte gerne die Wahrheit aus deinem Mund hören.", sagte Marcel mit ernster Miene. 

"Es tut mir leid. Das hier... tut mir leid.", murmelte ich, "Ich hab dich gar nicht verdient..." 

"Hey, hör auf. Alles ist gut, dir muss überhaupt nichts leid tun. Ich sehe, wie kaputt du bist. Ich sehe, wie du dich selbst anschaust und ich sehe, wie anders du dich benimmst. Ich würde so viel dafür geben, dich zu reparieren und wieder strahlen zu sehen. Ich brauche den alten, selbstbewussten, zufriedenen Felix. Du musst nicht jetzt mit mir reden, ist okay, mach es einfach morgen wenn es dir besser geht. Ich werde da sein und zuhören."

Das zu hören, trieb mir abermals Tränen in die Augen doch dieses Mal konnte ich sie herunterschlucken. "Ich... Ich werds versuchen. D-Danke, dass du für mich da bist." Meine Stimme klang grauenvoll verheult, aber meinem Freund schien das nichts auszumachen. "Immer, Fefe. Immer. Ich werde immer da sein." 

Ich beschloss morgen früh nochmal richtig mit Nooreax zu reden und ihm alles zu erzählen. Er verdiente es schließlich auch nicht, die ganze Zeit angelogen zu werden. Im Moment wollte ich nur noch schlafen, weil es bereits zwanzig nach vier war. 

"Marcel?" 

"Hm?"

"Kannst du wieder... Kannst du deine Hand wieder dahin machen?"

Ich konnte sein Lächeln quasi spüren, als ich schüchtern diese Frage stellte. 

Sofort kroch die warme Hand erneut unter den Stoff. Ein angenehmes Kribbeln jagte durch meinen Körper. Trotzdem konnte ich nichts gegen den Reflex tun und zog den Bauch bei der ersten Berührung ein. 

"Du bist perfekt wie du bist Fefe, alles ist gut. Mach dir keine Sorgen. Ich... Ich mag deinen Körper sehr gern." 

Auch wenn die Stimme in meinem Kopf anfing zu protestieren und zu widersprechen, schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen und langsam konnte ich meinen Bauch entspannen.

Die Hände des Nuggetjungen glitten in Kreisen auf meinem Bauch entlang, malten Bilder und schrieben Gedichte. Es fühlte sich unglaublich angenehm an. Und es machte mich noch müder, falls das überhaupt möglich war.

Nooreax hatte auch bemerkt, wie ich immer schläfriger wurde. Seine Hand wurde von Zeit zu Zeit kurz schlapper, bis er sie nur noch auf meiner Haut liegen ließ. Auf einmal nahm ich eine größere Bewegung neben mir wahr. Im nächsten Augenblick landete ein flüchtiger Kuss auf meiner Stirn. Meine Wangen wurden heiß und ein dümmliches Lächeln zierte mein Gesicht. 

"Gute Nacht Felix, hab dich lieb.", kam es müde von Marcel.

"Gute Nacht, ich dich auch.", kam es ebenso müde von mir zurück. 


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~3313 words

yoohoho ich bin da :D jaja auch mal wieder, i'm sorry ich versuch die zwei geplanten os innerhalb der nächsten zwei wochen zu uploaden :)

vielen dank an jonas für die motivationsrede, wüsste nicht wo ich ohne dich jetzt wäre, wow du bist mein held 🙏

OH BTW dankeeeee für die 1.9k reads und die ganzen votes <333

achja und ihr seid toll vergesst nicht und nicht so streng mit euch selber sein ja? <3

kuss, gute nacht :>

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