Kapitel 19 - Katastrophen und Überraschungen




(Einen Satz aus dem Kapitel habe ich ganz dreist aus einem Film geklaut, weil ich ihn einfach so gut finde! 🤭🤫😂 Mal schauen, ob irgendjemand den Satz wieder erkennt... :D)

[GRACE]

Ich atmete einmal tief durch, bevor ich auf die eiserne Klingel neben der weißen Haustür drückte. Jetzt war es so weit. Meine Finger umklammerten die Box, die ich meiner Mutter zum Geburtstag schenken wollte. In ihr befanden sich eine Sammlung an Beautyprodukten von der Lieblingsmarke meiner Mutter, sowie eine Karte, und obendrauf ein Blumenstrauß. Obwohl ich es dieses Mal anders hatte machen wollen, hatte die Suche nach einem Geschenk wieder einmal auf den letzten Drücker stattgefunden. Und bei meiner Mom war es schwer ein passendes Geschenk zu finden, da sie ihren Unmut über etwas Unangemessenes gerne zeigte.

Schritte ertönten, und ich warf einen letzten Blick über die Schulter in den Vorgarten, welcher unzählige Erinnerungen beherbergte. Er bedeutete für mich in gewisser Weise zu Hause, genauso wie das Haus, vor dem ich stand, und die Person, die in diesem Moment die Tür öffnete. Meine Lippen verzogen sich automatisch zu einem Lächeln, als ich meinen Vater erblickte.

»Hey, Grace.«

Ich wollte ihn gerade umarmen, als ich sah, dass sich auf seinem Gesicht nicht die übliche Freude widerspiegelte, wie sonst, wenn wir uns sahen. Ich runzelte die Stirn und betrachtete ihn genauer. »Alles okay?«

Er trat zurück, um mich in den Flur zu lassen. »Komm doch erst mal rein.«

Mit gemischten Gefühlen ging ich über die Schwelle und schloss die Tür hinter mir. Hatte sein Verhalten etwas mit mir zu tun, oder gab es ein anderes Problem? Ich stellte meine Sneaker neben die Schuhe meiner Eltern, welche ordentlich in einem Schuhregal aufgereiht waren. Das Haus war das Gegenteil von Dads Arbeitsplatz, in dem immer Unordnung herrschte. Doch hier sorgte meine Mutter dafür, dass kein Gegenstand am falschen Platz lag.

Alles war wie immer, als ich hinter Dad das Wohnzimmer betrat. Die weißen Bodenfliesen, die hellen Wände und die passenden Möbel. Auch die Leinwände, welche unterschiedliche Landschaften zeigten, waren die gleichen wie bei meinem letzten Besuch vor einigen Monaten. Ich ließ den Blick durch den Raum schweifen und erblickte meine Mutter, die mit dem Rücken zu mir auf dem Sofa saß. »Hey, Mom.«

Mit einer flüssigen Bewegung erhob sie sich von der Couch und kam mir entgegen. Sie trug ein blaues Kleid, welches ihre roten Haare und die helle Haut gut zur Geltung brachte. Während ich das Aussehen meiner Mom geerbt hatte, ähnelten die meisten meiner Charaktereigenschaften denen von Dad.

Wie immer fiel es mir schwer Moms Miene zu deuten, also trat ich vor und umarmte sie, bevor ich ihr mein Geschenk überreichte. »Alles Gute zum Geburtstag!«

»Danke, Grace.« Sie warf einen flüchtigen Blick in die Box, schenkte mir ein schmales Lächeln und stellte das Geschenk auf einen marmornen Beistelltisch ab, auf dem bereits viele andere Karten, Blumen und weitere Geschenke lagen.

Ich unterdrückte ein Seufzen, und mein Blick traf auf Dads, der mir aufmunternd zunickte. Erleichtert atmete ich durch. Vielleicht hatte ich mir seinen besorgniserregenden Gesichtsausdruck vor ein paar Minuten einfach nur eingebildet.

»Ich hoffe mal du hast Appetit mitgebracht?«

Ich nickte und folgte meinem Vater in das offene Esszimmer, welches im Wintergarten lag. Da meine Eltern ein wenig außerhalb der Stadt wohnten, hatte ich in meiner Kindheit immer die Möglichkeit gehabt, im Garten spielen zu können. Ich liebte Zolas und meine Wohnung in der Stadt, doch trotzdem war ich froh, in dieser Gegend aufgewachsen zu sein.

