Kapitel 26 - Ein letzter Schuss
[COLE]
Es war Nacht und das Mondlicht warf lange Schatten über den bewucherten Vorhof des Bunkers, als ich durch das Loch im Zaun kletterte. In wenigen Minuten fand das Treffen der Drogendealer statt. Zügig und mit gesenktem Kopf überquerte ich den großen Platz. Vor dem Eingang des Bunkers standen einige Menschen und rauchten oder unterhielten sich. Um diese Uhrzeit war noch nicht viel los.
Als ich im Schutz der Bäume hinter dem Bunker angekommen war, zog ich mir die Kapuze tief ins Gesicht und das Tuch über Mund und Nase. Mit einem kurzen Kontrollblick ließ ich mich hinter einigen Büschen nieder. Hier war der Maschendrahtzaun zu großen Teilen zerstört und ermöglichte es, in die angrenzende Straße zu gelangen. Und ich war mir sicher, dass die Dealer von dort kommen würden. Aufatmend ließ ich mich gegen den Zaun sinken. Jetzt hieß es warten, denn bis jetzt hatte sich auf der dunklen Wiese, im Schatten des mächtigen Bunkers, noch nichts getan.
Ein kurzer Blick auf mein Handy sagte mir, dass es kurz vor zehn war, und Joel sich noch immer nicht gemeldet hatte. Ich hatte ihn gebeten, die eingegangene Nachricht in der Fabrik zurückzuverfolgen, doch er hatte meine Mitteilung nicht gelesen. Wahrscheinlich hatte er nach seiner Schicht in dem Computerladen, mit dessen Lohn er sich zum Teil sein Studium finanzierte, wieder die Zeit vergessen und bastelte an kaputten Laptops herum. Doch jetzt, wo ich sowieso schon hier war, konnte er mir auch nicht mehr helfen.
Als einige Meter von mir entfernt ein Knacken ertönte, spannten sich sämtliche Muskeln meines Körpers an, und ich richtete mich geräuschlos auf. Durch das Blattwerk hatte ich eine gute Sicht auf die Wiese. Einige Sekunden tat sich nichts, dann löste sich eine große Gestalt aus dem Schatten des Bunkers. Der Typ hatte mir den Rücken zugewandt und schien sehr nervös zu sein, da er sich alle paar Sekunden umblickte, doch die Kapuze verbarg sein Gesicht vor mir. Als er plötzlich nach rechts blickte, folgte ich seinem Blick, und mein Griff um das Handy verfestigte sich.
Drei bullige Kerle traten über den kaputten Maschendrahtzaun auf die Wiese. Diese Typen waren ohne Zweifel die Anhänger von Blade Lane. Ich erkannte sie an der Art und Weise, wie sie sich bewegten, wieder. Gegen diese Männer hatten wir in der Nacht gekämpft, in der wir Grace getroffen hatten. Doch dieses Mal schienen sie allein gekommen zu sein. Frustriert atmete ich aus. Ich hatte gehofft, Blade Lane selbst würde kommen, denn es brachte nicht viel, seine Männer zur Strecke zu bringen. Ich brauchte einen Beweis von den illegalen Aktivitäten des Anführers, da er es bis jetzt immer geschafft hatte, ohne Strafe davonzukommen. Ein tiefes Knurren ertönte, und ich hob abrupt den Kopf.
Einer der Kerle hielt einen Kampfhund an der Leine. Als das Tier sich in die Kette schmiss und in meine Richtung bellte, zog ich mich einige Zentimeter zurück. Das Geräusch war tief und hallte durch die Nacht.
»Attila, ruf den Köter zurück«, verlangte der vordere Typ, welcher mit seinem kurzen Nacken fast so bullig wirkte wie der Hund.
»Ruhe, Drago«, bellte der Halter und zog das Tier mit einem Ruck an seine Seite, sodass die Kette klirrte. Ich atmete auf. Glücklicherweise schienen sie die Körpersprache des Hundes, der nach wie vor angespannt in meine Richtung starrte, nicht sonderlich zu verstehen.