Ich setzte mich auf einen der eleganten Stühle und ließ den Blick über den gefüllten marmornen Esstisch gleiten. In passenden Schüsseln waren dort Hühnchen, Reis, Gemüse und und mehrere Saucen aufgereiht. Das Lieblingsessen meiner Mom.

»Sieht lecker aus«, sagte ich und lächelte Dad zu, der sich neben meiner Mutter, gegenüber von mir, nieder ließ. Er griff nach seinem Weinglas und hob es an. »Danke, hoffentlich schmeckt es auch.«

Ich musste grinsen. Wir wussten beide, dass alles, was mein Vater kochte, hervorragend schmeckte.

Ich griff ebenfalls nach meinem Glas, füllte mir Wasser ein, da ich noch Auto fahren musste, und prostete meiner Mutter zu. »Auf dich Mom, alles Gute zum Geburtstag!«

Sie nickte, wich aber meinem Blick aus, als sie von ihrem Wein trank. Ich nahm einen Schluck von dem nach Zitrone schmeckenden Wasser und stellte dann das Glas ab. Als ich den Kopf hob, sah ich, dass meine Eltern einen vielsagenden Blick austauschten.

Unsicher griff ich nach der Schüssel mit dem Reis und versuchte mich an einem Lächeln. »Wer möchte Reis?«

Wieder warf Mom Dad einen vielsagenden Blick zu, bevor sie den Kopf schüttelte und schweigend nach dem Hühnchen griff. Ich füllte den Reis ein wenig zu schwungvoll auf meinen Teller konzentrierte mich darauf, ausschließlich auf den Tisch zu schauen. Die nächste Minuten war nichts zu hören, außer dem Kratzen des Bestecks auf den Tellern. Irgendwann hielt ich inne und lehnte mich auf meinem Stuhl zurück. Die Stille schien mich zu erdrücken. »Okay, was ist los.«

Als hätte sie nur darauf gewartet, dass ich die Worte aussprechen würde, ließ Mom ihre Gabel sinken und sah mich an, dieses mal so direkt, dass ich mir wünschte, sie würde mich wieder ignorieren. »Ich hoffe das kannst du mir gleich sagen.«

Ich erstarrte. »Was...«

»Kann das nicht bis nach dem Essen warten?« Dad warf meiner Mutter einen verärgerten Blick zu, woraufhin sie auflachte. Mir wurde übel. Was war hier los?

»Das sagst gerade du. Ich glaube, jetzt ist der perfekte Zeitpunkt, um zu fragen, warum du, Grace, Informationen vor deinem Vater, noch schlimmer, vor der Polizei verheimlichst!«

Verdammt. Es war raus.

Die Blicke meiner Eltern lasteten wie ein Gewicht auf meinen Schultern, das mich herunterzudrücken drohte. Während Mom mich anklagend ansah, las ich in dem Blick meines Dads die Hoffnung, dass alles nur ein Missverständnis war. Wie hatten sie davon erfahren? Gab es doch Videos einer Überwachungskamera, die mich mit den Guardians und Connor in der Gasse zeigten? Oder ging es um etwas anderes? Aber was sollte das sein?

»Wer hat gesagt, dass ich etwas verheimlicht habe?« Mein Mund war staubtrocken und dementsprechend hörte sich auch meine Stimme an. Ich räusperte mich und trank schnell einen großen Schluck Wasser. Es half nichts.

Mein Vater sah mich ernst an. »Ich habe gestern...«

»Das ist doch egal«, keifte Mom und starrte mich an. »Warst du in der Nacht von dem 26.03. auf den 27.03. in der Straße hinter diesem Verein, in dem du arbeitest?«

Es hatte keinen Zweck mehr, es zu leugnen. »Ja.«

Ich wagte es nicht, in die Richtung meines Vaters zu blicken. Ich wollte nicht den enttäuschten Blick auf seinem Gesicht sehen. Mom wollte weiter sprechen, doch die ruhige Stimme meines Dads zwang mich dazu, ihn doch anzusehen. Autsch. Da war er, der Blick.

»Was hast du gesehen?«

Ich rutschte nervös auf meinem Stuhl umher. »Nicht mehr als Connor. Ich bin hingefahren, weil er meinen Schlüssel für das Selfdefenders brauchte.« Mom schnaubte abfällig, als ich den Verein erwähnte, doch ich sprach einfach weiter. Ich wusste schon so was sie von meinem Job hielt, ohne, dass sie es immer wieder verdeutlichen musste. »Dort habe ich nur sein Fahrrad gesehen, und als ich ihn angerufen habe, hat sein Handy in einiger Entfernung geklingelt. Ich bin hingelaufen und habe nur noch gesehen, wie die Guardians mit ein paar Typen gekämpft haben. Dann sind sie verschwunden, und einer der Guardians hatte Connor angegriffen. Als ich ankam sind sie abgehauen, und ich habe Connor ins Krankenhaus gebracht.«

»Mehr hast du nicht gesehen? Was ist mit einem Auto? Oder Motorrädern? Wie sind sie geflohen?« Dads Stimme hatte einen eindringlichen Klang angenommen. So fühlten es sich also an, von ihm verhört zu werden. Mir war die humorvolle Version meines Vaters lieber.

Bilder des roten Wagens, meinem Gespräch mit dem Guardian und die Erinnerung an die Verfolgung zuckten mir durch den Kopf. Doch egal wie sauer ich auf Connor war, ich konnte ihn nicht verraten. Ich konnte Dad nicht sagen, dass ich wusste, dass Connor wegen der Farbe des Autos gelogen hatte, da ich es ebenfalls gesehen hatte. Also schüttelte ich mühsam den Kopf. »Nein, das war alles.«

»Okay.«

Ich wandte den Blick ab und starrte auf meinen Teller, auf dem einzig und allein Reis mit Sauce lagen. Der Appetit war mir gehörig vergangen.

Mom nutzte das kurze Schweigen und schaltet sich mit anklagendem Unterton in der Stimme wieder ein. »Okay? Nichts ist okay! Ich bin enttäuscht von dir, Grace. Zum einen hast du um so eine Uhrzeit in solch einer heruntergekommenen Gegend absolut nichts verloren. Es ist schon schlimm genug, dass du dich tagsüber dort herumtreibst. Zum anderen wüsste ich gerne, wieso du nichts davon erzählt hast.« Ihre grünen Augen funkelten wütend, als sie mich erwartungsvoll anstarrte.

»Um genau so etwas zu verhindern!«, antwortete ich und musste mich zusammenreißen, um den vorwurfsvollen Ton in meiner Stimme zu unterdrücken. Ich wollte nicht so sein wie Mom. »Ich habe keine neuen Informationen für die Polizei und es war klar, dass ihr euch unnötig drüber aufregen würdet. Aber ich kann auf mich selbst aufpassen, ich bin erwachsen!«

Mom lachte auf, trocken und freudlos. »Davon sehe ich nicht viel.«

Da war er, der tadelnde Unterton in ihrer Stimme. Du bist nicht gut genug, flüsterte mir eine Stimme in meinem Kopf zu und es fiel mir schwer, sie zu verdrängen. Für meine Mutter war ich nie gut genug. Manchmal musste ich in ihrer Gegenwart aufpassen, dass ich nicht ebenfalls so über mich dachte. Doch bevor ich mit dem Thema abschließen konnte, brauchte ich noch eine Information. Ein Puzzleteil, dass nicht in die Geschichte passte. »Woher wisst ihr überhaupt, dass ich da gewesen bin?«

Als Dad mich jetzt ansah, konnte ich in seinem Blick Mitleid lesen. Und fast wünschte ich mir, ich hätte die Frage nicht gestellt. »Connor. Er hat es gestern erzählt, als ich ihn noch einmal verhört habe.«

Wie vor den Kopf gestoßen starrte ich auf die durchsichtige Flüssigkeit in meinem Glas, welche nur noch den Boden bedeckte. Mit einer schnellen Bewegung setzte ich das Glas an und leerte es. Ich hatte keinen Appetit mehr, doch mein Teller war noch immer voll. Hastig griff ich nach meiner Gabel und versenkte sie im Reis. Je schneller ich das Essen hinter mich brachte, desto eher konnte ich gehen. »Guten Appetit?«

Mom schüttelte den Kopf. »Moment! Wir sind noch nicht fertig.«

Ich ließ die Gabel sinken. Jetzt kam sie also. Die zweite Bombe an diesem Abend. Gab es überhaupt etwas, was mich noch schocken konnte?