»Abend«, wandte sich der bullige Typ nun an seinen Gegenüber, der mit einer Stimme antwortete, die mir bekannt vorkam. »Hallo.«
Langsam hob ich mein Handy an, und begann, die Szene zu filmen. Joel hatte uns eine App genannt, welche die aufgenommenen Bilder direkt an seinen Computer in der Zentrale schickte. Ich konnte nur hoffen, dass sie dort auch ankamen, wenn er nicht anwesend war. So waren alle Beweisaufnahmen sicher, egal, was mit meinem Handy, oder mir, geschah.
»So«, fuhr der vordere Kerl mit dröhnender Stimme fort. In seiner Hand schwankte eine Tüte hin und her, die er auffordernd in die Höhe hielt. »Du weißt, was zu tun ist.«
Ich spürte wie Adrenalin durch meinen Körper schoss. Der Verfasser der Email hatte nicht gelogen, hier ging es tatsächlich um eine Drogenübergabe.
»Wo ist mein Geld?«, erklang wieder diese vertraute Stimme.
Der Dealer trat einen Schritt auf seinen Gegenüber zu, woraufhin der zurückwich. Die Kapuze rutschte ihm vom Kopf, und ich erstarrte. Dort stand der Typ, den Jacob vor Wochen hinter dem Selfdefenders angegriffen hatte. Graces Arbeitskollege. Connor.
Während er beschwichtigend die Hände hob, versuchte ich die einzelnen Puzzleteile in meinem Kopf zusammenzusetzen. So wie es schien arbeitete er mit Blade Lane zusammen und brachte ihre Drogen unter die Leute. Doch wie kam der Mitarbeiter eines Selbstverteidigungsvereins zu solch einem Job? Wusste Grace davon?
Augenblicklich verwarf ich den Gedanken. Sie hatte wirklich überrascht und betroffen gewirkt, als sie beim Abendessen mit Luc und Zola von dem angeblich zufälligen Überfall auf Connor erzählt hatte. Was hatte Jacob also gesehen, bevor wir in der Nacht eingetroffen waren? War Connor damals vielleicht schon dabei gewesen, Drogen von Blade Lane zu kaufen oder verkaufen?
»Moment, Kleiner. Letztes Mal hat's zu lange gedauert, bis alles weg war. Der Chef will, dass es schneller geht. Und sollte der Stoff nicht bei den Käufern ankommen, oder sollten wieder irgendwelche Gören oder Bullen dazwischen kommen... Naja, dann wird deine Familie das ausbaden müssen. Und das willst du sicher nicht, oder?«
Connor schüttelte hastig den Kopf, und ich konnte im Mondlicht sehen, wie blass er war.
»Gut«, bellte der Typ und drückte Connor, zusätzlich zu dem Drogenpäckchen, einen Umschlag in die Hand. »Wir bleiben in Kontakt.«
Connor nickte, ließ die Tüten in seinem Rucksack verschwinden und verließ mit schnellen Schritten die Wiese. Nach einigen Sekunden war er hinter dem Bunker verschwunden, und ich beendete die Aufnahme auf meinem Handy. Ich hatte nicht damit gerechnet, Graces Arbeitskollegen hier anzutreffen. Doch wie es schien steckte mehr dahinter, als bloß ein gut bezahlter Nebenjob.
Als ich zurück zur Wiese blickte, waren die drei Männer im Begriff zu gehen. Ich erhob mich ebenfalls und verfolgte jede Bewegung der Männer.
Das Video war ein gutes Beweisstück. Was ich jetzt noch brauchte, war das Nummernschild ihres Autos. Der Typ, den der bullige Mann vorhin Attila genannt hatte, wollte gehen, doch sein Hund sträubte sich erneut. Er starrte immer noch in meine Richtung. Ich hielt in der Bewegung inne und warf einen Blick nach rechts. Es waren nur wenige Meter bis in die angrenzende Straße, aber ich konnte mich nicht bewegen, ohne noch mehr Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.
Das tiefe Bellen ertönte erneut, doch dieses Mal hörte der Hund nicht auf die Rufe seines Besitzers.