»Ich habe mit William, deinem Logistik Dozenten gesprochen. Du hast dich deutlich verschlechtert in seinem Unterricht, genauso wie im Finanzkurs und deinem Hauptfach. Wie kommt es dazu?«

Ungläubig starrte ich Mom an. Mein Griff um das Glas verfestigte sich mit jeder Sekunde, und das Blut gefror mir in den Adern, während mir gleichzeitig heiß und kalt wurde.

»Du hast was?« Meine Stimme zitterte, doch das war mir egal. Das einzige, was mich in diesem Moment beschäftigte, war die Tatsache, dass meine Mutter meine Dozenten über mich ausgefragt hatte. Sie hatte ihre Kontakte spielen lassen, um mich kontrollieren zu können. Mich überwachen zu können. Ich suchte in dem Blick meiner Mom nach etwas wie Schuldbewusstsein, doch da war nichts. Absolut nichts, außer Ärger und unausgesprochenen Vorwürfen, die einzig und allein mir galten.

Sie zuckte mit den Schultern. »Irgendjemand muss ja ein Auge darauf haben, wie dein Studium läuft.«

Ich schnappte fassungslos nach Luft und starrte sie an. Das konnte sie nicht ernst meinen. »Normalerweise wird diese Aufgabe von den Studenten selbst übernommen. Also in diesem Fall von mir!«

»Tja, du scheinst der Aufgabe nur leider nicht gewachsen zu sein.«

Ich spürte, wie die Wut in meinem Inneren anschwoll. Das gestrige Gespräch mit Cole schoss mir durch den Kopf, und plötzlich liefen seine Worte wie in Dauerschleife vor meinem Inneren ab.

Du solltest machen, was du willst, und nicht das, was deine Mutter will. Sie lebt ihr Leben, und du solltest dein eigenes Leben leben dürfen. Sonst machst du dich irgendwann selbst kaputt.

Vielleicht hatte ich das schon längst...

»Mom, du scheinst nicht zu verstehen, dass das hier mein Leben ist, verdammt nochmal!«

Für einen Moment war es still am Tisch. Ich war überrascht, die Worte ausgesprochen zu haben, Mom wirkte schockiert, und Dad schüttelte entschuldigend den Kopf. Ich stand auf und warf meine Serviette auf den Teller. Mom verfolgte jede meiner Bewegungen und sah zu mir auf. »Was sagst du da?«

Ich kochte vor Wut, und hob ungerührt die Arme. »Vielleicht breche ich einfach das bescheuerte Studium ab! Überraschung!«

Ohne die Reaktion meiner Mutter abzuwarten, drehte ich mich um und stürmte durch das Wohnzimmer in den Flur. Ich musste augenblicklich dieses Haus verlassen, ich musste weg von diesem Ort, bevor ich explodierte. Oder implodierte.

»Grace Bowen! Komm sofort zurück!«

Ich ignorierte die lauter werdenden Worte meiner Mutter und schlüpfte in Windeseile in meine Schuhe. Meine Hände zitterten, mein Atem ging unregelmäßig, und ich brauchte zwei Versuche, um die Haustürklinke zu erwischen.

»Wo fährst du hin? Du bleibst gefälligst hier!«

»Da du sicher auch Kontakt zu meinem Hausmeister hast, wirst du schon erfahren, wenn ich zu Hause bin!« Meine Stimme hallte durch das Haus und erst, als die Tür mit einem Knall hinter mir ins Schloss fiel, atmete ich tief durch. Ich hastete zu meinem Auto, startete den Motor und fuhr aus der Straße, bevor meine Mutter auf die Idee kam, meine Reifen zu zerstechen, um mich vom Wegfahren abzuhalten.

Als ich meinen früheren Wohnort verlassen hatte, stoppte ich einige Straßen weiter am Bürgersteig und schloss für einen Moment die Augen. Das Herz hämmerte mir in der Brust, meine Gedanken rasten, und ich spürte heiße Tränen über meine Wangen laufen. Wütend wischte ich sie weg und griff nach meinem Handy.

Eine eingegangene Nachricht von Cole. Mein Herz machte einen schwachen Satz bei seinem Namen, fiel aber deutlich tiefer, als ich las, was er geschrieben hatte.

Cole: Und, wie lief es?

Ich zögert einen Moment, dann tippte ich mit fahrigen Fingern eine Antwort. Seine gestrigen Worte hatten mich zum Nachdenken gebracht, und mit einem Mal verspürte ich das Verlangen, ihm die Wahrheit sagen.

Grace: Katastrophe.

Anschließend warf ich das Telefon auf den Beifahrersitz, atmete ein letztes Mal tief durch und lenkte meinen Mini zurück auf die Hauptstraße.

Als ich Minuten später zu Hause ankam, ließ ich mich mit geschlossenen Augen gegen die Wohnungstür sinken. Verdammt. Wie konnte ein einziger Abend dafür sorgen, dass meine Gefühle, meine Stimmung und die Beziehung zu meinen Eltern, zu meiner Mutter, sich so auf den Kopf stellte? Und was konnte ich tun, um den restlichen Abend zu überstehen?

Zola war auf ihrem ersten Date mit Aaron, und da sie ins Kino gegangen waren, konnte ich nicht davon ausgehen, mit ihr vor Mitternacht zu rechnen. Ich könnte Kat schreiben, da sie mit Sicherheit feiern war, doch im Moment war mir nicht danach, zwischen gut gelaunten Studenten im Club zu tanzen. Aber es gab noch etwas, was mir helfen konnte, mich abzulenken.

Alkohol.

Ich warf meine Tasche und mein Handy auf das Sofa und lief in die Küche. Dort holte ich ein großes Glas und eine Flasche Schnaps aus dem Regal in der Küche und füllte mir ein. Der Alkohol brannte in meinem Hals, und ich verzog das Gesicht. Wie schlimm stand es um mich, dass ich mich schon alleine betrank? Das hatte ich noch nie getan. Doch benebelte Sinne waren mir lieber, als in meinen eigenen Gedanken zu ertrinken.

Ich griff nach dem Glas, und kurzerhand auch gleich nach der Flasche, und lief ins Wohnzimmer. Dort angekommen warf ich einen Blick auf mein Handy. In der letzten halben Stunde waren ein Anruf und zwei Nachrichten meines Dads, sowie eine WhatsApp von Cole eingegangen. Ich ignorierte beides und öffnete mit zittrigen Fingern den Chat mit Connor, wo ich eine Nachricht tippte.

Connor: Ich habe meinen Vater für dich angelogen, heute schon wieder, und du verrätst mich? Was soll der Scheiß? Was habe ich dir getan?

Ich sendete die wenigen Zeilen ab, dann ließ ich mich in die Polster der Couch sinken und las die Nachrichten von Dad. Er entschuldigte sich für Mom und wollte sich Morgen mit mir treffen. Ich antwortete ihm, dass ich zu Hause angekommen war, ignorierte aber seine Frage. Ich wusste noch nicht, was ich Morgen machen würde.

Während ich einige weitere Schlucke trank, klickte ich auf Coles Nachricht.

Cole: So schlimm? Tut mir leid. Was machst du jetzt?

Mein Herz machte einen Satz, und ich versuchte, das Gefühl mit einem weiteren Schluck zu unterbinden. Es funktioniert nicht.

Grace: Im Selbstmitleid ertrinken?

Es war als Scherz gemeint, doch als ich die Nachricht abgesendet hatte, kamen mir die Wörter ein wenig zu schlimm vor. Doch bevor ich sie wieder löschen konnte, hatte Cole sie bereits gelesen und tippte eine Antwort. Einige Minuten lang wechselten sich die Wörter »online« und »schreibt« unter seinem Namen ab, dann kam endlich die Antwort. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie gebannt ich auf den Bildschirm gestarrt hatte.

Cole: Willst du dabei Gesellschaft haben?

Ich starrte auf die Worte und musste sie mehrmals lesen, bevor ich antwortete.

Grace: Du musst nicht kommen.

Cole: Und wenn ich will?

Halleluja.

Ich setzte mich aufrecht hin und starrte auf die Worte. Mein Herz raste, während meine Finger über die Tastatur flogen.

Grace: Willst du denn?

Ich kaute auf meiner Lippe herum und starrte auf die Häkchen neben der Nachricht, bis sie blau wurden. Und dann.... war er nicht mehr online. Ich auf das Display, bis es erst dunkler und schließlich schwarz wurde.