»Was ist los? Was hat er?« Die Stimme von dem kleinsten Mann, der bis jetzt nichts gesagt hatte, hallte über den Platz, und ich spannte mich an, ohne den Hund aus den Augen zu lassen.
Attila blickte auf den Hund hinab, bevor er seinem Blick folgte und ebenfalls in meine Richtung starrte. Verdammt.
»Schaut nach!« Die gezischten Worte zu den beiden anderen waren mein Signal.
Scheiß drauf, ging es mir durch den Kopf. Ich hatte genug gesehen, und mich alleine gegen die drei Männer und den Kampfhund zu stellen, wäre idiotisch. Mit einer schnellen Bewegung erhob ich mich und sprang geduckt über den Maschendrahtzaun in die anliegende Straße. Die Hauswände waren verschmutzt, und tiefe Schlaglöcher brachen den kaputten Asphalt auf. Hier wohnten nur wenige Menschen, und wenn, dann hatten sie nicht viel Geld.
»Da!«, ertönte hinter mir eine laute Stimme, und ich beschleunigte fluchend mein Tempo. Meine Schuhe machten keine Geräusche auf dem Boden, während ich die Straße entlang rannte und am Ende kurzerhand nach links abbog. Mein Blick zuckte durch die Dunkelheit und blieb an einer Mauer zwischen zwei Häusern hängen. Die konnte der Hund nicht überqueren.
Aber ich.
Ich nahm Anlauf, sprang ab und zog mich mit einer Bewegung an der mannshohen Mauer nach oben. Hinter mir ertönten Schritte, die zunehmend lauter wurden, bevor ich auf der anderen Seite mit einem dumpfen Aufprall aufkam. Ich befand mich in einem schmalen Durchgang, in dem Müllsäcke und überquellende Container standen. Es war warm und stank nach faulen Eiern, Abwasser und Verwesung.
Zu beiden Seiten reichten die Hauswände hoch hinauf und offenbarten einige Fenster in der Fassade. Als ich fast das Ende des schmalen Hausdurchgangs erreicht hatte, ertönte hinter mir ein Aufprall. Ich warf einen kurzen Blick über die Schulter und sah, wie sich der kleine und der bullige Mann aufrichteten. Ich beschleunigte mein Tempo und legte mir in Gedanken eine Route fest. Mein Motorrad stand einige Straßen weiter, in der Nähe des Bunkers, in einem Hinterhof. Wenn ich es bis dort hin schaffte, war ich sicher.
In der Ferne heulte der Motor eines Autos auf, der Gegenwind zog an meiner Kapuze, doch ich konzentrierte mich verbissen auf das Licht am Ende des Hausdurchgangs. Hinter mir hörte ich meine Verfolger fluchen, und ihre Schritte hallten von den Hauswänden zurück. Nur noch wenige Meter, dann hatte ich es geschafft. Mein Hände schrammten über den rauen Backstein, als ich an der Kante nach Halt suchte und um die Ecke schoss.
Ein grelles Licht leuchtete vor mir auf, und ich hob geblendet eine Hand vor die Augen. Am Ende der Straße stand ein Auto. Der Motor heulte auf, und ich kam schlitternd zum Stehen. Das Geräusch kam unverkennbar von Blade Landes roter Karre. Fluchend drehte ich mich um und rannte, entgegen meines Plans, nach links. In diesem Moment kamen die beiden Männer aus der Gasse neben mir, und der bullige Typ packte meinen Arm. »Sackgasse, Freundchen!«
Mit einer schnellen Bewegung wirbelte ich herum, befreite mich aus seinem Griff und ließ meine Faust vorschnellen. Der Mann brüllte und fasste sich an die Nase, welche unter meinem Schlag mit einem Knacken gebrochen war.
»Arschloch!« Fluchend wischte er sich das hervorquellende Blut von der Nase, und ich nutzte seine Unachtsamkeit, um mein Knie in seinen Bauch zu rammen und ihn mit wenigen Handgriffen zu Fall zu bringen.