Hätte sich das auch erledigt.

Oder kommt er jetzt her?

Ich versuchte jeden Gedanken an Cole und meine Eltern zu verdrängen und griff nach der Fernbedienung, um meine Lieblingsserie zu starten. Doch so sehr ich mich konzentrierte, ich konnte der Handlung von Sherlock nicht folgen. Ob es an den abschweifenden Gedanken oder meinem steigenden Alkoholpegel lag, wusste ich nicht. Eine halbe Folge und einige Gläser später klingelte es an der Tür. Ich warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr und stoppte die Serie. Entweder Zola war aus dem Kino geflüchtet, meine Mutter auf die Idee gekommen, die Diskussion hier weiterzuführen, oder... es war Cole.

Mein Herz machte einen Satz, und ich riss fast gewaltsam die Tür auf, nachdem ich den Summer für die Haustür betätigt hatte. Als ein leises Bing das Eintreffen des Fahrstuhls ankündigte, und Cole im nächsten Moment vor mir stand, hatte ich meine Gefühle nicht mehr unter Kontrolle.

Ich blickte ihn schweigend an, machte den Weg frei und er betrat die Wohnung. Ich konnte nicht glauben, dass Cole tatsächlich gekommen war. Er war zu mir gefahren, weil er wusste, dass es mir schlecht ging. Er war hier.

Ohne, dass ich es bemerkt hatte, war mein Atem unregelmäßig geworden. Ich sah zu Cole auf, blickte in seine braunen Augen und hatte das Gefühl, er würde umgekehrt in mein tiefstes Inneres schauen. Und vielleicht war dem auch so.

Ich musste blinzeln, um ihn wieder klar sehen zu können, der Alkohol benebelt meine Sinne und erst, als Coles Körper mich stoppte, merkte ich, dass ich auf ihn zugegangen war. Wie hypnotisiert starrte ich auf seine Lippen. Die Lippen, die ich in der Küche bereits auf meinen gespürt hatte. Damals war ich mir unsicher gewesen, was das zwischen uns war. Und auch jetzt wusste ich es nicht. Ich hatte keine Ahnung, was passierte, wenn wir uns am Montag in Soziologie sahen. Doch plötzlich war es mir egal. Das einzige, was ich wollte, war, zu vergessen. Trotz des Alkohols war meine Erinnerung an den Streit mit meinen Eltern nicht verschwunden. Nur eine Person schaffte es, mich abzulenken. Und diese Person war Cole.

Ohne weiter nachzudenken stellte ich mich auf die Zehenspitzen, umfasste seine Jacke und küsste ihn. Seine Lippen fühlten sich noch besser an als beim letzten Mal, und ich musste ein Seufzen unterdrücken. Auch, wenn er mich jeden Moment wegstoßen würde, war es mir das wert gewesen.

Eine Sekunde später ließ Cole, wie erwartet, von mir ab. »Grace.«

Seine Stimme klang seltsam rau und ließ Stromschläge durch meinen Körper schießen.

Ich löste mich von ihm und sah mit rasendem Herzen trotzig zu ihm auf. »Was?«

Sein Blick wanderte über mein Gesicht, ich konnte den Sturm an Gefühlen, welchen ich ebenfalls verspürte, in seinen Augen lesen. »Nicht. Du bist betrunken.«

Ich schüttelte den Kopf und konnte den Blick nicht von seinen Lippen abwenden. »Das hier muss nichts bedeuten. Aus uns wird doch eh nichts, dann können wir auch rum machen.«

Über Coles Gesicht zog etwas, was ich nicht deuten konnte. Plötzlich unsicher machte ich einen Schritt zurück und deutete wage auf die Wohnungstür. »Sorry das war dumm. Wenn du gehen willst...«

Weiter kam ich nicht, da Cole einen Fluch ausstieß und mich mit einem Kuss unterbrach. Als seine Lippen auf meine trafen, keuchte ich überrascht auf. Mit der einen Hand umfasste er meine Hüfte und zog mich an sich, mit der anderen fuhr er in meinen Nacken, während seine Zunge über meine Lippen glitt. Flatternd schlossen sich meine Augen, in meinem Bauch tanzten Schmetterlinge, und ich fühlte mich seltsam befreit. Mit fahrigen Bewegungen wühlte ich meine Finger in seine Haare und presste meine Körper noch näher an seinen, als er mit der Zunge um Einlass gebot.