Als ich erneut mit der Faust ausholte, wurde ich mit einem Ruck herumgedreht, und der kleine Typ verpasste mir einen Kinnhaken. Ich verzog das Gesicht, als das Blut unter dem Tuch mein Kinn hinablief. Geblendet vom Scheinwerferlicht des näher kommenden Autos erkannte ich zu spät, dass mein Gegenüber das Knie angehoben hatte. Kurz darauf spürte ich den Schlag in meiner Magengegend. Ich krampfte mich zusammen, der Kerl verpasste mir einen schwungvollen Tritt, und mit einem dumpfen Aufprall ging ich zu Boden.
»Zur Seite!« Die laute Stimme kam vom Auto. Inzwischen waren die Scheinwerfer aus, und nur der Schein von zwei Straßenlaternen tauchte die Straße in gelbliches Licht. Innerhalb von Sekunden ließen die Männer von mir ab, und ich rang keuchend nach Luft, während ich aus dem Augenwinkel sah, wie sich mir einen Gestalt näherte.
Ich setzte mich auf, wandte mich um, und - ein Knall ertönte. Der Schuss hallte von den Hauswänden wider und erfüllte die klare Frühlingsnacht. Hastig hob ich den Kopf und sah, wie Blade Lane, der nur noch wenige Meter von mir entfernt stand, die Hand sinken ließ, in der er einen dunkler Gegenstand umfasst hielt. Sein Bart war kürzer, doch der Hass in seinen Augen war der gleiche wie bei unserer letzten Begegnung vor Monaten. Perplex sah ich an mir herab, doch ich konnte in dem schummrigen Licht nichts erkennen.
»Ihr kommt mir immer wieder in die Quere... aber jetzt ist Schluss damit. Nimm's nicht persönlich. Aber Typen wie du können mir das Geschäft ruinieren. Das verstehst du sicher.« Lanes tiefe Stimme triefte nur so vor Überlegenheit.
»Einen Scheiß mache ich!«, knurrte ich, und ein Schub Adrenalin schoss durch mein Körper, betäubte den Schmerz in meinem Kiefer, das Brennen in meinen Beinen und den unangenehmen Druck an meinem Bauch. Ich richtete mich gerade auf, als mir jemand von der Seite die Faust ins Gesicht rammte. Mein Kopf flog zur Seite, und mir wurde für einen Moment schwarz vor Augen. Fluchend wich ich dem nächsten Schlag aus, bevor ich nach einer schnellen Drehung mein Knie in die Genitalien des bulligen Mannes versenkte.
Meine Muskeln brannten, und ich keuchte vor Anstrengung, als ich die Schläge beider Männer abwehren musste. Das Blut kochte in meinen Adern, mir war heiß und Adrenalin jagte ungebremst durch meine Körper und übernahm die Führung. Jeder Schlag, den ich austeilte, jede Verletzung, die mir zugefügt wurde, realisierte ich nicht mehr. Das einzige, was mich interessierte, war die rettende Nebenstraße, einige Meter entfernt.
Der kleinere der beiden Männer umklammerte mich und riss mich ruckartig hinunter. Mit einer schnellen Bewegung fuhr ich in der Hocke herum und zwang ihn mit einem Handschlag in die Knie ebenfalls zu Boden. Ich schlug ihm gegen den Hinterkopf und die Nase, ehe ich meinen Arm an seinen Hals drückte und ihn über mein Knie warf. Ich nutzte den Schwung und schleuderte ihn durch die Luft, sodass er keuchend zu Boden fiel. Hinter mir hörte ich einen scharfen Atemzug. Mit einer weiteren Bewegung drehte ich mich um und rammte meinen Ellenbogen in das Gesicht des anderen Typen.
Ich hob den Blick und wandte mich kampfbereit zu Lane um. Die Straßenlaterne hinter ihm verschwamm vor meinen Augen, und ich blinzelte mehrmals angestrengt. Mit einer wagen Bewegung fuhr ich mir über das Gesicht, mein Gleichgewichtssinn setzte aus, und ich taumelte zur Seite.
Scheiße. Das war nicht gut.
Während ich mich mit einer Hand an einer nahegelegenen Hauswand abstützte, sah ich, dass Lane mit einem grimmigen Ausdruck im Gesicht erneut seinen Arm hob. Erst in diesem Moment erkannte ich die Waffe in seiner Hand. Er war nur wenige Meter von mir entfernt, doch trotzdem konnte ich ihn nicht scharf erkennen.
Ich kniff die Augen zusammen, und duckte mich instinktiv, als ein Schuss durch die Nacht hallte. Ich muss hier weg, schoss es mir durch den Kopf, welcher sich anfühlte, als wäre er mit dumpfem Nebel gefüllt. In einiger Entfernung, und doch sehr nah, hörte ich eine Kugel auf den Boden treffen. Mein Herzschlag beschleunigte sich, und mir wurde übel. Wenn ich mich nicht beeilte, traf die nächste mich.
Gerade als ich den Blick von Lane abwenden und abhauen wollte, erkannte ich hinter ihm eine Person. Die Hand, mit der Lane die Pistole umfasst hielt, wurde heruntergerissen, und im nächsten Moment warf sein Angreifer ihn zu Boden. Die beiden Männer neben mir kamen keuchend auf die Beine und eilten ihrem Boss zur Hilfe.
Ich wollte ebenfalls einen Schritt auf die Gruppe zutreten, als plötzlich schwarze Punkte in meinem Blickfeld tanzten. Vor mir ertönten Kampfgeräusche, und eine Stimme, die ich in diesem Moment nicht zuordnen konnte, rief etwas, was, wie ich erst Sekunden später realisierte, an mich gerichtet war. »Verdammt, verschwinde endlich!«
Mein Körper reagierte wie von allein. Meine Beine setzten sich in Bewegung, und ich stieß mich von der Hauswand ab. Meine Glieder schmerzten auf eine ungewöhnliche Art, die Straße verschwamm vor meinen Augen, und es fiel mir unglaublich schwer, die schwarzen Flecken aus meinem Sichtfeld zu verdrängen. Verbissen beschleunigte ich mein Tempo, welches ich nur Dank des Adrenalins durchhalten konnte. Am Ende der nächsten Straße durchquerte ich einen verlassenen Garten und fand mich nach einigen weiteren Gassen und Hinterhöfen in der Straße wieder, durch die ich mit Grace bei unserem Besuch im Bunker gelaufen war. Jetzt war es nicht mehr weit bis zu meinem Motorrad.
Ich atmete tief durch und spürte, wie meine Lungen protestierten. Ganz von allein fanden meine Hände ihren Weg zu einer schmerzenden Stelle an meinem Bauch, während ich mich die Straße entlang schleppte. Ich presste meine Finger fester auf den Pulli und spürte dass der Stoff feucht war. Für einen Moment genehmigte ich es mir, mich an eine Hauswand zu lehnen, und hob die Hand prüfend vor meine Augen. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich scharf sah. Meine Finger leuchtete im schwachen Licht der Straßenlaterne blutrot. Scharf sog ich die Luft ein. Verdammt.
Ein plötzlicher Schwindel zwang mich dazu, die Augen zu schließen. Nur für einen kurzen Moment, schwor ich mir und ließ den Kopf erschöpft nach hinten fallen. Ich konzentrierte mich auf den Schmerz an meinem Bauch, und mit jeder Sekunde wurde das Stechen stärker. Erneut fasste ich mir an den Pulli und öffnete unter großer Anstrengung die Augen. Er war nass und trotz des schlechten Lichtes sah ich, wie Blut von dem Stoff auf den Boden tropfte und den Asphalt zu meinen Füßen dunkelrot färbte. Mit einer fahrigen Handbewegung hob ich den Pulli und das schwarze Shirt, welches ich darunter trug, an.
Schweigend sah ich an mir hinab, ohne zu realisieren, was ich dort sah. Meine Haut war blutverschmiert und bei jeder Bewegung quoll weiteres Blut aus einem Loch in meiner Seite.
Lane hatte mich angeschossen. Er hatte mich getroffen, und ich hatte es nicht bemerkt.