Ich öffnete meine Lippen, und als unsere Zungen sich berührten, stöhnten wir beide auf. Mit einer schnellen Bewegung entledigte Cole sich seiner Jacke und ließ sie achtlos auf einen der Küchenstühle fallen. Dann war er wieder bei mir. Seine Lippen trafen erneut auf meine, der Kuss war hungrig, wir waren süchtig nach dem anderen. Mir war heiß, zwischen uns war noch immer viel zu viel Kleidung und ich fragte mich, wie ich bis jetzt ohne Cole, ohne seine Berührungen, hatte überleben können.

Sein herber Geruch, sein fester Griff und die Dringlichkeit, mit der er mich um die Besinnung küsste, wagten mich umzuhauen. Cole umfasste meine Beine, hob mich hoch und presste mich eine Sekunde später an seinen Körper. Die Beule in seiner Hose, welche sich an meinen Unterleib drängte, brachte mich beinahe um den Verstand. Wir taumelten in dem schmalen Flur und stießen gegen Zolas Fahrrad, welches sie, aus Angst vor einem Diebstahl, immer mit in die Wohnung brachte.

»Sofa«, presste ich zwischen zwei Küssen hervor und krallte dann meine Finger in Coles weiche Haare, während er meinen Hals mit Küssen übersäte. Ich legte den Kopf in den Nacken und unterdrückte sein Seufzen, als seine Zähne meine empfindliche Haut streiften. Einen Moment später war Cole verschwunden, und ich spürte das weiche Polster der Couch in meinem Rücken. Bevor ich mich aufrichten konnte war er wieder über mir, sah mich durch lange Wimpern an und senkte sich dann auf mich hinab. Ich schlang meine Beine um seinen Körper, zog seinen Kopf mit den Händen zu mir hinab und küsst ihn erneut. Ich legte all meine Wut, meine Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit in den nächsten Kuss. Cole stieß ein Knurren aus, als ich provozierend die Hüfte hob, um ihm noch näher zu sein. Er umfasste mein Bein, seine Finger krallten sich in meine Haut.

Ich erkannte mich selbst kaum wieder. Lag es am Alkohol? An dieser Situation? Oder war es Cole, der mich Dinge fühlen ließ, die ich bis jetzt nicht kannte. Meine erste und letzte Beziehung war ein Jahr her und war mehr von dem Typen, als von mir ausgegangen. Mit ihm hatte sich Nähe normal angeführt. Es hatte dazugehört, da ich ihn gemocht hatte und wir ein Paar gewesen waren. Ich hatte gedacht, dass das wohl Liebe war. Schlussendlich war die Beziehung in die Brüche gegangen, da es sich für mich nicht mehr richtig angefühlt hatte.

Das hier mit Cole dagegen war etwas vollkommen anderes. Ich hatte das Gefühl, dass die Leidenschaft zwischen uns Funken sprühte. Schon wenn Cole eine Sekunde seine Lippen von meinen löste, sehnte ich mich nach ihm. Meine Finger begaben sich auf Wanderschaft, ich fuhr unter sein Shirt und keuchte auf, als ich seinen durchtrainierten Bauch spürte. Ich ließ die Hände weiter nach oben wandern, versuchte hastig jeden Zentimeter seines Körpers zu erkunden.

Während Coles Lippen weiterhin auf meinen lagen, seine Zunge meine so umtanzte, dass das Verlangen in mir stetig wuchs, hatte ich sein Shirt so weit es ging hochgeschoben. Ich drückte gegen seine Burst, er erhob sich und zog es mit einer schnellen Bewegung über den Kopf. Seine Haut war glatt und gebräunt, an der rechten Schulter und auf der Höhe seines Herzens konnte ich die schwarze Linien von Tattoos erkennen. Ich hätte gerne gewusst, welche Motive die Linien formten und was sie bedeuteten, doch ich war wie in Trance. Ich starrte auf seine trainierten Muskeln und spürte, wie eine weitere Hitzewelle mich überrollte. Als mein Blick auf Coles traf und ich das Verlangen in seine Augen sah, zog ich ihn wieder zu mir herunter und presste mich an seinen Körper, während meine Finger über seine Rücken kratzten. Cole brummte gegen meine Lippen und verfestigte seinen Griff um mein Bein. Ich verlor mich in dem nächsten wilden Kuss, der wie die vorigen voller Leidenschaft und Feuer war. Ich wollte einfach nur alles vergessen. Für einen Moment von meine Probleme befreit werden, das Gefühl verspüren, mein Leben unter Kontrolle zu haben. Ich ließ die Hände sinken und vergrub eine in seinen Haaren, während ich mit der anderen seine Gürtelschnalle umfasste. Doch plötzlich umfasste Coles Hand meine Finger. Er löste sich von mir und sah mich an. Etwas veränderte sich in seinem Gesichtsausdruck, und ich stockte.