Ich senkte den Blick auf die Straße. Immer mehr Blut landete auf dem Boden und rann ununterbrochen meinen Bauch hinab, über die Hose und meine Schuhe. Die dunkelroten Schlieren auf meiner Haut wurden stetig von helleren überlagert, und ein plötzlicher Schwindelanfall zwang mich in die Knie. Unsanft fiel ich gegen die Hauswand, suchte mit den Händen nach Halt und rutschte erfolglos ab. Mit einer wagen Bewegung knüllte ich den unteren Teil meines Pullis zusammen und versuchte ihn gegen die Wunde zu pressen, doch ich hatte keine Kraft. Es erschien mir unmöglich, Druck aufzubauen. Mein Atem ging flach, meine Sicht war eingeschränkt, und Dunkelheit drängte sich in mein Sichtfeld.
Die Betäubung des Adrenalins ließ nach, und langsam wuchs der Schmerz, welchen ich zuvor nicht einmal bemerkt hatte. Ich sackte gegen die Wand und schloss die Augen, während ich in der Hosentasche nach meinem Handy tastete. Doch jede Bewegung fühlte sich an wie ein Messerstich in meinem Bauch und schickte Wellen des Schmerzes durch meinen Körper. Meine Haut brannte, mein Kopf dröhnte, und jeder Atemzug fiel mir schwerer als der vorige.
Ich musste Luc anrufen. Ich musste wach bleiben. Ich musste die Blutung stillen. Ich musste für die Jungs stark bleiben, ich musste die Dealer fassen, ich musste Grace die Wahrheit sagen. Ich musste noch so vieles, doch mit einem Mal verdrängte die Vergangenheit die Gegenwart, und alles, was ich musste, war nicht mehr von Bedeutung.
Die schäbige Gasse in den Stains, die Schusswunde, und die unbeschreiblichen Schmerzen riefen Erinnerungen in mir wach, welche ich zu verdrängen versucht hatte. All das kam mir viel zu bekannt vor. Der Vorfall vor fünf Jahren, welcher viele Menschen erschüttert und mein Leben verändert hatte, lief vor meinem inneren Auge erneut ab.
Ich meinte, ihre höllischen Schmerzen zu spüren, ihre stummen Tränen zu sehen, und die dumpfen Schüsse zu hören. Ich erinnerte all das, obwohl ich nicht einmal dabei gewesen war. Nur in meinen Träumen hatte ich ihre Höllenqualen wieder und wieder miterlebt, als stiller Beobachter, aus sicherer Entfernung. Ich hatte sie nicht schützen können vor dem, was sie in den Stains erwartet hatte. Und nun war mir dasselbe widerfahren. Ich hatte uns beide im Stich gelassen.
Mit aller Kraft riss ich die Augen auf und senkte den Blick, wodurch ich das Gefühl hatte, die Welt um mich herum würde sich einmal komplett drehen. Ich ertastete das Handy in meinen Fingern, doch es fiel mir aus der Hand und landete mit einem dumpfen Aufprall auf dem Boden.
Wie ihre Knie nach dem ersten Schuss.
Ich zwang mich dazu, weiter zu atmen und beugte mich leicht vor. Doch als ich nach dem Handy greifen wollte, durchzuckte mich ein brennendes Stechen, und meine Hand schoss zu der Wunde an meinem Bauch.
Wie ihre Hand nach dem zweiten Schuss.
Mir wurde schwarz vor Augen, und die Gedanken an meine Mutter, die Guardians und Grace zogen an mir vorbei. Sie verschwanden gemeinsam mit den höllischen Schmerzen, als ich das Bewusstsein verlor und zusammensackte.
Wie ihr Körper nach dem letzten Schuss.
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Huhu! ❥
Wow, ich hab's geliebt dieses Kapitel so richtig dramatisch (hoffentlich nicht zu dramatisch) zu schreiben! 🤩😂
Habt ihr euch schon gedacht, dass Connor sich mit den Dealern trifft? 👀
Und habt ihr geahnt, dass der Vorfall von vor fünf Jahren etwas mit einem Tod, beziehungsweise Coles Mutter zu tun hatte? 🤯
Wie es jetzt wohl weiter geht... :O
Ich wünsche euch noch eine/n schöne/n Tag/ Nacht! ❤️
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