»Grace.« Seine Stimme klang rau, doch trotzdem sanft. Er ließ meine Hand los und fuhr mit den Fingern über meine Wange. Seine Berührung fühlte sich auf meinem hitzigen Gesicht erfrischend kühl an. Und feucht. Erst jetzt merkte ich, dass ich weinte. Hastig wandte ich den Blick ab und fuhr mir mit einer fahrigen Bewegung über die Wangen.

»Alles gut, mach einfach weiter«, brachte ich leise hervor. Es war leichtsinnig, was wir hier taten. Was ich hier tat. Trotzdem wollte ich die Augen vor der Wirklichkeit verschließen. Ich wollte Cole erneut zu mir herunter ziehen, doch er schüttelte langsam den Kopf. Unsicher sah ich hin an, Angst machte sich in mir breit, und ich fühlte mich unter seinem durchdringenden Blick entblößt. »Ich dachte, du wolltest es auch...«

Cole schüttelte den Kopf und schluckte schwer, bevor sein Blick meinen traf. Gefühlvoll und ehrlich. »Verdammt, Grace. Du weißt nicht, wie schwer es mir fällt, mich zurückzuhalten...« Er schloss für einen Moment die Augen und als er mich jetzt ansah, wirkte er gefasster. »Aber ich werde diese Situation nicht ausnutzen. Du weinst«, sagte er vorsichtig und umfasste meine Hand, um sie von seinem Arm zu lösen.

»Ist doch egal«, hauchte ich und schloss die Augen, um mich zu sammeln. Alles was ich wollte, war, zu vergessen. »Nein, ist es nicht«, erwiderte Cole und zwang mich mit einer sanften Berührung an der Wange dazu, die Augen wieder zu öffnen. Inzwischen hatte er sich sein Shirt wieder angezogen. Ich hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Langsam richtete ich mich auf. Mir war schwindelig, mein Kopf schmerzte und meine Augen brannten. Ich wandte den Blick ab und zog mich von Cole zurück. Ich hatte in seinem Blick gesehen, dass er das, was eben geschehen war, bereute.

»Sorry, ich hätte dir nicht schreiben sollen.« Meine Stimme klang seltsam hohl und ich starrte an die Decke um meine Tränen zurückzuhalten. Ich wünschte mir, dass Cole es uns beiden leicht machte und einfach ging. Doch ein kleiner Teil von mir, der egoistische Teil, hoffte einfach nur, dass er blieb.

»Ich bin froh, dass du es getan hast.«

Coles Stimme war mit einem Mal näher als zuvor, und im nächsten Moment spürte ich seine Hand sanft über meinen Rücken streichen. Ich wagte es nicht, mich zu ihm umzudrehen, doch den nächste Schluchzer, welcher mich schüttelte, konnte ich nicht verbergen. Innerhalb von Sekunden hatte Cole mich in eine Umarmung gezogen. Ich verspannte mich unter seinen Berührungen, doch als er sich in die Kissen sinken ließ und meine Wange auf seiner Brust lag, entspannte ich mich langsam. In meinem Kopf drehte sich alles und meine Gedanken rasten, während die Anspannung von mir abfiel und ich einfach nur losließ und weinte.


____________________

Die Stimmung in diesem Kapitel einfach so: 📉📈📉📈📉 😂😂

Was meint ihr, wie geht es im nächsten Kapitel weiter? Aufwärts 📈 oder abwärts 📉 ?

Also ich freue mich auf das nächste Kapitel, bzw. die Reaktionen darauf... 🤫😂

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top